Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2012, Az. 2 StR 614/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 7649

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 614/11
vom
28.
März 2012
in der Strafsache
gegen

wegen
Diebstahls u.a.

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2
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Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des Generalbun-desanwalts und des Beschwerdeführers
am 28.
März 2012 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts Frankfurt am Main
vom 29.
August 2011
mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist. Davon ausgenommen bleiben die zu
den rechts-widrigen Taten
des Angeklagten
getroffenen Feststellungen, die
aufrechterhalten
bleiben; insoweit wird die weitergehende Revision verworfen.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechts-mittels, an eine andere Kammer des [X.].

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf der Sachbeschädi-gung
und des
Diebstahls wegen Schuldunfähigkeit bei der Tatbegehung (§
20 StGB) freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Kran-kenhaus angeordnet (§
63 StGB). Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte 1
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Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
im [X.].
1. Bei dem
jetzt 31 Jahre alten Angeklagten, der von 1995 bis 2004 [X.] u.a. wegen Körperverletzungsdelikten und räuberischer Erpressung verur-teilt wurde, besteht eine dissoziale Persönlichkeitsstörung. Daneben leidet er an einer [X.] Schizophrenie, derentwegen er seit 2008
mehrfach in psychiatrischen Krankenhäusern behandelt
wurde. Nach den zu der
[X.]
getroffenen Feststellungen durchschlug der Angeklagte am
Tattag in den frühen Morgenstunden alkoholisiert die Glasscheibe der Eingangstür ei-nes Mehrfamilienhauses. Im weiteren Verlauf öffnete er die beschädigte Tür, wobei er sich Schnittverletzungen
zuzog, und begab sich
ins Treppenhaus. An einer Wohnungstür entdeckte der Angeklagte einen von außen im Türschloss stecken gelassenen Wohnungsschlüssel und nahm ihn an sich. Nachdem die [X.] wenig später ihre Wohnung verlassen hatte, drang der An-geklagte mit dem zuvor entwendeten Schlüssel in die Wohnung ein. Dort ent-wendete er diverse Gegenstände, die er am nächsten Tag ins Haus zurück-brachte und in einem Kellerraum abstellte, wo sie sichergestellt werden konn-ten. Das [X.] ist davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte
infolge seiner schizophrenen
Erkrankung zur
Tatzeit
im Zustand der Schuldunfähigkeit befand.
2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Kranken-haus hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Zwar begegnet die Annahme der
Schuldunfähigkeit rechtlich keinen Bedenken. Der [X.] kann gleichwohl nicht bestehen bleiben, weil die [X.] die für eine Unterbrin-gung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorausgesetzte Gefährlichkeits-prognose nicht ausreichend begründet hat.
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Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außer-ordentlich beschwerende
Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten be-gehen werde. §
63 StGB setzt hierfür voraus, dass
die Gefährlichkeit des [X.] aus demjenigen Zustand folgt, der die Einschränkung seiner Schuldfähigkeit bei der [X.]
begründet. Insoweit muss
es sich um dieselbe Defektquelle han-deln. Nötig ist
mithin ein symptomatischer Zusammenhang dergestalt, dass
die
Tatbegehung durch die (nicht nur vorübergehende) psychische Störung zumin-dest
mitausgelöst worden ist und dass
auch die für die Zukunft zu erwartenden Taten sich als Folgewirkung dieses Zustandes darstellen
(st. Rspr., vgl. BGHSt 34, 22, 27; [X.], 528; NJW 1998, 2986, 2987; [X.], StGB 59.
Aufl. §
63 Rn.
14 mwN).
Inwieweit vom Angeklagten erhebliche Taten zu erwarten sind als Folge derselben psychischen Störung, auf welche die [X.] zurückzuführen ist, lässt sich den Ausführungen des [X.]s nicht klar
entnehmen. Nach den Urteilsgründen ist das [X.],
dem Sachverständigen folgend,
davon aus-gegangen, dass die Einsichts-
und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auf-grund einer akuten Phase seiner schizophrenen Erkrankung bei Tatbegehung aufgehoben war (UA S.
8, 12, 13). Demgegenüber stellt das [X.] für die Gefährlichkeitsprognose ausschlaggebend auch auf die dissoziale Persönlich-keitsstörung des Angeklagten ab ([X.], 16). Aufgrund dieser Störung habe er bereits vor seiner Erkrankung an einer Schizophrenie, die bei ihm das Delin-quenzrisiko steigere, über eine hohe kriminelle Energie verfügt und zahlreiche Straftaten verübt. Bei seiner prognostischen Beurteilung der Gefährlichkeit des Angeklagten hat das [X.] weiter
berücksichtigt, dass im Rahmen einer psychiatrischen Behandlung der Schizophrenie zwar eine Remission dieser Er-krankung zu erwarten sei, die dissoziale Persönlichkeitsstörung jedoch bis auf 4
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weiteres bestehen bleiben werde, sodass für die Zukunft allein schon aufgrund dieser Persönlichkeitsanteile des Angeklagten weitere erhebliche strafrechtlich relevante Verhaltensweisen als sehr wahrscheinlich anzusehen seien. Mit die-ser Begründung seiner
Gefährlichkeitsprognose stützt sich das [X.]
maßgeblich auf die
dissoziale Persönlichkeitsstörung des Angeklagten, die in der [X.] nach den Feststellungen indes keinen Ausdruck gefunden hat.
Soweit das [X.] im Hinblick auf die schizophrene Erkrankung des Angeklagten als Beleg für die hierdurch bedingte Gefährlichkeit auf in den ver-gangenen Jahren wiederkehrende psychotische Dekompensationen verweist, die mit aggressivem straftatrelevanten Verhalten einhergegangen seien, ent-behren die Ausführungen einer hinreichenden Konkretisierung. In den Urteils-gründen
finden sich hierzu Hinweise lediglich für die [X.] der Unterbringung des Angeklagten in der psychiatrischen Klinik ab April 2011 (UA S.
11). Insofern
können krankheitstypische Taten, die im Rahmen einer Unterbringung gegen Angehörige des Pflegepersonals begangen werden, allerdings ohnehin nur ein-geschränkt Anlass
für die Anordnung einer strafrechtlichen Unterbringung nach §
63 StGB sein ([X.], 405; 1999, 611, 612; NStZ-RR 2011, 202, 203).
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3. Die Anordnung der Unterbringung kann danach keinen Bestand ha-ben. Der aufgezeigte Rechtsfehler berührt die fehlerfrei getroffenen Feststellun-gen zum äußeren
Tatgeschehen jedoch nicht, sodass sie bestehen bleiben können

353 Abs.
2 StPO).

Ernemann

[X.]

Berger

Krehl

Eschelbach

7

Meta

2 StR 614/11

28.03.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2012, Az. 2 StR 614/11 (REWIS RS 2012, 7649)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7649

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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