Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.08.2000, Az. 3 StR 307/00

3. Strafsenat | REWIS RS 2000, 1361

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[X.] DES VOLKESURTEIL3 [X.]/00vom23. August 2000in der [X.] versuchter Vergewaltigung u.a.- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 23. [X.], an der teilgenommen haben:Richterin am [X.]. [X.] als Vorsitzende,[X.] am [X.]. [X.],[X.],[X.],von [X.] als beisitzende Richter,Staatsanwältin in der Verhandlung,Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der [X.],Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird [X.] des [X.] vom 11. [X.] insoweit mit den Feststellungen aufgehoben,als das [X.] von der Anordnung der Siche-rungsverwahrung abgesehen hat.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuerVerhandlung und Entscheidung, auch über [X.] des Rechtsmittels, an eine andere Straf-kammer des [X.]s zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter [X.] Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Mißbrauch eines Kindes undmit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer dreijährigen Frei-heitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Mona-ten verurteilt, von der Anordnung der Sicherungsverwahrung jedoch abgese-hen. Die wegen der Fallbesonderheiten hier wirksam auf die Ablehnung dieserMaßregel beschränkte (vgl. [X.]R StGB § 66 Strafausspruch 1; [X.], 473), auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft [X.] -Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, daß die formellenVoraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3Satz 2 StGB vorliegen. Es hat den Angeklagten wegen eines versuchten [X.] nach § 177 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 2 a) und b) StGB in Tateinheit mit einemversuchten Verbrechen nach § 176 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] mit einer Straftat nach § 224 Nr. 2 und Nr. 5 StGB zu einer Einzelfrei-heitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die einbezogene Freiheitsstrafe aus demUrteil des [X.] hatte ein Verbrechen nach § 176 a Abs. 1Nr. 1 StGB in Tateinheit mit einer Straftat nach § 224 Nr. 5 StGB zum Gegen-stand. Die materielle Voraussetzung des Hanges i. S. von § 66 Abs. 1 Nr. 3StGB hat das [X.] hingegen verneint. Es hat nicht festzustellen ver-mocht, daß der Angeklagte infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten fürdie Allgemeinheit gefährlich sei. Vielmehr sei nicht auszuschließen, daß [X.] nach Auffassung des [X.]s ungünstige Prognose hinsichtlichweiterer auch sexueller Straftaten des Angeklagten nicht auf einem Hang, son-dern auf veränderbaren aktuellen Vorstellungen und Antrieben des Angeklag-ten beruhe ([X.]), in dessen jungem Alter Veränderungen noch eher mög-lich und zu erwarten seien ([X.]). Abgehoben hat das [X.] dabeiauch darauf, daß die Darstellung des Angeklagten, er habe keine Neigungenmehr zu Jungen, nicht widerlegt sei, möge sie auch von den gehörten [X.] für nicht überzeugend erachtet worden sein ([X.]); damit stehe [X.], daß der Angeklagte derzeit eine stabile sexuelle Orientierung zu männli-chen Kindern besitze; wegen der Jugend des zum Zeitpunkt der Taten 21 bzw.22 Jahre alten Angeklagten sei es auch nur schwer zu beurteilen, ob die [X.] einem eingeschliffenen Zustand oder auf einer vorübergehenden Phase inder Entwicklung des Angeklagten beruhten ([X.] -1. Die Darlegungen des [X.]s halten rechtlicher Prüfung [X.]. Ob ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten anzunehmen ist, be-urteilt sich bei § 66 Abs. 3 Satz 1 und 2 StGB wie in den Fällen des § 66 Abs. 1und 2 StGB danach, ob die Vorverurteilung und/oder die abzuurteilenden [X.] symptomatisch für die verbrecherische Neigung des [X.] und dievon ihm ausgehende Gefährlichkeit sind. Dies hat zur Folge, daß in den [X.] § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB die [X.] daraufhin zu würdigen sind, obaus ihnen bereits auf einen Hang zur Begehung "erheblicher Straftaten", na-mentlich solcher, die unter den Katalog des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB fallen,geschlossen werden kann, d.h., ob sich bereits in ihnen ein solcher Hang hin-reichend deutlich manifestiert hat (vgl. [X.]R StGB § 66 [X.] 1m.w.Nachw.). Dies gilt grundsätzlich auch für einen Täter, der [X.] Lebensjahr noch nicht wesentlich überschritten hat, wenngleich bei ihm [X.] besonders sorgfältiger Prüfung bedarf (vgl. [X.] § 66 II Gefährlichkeit 1; [X.], [X.]. vom 6. August 1997 - 2 [X.]/97, insoweit in [X.]R StGB § 72 Sicherungszweck 4 nicht [X.] hat innerhalb von drei Monaten zwei erhebliche Sexual-delikte begangen. Bei der ersten Tat kam es auf einer öffentlichen Toiletten-anlage mit einem 11 Jahre alten Jungen zum einvernehmlichen wechselseiti-gen [X.], ehe der Angeklagte seinen Finger und sein Glied in den [X.] des Opfers einführte. Erst als dieses unmittelbar danach mit der [X.] drohte, wurde der Angeklagte körperlich tätlich undgriff dem Opfer u.a. so fest an den Hals, daß später noch Rötungen zu sehenwaren. Der Junge wurde durch die Tat in seiner ohnehin erschwerten Entwick-lung durch ein posttraumatisches Belastungssyndrom von erheblichem Aus-maß weiter eingeschränkt. Bei der zweiten Tat hatte der Angeklagte einem- 6 -acht Jahre alten Jungen im [X.] in [X.] von hinten den [X.] um den Hals geschlungen und so fest und dauerhaft zugezogen, daßdas Opfer Stauungsblutungen im Kopfbereich erlitt und einmal kurzzeitig be-wußtlos wurde und dabei in die Gefahr einer Hirnschädigung und sogar [X.] geriet. Er wollte damit von vorneherein jeden Widerstand gegen dasVorhaben, seinen Finger und sein Glied in den After des Opfers einzuführen,unterdrücken. Gewaltsam öffnete der Angeklagte den Gürtel und die [X.] und ließ erst von seinem Opfer ab, als Jogger auf ihn aufmerksamwurden. Die Folgen der Tat waren für das Opfers erheblich: Der Junge wurdeals Folge leichter hirnorganischer Veränderungen infolge der Drosselung [X.], griff auch seiner Mutter mehrfach an den Hals und sprach mit ob-szönen Worten häufig sexuelle Themen an.Das Amtsgericht [X.] hatte bei der Verurteilung wegen der [X.] eine pädophile Neigung bei dem Angeklagten festgestellt. Fünfeinhalb [X.] nach diesem Urteil hat das [X.] nunmehr - von denselben Sach-verständigen beraten - festgestellt, beim Angeklagten lägen neben einer [X.] Ausrichtung "jedenfalls zur Tatzeit" eine pädophil-homophileOrientierung und soziopathische Persönlichkeitszüge vor. Bei der [X.] pädophilen Orientierung ist das [X.] den Gutachtern in einem ent-scheidenden Punkt nicht gefolgt. Diese hatten (aus psychologischer Sicht) einestabile pädophil-homophile Orientierung des Angeklagten, die mit [X.], aggressiven Neigungen verknüpft sei, sowie (aus [X.]) eine verfestigte pädophil-homosexuelle Neigung festgestellt. Das Land-gericht hat hingegen nicht auszuschließen vermocht, daß diese Neigung nichtverfestigt sei, sondern auf veränderbaren aktuellen Vorstellungen des Ange-klagten beruhe. Dabei durfte es sich nicht allein auf die Angaben des [X.] -klagten verlassen, er habe während der Haftzeit auch über sein Sexuallebennachgedacht, sei nunmehr zu der Überzeugung gekommen, daß er sich [X.] hingezogen fühle, und denke in sexuellem Zusammenhang nichtmehr an Jungen. Es hätte vielmehr einer Auseinandersetzung damit bedurft, obhierin nicht lediglich eine Schutzbehauptung des Angeklagten zu sehen ist,nachdem es das [X.] als unwiderlegt angesehen hatte, daß der Ange-klagte nach der ersten Straftat nicht mehr an sexuelle Handlungen mit [X.] haben will, gleichwohl aber die neue Tat zu dem Zeitpunkt beging, zudem eine kurzzeitige Beziehung mit einem Mädchen geendet hatte. Einer Ab-wägung dieser Aussage mit den durch die Sachverständigen [X.] hätte es bedurft, zumal der psychologische Sach-verständige dargelegt hatte, ihn überzeuge diese Erklärung des Angeklagtennicht, und der psychiatrische Sachverständige die eine sexuelle Orientierungprägende [X.] schon einer einzigen positiv erlebten [X.] hatte. Einer besonders sorgfältigen Prüfung hätte es zudem [X.], weil die zweite Tat eine in zweifacher Hinsicht gesteigerte Gewaltan-wendung durch den Angeklagten aufgewiesen hat: Er hat nicht nur bereits [X.] sofort Gewalt eingesetzt, die Gewaltanwendung war auch besondersgefährlich und mit einem hohen Lebensrisiko für das Opfer [X.] 8 -2. Sollte der neue Tatrichter auch die materielle Voraussetzung der [X.] feststellen, wird er nach pflichtgemäßem Ermessen überderen Anordnung zu entscheiden haben. Zu dem bei dieser [X.] anzulegenden Maßstab verweist der Senat auf seine Entscheidung[X.]R StGB § 66 III Begründung 1 = NStZ 1999, 473.[X.] [X.] [X.] [X.] von [X.]

Meta

3 StR 307/00

23.08.2000

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.08.2000, Az. 3 StR 307/00 (REWIS RS 2000, 1361)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1361

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