Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.11.2016, Az. V R 1/16

5. Senat | REWIS RS 2016, 2352

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Gegenstand

Ort der Lieferung in ein Konsignationslager - Aufteilung einer Gegenleistung in Entgelt und Umsatzsteuer - Änderung einer Zinsfestsetzung


Leitsatz

1. Für die Lieferortbestimmung nach § 3 Abs. 6 UStG muss der Abnehmer bereits bei Beginn der Versendung feststehen. Eine Versendungslieferung kann dann auch vorliegen, wenn der Liefergegenstand nach dem Beginn der Versendung für kurze Zeit in einem Auslieferungslager gelagert wird.

2. Vereinbaren die an einem Leistungsaustausch Beteiligten rechtsirrtümlich die Gegenleistung ohne Umsatzsteuer, ist der vereinbarte Betrag in Entgelt und darauf entfallende Umsatzsteuer aufzuteilen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des [X.] vom 6. November 2015  1 K 1983/13 U, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 13. Mai 2013, die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2010 vom 6. Januar 2012 sowie die jeweils dazu ergangenen Zinsbescheide 2005 bis 2009 aufgehoben.

Die Umsatzsteuer wird unter Abänderung der Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2010 des Beklagten vom 6. Januar 2012 auf den Betrag festgesetzt, der sich ergibt, wenn die von der Beigeladenen gezahlten Beträge in die ([X.] )Bemessungsgrundlage und die Umsatzsteuer aufgeteilt werden.

Die [X.] werden unter Änderung der Bescheide 2005 bis 2009 vom 6. Januar 2012 insoweit herabgesetzt, als Zinsen nur auf die herabgesetzte Umsatzsteuer erhoben werden.

Die Berechnung der Steuer und der Zinsen wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Klägerin zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5 zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob über ein sog. [X.] ausgeführte Lieferungen der in [X.] ansässigen Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) an die im Inland ansässige Beigeladene in der [X.] ([X.]) steuerbar und steuerpflichtig sind oder in [X.] steuerbare, aber steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen darstellen.

2

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft [X.] Rechts ([X.]) mit Sitz in [X.]. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Entwurf, die Herstellung und der Vertrieb von Computern, der Handel mit Computern, elektronischen Produkten, Zubehör und Peripheriegeräten sowie die Erteilung von Dienstleistungen in diesem Zusammenhang.

3

Die Klägerin ist Geschäftspartnerin der Beigeladenen, einer Großhändlerin der Informations- und Kommunikationstechnologie mit Sitz in [X.]. In den Streitjahren (2005 bis 2010) lieferte die Klägerin Waren (Bildschirme) an die Beigeladene. Die Waren wurden dabei von der Klägerin aus [X.] in ein auf dem Betriebsgelände der Beigeladenen befindliches [X.] verbracht. Grundlage war ein zwischen der Klägerin und der Beigeladenen getroffenes "Consignment Distribution Agreement" ([X.]) vom 14. April 2003. Die Beigeladene war gemäß des [X.] verpflichtet, den von der Klägerin angelieferten Konsignationsbestand in einem gesonderten von ihr betriebenen Lager zu lagern, zu dem allein die Beigeladene Zugang hatte. Die Klägerin war nur nach einer angemessenen Vorankündigung berechtigt, das Lager zum Zwecke einer Inventur zu betreten. Die Beigeladene war dazu berechtigt, den Konsignationsbestand im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebs an ihre Kunden zu veräußern. Die Klägerin blieb solange Eigentümerin des [X.], bis die Beigeladene der Klägerin --einmal wöchentlich-- eine Aufstellung des in der Vorwoche an ihre Kunden verkauften [X.] übermittelt hatte. Der Verkaufspreis der Klägerin an die Beigeladene wurde an dem Tag, an dem die Beigeladene den Konsignationsbestand weiter veräußerte, bestimmt. Der Konsignationsbestand wurde von der Beigeladenen bei der Klägerin auf Grundlage der gemeinsam vereinbarten Einlagerungsrichtlinien bestellt. Die Klägerin war verpflichtet, den Konsignationsbestand mindestens drei Wochen im Lager zu belassen; nach Ende dieses Zeitraumes war die Beigeladene berechtigt, den gesamten Bestand oder einen Teil davon an die Klägerin zurückzusenden.

4

Die Klägerin behandelte die Veräußerungen an die Beigeladene als in [X.] nicht steuerbar und erklärte diese in [X.] als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Damit korrespondierend erklärte die Beigeladene innergemeinschaftliche Erwerbe in entsprechender Höhe in [X.] und zog die darauf entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer ab.

5

Dem folgte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) nicht und behandelte in den geänderten [X.] 2005 bis 2010 vom 6. Januar 2012 die Lieferungen der Klägerin an die Beigeladene als steuerbar und steuerpflichtig und setzte Nachzahlungszinsen fest. Der Einspruch war erfolglos.

6

Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das [X.] die Bemessungsgrundlage der von der Klägerin an die Beigeladene ausgeführten Lieferungen nicht um die Umsatzsteuer, die in den vereinnahmten Beträgen enthalten war, gemindert hatte. Im Übrigen wies das Finanzgericht ([X.]) die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2016, 234 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.

7

Soweit die Klägerin sich gesondert gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen wende, sei die Klage schon mangels fristgemäß eingelegten Einspruchs unbegründet.

8

Auch im Übrigen sei die Klage im Wesentlichen unbegründet, weil die Lieferungen am Ort des streitgegenständlichen [X.]s in [X.] ausgeführt worden seien. Bei dem Transport der Waren aus [X.] in das [X.] [X.] habe es sich nicht um eine Beförderung oder Versendung an den Abnehmer [X.] von § 3 Abs. 6 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG) gehandelt, sondern um ein in [X.] steuerbares, aber steuerbefreites innergemeinschaftliches Verbringen, das mit einem in [X.] steuerbaren und steuerpflichtigen und zum Vorsteuerabzug berechtigenden innergemeinschaftlichen Erwerb der Beigeladenen korrespondiere. Erst mit der Veräußerung der in dem [X.] befindlichen Ware durch die Beigeladene an ihre Kunden sei eine zeitgleiche Lieferung der Klägerin an die Beigeladene am Ort des [X.]s erfolgt.

9

[X.] in ein [X.] führe nur dann zu einer am Ort des Beginns der Beförderung oder Versendung erfolgenden Lieferung an den Abnehmer, wenn der Abnehmer die Ware zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung in das [X.] bereits verbindlich bestellt habe.

Der Klage sei aber im Umfang der in den von der Klägerin vereinnahmten Beträgen enthaltenen Umsatzsteuer stattzugeben, denn Bemessungsgrundlage sei der vereinnahmte Nettopreis abzüglich der Umsatzsteuer. Denn aufgrund des Irrtums über die Steuerpflicht der Lieferungen sei das vereinbarte Entgelt teilweise uneinbringlich [X.] von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG geworden.

Hiergegen haben sowohl die Klägerin als auch das [X.] Revision eingelegt.

Die Klägerin trägt vor, § 3 Abs. 6 UStG knüpfe zwar an eine konkrete Lieferung an, aus dem Wortlaut, der systematischen Stellung, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Norm ergebe sich aber, dass es für die Anwendung der [X.] nicht auf den Zeitpunkt der Lieferung ankomme; diese könne der Beförderung oder Versendung auch vor- oder nachgelagert sein. Für die tatbestandliche Verknüpfung der Lieferung mit der Beförderung oder Versendung sei es ausreichend, dass der Gegenstand der Lieferung mit dem Gegenstand der Beförderung oder Versendung identisch sei. Eine zeitliche Verknüpfung von Beförderung oder Versendung einerseits und Lieferung andererseits sehe § 3 Abs. 6 UStG nicht vor. Ob und zu welchem Zeitpunkt eine Lieferung vorliege, sei vielmehr in § 3 Abs. 1 UStG geregelt.

Das entspreche auch Sinn und Zweck von § 3 Abs. 6 UStG, der darin bestehe, die Umsatzbesteuerung von grenzüberschreitenden Warenlieferungen zu vereinfachen. Durch die einheitliche Festlegung eines [X.] für sämtliche Beförderungs- und [X.] werde es dem Unternehmer ermöglicht, die umsatzsteuerrechtliche Abwicklung unabhängig vom Bestimmungsland in seinem Heimatland vorzunehmen.

Selbst wenn man demgegenüber von der Notwendigkeit eines im Zeitpunkt der Beförderung oder Versendung bereits ausgeführten Umsatzgeschäftes ausgehe, sei diese Voraussetzung vorliegend erfüllt. Denn durch die Konsignationsvereinbarung sei die Beigeladene befähigt gewesen, wie ein Eigentümer frei über die [X.] zu verfügen. Die Beigeladene habe die Gefahr des Untergangs oder der Beschädigung der [X.] getragen und folglich mit der Einbringung der Waren in das [X.] Verfügungsmacht daran erlangt.

Die Klägerin beantragt,

1.    

unter teilweiser Aufhebung des [X.]-Urteils die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2010 vom 6. Januar 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 2013 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Umsatzsteuer

        

um ... € für 2005,

        

... € für 2006,

        

... € für 2007,

        

... € für 2008,

        

... € für 2009 und

        

... € für 2010

        

herabgesetzt und die Festsetzung von Nachzahlungszinsen aufgehoben wird;

2.    

die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Das [X.] beantragt,
das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Das [X.] sei zu Unrecht von der Uneinbringlichkeit der Umsatzsteuer ausgegangen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung der Zinsbescheide, soweit das [X.] auch auf den Differenzbetrag erhoben hat, der sich bei Berechnung der Umsatzsteuer aufgrund der vom [X.] angenommenen Bemessungsgrundlage in Höhe der vollen von der Beigeladenen gezahlten Beträge und der um die darin [X.] Umsatzsteuer reduzierten Bemessungsgrundlage ergibt (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) --zu [X.]. Im Übrigen ist die Revision der Klägerin unbegründet, weil das [X.] zu Recht entschieden hat, dass die streitigen Umsätze der Klägerin im Inland der Umsatzsteuer unterliegen (zu 1.).

Die Revision des [X.] ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Im Ergebnis hat das [X.] zu Recht entschieden, dass die Bemessungsgrundlage durch Herausrechnen der Umsatzsteuer aus den von der Beigeladenen gezahlten Beträgen festzusetzen ist (zu 2.).

1. Die streitigen Umsätze der Klägerin sind im Inland steuerbar, weil sich der Ort der Lieferungen der Klägerin an die Beigeladene nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG und nicht nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt. Da das Umsatzsteuerrecht kein Sonderrecht für [X.] kennt, richtet sich die Bestimmung des [X.] nach den allgemeinen Grundsätzen ([X.], [X.], 299, 302).

a) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten [X.] befördert oder versendet, gilt die Lieferung gemäß § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen [X.] beginnt. Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur [X.] der Verfügungsmacht befindet (§ 3 Abs. 7 Satz 1 UStG).

b) Diese Regelungen beruhen unionsrechtlich auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.]; ab 1. Januar 2007 Art. 31, 32 der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

c) § 3 Abs. 6 UStG setzt eine Versendung an den Abnehmer voraus. Dieser muss daher im Zeitpunkt der Versendung feststehen (zur näheren Begründung s. Urteil des [X.] --BFH-- vom 20. Oktober 2016 V R 31/15, zur amtlichen [X.] vorgesehen; BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 V R 24/05, [X.], 476, [X.], 490, Rz 44; vom 30. Juli 2008 XI R 67/07, [X.] 222, 138, [X.] 2009, 552, Rz 13; wohl auch BFH-Urteil vom 25. Februar 2015 XI R 15/14, [X.] 249, 343, Rz 56 f.; [X.] in [X.]/Wäger, [X.], Rz 864; [X.] in [X.]/Widmann/[X.], UStG, § 3 Abs. 6 Rz 48; [X.] in Weymüller, UStG, [X.] 2015, § 3 Rz 332.1, 341, 342; [X.] in Sölch/Ringleb, § 3 Rz 459, 474; Lippross, Umsatzsteuer, S. 188; [X.] in [X.]/[X.], UStG, § 3 Rz 118; Nieskens in [X.], UStG, § 3 Rz 3430 ff.; [X.] in [X.]/[X.], § 3 Abs. 6 Rz 40; ebenso Abschn. 1a.2 Abs. 6, Abschn. 3.1 Abs. 3 Satz 5 sowie Abschn. 3.12 Abs. 3 Satz 7 des [X.]; a.[X.] in Reiß/[X.]/[X.], UStG, § 3 Rz 604 ff.; Reiß in Reiß/[X.]/[X.], UStG, § 13 Rz 17 ff.; [X.], [X.], 3. Aufl., § 3 Rz 124 ff.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], UStG, § 3 Rz 587 ff.; [X.], [X.], 889; Hummel, UR 2007, 757).

d) Nach diesen Grundsätzen befand sich der Ort der streitigen Lieferungen am Ort des [X.]s im Inland, weil bei Versendung der Waren der Abnehmer noch nicht feststand. Erst mit der Entnahme der Waren aus dem [X.] war sicher, dass die Beigeladene die Gegenstände behalten werde und bereit war, hierfür den Kaufpreis zu entrichten. Nach den zwischen der Klägerin und der Beigeladenen in dem [X.] getroffenen Regelungen wurde ein verbindlicher Kaufvertrag zwischen den [X.] erst nach der Einlagerung der Waren geschlossen, weil die Beigeladene nicht von vornherein dazu verpflichtet war, die von der Klägerin in das Lager verbrachten Waren abzunehmen. Die Beigeladene war auch erst nach der Entnahme der Waren aus dem [X.] zur Zahlung verpflichtet (vgl. hierzu BFH-Urteil in [X.], 476, [X.], 490, Rz 47).

Die Einlagerung in das [X.] der Beigeladenen führte deshalb nicht lediglich zu einer nur kurzen Unterbrechung der begonnenen Versendung an den bereits feststehenden Abnehmer (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 20. Oktober 2016 V R 31/15; Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 18. November 2010 [X.]/09, [X.]:C:2010:693, Rz 33).

2. Das [X.] hat im Ergebnis auch zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin zugrunde zu legende Bemessungsgrundlage durch Herausrechnen der Umsatzsteuer aus den von der Beigeladenen gezahlten Beträgen zu ermitteln ist.

Das ist allerdings --im Gegensatz zu der vom [X.] vertretenen Auffassung-- nicht auf eine (teilweise) Uneinbringlichkeit des Entgeltes gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zurückzuführen. Denn für Umsätze, die ein Steuerpflichtiger in seinen Steuererklärungen nicht angibt --auch bei Rechtsirrtum über deren Steuerbarkeit--, entsteht die Umsatzsteuer ebenso wie bei ordnungsgemäß erklärten Umsätzen (BFH-Urteil vom 20. Januar 1997 V R 28/95, [X.] 183, 353, [X.] 1997, 716, Rz 24). Auch bei einem Rechtsirrtum über die Steuerbarkeit von Lieferungen und sonstigen Leistungen wird der Umsatz gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Das gilt auch, wenn die Beteiligten rechtsirrtümlich die Gegenleistung ohne Umsatzsteuer vereinbaren. Der vereinbarte Betrag ist danach in Entgelt und darauf entfallende Umsatzsteuer aufzuteilen (vgl. BFH-Urteile vom 22. April 2015 XI R 43/11, [X.] 249, 315, [X.] 2015, 755, Rz 37; in [X.] 183, 353, [X.] 1997, 716, unter II.2.d).

3. Das [X.] verletzt aber § 233a Abs. 5 der Abgabenordnung [X.]), indem es die Festsetzung von Nachzahlungszinsen bestätigt hat.

a) Obwohl gemäß § 233a Abs. 4 AO die Festsetzung von Zinsen mit der Steuerfestsetzung verbunden werden soll, bleiben [X.] und Steuerfestsetzung eigenständige Bescheide ([X.] vom 23. Dezember 2002 IV B 13/02, [X.] 2003, 737, Rz 5). Das [X.] hat deshalb zu Recht erkannt, dass die Frist (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO) für den gesonderten Einspruch gegen die [X.] im Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs am 22. März 2012 abgelaufen war. Die am 6. Januar 2012 per Post an eine ausländische Anschrift übermittelten Zinsbescheide galten gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO am 6. Februar 2012 als bekannt gegeben. Die Einspruchsfrist war daher gemäß § 54 Abs. 2 [X.]O i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO), §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]) am 6. März 2012 (Dienstag) abgelaufen.

b) Das [X.] hat allerdings verkannt, dass Zinsen als steuerliche Nebenleistung grundsätzlich das Schicksal der ihnen zugrunde liegenden Hauptforderung teilen ([X.] in [X.]/[X.]/ [X.], § 233a AO Rz 66). Aus diesem Grund ist gemäß § 233a Abs. [X.] die bisherige [X.] zu ändern, wenn die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt wird. Ohne Belang ist, auf welcher Rechtsgrundlage die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung beruht. Erfasst sind deshalb auch Änderungen und Aufhebungen im Rechtsbehelfsverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren, soweit das Gericht in der Sache selbst entscheidet (Loose in Tipke/[X.], § 233a AO Rz 50, 51). Das [X.] hätte deshalb aus seiner Sicht entsprechend der Herabsetzung der Umsatzsteuer auch die [X.] ändern müssen.

4. Die Übertragung der Berechnung der Nachzahlungszinsen auf das [X.] beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 [X.]O.

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 [X.]O.

Meta

V R 1/16

16.11.2016

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 6. November 2015, Az: 1 K 1983/13 U, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 UStG 2005, § 3 Abs 6 UStG 2005, § 3 Abs 7 UStG 2005, § 17 Abs 2 Nr 1 UStG 2005, Art 8 EWGRL 388/77, Art 31 EGRL 112/2006, Art 32 EGRL 112/2006, § 54 Abs 2 FGO, § 100 Abs 2 FGO, § 121 FGO, § 122 Abs 2 Nr 2 AO, § 233a Abs 4 AO, § 222 Abs 1 ZPO, § 222 Abs 2 ZPO, § 187 Abs 1 BGB, § 188 Abs 2 BGB, § 10 Abs 1 UStG 2005, UStG VZ 2005, UStG VZ 2006, UStG VZ 2007, UStG VZ 2008, UStG VZ 2009, UStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.11.2016, Az. V R 1/16 (REWIS RS 2016, 2352)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2352

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