Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.10.2013, Az. 4 StR 272/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 2231

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 272/13

vom
8. Oktober
2013
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8.
Oktober
2013
ge-mäß §
349 Abs.
4 [X.] beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14.
Februar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 30
Fällen unter Ein-beziehung einer noch nicht erledigten Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es ihn wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 38
Fällen zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jah-ren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und mate-riellen Rechts gestützte Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
1
-
3
-
1.
Dem liegt folgendes
Verfahrensgeschehen zu Grunde:
Der Verteidiger des Angeklagten bat nach Verlesung der Anklageschrift und der Belehrung des Angeklagten über sein Schweigerecht um ein [X.]. Weiter heißt es im Protokoll
über den Verlauf der Hauptverhandlung vom 8.
Februar 2013:

Uhr unterbrochen und um 10.37
Uhr fortgesetzt.
Die Kammer stellte dem Angeklagten nach Beratung in Aussicht, dass sie gegen ihn im Falle einer vollumfänglich geständigen Einlassung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil vom 06.05.2011 zwei Gesamt-strafen verhängen werde, die in ihrer Summe in einem
Rahmen von 6
Jahren 6 Monaten bis 7
Jahren 6 Monaten insgesamt liegen werden

Nach Belehrung des Angeklagten gemäß §
257c Abs.
5 [X.] stimmten dieser und der Vertreter der Staatsanwaltschaft dem Vorschlag der [X.] zu. Der Verteidiger gab eine Einlassung im Namen des Angeklagten ab, e.

257c i.V.m.
§
244 Abs.
2 und §
243 Abs.
4

und macht hierzu u.a. geltend, der wesentliche der öffentlichen Hauptverhandlung im Einzelnen dargelegt und protokolliert werden müssen.
2.
Die Verfahrensrüge ist zulässig und begründet.
2
3
4
5
6
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4
-
a)
Es handelt sich nicht um eine unzulässige Protokollrüge (vgl. etwa
[X.], Beschluss vom 13.
Juli 2011

4
StR
181/11, [X.], 73);
denn der Beschwerdeführer leitet einen
Verfahrensfehler aus dem Umstand her, dass die Sitzungsniederschrift den Inhalt der Gespräche, die außerhalb der [X.] mit dem Ziel einer Verständigung geführt wurden, nicht mitteilt. Eine solche Rüge ist zulässig (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Juli 2013

2
StR
195/12, [X.], 3046).
b)
Der vom Beschwerdeführer in der Sache gerügte Verstoß gegen §
243 Abs.
4 Satz
2 i.V.m. §
273 Abs.
1a Satz
2 [X.] liegt vor.
aa)
Nach §
243 Abs.
4 Satz
1 [X.] teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen nach den §§
202a, 212 [X.] stattge-funden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§
257c [X.]) gewesen ist
und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt (vgl. dazu
[X.], Urteil vom 10.
Juli 2013

2
StR
47/13, [X.], 610). Diese Mittei-lungspflicht
ist gemäß §
243 Abs.
4 Satz
2 [X.] weiter zu beachten, wenn [X.] erst nach Beginn der Hauptverhandlung stattgefunden haben (vgl. BT-Drucks.
16/12310,
S.
12; [X.], [X.], 56.
Aufl., 2013, §
243 Rn.
18c). Das Gesetz will erreichen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen und dies auch inhaltlich dokumentiert wird. Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung dürfen kein informelles und unkontrollierbares Verfahren eröffnen (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
Oktober
2010

3
StR
287/10, [X.], 72
f.). Alle Verfahrensbeteilig-ten und die Öffentlichkeit sollen nicht nur darüber informiert werden, ob solche Erörterungen stattgefunden haben, sondern auch darüber, welche Standpunkte gegebenenfalls von den Teilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Ge-7
8
9
-
5
-
sprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. [X.],
[X.], 1058, 1065; [X.], Beschluss vom 5.
Oktober 2010

3
StR
287/10, [X.], 72
f.). Zur Gewährleistung einer effektiven Kontrolle ist die Mitteilung des Vorsitzenden hierüber gemäß §
273 Abs.
1a Satz
2 [X.] in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen.
bb)
Hier weist die Niederschrift über die Hauptverhandlung vom 8.
Fe-bruar 2013 den wesentlichen Inhalt des Rechtsgesprächs in dem vorstehend dargestellten Sinn nicht aus. Das Fehlen der Protokollierung ist ein Rechtsfehler des Verständigungsverfahrens (vgl. [X.],
[X.], 1058, 1067); er wird durch das
Protokoll der Hauptverhandlung bewiesen.
c)
Ein Mangel an Transparenz und Dokumentation der Gespräche, die mit dem Ziel der Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung geführt [X.], führt

ebenso wie die mangelhafte Dokumentation einer Verständigung

regelmäßig dazu, dass ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht aus-geschlossen werden kann
(vgl. [X.],
[X.], 1058, 1067).
Wie der 2.
Strafsenat des [X.] in seiner Grundsatzent-scheidung vom 10.
Juli 2013 (2
StR
195/12, [X.], 3046, 3048) näher ausgeführt hat, will das Gesetz die Transparenz der Gespräche, die außerhalb der Hauptverhandlung geführt werden, durch die Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts in der Verhandlung für die Öffentlichkeit und alle Verfahrensbeteiligten, insbesondere aber für den Angeklagten,
herbeiführen:
Durch die Mitteilung nach §
243 Abs.
4 [X.] und durch deren Protokollierung gemäß §
273 Abs.
1a [X.] werde nicht nur das Ergebnis der Absprache, sondern auch der dahin führende Entscheidungsprozess
festgeschrieben und der revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich gemacht. Die Mitteilung und deren Dokumentation sowie 10
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12
-
6
-
die Nachprüfbarkeit in einem einheitlichen System der Kontrolle seien jeweils Grundlage einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Angeklagten darüber, ob er dem Vorschlag des Gerichts gemäß §
257c Abs.
3 Satz
4 [X.] zustim-me. Schon durch das Fehlen der Dokumentation könne das Prozessverhalten des Angeklagten beeinflusst werden.
Umstände, wonach es im vorliegenden Fall ausnahmsweise anders [X.] könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
3.
Der Senat neigt dazu, dass das Gericht in einem
Fall
wie dem hier zu entscheidenden, in dem die Zäsurwirkung einer rechtskräftigen, noch nicht er-ledigten Vorverurteilung die Bildung mehrerer Gesamtstrafen erfordert,
[X.] diesen Umstand bekannt geben muss (§
257c Abs.
3 Satz
1 [X.]). [X.] es nach seinem Ermessen Angaben zu der zu erwartenden Strafe machen (§
257c Abs.
3 Satz
2 [X.]), muss es für jede Gesamtstrafe
gesondert die je-weilige Ober-
und Untergrenze bezeichnen. Nur dies

und nicht die Angabe
13
14
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7
-

t-

entspricht dem Wortlaut des §
257c Abs.
3 Satz
2 [X.].
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

Bender
Quentin

Meta

4 StR 272/13

08.10.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.10.2013, Az. 4 StR 272/13 (REWIS RS 2013, 2231)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2231

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Revisionsbegründung in Strafsachen: Protokollrüge bei Nichterfassung des Inhalts außerhalb der Hauptverhandlung geführter Verständigungsgespräche


Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 315/15

Zitiert

4 StR 272/13

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