Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2010, Az. 5 StR 199/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 4642

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5 StR 199/10 [X.]BESCHLUSS vom 20. Juli 2010 in der Strafsache gegen wegen Totschlags u. a.
- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 20. Juli 2010 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 7. Oktober 2009 [X.] soweit es die-sen Angeklagten betrifft [X.] gemäß § 349 Abs. 4 StPO im [X.] über die Höhe der Jugendstrafe aufgehoben. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zu-rückverwiesen. [X.]e
Das [X.] hat den Angeklagten [X.] wie auch zwei Mitangeklag-te [X.] wegen Totschlags in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung schuldig gesprochen und ihn zu einer Jugendstrafe von acht Jahren verur-teilt. Die Revision des Angeklagten erzielt lediglich den aus der Beschluss-formel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1 1. Der Verurteilung liegt zugrunde, dass der Angeklagte am 15. [X.] 2008 an einer gewaltsamen Eintreibung von [X.] aus [X.]

durch diesen und den Nichtrevidenten [X.]mitgewirkt hat, die zur Tötung des Drogenkäufers führte. Der [X.] hatte zunächst eine Mitwirkung an der Tötung abgelehnt und sich le-2 - 3 - diglich mit der Erteilung einer Lektion einverstanden erklärt. Nach Beginn der Tötungshandlungen der Mittäter sprang er mehrfach auf das Opfer, setzte [X.] dessen Wehrfähigkeit herab und nahm in Kenntnis und Billigung der Tathandlungen der Mittäter den Tod des Drogenkäufers in Kauf. 2. Das [X.] hat die Jugendstrafe neben der Schwere der Schuld auch mit dem Vorliegen schädlicher Neigungen gemäß § 17 Abs. 2 [X.] begründet und hierfür auf die ganz erhebliche Beteiligung des [X.]n an einem besonders schweren Delikt, wenn auch nicht als treibende Kraft, abgestellt. Es hat ferner ausgeführt: —Der bis dahin nur geringfügig strafrechtlich in Erscheinung getretene Angeklagte [X.] hat zur Überzeu-gung der Kammer erkennbare Defizite, sich von möglicherweise als falsch erkannten Handlungen zu distanzieren. Die Probleme, sich abzugrenzen, und die ihn prägenden [X.] führten zur Überzeugung der Kam-mer dazu, dass der Angeklagte [X.]aus falsch verstandener Kameradschaft auch bereit war, sich an erheblichsten Straftaten zu beteiligen. In der Tat sind schädliche Neigungen in einem Umfang hervorgetreten, die ohne eine länge-re Gesamterziehung die Gefahr weiterer nicht nur unerheblicher Straftaten in sich bergenfi ([X.]). 3 3. Diese Erwägungen tragen die Annahme schädlicher Neigungen nicht. 4 a) Hierfür sind erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel erforderlich, die in aller Regel nur bejaht werden können, wenn erhebliche Persönlich-keitsmängel schon vor der Tat, wenn auch verborgen, angelegt waren ([X.]R [X.] § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5 m.w.N.; [X.], 280, 281). Solche hat das [X.] aber nicht festgestellt. 5 aa) Die [X.] ist dem Gutachten des jugendpsychiatri-schen Sachverständigen zur Persönlichkeit des Angeklagten gefolgt, das keine Auffälligkeiten im Sozialverhalten des Angeklagten festgestellt und ihn 6 - 4 - als hilfsbereite Persönlichkeit beschrieben hat, die über kein großes Selbst-wertgefühl und wenig Selbstvertrauen verfüge und unter Prüfungsangst leide ([X.]). Er sei eine um Bestätigung bemühte Person, die nicht leicht eine eigene klare Position definieren könne und eher Tendenzen zeige, sich mit seinen Problemen einem Erwachsenen anzuvertrauen. Im Verhältnis zu den Eltern habe noch keine deutliche Emanzipation stattgefunden, der [X.] sei —[X.] ([X.]). Damit hat das [X.] im Ergebnis lediglich Umstände festgestellt, die eine [X.] belegen (vgl. [X.]R aaO). [X.]) Soweit die [X.] eine vom Angeklagten geübte falsch verstandene Kameradschaft als schädliche Neigung anerkannt hat, fehlt es hierfür an der gebotenen Begründung (vgl. [X.], 419, 420). Deren Annahme widerspricht zudem der festgestellten [X.]. Insoweit hat das [X.] dargelegt, dass der Angeklagte bei der [X.] ihm [X.] ([X.]) [X.] Tötungshandlung mitgewirkt habe, um anerkannt zu werden bzw. die Anerkennung nicht zu verlieren ([X.]). Die [X.] hätte angesichts dieser Feststellung erwägen müssen, ob diese Mo-tivation [X.] und damit auch die falsch verstandene Kameradschaft [X.] ebenfalls den Reifeverzögerungen zuzurechnen ist und deshalb keine schädlichen Neigungen begründen konnte (vgl. [X.]R aaO). 7 cc) Das [X.] hat ferner den Umstand nicht in seine Bewertung einbezogen, dass sich der Angeklagte während eines von den Mittätern es-kalierend geführten Tatgeschehens spontan zur Mitwirkung an der Tötung entschlossen hat, was eine Würdigung als ein der Annahme schädlicher [X.] tendenziell entgegenstehendes situationsbedingtes Versagen erfor-dert hätte (vgl. [X.], [X.] 14. Aufl. § 17 Rdn. 19). 8 b) Auch soweit das [X.] [X.] ohne weitere Darlegung [X.] schädli-che Neigungen noch als zum Urteilszeitpunkt bestehend angenommen hat, begegnet dies durchgreifenden Bedenken. Es hat in diesem Zusammenhang 9 - 5 - wesentliche gegenläufige Feststellungen nicht erwogen, die Zweifel an der Fortdauer schädlicher Neigungen oder die Annahme von deren Überwindung hätten begründen können (vgl. [X.] bei Böhm NStZ 1997, 481; [X.] aaO § 17 Rdn. 23). Der Angeklagte hat bereits neun Tage nach der Tat am 24. April 2008 sein den Mittätern gelobtes Schweigen gebrochen und sich den [X.] gestellt, ohne gegen ihn bereits laufende Ermittlungsmaßnahmen gekannt zu haben ([X.]). Auch wenn der Angeklagte seinen eigenen Tatbeitrag teilweise geleugnet hat, hat das [X.] die zutreffende Be-lastung der Mitangeklagten (todesursächliches Strangulieren durch den [X.]und Verlegung der Atemwege mittels gewaltsamer Einfüh-rung einer Zwiebel durch den Angeklagten [X.]

) als frühen Aufklärungs-beitrag gewürdigt ([X.]). Darüber hinaus hat sich der Angeklagte nach zwei Entlassungen aus der ihn beeindruckenden Untersuchungshaft ([X.]) dem weiteren Verfahren jeweils gestellt, sein relativiertes Tatverhal-ten als falsch erkannt, sich entschuldigt ([X.]) und keine weitere Straf-tat mehr begangen. 10 4. Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Ausspruchs über die Höhe der Jugendstrafe. Auch wenn die [X.] in nicht zu beanstandender Weise die Notwendigkeit von Verhängung von Jugendstrafe auch auf die Schuldschwere gestützt hat, ist nicht auszuschließen, dass sich die bisher von den Feststellungen nicht getragene Annahme schädlicher Neigungen bei der Bemessung der Jugendstrafe zum Nachteil des Angeklag-ten ausgewirkt hat (vgl. [X.]R [X.] § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5 m.w.N.). 11 Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es bei dem hier vorlie-genden [X.] nicht. Das [X.] wird die Jugendstrafe auf 12 - 6 - der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen neu zu bestimmen ha-ben, wobei weitere Feststellungen, die nicht in Widerspruch zu den bisher getroffenen treten, dem Strafausspruch zugrunde gelegt werden können. Brause [X.] [X.]

Meta

5 StR 199/10

20.07.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2010, Az. 5 StR 199/10 (REWIS RS 2010, 4642)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4642

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