Bundessozialgericht, Urteil vom 12.10.2017, Az. B 11 AL 17/16 R

11. Senat | REWIS RS 2017, 4040

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Ruhen des Arbeitslosengeldes - Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe - Prüfung des wichtigen Grundes zum Zeitpunkt des Abschlusses einer Altersteilzeitvereinbarung - beabsichtigter nahtloser Übergang in die Altersrente - Prognose - geänderte Rentenpläne wegen nachträglicher Änderung der Rechtslage - tatsächliche Feststellungen - objektive Begleitumstände - subjektive Absicht zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente


Leitsatz

Zur Prüfung eines wichtigen Grundes für den Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung iS der Sperrzeitregelung im SGB III sind ausreichende tatsächliche Feststellungen zu den objektiven Begleitumständen zur Feststellung der subjektiven Absicht einer Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente erforderlich.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 9. Juni 2016 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine zwölfwöchige Sperrzeit und eine entsprechende Minderung des Anspruchs auf [X.] nach Abschluss eines [X.].

2

Der am [X.] geborene Kläger war von 1989 bis Ende Juli 2014 bei dem [X.] L (im Folgenden: Arbeitgeber) als Verwaltungsleiter versicherungspflichtig beschäftigt. Am 28.12.2006 schloss er mit seinem Arbeitgeber einen Altersteilzeitvertrag, der das bis dahin unbefristete Arbeitsverhältnis ab 1.8.2008 in ein bis zum 31.7.2014 befristetes Arbeitsverhältnis umwandelte. Dabei wurde vereinbart, dass die Altersteilzeitarbeit im Blockmodell mit einer Arbeitsphase bis zum 31.7.2011 (59. Lebensjahr) sowie einer anschließenden Freistellungsphase geleistet wird. Ab [X.] war der Kläger bei einer Kirchengemeinde in [X.] als Hausmeister mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 3,5 Stunden tätig. Nach eigenen Angaben führte er eine auf zwei Stunden wöchentlich begrenzte selbstständige Tätigkeit als Reiseleiter fort.

3

Nachdem sich der Kläger zum [X.] arbeitslos gemeldet hatte, stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen sowie das Ruhen des [X.]-Anspruchs vom [X.] bis 23.10.2014 fest und minderte die Dauer des Leistungsanspruchs um 180 Tage. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund selbst gelöst (Bescheid vom 21.7.2014; Widerspruchsbescheid vom 13.8.2014). Mit gesondertem Bescheid bewilligte sie [X.] ab 24.10.2014 (Bescheid vom 21.7.2014; Änderungsbescheid vom [X.]). Altersrente für besonders langjährig Versicherte bezog der Kläger ab 1.8.2015.

4

Das [X.] hat die Bescheide der Beklagten vom 21.7.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2014 "aufgehoben bzw abgeändert" und die Beklagte verurteilt, dem Kläger [X.] für die Zeit vom [X.] bis zum 23.10.2014 in gesetzlicher Höhe zu gewähren (Urteil vom 13.5.2015).

5

Auf die Berufung der Beklagten hat das L[X.] das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, mit Abschluss des [X.] habe der Kläger die für den Eintritt der Sperrzeit maßgebliche Beschäftigungslosigkeit bewusst in Kauf genommen. Ein wichtiger Grund für sein Verhalten sei nicht ersichtlich. Der Kläger habe vorgetragen, erst aufgrund des Renten-Verbesserungsgesetzes zum 1.7.2014 sei eine Änderung der Rechtslage eingetreten, die es ihm ermöglicht habe, mit 63 Jahren als langjährig Versicherter abschlagsfrei eine Altersrente zu beziehen. Dies habe ihn bewogen, seine ursprüngliche Absicht, nach der Freistellungsphase mit 62 Jahren eine Altersrente mit Abschlägen zu beziehen, aufzugeben und veranlasst, sein Rentenbegehren um ein Jahr zu verschieben. Die rein subjektive Vorstellung des [X.] sei damit zwar ersichtlich, objektive Anhaltspunkte für ein prognostisches Ausscheiden nach Beendigung der Altersteilzeit seien dem jedoch nicht zu entnehmen. Selbst wenn den Angaben des [X.] prognostisch ein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nach Beendigung der Altersteilzeit beizumessen wäre, könne sich der Kläger nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Ein wichtiger Grund im Zeitpunkt des Vertragsschlusses müsse "im Sinne einer Perpetuierung" weiter gegeben sein, wenn sich allein die Motivationslage des Versicherten geändert habe, ihm aber ein Handeln entsprechend des wichtigen Grundes weiterhin rechtlich möglich und zumutbar sei. Da er die ihm weiterhin offen stehende Option eines Rentenantrags mit 62 Jahren unter Hinnahme von Abschlägen nicht wahrgenommen, sondern den Weg in die Arbeitslosigkeit gewählt habe, könne sich der Kläger nicht auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes berufen.

6

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 159 [X.]B III. Er könne sich auf einen wichtigen Grund berufen, weil er nach der im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 28.12.2006 geltenden Rechtslage nahtlos von der Freistellungsphase in den Rentenbezug mit einer vorzeitigen Altersrente mit Abschlägen habe wechseln können. Nur weil der Gesetzgeber überraschend mit Wirkung zum 1.7.2014 die Möglichkeit geschaffen habe, nach Vollendung des 63. Lebensjahres abschlagsfrei mit weitreichenden finanziellen Auswirkungen eine Altersrente für besonders langjährige Versicherte zu beziehen, habe er von seinen ursprünglichen Rentenplänen Abstand genommen.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 9. Juni 2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. Mai 2015 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]G). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen durch das [X.] ist der Senat an einer abschließenden Entscheidung gehindert.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 21.7.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2014. Mit diesem hat die Beklagte die Bewilligung von [X.] wegen des Eintritts einer Sperrzeit sowie das Ruhen des Anspruchs auf [X.] für die Zeit vom [X.] bis 23.10.2014 abgelehnt und eine Minderung des [X.]-Anspruchs um 180 Tage verfügt. Weiter einbezogen ist auch der Bescheid vom 21.7.2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom [X.], mit dem die Beklagte [X.] erst für den Zeitraum ab 24.10.2014 bewilligt hat. Die [X.] bilden eine einheitliche rechtliche Regelung (vgl nur [X.] vom 16.9.1999 - [X.] [X.] 32/98 R - [X.], 270, 271 = [X.]-4100 § 119 [X.]). Gegen die [X.] wendet sich der Kläger zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 [X.]G).

Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger mit seiner Arbeitslosmeldung ein Stammrecht auf [X.] erworben und der Anspruch auf [X.] wegen des Eintritts einer Sperrzeit geruht hat.

Nach § 137 Abs 1 [X.] haben Arbeitnehmer Anspruch auf [X.] bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind ([X.]), sich bei der [X.] arbeitslos gemeldet ([X.]) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben ([X.]). Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich der Kläger bei der [X.] am [X.] mit Wirkung zum [X.] persönlich arbeitslos gemeldet (§ 137 Abs 1 [X.], § 141 [X.]) und die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 137 Abs 1 [X.], § 142 [X.]). Ob der Kläger in dem streitigen Zeitraum auch arbeitslos war, ist noch nicht abschließend festgestellt. Nach § 138 Abs 1 [X.] ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden ([X.]) und 3. den Vermittlungsbemühungen der [X.] zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Die Ausübung einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit schließt eine Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst, wobei die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten zusammengerechnet werden (vgl § 138 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 und Satz 2 [X.]). Der Kläger ist im streitbefangenen Zeitraum neben der Tätigkeit als Hausmeister mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 3,5 Stunden weiterhin einer selbstständigen Tätigkeit als Reiseleiter nachgegangen. Zu deren Umfang hat das [X.] noch keine Feststellungen getroffen. Maßgebend ist insofern der gesamte, mit der Ausübung der selbstständigen Tätigkeit verbundene Zeitaufwand (incl der Vor- und Nachbereitungszeiten), wobei - hiervon ausgehend - bei vorausschauender Betrachtung (Prognose) die durchschnittliche Arbeitszeit ermittelt werden muss (vgl dazu Söhngen in Eicher/[X.], [X.], § 138 Rd[X.] 69 ff, Stand November 2013; [X.] in [X.], Kommentar zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, § 138 [X.] Rd[X.]7).

Ferner kann der Senat auch nicht abschließend beurteilen, ob der Zahlungsanspruch auf [X.] aus einem erworbenen Stammrecht wegen des Eintritts einer Sperrzeit ruhte. Nach § 159 Abs 1 Satz 1 [X.] ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer [X.] verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 159 Abs 1 Satz 2 [X.] Halbsatz 1 Alt 1 [X.] vor - nur dieser Tatbestand kommt hier in Betracht -, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Sperrzeit beginnt nach § 159 Abs 2 [X.] mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, also in Anwendung des Abs 1 Satz 2 [X.] mit dem ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit.

Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass der Kläger das Beschäftigungsverhältnis dadurch gelöst hat, dass er mit seinem Arbeitgeber im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung das unbefristete Arbeitsverhältnis in ein befristetes umgewandelt hat. Dadurch ist er nach dem Ende der Freistellungsphase zum [X.] beschäftigungslos geworden (vgl [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 6/08 R - [X.], 90 = [X.]-4300 § 144 [X.]8, Rd[X.]6 ff). Er hat seine Arbeitslosigkeit auch zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis, führt er nach ständiger Rechtsprechung des [X.] seine Arbeitslosigkeit jedenfalls grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat (vgl [X.] vom 17.11.2005 - [X.]/11 [X.] 49/04 R - [X.]-4300 § 144 [X.]0 Rd[X.]4; [X.] vom 2.5.2012 - B 11 [X.] 6/11 R - [X.]E 111, 1 = [X.]-4300 § 144 [X.]3, Rd[X.]5). Solche konkreten Aussichten bestanden nach den bindenden Feststellungen des [X.] nicht.

Ob sich der Kläger für sein Verhalten auf einen wichtigen Grund berufen konnte, ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Diese soll die Versichertengemeinschaft vor Risikofällen schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen, ein wichtiger Grund im Sinne des [X.] muss vielmehr objektiv gegeben sein ([X.] vom [X.] - [X.] [X.] 33/09 R - [X.]-4300 § 144 [X.]1 Rd[X.]2; [X.] vom 2.5.2012 - B 11 [X.] 6/11 R - [X.]E 111, 1 = [X.]-4300 § 144 [X.]3, Rd[X.]7; [X.], [X.] 2005, 281, 285; Eicher, [X.] 2005, 553, 555). Dabei hat der wichtige Grund nicht nur die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern gerade auch den konkreten Zeitpunkt der Beendigung zu umfassen ([X.] vom 17.10.2002 - [X.] [X.] 136/01 R - [X.]-4300 § 144 [X.]2, Rd[X.]9; [X.] vom 17.11.2005 - [X.]/11 [X.] 49/04 R - [X.]-4300 § 144 [X.]0, Rd[X.]7).

Für die Fallgestaltung der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch [X.] hat der 7. Senat des [X.] diese Rechtsprechung mit Urteil vom [X.] ([X.] [X.] 6/08 R - [X.], 90 = [X.]-4300 § 144 [X.]8) konkretisiert. Ein Arbeitnehmer könne sich auf einen wichtigen Grund berufen, wenn er bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtige, nahtlos von der Freistellungsphase der Altersteilzeit in den Rentenbezug zu wechseln und eine entsprechende Annahme bei prognostischer Betrachtung objektiv gerechtfertigt sei. Die Beurteilung des künftigen Verhaltens des Arbeitnehmers sei dabei abhängig von der rentenrechtlichen Situation sowie davon, ob bzw wie er diese unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Nachfragen bei sachkundigen Stellen eingeschätzt habe. Dieser Rechtsauffassung, die in der Literatur einhellige Zustimmung erfahren hat (vgl zB Gagel, jurisPR-[X.] 26/2009 [X.] 2; [X.]/Heikel, [X.] 2010, 307, 307 f; [X.] in Küttner, Personalbuch, 24. Aufl 2017, Stichwort "Altersteilzeit" Rd[X.] 42; [X.] in [X.], [X.], 16. Aufl 2015, § 84 Rd[X.]), ist der erkennende Senat mit Urteil vom 12.9.2017 (B 11 [X.] 25/16 R, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) beigetreten.

Für sie spricht - wie der 7. Senat in dem vorbezeichneten Urteil eingehend dargetan hat - der Sinn und Zweck des Altersteilzeitgesetzes (hier in der bis zum 28.12.2007 gültigen Fassung vom 23.12.2003, [X.] 2848). Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Altersteilzeit das Ziel verfolgt, die Praxis der Frühverrentung durch eine neue, sozialverträgliche Möglichkeit eines gleitenden Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand (Altersteilzeitarbeit) abzulösen. Insoweit war es das erklärte Ziel des Gesetzgebers, der Frühverrentungspraxis unter Nutzung des damals rechtlich möglichen vorgezogenen [X.] wegen Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken und die Sozialversicherung - insbesondere die [X.] ([X.]) - durch die Einführung der Altersteilzeit zu entlasten (vgl [X.], [X.], 22 f). Vor diesem Hintergrund kann einem Arbeitnehmer, der sich - wie hier der Kläger - dieser Gesetzesintention entsprechend verhält und nach der Altersteilzeit nahtlos in den Rentenbezug wechseln will, der Abschluss eines [X.]s nicht vorgeworfen werden, wenn prognostisch, gestützt auch auf objektive Umstände, von einem solchen Willen zum direkten Übergang auszugehen war (vgl bereits [X.] vom [X.] [X.] 25/16 R, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

Zu diesen Voraussetzungen fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts. Zwar nimmt das [X.] in gleicher Weise wie das [X.] eine subjektive Absicht des [X.] zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Rente an; es fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen zu den objektiven Begleitumständen. Das Berufungsgericht bezieht sich bei der Beurteilung des Vorliegens eines wichtigen Grundes im Zeitpunkt des Abschlusses der Altersteilzeitvereinbarung allein auf den Klägervortrag, indem es darauf hinweist, dass dem Vortrag zwar seine rein subjektive Vorstellung, nicht jedoch objektive Anhaltspunkte für ein prognostisches Ausscheiden nach Beendigung der Altersteilzeit zu entnehmen seien. Das [X.] hat jedoch keine eigenen Feststellungen zum Vorhandensein bzw Nichtvorliegen von (möglichen) objektiven Begleitumständen (zB Abklärung der tatsächlich vorhandenen Möglichkeit der Inanspruchnahme einer vorgezogenen Rente mit Bezug zu etwaigen damit verbundenen Abschlägen, vor Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung von dem Kläger eingeholte Informationen, insbesondere sachkundiger Stellen) getroffen (vgl auch Urteil des Senats vom [X.] [X.] 25/16 R, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Nicht ausreichend ist, dass einem ohne gerichtliche Sachaufklärungsanfragen erfolgten Vortrag des [X.] keine objektiven Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wichtigen Grundes entnommen werden können. § 159 Abs 1 Satz 3 [X.], wonach eine Person, die sich [X.] verhalten hat, die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen hat, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder in ihrem Verantwortungsbereich liegen, entbindet weder die [X.] noch die Gerichte von den sie treffenden Amtsermittlungspflichten (§ 20 [X.]B X, § 103 [X.]G). Auf nähere Ermittlungen zu nicht dargelegten, aber erkennbaren Umständen darf - auch unter Berücksichtigung des § 159 Abs 1 Satz 3 [X.] - nicht verzichtet werden (vgl [X.] in Eicher/[X.], [X.], § 159 Rd[X.] 500, Stand August 2016). Erst wenn feststeht, dass weitere Ermittlungen nicht mehr möglich bzw unzumutbar sind und auch im Rahmen der Beweiswürdigung keine Entscheidung (positiv wie negativ) getroffen werden kann, kommt eine solche nach Beweislastgrundsätzen in Betracht ([X.] vom 20.10.2005 - [X.]a/7 [X.] 102/04 R - [X.]-1500 § 103 [X.] 5, Rd[X.]5). Allerdings hat das [X.] hier keine Beweislastentscheidung getroffen, sondern hat - unter Berücksichtigung eines nach seiner Rechtsauffassung vorhandenen weiteren Gesichtspunkts für das Fehlen eines wichtigen Grundes (dazu sogleich) - es im Ergebnis dahingestellt sein lassen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bejahung eines wichtigen Grundes vorliegen.

Die weiteren Feststellungen sind auch nicht deshalb aus Rechtsgründen entbehrlich, weil der Kläger - wie das [X.] meint - entgegen seiner ursprünglichen Absicht keine Altersrente mit Abschlägen beantragt hat, obwohl ihm dies nach den Feststellungen des [X.] möglich gewesen wäre. Für die Annahme, die Änderung der Absicht des [X.] bedürfe ihrerseits eines wichtigen Grundes, um den für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses wichtigen Grund aufrechtzuerhalten, fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Ein Nachverhalten wäre nur dann von Bedeutung, wenn sich mit ihm ein - hier nicht vorliegendes - [X.]es Verhalten verbinden würde (vgl hierzu im Einzelnen Urteil des Senats vom [X.] [X.] 25/16 R, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; [X.] in Eicher/[X.], [X.], § 159 Rd[X.]86c, Stand August 2016; [X.] in Brand, [X.], 7. Aufl 2015, § 159 Rd[X.] 8 und 139 Stichwort "Altersteilzeit").

Ggf wird das [X.] - nach weiteren Feststellungen zu möglichen objektiven Begleitumständen bei Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung - auch über das Vorliegen einer besonderen Härte und die weiter mit den angefochtenen [X.]n verbundenen Regelungen zu entscheiden haben.

Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Meta

B 11 AL 17/16 R

12.10.2017

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Speyer, 13. Mai 2015, Az: S 1 AL 311/14, Urteil

§ 159 Abs 1 S 1 SGB 3, § 159 Abs 1 S 2 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB 3

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.10.2017, Az. B 11 AL 17/16 R (REWIS RS 2017, 4040)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4040

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