Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.03.2008, Az. 4 StR 6/08

4. Strafsenat | REWIS RS 2008, 4902

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[X.]08 vom 18. März 2008 in der Strafsache gegen wegen Hausfriedensbruchs u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 18. März 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. September 2007 im [X.] mit den Feststellungen aufgehoben. Der [X.] entfällt. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Jedoch wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt und wer-den die notwendigen Auslagen des Angeklagten zur Hälfte der Staatskasse auferlegt. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten des - im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangenen - Hausfriedensbruchs in neun Fällen und der Beleidigung für schuldig befunden und ihn zu einer [X.] von einem Jahr verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum [X.]; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1 - 3 - 1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der [X.] hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewäh-rung hat das [X.] rechtsfehlerfrei begründet. 2 2. Dagegen hält die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 3 a) Allerdings begegnet das Urteil entgegen den Einwendungen der Revi-sion keinen rechtlichen Bedenken, soweit das [X.] - darin dem gehörten psychiatrischen Sachverständigen folgend - bei dem Angeklagten eine [X.] instabile Persönlichkeitsstörung vom [X.] festgestellt und darin - wie der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe hinreichend belegt - einen für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus [X.] nicht nur vorübergehenden, sondern überdauernden Defekt vom Schweregrad des § 21 StGB gesehen hat. Auch der symptomatische Zusam-menhang zwischen den dem Angeklagten zur Last gelegten Taten und der festgestellten Persönlichkeitsstörung ist rechtsfehlerfrei belegt: [X.] sei die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten durch die Tendenz [X.], Impulse auszureagieren, ohne mögliche Konsequenzen ausrei-chend zu berücksichtigen; dass der Angeklagte die Geschädigte hartnäckig [X.] bis auf ihr Wohnanwesen verfolgt habe, sei Ausdruck seiner gestörten Beziehungsstruktur, innerhalb derer es zu einer "krankhaften Fixierung" des Angeklagten auf die Person der Geschädigten gekommen sei, die ihm die ver-meintliche "moralische Berechtigung" vermittelt habe, die Geschädigte und ihre Familie wiederholt auf ihrem Grundstück aufzusuchen. Auch wenn danach die psychiatrischen Grundlagen für eine Unterbringung des Angeklagten nach § 63 4 - 4 - StGB vorliegen, kann der [X.] gleichwohl nicht bestehen blei-ben, weil das [X.] die weiter vorausgesetzte [X.] nicht ausreichend begründet hat: b) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine au-ßerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet wer-den, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Betreffende infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Davon ist das [X.] ausgegangen, indem es gemeint hat, die künftig zu erwartenden Strafen würden sich "nicht auf Übergriffe der verfah-rensgegenständlichen Art beschränk(en), sondern auch auf körperliche Aggressionen erstrecken, sobald der Angeklagte eindeutige Ablehnung erfahre" ([X.]). Das [X.] durfte bei dieser Einschätzung grundsätzlich auf die den Vorverurteilungen zu Grunde liegenden Tatgeschehen zurückgreifen. [X.] lagen jene Vorfälle, bei denen der Angeklagte die Frauen, mit denen er in Beziehung stand, mit Fäusten geschlagen hatte, mittlerweile neun bzw. zuletzt viereinhalb Jahre zurück. Weitere aggressive Übergriffe des Angeklagten erge-ben sich aus dem Urteil nicht. Auch gegen die nunmehr Geschädigte ist der Angeklagte nicht gewalttätig geworden. Das hat das [X.] zwar nicht verkannt. Dass dies aber - wie das [X.] ersichtlich gemeint hat - allein darauf zurückzuführen ist, dass die Geschädigte dem Angeklagten gegenüber fortdauernd ihre Zuneigung zum Ausdruck gebracht habe, wird jedoch nicht al-len Umständen gerecht, die hier gegen die angenommene Gefährlichkeitsprog-nose sprechen. Denn auch wenn die Geschädigte dem Angeklagten weiterhin Verständnis entgegengebracht hat, hatte sie sich doch jedenfalls bereits Anfang des Jahres 2006 endgültig von ihm distanziert und sogar im [X.] eine Unterlassungsverfügung gegen ihn erwirkt. Wenn der Angeklagte gleichwohl bei späteren Zusammentreffen mit ihr nicht gewalttätig geworden ist, sondern sich 5 - 5 - darauf "beschränkte", ihr - vergleichbar dem "stalking" (nunmehr seit dem 31. März 2007 strafbar nach § 238 StGB) - nachzustellen, spricht das eher dafür, dass der Angeklagte ungeachtet seiner narzisstischen Kränkbarkeit selbst dann nicht ohne Weiteres impulsiv aggressiv reagiert, wenn er bei seiner jeweiligen Bezugsperson Ablehnung erfährt. Auch wenn die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB nicht grundsätzlich voraussetzt, dass die [X.] selbst erheblich sind (vgl. [X.], 237), hätte es jedenfalls eingehenderer Darlegung bedurft, weshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten von erheb-lichem Gewicht zu erwarten sind, die die Anordnung einer zeitlich nicht befriste-ten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen [X.] (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Dezember 1999 [X.] 4 StR 485/99). c) Davon abgesehen könnte der Senat den [X.] aber auch deshalb nicht bestätigen, weil entgegen der Auffassung des [X.]s angesichts der dem absoluten Bagatellbereich zuzuordnenden, dem Angeklag-ten hier angelasteten Taten die Verhältnismäßigkeit der Maßregel im Sinne des § 62 StGB nicht mehr gewahrt ist. Das könnte anders zu sehen sein, wenn der Angeklagte bei den hier abgeurteilten Taten nur durch äußere, von ihm unab-hängige Umstände an gravierenden Übergriffen gegenüber der Geschädigten oder ihrer Familie gehindert worden wäre. Dafür, dass es sich so verhält, lässt sich den Feststellungen aber nichts entnehmen. Die Unverhältnismäßigkeit der [X.] wird hier auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Angeklagte nach Auffassung der sachverständig beratenen [X.] einer jedenfalls mehrmonatigen stationären psychiatrischen Behandlung bedarf. Denn die strafrechtliche Unterbringung rechtfertigt sich nicht schon allein auf Grund des Bestehens einer fortdauernden psychischen Störung und deren Be-handlungsbedürftigkeit (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 2). 6 - 6 - 3. Der Senat schließt aus, dass sich auf Grund neuer Hauptverhandlung weitere Feststellungen treffen lassen, die hier die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus tragfähig begründen könnten. In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entscheidet er deshalb dahin, dass der [X.] entfällt. 7 Tepperwien Maatz Solin-Stojanovi Ernemann Sost-Scheible

Meta

4 StR 6/08

18.03.2008

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.03.2008, Az. 4 StR 6/08 (REWIS RS 2008, 4902)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 4902

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