Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.06.2019, Az. 4 BN 2/19

4. Senat | REWIS RS 2019, 6344

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Gegenstand

Zur Flächengröße eines geschützten Landschaftsbestandteils nach § 29 BNatSchG


Gründe

1

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. [X.], Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - [X.]E 13, 90 <91 f.>). Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Thematik. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des [X.] dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt ([X.], Beschlüsse vom 28. Mai 1997 - 4 [X.] - [X.] 407.4 § 5 [X.] Nr. 10 = NVwZ 1998, 172 und vom 23. Januar 2003 - 4 B 79.02 - [X.] 406.11 § 1 BauGB Nr. 114). So liegt es hier.

2

1. Die von der Beschwerde zunächst aufgeworfene Frage,

ob ein Teil von Natur und Landschaft nur dann als tauglicher Schutzgegenstand im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 [X.] in Betracht kommt, wenn er eine bestimmte flächenmäßige Größe nicht überschreitet, und wenn ja, ob diese flächenmäßige Höchstgröße jedenfalls bei einer Größe des ggf. unter Schutz zu stellenden Teils von Natur und Landschaft von 130 ha überschritten ist,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass es sich beim "geschützten Landschaftsbestandteil" - ebenso wie beim Naturdenkmal in § 28 [X.] - nicht um eine Kategorie des Flächen-, sondern des [X.] handelt. Aus dem Sinn des § 29 [X.] als einer auf den Objektschutz ausgerichteten Regelung folgt, dass "Gebiete" nicht als "geschützte Landschaftsbestandteile" unter Schutz gestellt werden dürfen (grundlegend: [X.], Urteil vom 21. Dezember 2017 - 4 CN 8.16 - [X.] 406.403 § 29 [X.] 2010 Nr. 1 = juris Rn. 19). Geschützte Landschaftsbestandteile im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind "Teile von Natur und Landschaft". Das können auch Einzelgebilde der Natur wie [X.], Alleen, Wallhecken und Tümpel sein. Ihre Flächenhaftigkeit steht ihrer Qualifizierung als Landschaftsbestandteil grundsätzlich nicht entgegen, wie insbesondere § 29 Abs. 1 Satz 2 [X.] zeigt, bei dem es sich um keine Mischform zwischen Objekt- und Flächenschutz handelt, sondern um eine um Elemente des Flächenschutzes angereicherte Kategorie des [X.] ([X.], Urteil vom 21. Dezember 2017 - 4 CN 8.16 - a.a.[X.] Rn. 23 m.w.N.). Maßgeblich ist danach, dass die zu schützenden Objekte nicht schon selbst eine "Landschaft" bilden, sondern als Naturgesamtheit lediglich ein Teil der Landschaft sind, mithin als abgrenzbares Einzelgebilde erkannt werden können. Erkennbar ist, was optisch wahrgenommen werden kann. Was in diesem Sinne "Teil der Landschaft" ist, ist dem entsprechend an der bei natürlicher Betrachtung feststellbaren Abgrenzbarkeit von der Umgebung festzumachen ([X.], Urteil vom 21. Dezember 2017 - 4 CN 8.16 - a.a.[X.] m.w.N.). Hieraus folgt, dass sich in Bezug auf die Flächengröße eines Landschaftsbestandteils keine fixen Grenzen festlegen lassen, zumal der Gesetzgeber in § 29 [X.] - und anders als in § 28 [X.]; dort 5 ha - keine Flächengröße normiert hat. Auch wenn ein Schutzobjekt eine größere Fläche einnimmt, steht dies einer Unterschutzstellung nach § 29 [X.] nicht grundsätzlich entgegen ([X.]/[X.], in: [X.], [X.], 2. Aufl. 2017, § 29 Rn. 6; Heugel, in: [X.], [X.], 2. Aufl. 2018, § 29 Rn. 3; ähnlich: [X.]/[X.]/[X.], in: [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl. 2011, § 29 Rn. 3). Es kommt vielmehr entscheidend auf die konkrete Situation vor Ort und darauf an, inwieweit eine deutliche Erkennbarkeit und Abgrenzbarkeit zur übrigen Landschaft möglich ist ([X.], in: [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl. 2016, § 29 Rn. 8; [X.]/[X.], in: [X.], [X.], 2. Aufl. 2017, § 29 Rn. 6; [X.], in: [X.]/[X.], [X.] Umweltrecht, § 29 [X.] Rn. 7), wenn es auch mit zunehmender Größe eines Landschaftsbestandteils schwieriger werden dürfte, ihn von der übrigen Landschaft abzugrenzen.

3

2. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei den [X.] um eine anthropogene Schöpfung handle, dies die Anwendung des § 29 [X.] aber nicht ausschließe ([X.]), weshalb es nicht darauf ankomme, ob und in welcher Weise sich die Natur die Rieselfelder "zurückerobert" habe ([X.]). Vor diesem Hintergrund hält die Antragstellerin weiter für grundsätzlich klärungsbedürftig:

Falls andere als die im Gesetz ausdrücklich genannten Alleen, einseitigen Baumreihen, Bäume und Hecken nicht auf natürlichem Wege entstandenen, sondern von Menschenhand geschaffenen Landschaftselemente ausnahmsweise tauglicher Schutzgegenstand im Sinne von § 29 [X.] sein können, setzt dies voraus, dass solche Landschaftselemente von der Natur im Wege natürlicher Sukzession zurückerobert worden und sie deswegen der menschlichen [X.] nicht mehr unmittelbar zuzuordnen sind, d.h. dass die dort stattfindenden Lebensäußerungen und Entwicklungen, wie das Wachsen und Sterben von [X.] und Fauna, nach natürlichen Regeln ablaufen und vom Menschen nur eingeschränkt gesteuert werden können?

4

Auch auf diese Frage lässt sich antworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Als Landschaftsbestandteile sind gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 [X.] "Teile von Natur und Landschaft" schutzfähig. Nach dem Wortlaut der Norm kommt es nicht auf den Ursprung des Schutzobjekts an, also wie dieses entstanden ist (vgl. [X.]/[X.], in: [X.], [X.], 2. Aufl. 2017, § 29 Rn. 5), sondern allein darauf, ob es sich hierbei um einen (abgrenzbaren) Teil von Natur und Landschaft handelt, der - um schutzwürdig zu sein - bestimmte, in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 [X.] genannte [X.] erfüllen muss. Hierdurch unterscheidet sich § 29 Abs. 1 [X.] von § 28 Abs. 1 [X.], der auf Einzelschöpfungen der Natur abstellt (s. hierzu etwa Heugel, in: [X.], [X.], 2. Aufl. 2018, § 28 Rn. 5; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl. 2016, § 28 Rn. 8; weiter dagegen [X.]/[X.], in: [X.], [X.], 2. Aufl. 2017, § 28 Rn. 9). Auch von Menschenhand geschaffene "Objekte" können daher im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 [X.] schutzfähig sein, wie § 29 Abs. 1 Satz 2 [X.] belegt. Aus der - hier vom Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der [X.] getroffenen - Feststellung, dass ein optisch von der Umgebung abgrenzbarer Teil von Natur und Landschaft vorliegt, folgt damit unmittelbar die Schutzfähigkeit als Landschaftsbestandteil im Sinne von § 29 Abs. 1 [X.]. Mehr ist verallgemeinernd nicht auszuführen.

5

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 2/19

13.06.2019

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 20. September 2018, Az: OVG 11 A 2.16, Urteil

§ 28 BNatSchG, § 29 Abs 1 S 1 BNatSchG, § 29 Abs 1 S 2 BNatSchG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.06.2019, Az. 4 BN 2/19 (REWIS RS 2019, 6344)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6344

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