Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2015, Az. 2 StR 170/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 8430

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Gegenstand

Verhängung von Jugendstrafe: Annahme schädlicher Neigungen bei nur geringfügigen Straftaten in der Vergangenheit; Gefahr künftiger Straftaten


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Februar 2015 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3

2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.

4

Das [X.] hat gegen den im Tatzeitraum 17 Jahre alten Angeklagten eine Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen im Sinne von § 17 Abs. 2 [X.] verhängt. Dies hat es im Wesentlichen damit begründet, dass der Angeklagte „beginnend mit dem [X.]" mehrfach vorgeahndet sei. „Zwar konnte bei den ersten beiden Taten noch von der Verfolgung abgesehen werden, im dritten Fall kam es zu einer Verwarnung. Dennoch ist der Angeklagte [...] damit, wenn auch mit verschiedenen Deliktstypen, aufgefallen“ ([X.]). Zudem konsumiere der Angeklagte immer noch Drogen, „was, wenn auch keine konkreten Erkenntnisse vorliegen, regelmäßig mit der Begehung von Verstößen gegen das [X.] verbunden ist“ ([X.] f.).

5

Diese Erwägungen leiden an durchgreifenden Erörterungsmängeln und halten rechtlicher Überprüfung daher nicht stand.

6

a) Schädliche Neigungen im Sinne von § 17 Abs. 2 [X.] sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des [X.] die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel, aus denen sich eine Neigung zur Begehung von Straftaten ergibt, schon vor der Tat angelegt waren. Die schädlichen Neigungen müssen auch noch zum [X.] bestehen und weitere Straftaten befürchten lassen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 13. November 2013 - 2 StR 455/13, [X.]R [X.] § 17 Abs. 2 Schädliche Neigungen 11).

7

b) Aus den vom [X.] getroffenen Feststellungen ergibt sich schon nicht hinreichend, dass in dem Angeklagten bereits vor der Tat auf schädliche Neigungen hinweisende Persönlichkeitsmängel angelegt waren. Von der Verfolgung von zwei aus März und April 2010 stammenden - nicht näher mitgeteilten - Taten ist gemäß § 45 Abs. 2 [X.] abgesehen worden; das kann bereits dafür sprechen, dass die Straftaten als so geringfügig zu bewerten sind, dass sie für die Annahme des Vorhandenseins schädlicher Neigungen beim Angeklagten nicht herangezogen werden können (vgl. auch [X.] in [X.] Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 17 [X.] Rn. 37 f. mwN). Entsprechendes gilt auch für das Strafverfahren wegen eines im November 2010 begangenen Diebstahls, das mit einer gerichtlichen Verwarnung abgeschlossen worden ist.

8

Das [X.] hat zudem nicht den Umstand in den Blick genommen, dass der im [X.] fast 19jährige Angeklagte nach Begehung der abgeurteilten Taten mehr als eineinhalb Jahre lang nicht mehr durch Straftaten aufgefallen war. Diese Tatsache kann darauf hindeuten, dass eine Gefahr künftiger Straftaten nicht mehr besteht (vgl. Senat, Beschluss vom 13. November 2013 - 2 StR 455/13, [X.]R [X.] § 17 Abs. 2 Schädliche Neigungen 11; [X.], Beschluss vom 24. Februar 2015 - 4 StR 37/15, [X.], 155).

9

Das [X.] hat schließlich weder den „Drogenkonsum“ des Angeklagten mit Tatsachen belegt noch sich damit auseinandergesetzt, ob und in welchem Umfang der Angeklagte unter dem Einfluss des [X.] Mitangeklagten gestanden hat (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 5. Juli 1988 - 1 [X.], [X.]R [X.] § 17 Abs. 2 Schädliche Neigungen 3).

Die Sache bedarf daher zum Rechtsfolgenausspruch insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

Fischer                       Eschelbach                          Ott

                 [X.]

Meta

2 StR 170/15

09.07.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Gera, 12. Februar 2015, Az: 770 Js 34067/13 - 2 KLs jug

§ 17 Abs 2 JGG, § 45 JGG, § 47 JGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2015, Az. 2 StR 170/15 (REWIS RS 2015, 8430)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8430

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