Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.12.2020, Az. I R 50/17

1. Senat | REWIS RS 2020, 3671

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Gegenstand

Zum Schulschwimmen im Rahmen der Spartenrechnung kommunaler Eigengesellschaften


Leitsatz

1. Die Durchführung des Schulschwimmens durch einen öffentlichen Schulträger ist eine hoheitliche Tätigkeit (§ 4 Abs. 5 KStG), die grundsätzlich vom öffentlichen Bäderbetrieb zu trennen ist.

2. Im Rahmen der Spartenrechnung einer kommunalen Eigengesellschaft (§ 8 Abs. 9 KStG) kommt es beim Schulschwimmen darauf an, wie die Tätigkeiten der Eigengesellschaft und ihres kommunalen Anteilseigners ohne Zwischenschaltung der Eigengesellschaft nach BgA-Grundsätzen zu beurteilen wären (fiktive Betrachtung). Daraus folgt, dass bei einer kommunalen Eigengesellschaft, die ihr Bad für Schulschwimmen zur Verfügung stellt und daraus Dauerverluste erzielt, auch dann die Bildung einer gesonderten Sparte für hoheitliche Tätigkeiten in Betracht kommt, wenn sie selbst nicht hoheitlich tätig geworden ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 26.04.2017 - 9 K 3847/15 K,[X.] hinsichtlich der Bescheide über die Körperschaftsteuer für 2011 bis 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Verrechnung von Verlusten aus dem Schulschwimmen im Rahmen eines steuerlichen Querverbunds.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine kommunale Eigengesellschaft in der Rechtsform der GmbH. Alleinige Gesellschafterin ist die [X.] ([X.]). Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Versorgung mit Gas, Wasser, Strom, Wärme und Fernwärme, die [X.]entwässerung sowie der Betrieb von Bädern für den öffentlichen Badebetrieb. Ein Blockheizkraftwerk dient sowohl der Beheizung der Bäder als auch der Erzeugung von Strom.

3

In den Streitjahren (2009 bis 2013) wurden die Bäder der Klägerin auch von der [X.] genutzt. Sie erteilte dort Schülern ihrer kommunalen Schulen Schwimmunterricht (Schulschwimmen) und zahlte der Klägerin hierfür ein Entgelt, das bezogen auf die einzelnen Schüler dem Entgelt anderer Nutzer entsprach. Trotzdem erzielte die Klägerin durch das Schulschwimmen einen Verlust in Höhe von jährlich ... €. Der Betrag ergibt sich aus einer tatsächlichen Verständigung der Beteiligten.

4

Im Rahmen einer für die [X.] bis 2012 durchgeführten Außenprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) zu dem Ergebnis, dass der durch das Schulschwimmen erzielte Verlust einer gesonderten Sparte 1 i.S. des § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung ([X.]) zuzuordnen sei. Dagegen seien die Ergebnisse der übrigen Tätigkeiten der Klägerin in einer Sparte 2 zu erfassen. In dieser Sparte seien die Versorgungsbetriebe als gleichartige Tätigkeiten zusammenzufassen. Wegen der technisch-wirtschaftlichen Verflechtung durch das Blockheizkraftwerk sei auch der [X.] in Sparte 2 einzubeziehen.

5

Das [X.] erließ daraufhin am 14.10.2014 entsprechend geänderte [X.] über Körperschaftsteuer 2009 bis 2012 sowie über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags in den Fällen des § 8 Abs. 9 [X.] zum 31.12.2009 bis [X.] Zugleich ergingen geänderte [X.] über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 [X.] zum 31.12.2009 bis [X.] Während des [X.] ergingen am 29.06.2015 für die [X.] und 2010 und am 29.07.2015 für die [X.] und 2012 weitere Änderungsbescheide aus nicht streitgegenständlichen Gründen.

6

Ferner erließ das [X.] am 18.08.2015 erstmals einen Körperschaftsteuerbescheid 2013, einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags in den Fällen des § 8 Abs. 9 [X.] zum 31.12.2013 und einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 [X.] zum 31.12.2013. Dabei legte das [X.] wiederum einen in einer gesonderten Sparte zu erfassenden Verlust aus dem Schulschwimmen in Höhe von ... € zugrunde. Während des Klageverfahrens ergingen am 14.06.2016 für das [X.] aus nicht streitgegenständlichen Gründen.

7

Einsprüche und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Münster wies die Klage mit Urteil vom 26.04.2017 - 9 K 3847/15 K,F (Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 1372) hinsichtlich der [X.] über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags in den Fällen des § 8 Abs. 9 [X.] zum 31.12.2009 und zum 31.12.2011 bis 31.12.2013 sowie der [X.] über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 [X.] und § 28 Abs. 1 Satz 3 [X.] als unzulässig und im Übrigen als unbegründet ab.

8

Die Klägerin macht mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt, die Vorentscheidung hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2009 bis 2013 aufzuheben und die [X.] über die Körperschaftsteuer für die [X.] und 2010 vom 29.06.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.11.2015 sowie die [X.] über die Körperschaftsteuer für die [X.] bis 2013 vom 12.11.2018 dahin zu ändern, dass die Verluste aus dem Schulschwimmen in Höhe von ... [X.] mit den Ergebnissen der übrigen Tätigkeiten verrechnet werden.

9

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Das angefochtene Urteil ist, soweit es die Bescheide über Körperschaftsteuer für 2011 bis 2013 betrifft, aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle dieser Bescheide sind während des Revisionsverfahrens die [X.] vom 12.11.2018 getreten. Insoweit liegen dem [X.] nicht mehr existierende Bescheide zugrunde, so dass es keinen Bestand haben kann (vgl. Senatsbeschluss vom 12.09.2018 - I R 77/16, [X.], 296, m.w.[X.]).

Die geänderten Bescheide sind gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Trotzdem bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das [X.] gemäß § 127 [X.]O. Hinsichtlich der streitigen Punkte haben sich keine Änderungen ergeben und die Klägerin hat auch keinen weiter gehenden Antrag gestellt. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet an keinem Verfahrensmangel. Die vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind durch die Aufhebung des Urteils nicht entfallen. Sie bilden unverändert die Grundlage für die Entscheidung des erkennenden Senats (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil in [X.], 296, m.w.[X.]).

2. Soweit die Vorentscheidung aufgehoben wird, entscheidet der Senat gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O in der Sache selbst, da die Sache auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des [X.] spruchreif ist. Die Klage gegen die Bescheide über Körperschaftsteuer für 2011 bis 2013 wird als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen ist die Revision unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O).

Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin die Verluste aus dem Schulschwimmen nicht mit den Ergebnissen ihrer übrigen Tätigkeiten verrechnen kann, sondern diese Verluste gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 [X.] i.V.m. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 [X.] einer gesonderten Sparte zuzuordnen sind.

a) Grundlage der sog. Spartenrechnung, mit der die Ergebnisverrechnung bei kommunalen [X.] mit strukturell dauerdefizitären Tätigkeiten an die für Betriebe gewerblicher Art (BgA) geltenden Grundsätze ausgerichtet werden soll (BTDrucks 16/10189, S. 70; BTDrucks 16/11108, S. 27; Senatsbeschluss vom 23.09.2019 - I R 25/17, [X.]NV 2020, 522), ist § 8 Abs. 9 [X.]. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind bei Kapitalgesellschaften, bei denen § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 [X.] zur Anwendung kommt, die einzelnen Tätigkeiten der [X.] nach folgender Maßgabe Sparten zuzuordnen:

      

Nr. 1: Tätigkeiten, die als Dauerverlustgeschäfte Ausfluss einer Tätigkeit sind, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen;

             
      

Nr. 2: Tätigkeiten, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 [X.] zusammenfassbar sind oder aus den übrigen, nicht in Nummer 1 bezeichneten Dauerverlustgeschäften stammen, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen, wobei [X.] Tätigkeiten jeweils eine einheitliche Sparte bilden;

              
   

Nr. 3: alle übrigen Tätigkeiten sind einer einheitlichen Sparte zuzuordnen.

Der von § 8 Abs. 9 Satz 1 [X.] in Bezug genommene § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 [X.] sieht vor, dass bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt und nachweislich ausschließlich diese [X.]er die Verluste aus [X.]n tragen, die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] nicht bereits deshalb zu ziehen sind, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben.

Für jede sich hiernach ergebende Sparte ist der Gesamtbetrag der Einkünfte getrennt zu ermitteln (§ 8 Abs. 9 Satz 2 [X.]). Ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte einer Sparte darf nicht mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte einer anderen Sparte verrechnet werden (§ 8 Abs. 9 Satz 4 [X.]).

b) Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin eine Kapitalgesellschaft ist, bei der hinsichtlich des Betriebs der Bäder § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 [X.] zur Anwendung kommt und deshalb für die aus diesem Betrieb resultierenden Verluste nicht die Rechtsfolgen einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] zu ziehen sind. Ob und inwieweit das Schulschwimmen eine vom öffentlichen Badebetrieb getrennte Tätigkeit darstellt, ist an dieser Stelle noch ohne Bedeutung.

aa) Nach den tatrichterlichen Feststellungen des [X.], die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 [X.]O), ist die Klägerin eine Kapitalgesellschaft i.S. des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 [X.]. Ihre alleinige Anteilseignerin ist die [X.], welche die Verluste aus dem [X.] getragen hat. Hierfür reicht es aus, dass sich die aufgrund der Gewinne der Versorgungsbetriebe möglichen Dividendeneinnahmen der [X.] gemindert haben (vgl. auch Urteil des [X.] --BFH-- vom 11.12.2018 - VIII R 44/15, [X.], 407). Darüber hinaus stellt der [X.] nach den bindenden Feststellungen des [X.] ein Dauerverlustgeschäft i.S. des § 8 Abs. 7 Satz 2 [X.] dar, das aus gesundheitspolitischen Gründen ohne kostendeckendes Entgelt betrieben wird.

bb) Auf Grundlage der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteile vom 22.08.2007 - I R 32/06, [X.], 523, [X.], 961, und vom 09.11.2016 - I R 56/15, [X.], 75, [X.], 498; vgl. auch Vorlagebeschluss des Senats vom 13.03.2019 - I R 18/19, [X.], 23; Revisionsverfahren nach Rücknahme durch Beschluss vom 29.01.2020 - I R 4/20, nicht veröffentlicht, eingestellt; BFH-Urteil in [X.], 407) ist das [X.] rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass das Dauerverlustgeschäft der Klägerin aus dem Betrieb der Bäder die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] erfüllt. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wäre nicht bereit gewesen, Leistungen zu erbringen, die an sich dem Alleingesellschafter obliegen (hier: Unterhaltung eines [X.]s im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge), und dafür auf Dauer Verluste hinzunehmen, die bei dem [X.]er zu einem Vorteil in Gestalt der Ersparnis von Aufwendungen führen.

Infolge der Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 [X.] hat das [X.] die Rechtsfolgen der vGA zutreffend verneint, d.h. die [X.] nicht außerbilanziell korrigiert, so dass sie grundsätzlich weiterhin den Gewinn der Klägerin minderten.

cc) Die zeitliche Anwendung des durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 ([X.], 2794, [X.], 74) eingeführten § 8 Abs. 7 [X.] folgt für sämtliche Streitjahre aus § 34 Abs. 6 Satz 4 [X.]. § 34 Abs. 6 Satz 5 [X.] steht dem nicht entgegen, da hiermit nur eine Ausnahme zu Gunsten des Steuerpflichtigen vorgesehen werden sollte, wenn --anders als im [X.] nicht die besonderen Voraussetzungen des § 8 Abs. 7 [X.] vorliegen (Senatsurteil vom 15.07.2020 - I R 55/17, juris).

c) Die Entscheidung des [X.], trotzdem keine Verrechnung der Verluste aus dem Schulschwimmen zuzulassen, ist ebenfalls frei von [X.]. Das [X.] hat diese Verluste zutreffend gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 [X.] einer gesonderten Sparte zugeordnet, so dass sie nicht mit den Ergebnissen anderer Sparten zusammengefasst werden können.

aa) Ausgangspunkt ist eine fiktive Betrachtung der entscheidungsrelevanten Tätigkeiten der Eigengesellschaft und ihres kommunalen [X.] nach den für BgA geltenden Grundsätzen. Maßgebend ist, wie der öffentliche Badebetrieb und das Schulschwimmen zu beurteilen wären, wenn die [X.] diese Tätigkeiten ohne Zwischenschaltung der Klägerin ausgeübt hätte (vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 8 Rz 1870). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 [X.], der ausdrücklich auf eine (fiktive) Beurteilung "bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts" abstellt. Auch die Gesetzesbegründung bestätigt, dass die Ergebnisverrechnung bei kommunalen [X.] mit strukturell dauerdefizitären Tätigkeiten an den für BgA geltenden Grundsätzen ausgerichtet werden soll (BTDrucks 16/10189, S. 70; BTDrucks 16/11108, S. 27).

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass unter Berücksichtigung des [X.] des § 8 Abs. 9 [X.] ("Tätigkeiten der [X.]") zunächst isoliert auf [X.] der Eigengesellschaft zu untersuchen sei, welche (trennbaren) Tätigkeiten vorliegen (so aber [X.], [X.] Steuer-Zeitung [X.], 417, 420). Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass es nach § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 [X.] ausreicht, wenn die Tätigkeit der Eigengesellschaft bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts "Ausfluss" der hoheitlichen Tätigkeit wäre. Dies bedeutet, dass das von der Eigengesellschaft ausgeübte Dauerverlustgeschäft nicht selbst die hoheitliche Tätigkeit sein muss, sondern eine Zuordnung zum Hoheitsbereich bei fiktiver Betrachtung nach BgA-Grundsätzen ausreicht. Dem entsprechend liegt im Fall der gemischten Nutzung von Betriebsmitteln ein "Ausfluss" hoheitlicher Tätigkeit bereits dann vor, wenn daraus bei fiktiver Betrachtung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts eine anteilige Zuordnung von Aufwendungen zum gewerblichen und zum hoheitlichen Bereich folgt.

bb) Im Streitfall ist bei fiktiver Anwendung der für BgA geltenden Grundsätze zwischen dem öffentlichen Badebetrieb und dem Schulschwimmen zu trennen, auch wenn beides in einem von der [X.] betriebenen Bad durchgeführt wird. Letzteres hat lediglich zur Folge, dass die Aufwendungen für den Betrieb des Bades nach dem [X.] anteilig den beiden Tätigkeiten öffentlicher Badebetrieb und Schulschwimmen zuzuordnen sind (vgl. hierzu Oberfinanzdirektion --OFD-- [X.] vom 12.01.2012 - S 2706-219-St 241, juris; Rang/[X.], [X.], 38, 43).

Entscheidend ist, dass es im Rahmen des § 4 Abs. 1 [X.] auf eine ausschließlich tätigkeitsbezogene Betrachtungsweise ankommt (Senatsurteil vom 29.11.2017 - I R 83/15, [X.], 327, [X.] 2018, 495, m.w.[X.]). Allein die Verbindung durch gemischt genutzte Betriebsmittel (hier: Schwimmbad) reicht demnach nicht, um eine einheitliche Tätigkeit anzunehmen. Im Streitfall bestehen nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) keine Anhaltspunkte, dass der öffentliche Badebetrieb und das Schulschwimmen derart eng miteinander verflochten sind, dass eine Trennung entweder unmöglich oder unzumutbar ist. Dies wird durch die tatsächliche Verständigung über die anteilige Zuordnung der Aufwendungen für das gemischt genutzte Bad bestätigt.

Hinzu kommt, dass das Schulschwimmen --anders als der öffentliche Badebetrieb-- eine hoheitliche Tätigkeit i.S. des § 4 Abs. 5 [X.] darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 11.01.1979 - V R 26/74, [X.], 83, [X.] 1979, 746 zu § 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1967; Schreiben des [X.] vom 12.11.2009, [X.], 1303, Rz 50; OFD [X.] vom 12.01.2012 - S 2706-219-St 241, juris; [X.] in [X.]/[X.], Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2017, § 5 Rz 714; Rang/[X.], [X.], 38, 39 und 42). Nach dieser Vorschrift gehören Betriebe, die überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe), nicht zu den [X.] Unter Ausübung öffentlicher Gewalt sind Tätigkeiten zu verstehen, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten sind. Kennzeichnend dafür ist die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist (Senatsurteil vom 12.07.2012 - I R 106/10, [X.], 98, [X.] 2012, 837). Diese Voraussetzungen sind für die Durchführung des Schulschwimmens durch den öffentlichen Schulträger (hier: die [X.]) auch dann erfüllt, wenn hierfür kein gesondertes Schulschwimmbad, sondern ein öffentliches Bad genutzt wird.

cc) Soweit der Betrieb des Bades im Rahmen einer fiktiven Betrachtung nach BgA-Grundsätzen dem hoheitlichen Schulschwimmen zuzuordnen wäre, ist er "Ausfluss" einer hoheitlichen Tätigkeit i.S. des § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 [X.].

Dass die Klägerin im Streitfall selbst keine hoheitliche Tätigkeit ausübt und der [X.] das Bad zur Durchführung des Schulschwimmens gegen ein Entgelt zur Verfügung stellt, das bezogen auf die einzelnen Schüler dem Entgelt anderer Nutzer entspricht, ist wegen der fiktiven Betrachtung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ohne Zwischenschaltung einer Eigengesellschaft unerheblich (vgl. auch [X.]/Rengers, § 8 [X.] Rz 1137; einschränkend [X.] in [X.]/[X.]/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 9 [X.] Rz 7, der "jedenfalls" bei getrennten Öffnungszeiten zustimmt; a.[X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 8 [X.] Rz 611; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2014, 26, 29 f.).

Die Höhe der Aufwendungen der Klägerin, die dem Schulschwimmen zuzuordnen sind, ist Gegenstand der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten. Für den Senat sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die für eine Unwirksamkeit dieser tatsächlichen Verständigung sprechen könnten.

3. Da die streitigen Verluste aus dem Schulschwimmen bereits nach nationalem Recht nicht mit den übrigen Ergebnissen der Klägerin verrechnet werden können, kommt es im Streitfall nicht darauf an, ob die Regelung für [X.] kommunaler [X.] gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 9 [X.] eine staatliche Beihilfe i.S. des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] ([X.]) darstellt, die dem beihilferechtlichen Durchführungsverbot gemäß Art. 108 Abs. 3 [X.] unterliegt (vgl. hierzu Vorlagebeschluss des Senats in [X.], 23).

Darüber hinaus kommt auch im Hinblick auf diejenigen [X.] der Klägerin aus dem [X.], die nicht durch das Schulschwimmen veranlasst und deshalb vom [X.] zur Verrechnung zugelassen worden sind, kein Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof der [X.] ([X.]) in Betracht. Selbst wenn der [X.] zu dem Ergebnis käme, dass § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 9 [X.] dem beihilferechtlichen Durchführungsverbot gemäß Art. 108 Abs. 3 [X.] unterläge, dürfte der Senat aufgrund des sog. Verböserungsverbots (Verbot der reformatio in peius) die Rechtsposition der Klägerin im Vergleich zur Rechtslage vor Klageerhebung nicht verschlechtern (vgl. Senatsbeschluss in [X.]NV 2020, 522, m.w.[X.], und Senatsurteil vom 15.07.2020 - I R 55/17, juris). Nach der Rechtsprechung des [X.] ist [X.] nicht dazu verpflichtet, von Amts wegen eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts anzuwenden, wenn er infolge einer derartigen Anwendung den im einschlägigen nationalen Recht verankerten Grundsatz des Verbots der "reformatio in peius" durchbrechen müsste ([X.]-Urteil [X.] und [X.] vom 25.11.2008 - [X.]/06, [X.]:C:2008:650).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 und 2 [X.]O.

Meta

I R 50/17

16.12.2020

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 26. April 2017, Az: 9 K 3847/15 K,F, Urteil

§ 4 Abs 1 KStG 2002, § 4 Abs 5 KStG 2002, § 8 Abs 3 S 2 KStG 2002, § 8 Abs 7 S 1 Nr 2 KStG 2002, § 8 Abs 9 KStG 2002, § 34 Abs 6 S 4 KStG 2002, § 34 Abs 6 S 5 KStG 2002, § 68 S 1 FGO, § 127 FGO, Art 107 Abs 1 AEUV, Art 108 Abs 3 AEUV, KStG VZ 2009, KStG VZ 2010, KStG VZ 2011, KStG VZ 2012, KStG VZ 2013, Art 267 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.12.2020, Az. I R 50/17 (REWIS RS 2020, 3671)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3671

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