Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.04.2015, Az. XII ZB 534/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12639

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Gegenstand

Vergütung des Betreuers eines durch Behindertentestament begünstigten Betroffenen: Unmittelbare Betroffenheit und Beschwerderecht des Testamentsvollstreckers bei Vergütungsfestsetzung aus dem Vermögen des Betreuten


Leitsatz

1. Bei einer durch ein Behindertentestament auf den Betroffenen übertragenen (Vor-)Erbschaft und gleichzeitiger Anordnung der Testamentsvollstreckung wird der Testamentsvollstrecker durch die Festsetzung der Betreuervergütung aus dem Vermögen des Betroffenen nicht in eigenen Rechten unmittelbar betroffen.

2. Er ist deshalb weder an dem Vergütungsfestsetzungsverfahren zu beteiligen noch steht ihm gegen die abschließende Festsetzungsentscheidung ein Beschwerderecht zu.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des [X.] vom 2. Oktober 2014 wird auf Kosten des [X.] mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des [X.] - Betreuungsgericht - vom 2. Juni 2014 und vom 3. Juni 2014 (Vergütungsfestsetzung) richtet, verworfen und im Übrigen zurückgewiesen wird.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

[X.]: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die geistig behinderte Betroffene ist durch Testament vom 12. September 2001 zur alleinigen befreiten Vorerbin ihrer im Jahr 2008 verstorbenen Mutter bestimmt worden. Der Nachlass stellt derzeit ihr wesentliches Vermögen dar. In dem Testament ordnete die Erblasserin eine [X.]vollstreckung als Dauervollstreckung auf Lebenszeit der Betroffenen an und ernannte den [X.] zum [X.]vollstrecker, der dieses Amt bis heute ausübt.

2

Mit Beschluss vom 2. Juni 2014 hat das Betreuungsgericht eine Vergütung des Betreuers aus dem Vermögen der Betroffenen in Höhe von 198,00 € sowie die Erstattung bereits von der Staatskasse verauslagter Betreuervergütungen aus dem Vermögen der Betroffenen in Höhe von 792,00 € festgesetzt. Mit weiterem Beschluss vom 3. Juni 2014 hat das Betreuungsgericht eine Vergütung des Betreuers aus dem Vermögen der Betroffenen in Höhe von 330,00 € festgesetzt.

3

Gegen diese Beschlüsse hat der [X.] mit Schreiben vom 10. Juni 2014 Beschwerde eingelegt und zugleich seine Hinzuziehung zu dem [X.] als Beteiligter beantragt. Mit Beschluss vom 24. Juni 2014 hat das Betreuungsgericht den Antrag des [X.] abgelehnt und dessen Beschwerden gegen die Beschlüsse vom 2. Juni 2014 und 3. Juni 2014 "zurückgewiesen". Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der der [X.] weiter seine Verfahrensbeteiligung und die Aufhebung der [X.] anstrebt.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (vgl. auch Senatsbeschluss vom 5. Januar 2011 - [X.] 152/10 - FamRZ 2011, 368 Rn. 2) und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass seine Erstbeschwerde gegen den Beschluss des Betreuungsgerichts ohne Erfolg geblieben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - [X.] 117/14 - FamRZ 2015, 249 Rn. 4 mwN).

5

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Soweit sich der [X.] gegen die Festsetzung der Betreuervergütung wendet, ist sie mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beschwerde gegen die entsprechenden betreuungsgerichtlichen Beschlüsse vom 2. Juni 2014 und 3. Juni 2014 verworfen wird. Insoweit ist bereits die Erstbeschwerde unzulässig gewesen, weil dem [X.] die Beschwerdebefugnis gefehlt hat.

6

1. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass der [X.] als [X.]vollstrecker nicht am Verfahren zur Festsetzung der Betreuervergütung zu beteiligen ist.

7

a) Der Kreis der Personen, die in [X.] (§ 271 FamFG) von Amts wegen oder auf Antrag am Verfahren beteiligt werden können, bestimmt sich nach §§ 7 Abs. 3, 274 Abs. 4 FamFG. Als [X.]vollstrecker wird der [X.] von dieser abschließenden Regelung der Kann-Beteiligten (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 179) nicht erfasst.

8

b) Als [X.]vollstrecker ist der [X.] auch nicht zwingend am Verfahren zu beteiligen. Nach § 274 Abs. 1 und 2 FamFG sind nur der Betroffene, der Betreuer und der Vorsorgebevollmächtigte, soweit ihr Aufgabenkreis betroffen ist, und der Verfahrenspfleger sogenannte Muss-Beteiligte in [X.]. Allerdings schließt die Regelung in § 274 Abs. 1 FamFG eine ergänzende Anwendung der allgemeinen Vorschrift in § 7 Abs. 2 FamFG nicht aus ([X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 274 Rn. 1; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 274 Rn. 2; BT-Drucks. 16/6308 S. 179).

9

aa) Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sind diejenigen als Beteiligte zum Verfahren hinzuzuziehen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Die Vorschrift knüpft an den materiellen Beteiligtenbegriff an ([X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 7 Rn. 11) und entspricht damit inhaltlich den Voraussetzungen für die Beschwerdeberechtigung in § 59 Abs. 1 FamFG.

[X.] in diesem Sinne liegt vor, wenn der Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 - [X.] 326/10 - FamRZ 2011, 465 Rn. 9 mwN). Die angefochtene Entscheidung muss daher ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren (Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2014 - [X.] 406/13 - FamRZ 2015, 42 Rn. 14 mwN). Eine Beeinträchtigung lediglich wirtschaftlicher, rechtlicher oder sonstiger berechtigter Interessen genügt dagegen nicht ([X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 59 Rn. 6).

bb) Gemessen hieran hat das Beschwerdegericht eine unmittelbare Betroffenheit des Beschwerdeführers in eigenen Rechten durch die Entscheidungen im Verfahren zur Festsetzung der Betreuervergütung zu Recht verneint.

(1) Die Aufgabe des [X.]vollstreckers besteht darin, entsprechend dem Willen und unter Beachtung der Anordnungen des Erblassers (§ 2216 Abs. 2 BGB) die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB) und den Nachlass zu verwalten (§ 2205 BGB). Hierzu ist er regelmäßig mit umfassenden Befugnissen ausgestattet, die ihm die Erfüllung der ihm anvertrauten Aufgabe ermöglichen (vgl. §§ 2205, 2206, 2207 BGB). In seiner Amtsführung ist der [X.]vollstrecker unabhängig, soweit nicht das Gesetz oder der Erblasser selbst ihm Bindungen auferlegt haben (vgl. [X.], 275, 279 = NJW 1957, 1916). Stets hat er jedoch den ausdrücklich geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Erblassers zu beachten (vgl. [X.]/[X.] 6. Aufl. § 2203 Rn. 13). Denn innerhalb der zwingenden gesetzlichen Schranken ist der Wille des Erblassers die oberste Norm für die Aufgaben und Befugnisse des [X.]vollstreckers ([X.], 298, 300).

(2) In der so umschriebenen Rechtsstellung wird der [X.]vollstrecker durch die Festsetzung der Betreuervergütung aus dem Vermögen der Betroffenen nicht unmittelbar beeinträchtigt.

(a) Allerdings steht der Nachlass, der der [X.]vollstreckung unterfällt, nur dann für Vergütungsansprüche eines Betreuers des Erben zur Verfügung, wenn dies mit den vom Erblasser im Testament getroffenen Verwaltungsanordnungen zu vereinbaren ist, die vom [X.]vollstrecker vollzogen werden müssen. Die durch ein Behindertentestament angeordnete (Vor-)Erbschaft bei gleichzeitiger Anordnung der [X.]vollstreckung führt zu einer Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Erben gemäß § 2211 BGB. Demgemäß können sich die Gläubiger des Erben, die nicht zu den [X.] gehören, nicht an die der Verwaltung des [X.]vollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände halten, § 2214 BGB. Dies schließt auch eine Verwertung des Nachlasses für die Betreuervergütung grundsätzlich aus.

Der Erbe hat einen durchsetzbaren Anspruch darauf, dass der [X.]vollstrecker die vom Erblasser getroffenen Verwaltungsanordnungen [X.]. § 2216 Abs. 2 BGB umsetzt. Dieser Anspruch, der sich in diesem Zusammenhang auf die Freigabe der zu entrichtenden Betreuervergütung richtet, gehört zum Vermögen der Betroffenen [X.]. § 90 [X.]. Daher ist durch Auslegung der an den [X.]vollstrecker adressierten Verwaltungsanordnungen zu ermitteln, ob der Erblasser auch Vergütungsansprüche des Betreuers ausschließen wollte (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2013 - [X.] 679/11 - FamRZ 2013, 874 Rn. 22 f.). Stehen die im Testament getroffenen Verwaltungsanordnungen an den [X.]vollstrecker einer Entnahme der Betreuervergütung aus dem Nachlass entgegen, ist der Erbe mittellos [X.]. §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 d Nr. 1 BGB und der Betreuer kann seine Vergütung nur aus der Staatskasse verlangen.

(b) Gleichwohl lässt sich ein Recht auf Verfahrensbeteiligung auch nicht mit der Erwägung des Beschwerdeführers begründen, dass er als [X.]vollstrecker sonst keinen Einfluss auf die vom Gericht im [X.] vorzunehmende Auslegung der letztwilligen Verfügung habe. Zwar können Erkenntnisse, über die der [X.]vollstrecker verfügt, zur Feststellung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Erblassers hilfreich sein. Ein Beteiligungsrecht nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG lässt sich daraus jedoch nicht herleiten. Denn die Auslegung des [X.] im [X.] ist für den [X.]vollstrecker nicht bindend. Vielmehr ist es ihm unbenommen, bei Zweifeln an der Auslegung einer letztwilligen Verfügung gegenüber dem Erben oder sonstigen Anspruchstellern vor dem Prozessgericht eine entsprechende Feststellungsklage (§ 256 ZPO) zu erheben ([X.]/[X.] 6. Aufl. § 2202 Rn. 25 mwN) oder sich, gestützt auf § 2214 BGB, gegen die Zwangsvollstreckung in den von der [X.]vollstreckung erfassten Nachlass zu wenden ([X.]/Weidlich BGB 74. Aufl. § 2214 Rn. 2).

2. Dem Beschwerdeführer steht auch keine Beschwerdeberechtigung gegen die [X.] [X.]. § 59 Abs. 1 FamFG zu. Zwar kommt es hierfür nicht darauf an, ob und inwieweit der Beschwerdeführer verfahrensrechtlich als Beteiligter anzusehen ist ([X.] Beschluss vom 24. April 2013 - [X.]/12 - FamRZ 2013, 1035 Rn. 20 mwN). Der Begriff der Rechtsbeeinträchtigung in § 59 Abs. 1 FamFG ist jedoch inhaltsgleich mit dem Begriff der unmittelbaren Rechtsbetroffenheit in § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Deshalb führt die fehlende unmittelbare Rechtsbetroffenheit, die einer Verfahrensbeteiligung des Beschwerdeführers entgegensteht, auch dazu, dass es ihm an der Beschwerdebefugnis gegen die in diesem Verfahren ergangenen Entscheidungen mangelt. Da sich eine Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers auch nicht aus § 303 FamFG ergibt, weil der [X.]vollstrecker nicht zu dem in dieser Vorschrift genannten Personenkreis zählt, hätte das Beschwerdegericht die Erstbeschwerde des Beschwerdeführers gegen die [X.] als unzulässig verwerfen müssen. Dies ist vom Senat nachzuholen.

[X.]                         Günter

             Botur                                [X.]

Meta

XII ZB 534/14

15.04.2015

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Stuttgart, 2. Oktober 2014, Az: 19 T 317/14

§ 1836d Nr 1 BGB, § 1908i Abs 1 S 1 BGB, § 2203 BGB, §§ 2203ff BGB, § 7 Abs 2 Nr 1 FamFG, § 7 Abs 3 FamFG, § 59 Abs 1 FamFG, § 271 FamFG, § 274 Abs 4 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.04.2015, Az. XII ZB 534/14 (REWIS RS 2015, 12639)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1965 REWIS RS 2015, 12639

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