Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.10.2010, Az. V ZB 222/10

5. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2733

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Gegenstand

Sicherungshaftanordnung nach Asylfolgeantrag: Prognose über mögliches Wiederaufgreifen des Verfahrens


Tenor

Die Vollziehung der durch Beschluss des [X.] vom 5. August 2010 angeordneten und mit Beschluss der 11. Zivilkammer des [X.] vom 23. August 2010 aufrechterhaltenen [X.] wird einstweilen ausgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, der [X.] Staatsangehöriger ist, reiste Anfang August 2010 mithilfe von [X.] unerlaubt in das [X.] ein. Ein von ihm 1991 gestellter Asylantrag war 1993 bestandskräftig abgelehnt worden.

2

Das Amtsgericht hat auf Antrag der Beteiligten zu 2 gegenüber dem Betroffenen die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 5. November 2010 und die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung angeordnet; die Beschwerde des Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen richtet sich dessen Rechtsbeschwerde, mit der zugleich die vorläufige Aussetzung des [X.] beantragt worden ist.

II.

3

Das Beschwerdegericht meint, die [X.] habe gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 [X.] angeordnet werden dürfen. Sie sei nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] unzulässig. Der Vertreter der Beteiligten zu 2 habe dargelegt, dass die Beschaffung der [X.] binnen weniger Wochen möglich sei und innerhalb von drei Monaten auch die sonstigen organisatorischen Voraussetzungen für die Abschiebung des Betroffenen geschaffen werden könnten. Dass der Betroffene inzwischen einen erneuten Asylantrag gestellt habe hindere die Haftanordnung jedenfalls so lange nicht, bis das [X.] (nachfolgend: [X.]) positiv über die Frage der Eröffnung eines neuen Verfahrens gemäß § 51 VwVfG entschieden habe.

III.

4

Der Aussetzungsantrag ist in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Mai 2010 - [X.] 121/10, juris, Rn. 5; Senat, Beschluss vom 21. Januar 2010 - [X.] 14/10, [X.] 2010, 97, Rn. 3; Senat, Beschluss vom 30. März 2010 - [X.] 79/10, [X.] 2010, 158, Rn. 3); er ist auch begründet.

5

Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung, die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (Senat, Beschluss vom 7. Mai 2010 - [X.] 121/10, juris Rn. 7; Senat, Beschluss vom 21. Januar 2010 - [X.] 14/10, [X.] 2010, 97, Rn. 5; Senat, Beschluss vom 30. März 2010 - [X.] 79/10, [X.] 2010, 158 Rn. 5). So liegt es hier, weil die Rechtsbeschwerde voraussichtlich Erfolg haben wird.

6

Gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 darf ein Ausländer, der, wie der Betroffene, nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag stellt (Folgeantrag), erst nach der Mitteilung des [X.]es abgeschoben werden, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, es sei denn, der Ausländer soll, was hier nicht der Fall ist, in den sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) abgeschoben werden. Dieses mögliche Abschiebungshindernis muss bei der nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] anzustellenden Prognose berücksichtigt werden; der Haftrichter muss sich also vergewissern, dass mit einer Entscheidung des [X.]s über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG innerhalb von drei Monaten gerechnet werden kann. Diese Verpflichtung entfällt nicht deshalb, weil ein Folgeantrag nach § 71 Abs. 8 [X.] der Anordnung von [X.] nicht entgegensteht. Die genannte Vorschrift darf nicht als Rechtsgrundlage in Anspruch genommen werden, zeitlich unbeschränkt Abschiebungshaft gegen einen Folgeantragsteller anzuordnen, solange das [X.] noch nicht über den Folgeantrag entschieden hat (vgl. [X.], AsylVfG, 7. Aufl., § 71 Rn. 441 sowie [X.], [X.], 221, 222).

7

Das Beschwerdegericht hat in seine Prognose nur die für die Beschaffung von Ersatzpapieren und für die von der Beteiligten zu 2 zu treffenden organisatorischen Vorbereitungen der Abschiebung erforderliche [X.] einbezogen, jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, innerhalb welcher [X.] mit einer Entscheidung des [X.]s zu rechnen ist. Solche enthält auch der Beschluss des Amtsgerichts nicht. Damit spricht bei summarischer Prüfung viel dafür, dass die Haftanordnung auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] beruht.

[X.]                                 [X.]Stresemann

                     Czub                                                 [X.]

Meta

V ZB 222/10

05.10.2010

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Göttingen, 23. August 2010, Az: 11 T 3/10, Beschluss

§ 62 Abs 2 S 1 Nr 1 AufenthG, § 62 Abs 2 S 1 Nr 5 AufenthG, § 62 Abs 2 S 4 AufenthG, § 71 Abs 5 S 2 AsylVfG, § 71 Abs 8 AsylVfG, § 51 Abs 1 VwVfG, § 51 Abs 2 VwVfG, § 51 Abs 3 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.10.2010, Az. V ZB 222/10 (REWIS RS 2010, 2733)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2733

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