Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.05.2011, Az. V B 113/10

5. Senat | REWIS RS 2011, 6828

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Gegenstand

Unzulässigkeit der vor Einlegung eines Einspruchs erhobenen Klage - Gewährung rechtlichen Gehörs


Leitsatz

NV: Eine Klage ist unzulässig, wenn sie vor Einlegung des Einspruchs oder vor Einlegung des in § 347 Abs. 1 Satz 2 AO vorgesehenen Rechtsbehelfs erhoben wird. Eine derartige Klage wird auch nicht dadurch zulässig, dass nach Klageerhebung der Antrag abgelehnt wird oder die angefochtene Verwaltungsentscheidung nachträglich ergeht .

Gründe

1

Die Beschwerde des [X.] und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg.

2

1. Das Finanzgericht ([X.]) hat ohne Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) die Klage als unzulässig abgewiesen.

3

Wie der [X.] ([X.]) bereits ausdrücklich entschieden hat, ist eine Klage unzulässig, wenn sie vor Einlegung des Einspruchs oder --wie im Streitfall bei Untätigkeit der Behörde trotz eines bei ihr gestellten [X.] vor Einlegung des in § 347 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung ([X.]) vorgesehenen Rechtsbehelfs erhoben wird. Eine derartige Klage wird auch nicht dadurch zulässig, dass nach Klageerhebung der Antrag abgelehnt wird oder die angefochtene Verwaltungsentscheidung nachträglich ergeht ([X.]-Beschluss vom 5. Februar 2003 [X.]/02, [X.]/NV 2003, 651; ebenso [X.]-Urteil vom 19. Mai 2004 III R 18/02, [X.]E 206, 201, [X.], 980; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]/[X.]O, § 46 [X.]O Rz 83).

4

Der Hinweis der Beschwerde auf das [X.]-Urteil vom 19. April 2007 [X.] ([X.]E 217, 194, [X.], 315, unter [X.]) geht fehl, da es dort um eine anders gelagerte Fallgestaltung ging, bei der eine Untätigkeitsverpflichtungsklage erst erhoben worden ist, nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) die [X.] beschieden hatte. Daher liegt auch keine Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O) vor.

5

2. Entgegen der Auffassung des [X.] liegt keine Überraschungsentscheidung vor, wenn das [X.] in seinem Urteil nicht auf das vom Kläger angeführte Senatsurteil in [X.]E 217, 194, [X.], 315 eingegangen ist und für den Kläger nicht erkennbar war, wie mit dem Streitfall weiter verfahren werden sollte.

6

Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das [X.] sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger [X.] selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste ([X.]-Beschluss vom 16. Dezember 2010 [X.]/10, [X.]/NV 2011, 448, m.w.N.). Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Gericht nicht, die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend zu erörtern und ihnen die einzelnen für die Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung einzelner Umstände offenzulegen (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 25. Mai 2000 [X.]/00, [X.]/NV 2000, 1235; vom 7. Dezember 2006 [X.]/06, [X.]/NV 2007, 1135). Auch verlangt das Recht auf Gehör vom Gericht nicht, der von einem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. Beschluss des [X.] vom 11. Juni 2008  2 BvR 2062/07, [X.], 1056). Danach liegt im Streitfall keine Überraschungsentscheidung vor. Denn das [X.] hat sein Urteil nicht auf einen bis dahin unerörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt. Dass es in den Gründen das vom Kläger zitierte, einen anderen Sachverhalt betreffende Urteil [X.] nicht erwähnt hat, ist unerheblich.

7

Auch soweit der Kläger geltend macht, dass mit einem Prozessurteil nicht zu rechnen gewesen sei, liegt keine Überraschungsentscheidung vor. Das [X.] hat --worauf das [X.] zu Recht hinweist-- mit Schreiben vom 21. April 2010 den Kläger auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage vor Erhebung eines [X.] hingewiesen. Dass für Umsatzsteuerbescheide insoweit nichts anderes gelten kann als für [X.] kann für den durch einen Steuerberater vertretenen Kläger nicht überraschend sein.

8

3. Erweist sich die Klageabweisung als unzulässig somit als zutreffend, kommt es auf die auch von der Beschwerde aufgeworfene Frage der Festsetzungsverjährung und der Anwendung von § 171 Abs. 3 [X.] im Streitfall und die vom Kläger für erforderlich gehaltene Zeugeneinvernahme nicht mehr an.

Meta

V B 113/10

11.05.2011

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 16. November 2010, Az: 6 K 1489/08, Urteil

§ 44 FGO, § 46 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 96 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.05.2011, Az. V B 113/10 (REWIS RS 2011, 6828)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6828

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