Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.12.2020, Az. I R 41/17

1. Senat | REWIS RS 2020, 3670

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Gegenstand

Zur Zusammenfassung kommunaler Bäder- und Versorgungsbetriebe im Rahmen der Spartenrechnung


Leitsatz

Beruht die Zusammenfassung der Tätigkeit einer kommunalen Bädergesellschaft mit den Tätigkeiten kommunaler Versorgungsbetriebe im Rahmen der Spartenrechnung (§ 8 Abs. 9 KStG) darauf, dass mit einem der Bäder eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung besteht (§ 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG), kann die erforderliche Verflechtung "von einigem Gewicht" auch dadurch entfallen, dass dieses Bad aus Sicht des Bäderbetriebs an Bedeutung verliert, weil es für den Publikumsverkehr geschlossen und nur noch als Reservebad im Stand-by-Betrieb vorgehalten wird. Maßgebend ist die tatrichterliche Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 11.05.2017 - 10 K 2308/14 K,[X.],F wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein steuerlicher [X.] gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr (2011) geltenden Fassung ([X.]) auch für den [X.]raum vom 23.07.2011 bis zum 31.12.2011 anzuerkennen ist.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine kommunale Eigengesellschaft in der Rechtsform der [X.]mbH. Alleinige [X.]esellschafterin ist die [X.] (Stadt). Unternehmensgegenstand ist die Versorgung mit Elektrizität, [X.]as, Wasser und Wärme. Hinzu kommt der Betrieb von Häfen, der über zwei rechtlich selbständige Kapitalgesellschaften geführt wird. Außerdem hält die Klägerin 99 % der Anteile der Bädergesellschaft [X.] ([X.]), die mehrere öffentliche Hallen- und Freibäder betreibt. Die übrigen Anteile der [X.] hält die Stadt.

3

Zwischen der Klägerin und der [X.] bestand seit 1996 ein steuerlicher [X.] i.S. des Abschn. 5 Abs. 9 und Abs. 11a der [X.] 1995 ([X.]). [X.]rundlage war zunächst eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung durch den Betrieb eines Blockheizkraftwerks im Hallenbad [X.] sowie eine entsprechende verbindliche Auskunft des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) vom 05.07.1995. [X.] wurde das Blockheizkraftwerk durch zwei [X.] ersetzt. Diese Heizkessel deckten sowohl den Wärmebedarf des [X.] als auch --über ein gesondertes Nahwärmesystem-- den Wärmebedarf von drei in der Nähe gelegenen Stadtvillen. Dass trotz dieser Änderung weiterhin eine enge technische und wirtschaftliche Verflechtung i.S. des Abschn. 5 Abs. 9 [X.] und damit ein steuerlicher [X.] bestand, war [X.]egenstand der verbindlichen Auskunft vom [X.] Zwischen der Klägerin als Organträgerin und der [X.] als Organgesellschaft besteht seit 1996 eine körperschaft-, gewerbe- und umsatzsteuerrechtliche Organschaft.

4

Am 23.07.2011 wurde das Hallenbad [X.] für den Publikumsverkehr geschlossen. Auch die weiteren Hallenbäder der [X.] schlossen im [X.]. Am 10.09.2011 eröffnete dafür das neu errichtete [X.]. Das Hallenbad [X.] wurde noch bis zum 17.08.2012 als [X.] in Betriebsbereitschaft gehalten. In der [X.] vom 09.07.2012 bis zum 17.08.2012 wurde es während einer vorübergehenden Schließung des neuen [X.] wieder für den Publikumsverkehr geöffnet.

5

Um den steuerlichen [X.] beizubehalten, errichtete die [X.] in dem neuen Hallenbad ein [X.]. Mit der verbindlichen Auskunft vom 14.05.2012 bestätigte das [X.], dass die Voraussetzungen des steuerlichen [X.]s ab 01.06.2012, dem [X.]punkt der vollständigen Anbindung des Kraftwerks, (wieder) vorliegen.

6

Dagegen erkannte das [X.] für den [X.]raum vom 23.07.2011 bis zum 30.05.2012 keinen steuerlichen [X.] an und wies für das [X.] anteilige Verluste der [X.] in Höhe von ... € (Körperschaftsteuer) und ... € ([X.]ewerbesteuer) nicht der Sparte "Energie- und Wasserversorgung", sondern einer gesonderten Sparte 3 zu.

7

Die Einsprüche gegen die Bescheide über Körperschaftsteuer für 2011, über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 [X.] zum 31.12.2011, über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge in den Fällen des § 8 Abs. 9 [X.] zum 31.12.2011 und über den [X.] für 2011 wies das [X.] als unbegründet zurück. Während des Klageverfahrens ergingen aus nicht streitigen [X.]ründen zuletzt die [X.] vom 28.04.2017.

8

Das Finanzgericht (F[X.]) Münster wies die Klage mit Urteil vom 11.05.2017 - 10 K 2308/14 K,[X.],F (Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 1200) hinsichtlich des Bescheids über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 [X.] als unzulässig und im Übrigen als unbegründet ab.

9

Die Klägerin macht mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit die Klage als unbegründet abgewiesen worden ist, und die Bescheide vom 28.04.2017 über die Körperschaftsteuer 2011, über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge in den Fällen des § 8 Abs. 9 [X.] zum 31.12.2011 und über den [X.] 2011 dahin zu ändern, dass auch der auf den [X.]raum vom 23.07.2011 bis zum 31.12.2011 entfallende Verlust in Höhe von ... € im [X.] zum Abzug zugelassen wird.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und 4 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Hinsichtlich des Bescheids über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge in den Fällen des § 8 Abs. 9 [X.] zum 31.12.2011 war die Klage bereits unzulässig. Die Klägerin ist insoweit nicht beschwert (§ 40 Abs. 2 [X.]O), da die für das Streitjahr begehrte Verlustverrechnung zur Folge hätte, dass nur noch ein geringerer Verlustvortrag festzustellen wäre (vgl. Senatsurteil vom 21.10.2014 - I R 1/13, [X.], 690; Senatsbeschluss vom 12.10.2016 - I R 80/14, [X.], 223, [X.], 615, jeweils m.w.N.).

2. Hinsichtlich der Bescheide über die Körperschaftsteuer 2011 und den [X.] 2011 hat das [X.] die von der Klägerin begehrte Verlustverrechnung zu Recht abgelehnt. Die vom 23.07.2011 bis zum 31.12.2011 erzielten Verluste der [X.] aus dem [X.] können nicht mit den Ergebnissen der Klägerin aus den Versorgungsbetrieben verrechnet werden, sondern sind einer gesonderten Sparte zuzuordnen.

a) Grundlage der sog. Spartenrechnung, mit der die Ergebnisverrechnung bei kommunalen [X.] mit strukturell dauerdefizitären Tätigkeiten an die für Betriebe gewerblicher Art (BgA) geltenden Grundsätze ausgerichtet werden soll (BTDrucks 16/10189, S. 70; BTDrucks 16/11108, S. 27; Senatsbeschluss vom 23.09.2019 - I R 25/17, [X.], 522), ist § 8 Abs. 9 [X.], der gemäß § 7 Satz 5 des Gewerbesteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (GewStG) auch bei der Ermittlung des [X.] entsprechend anzuwenden und im Fall einer Organgesellschaft gemäß § 15 Satz 1 Nr. 5 [X.] (erst) bei der Ermittlung des Einkommens des [X.] zu berücksichtigen ist.

Nach § 8 Abs. 9 Satz 1 [X.] sind bei Kapitalgesellschaften, bei denen § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 [X.] zur Anwendung kommt, die einzelnen Tätigkeiten der [X.] nach folgender Maßgabe Sparten zuzuordnen:

     

Nr. 1: Tätigkeiten, die als Dauerverlustgeschäfte Ausfluss einer Tätigkeit sind, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen;

        
      

Nr. 2: Tätigkeiten, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 [X.] zusammenfassbar sind oder aus den übrigen, nicht in Nummer 1 bezeichneten Dauerverlustgeschäften stammen, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen, wobei [X.] Tätigkeiten jeweils eine einheitliche Sparte bilden;

        
   

Nr. 3: alle übrigen Tätigkeiten sind einer einheitlichen Sparte zuzuordnen.

Der von § 8 Abs. 9 Satz 1 [X.] in Bezug genommene § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 [X.] sieht vor, dass bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt und nachweislich ausschließlich diese [X.]er die Verluste aus [X.] tragen, die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] nicht bereits deshalb zu ziehen sind, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben. Ein Dauerverlustgeschäft liegt nach § 8 Abs. 7 Satz 2 [X.] vor, soweit aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen eine wirtschaftliche Betätigung ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird oder in den Fällen von Satz 1 Nr. 2 das Geschäft Ausfluss einer Tätigkeit ist, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehört. Sowohl § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] als auch § 8 Abs. 7 [X.] sind bei [X.] einer Organgesellschaft ebenso wie § 8 Abs. 9 [X.] auf [X.] des [X.] anzuwenden (§ 15 Satz 1 Nr. 4 [X.]).

Der ebenfalls von § 8 Abs. 9 Satz 1 [X.] in Bezug genommene § 4 Abs. 6 Satz 1 [X.] kodifiziert dagegen die sog. Zusammenfassungsgrundsätze. Danach kann ein BgA mit einem oder mehreren anderen BgA zusammengefasst werden, wenn

   

Nr. 1: sie gleichartig sind,

            
      

Nr. 2: zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht oder

               
   

Nr. 3: Betriebe gewerblicher Art im Sinne des Absatzes 3 vorliegen.

Für jede sich hiernach ergebende Sparte ist der Gesamtbetrag der Einkünfte getrennt zu ermitteln (§ 8 Abs. 9 Satz 2 [X.]). Ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte einer Sparte darf nicht mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte einer anderen Sparte verrechnet werden (§ 8 Abs. 9 Satz 4 [X.]).

b) Zwar hat das [X.] hinsichtlich der von der [X.] aus dem [X.] erzielten Verluste nur die Voraussetzungen einer Zusammenfassung mit den Versorgungsbetrieben nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 [X.] geprüft und verneint. Auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des [X.], die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 [X.]O), sind aber auch die übrigen Voraussetzungen für die Bildung einer gesonderten Sparte nach § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 [X.] i.V.m. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 [X.] und § 15 Satz 1 Nr. 4 und 5 [X.] (für die Gewerbesteuer zusätzlich i.V.m. § 7 Satz 5 GewStG) erfüllt.

aa) Bei dem [X.] der [X.] handelt es sich --wie bei kommunalen [X.]en üblich-- um ein sog. Dauerverlustgeschäft, das die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] erfüllt. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wäre nicht bereit gewesen, Leistungen zu erbringen, die an sich dem Alleingesellschafter obliegen (hier: Unterhaltung eines [X.]s im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge), und dafür auf Dauer Verluste hinzunehmen, die bei dem [X.]er zu einem Vorteil in Gestalt der Ersparnis von Aufwendungen führen (Senatsurteile vom 22.08.2007 - I R 32/06, [X.], 523, [X.], 961, und vom 09.11.2016 - I R 56/15, [X.], 75, [X.], 498; vgl. auch Vorlagebeschluss des Senats vom 13.03.2019 - I R 18/19, [X.], 23; Revisionsverfahren nach Rücknahme durch Beschluss vom 29.01.2020 - I R 4/20, nicht veröffentlicht, eingestellt; Urteil des [X.] --[X.]-- vom 11.12.2018 - VIII R 44/15, [X.], 407). Dass es auch im Streitfall um dauerhafte Verluste des [X.]s geht, folgt u.a. aus den vom [X.] in Bezug genommenen Anträgen auf verbindliche Auskunft, die im Hinblick auf die "zu erwartenden Verluste" aus dem [X.] gestellt wurden.

Allerdings sind gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 [X.] die Rechtsfolgen der vGA nicht zu ziehen, da es sich um ein gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 [X.] begünstigtes Dauerverlustgeschäft aus gesundheitspolitischen Gründen handelt und die Klägerin auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des [X.] die Voraussetzungen einer Kapitalgesellschaft i.S. des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 [X.] erfüllt. Alleinige Anteilseignerin ist die Stadt, welche letztlich die Verluste aus dem [X.] getragen hat. Hierfür reicht es aus, dass sich die aufgrund der Gewinne der Versorgungsbetriebe möglichen Dividendeneinnahmen der Stadt gemindert haben (vgl. auch [X.]-Urteil in [X.], 407).

Sowohl § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] als auch § 8 Abs. 7 [X.] sind gemäß § 15 Satz 1 Nr. 4 [X.] zutreffend (erst) bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin (Organträgerin) angewandt worden. Die Bestimmungen haben grundsätzlich zur Folge, dass die Verluste der [X.] aus dem [X.] das Einkommen der Klägerin mindern.

bb) Im Streitfall waren diese Verluste bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin (Organträgerin) aber einer gesonderten Sparte zuzuordnen (§ 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 [X.] i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 5 [X.]), die nicht mit den Ergebnissen ihrer übrigen Tätigkeiten verrechnet werden konnten. Durch die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 [X.] war die Grundvoraussetzung der Spartenrechnung erfüllt. Darüber hinaus hat das [X.] rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Tätigkeiten [X.] und Versorgungsbetriebe nicht gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 [X.] zusammenfassbar waren.

Da durch § 4 Abs. 6 Satz 1 [X.], der mit dem Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 ([X.], 2794, [X.], 74) eingeführt worden ist, eine Kodifizierung der bis dahin für BgA geltenden Zusammenfassungsgrundsätze erreicht werden sollte, bleibt die hierzu ergangene Rechtsprechung auch weiterhin von Bedeutung. Sofern § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 [X.] hierfür nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht verlangt (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 16.01.1967 - GrS 4/66, [X.]E 88, 3, [X.] 1967, 240; [X.]-Urteil vom 19.05.1967 - III 50/61, [X.]E 89, 25, [X.] 1967, 510; Abschn. 5 Abs. 9 Satz 2 [X.]), ist zwar kein notwendiger Funktionszusammenhang in der Weise erforderlich, dass die Betriebe in ihrer Betätigung gegenseitig aufeinander angewiesen sind. Voraussetzung ist aber eine sachliche Beziehung der jeweiligen Betätigungen im Sinne eines inneren wirtschaftlichen Zusammenhangs, der nach den Anschauungen des Verkehrs die Zusammenfassung zu einer wirtschaftlichen Einheit rechtfertigt (Senatsurteil vom 04.09.2002 - I R 42/01, [X.]/NV 2003, 511, m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] die erforderliche technisch-wirtschaftliche Verflechtung "von einigem Gewicht" im Wege einer tatrichterlichen Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls ab dem Zeitpunkt der Schließung des alten [X.] für den Publikumsverkehr und des Übergangs in den [X.] als [X.] verneint hat. Ob aus Sicht der Versorgungsbetriebe die Verflechtung weiterhin bestand, weil die Wärmeversorgung von drei Stadtvillen nur durch die von der Klägerin im alten Hallenbad betriebenen [X.] sichergestellt werden konnte, kann hierfür dahingestellt bleiben. Da es sich um eine wechselseitige Verflechtung handeln muss (vgl. auch Schreiben des [X.] --BMF-- vom 11.05.2016, [X.], 479), reicht es aus, dass das [X.] die Verflechtung "von einigem Gewicht" jedenfalls aus Sicht des [X.]s für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 [X.]O) abgelehnt hat. Insofern hat das [X.] zutreffend berücksichtigt, dass sich die Bedeutung des im [X.] vorgehaltenen [X.]s im Streitfall auf den Ausnahmefall einer Betriebsstörung beschränkte.

c) Darüber hinaus hat das [X.] im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die verbindliche Auskunft des [X.] vom 29.06.2004 nicht der Bildung einer gesonderten Sparte für die Verluste des [X.]s entgegenstand. Aufgrund einer wesentlichen Änderung des dieser Auskunft zugrunde liegenden Sachverhalts ist deren Bindungswirkung ab 23.07.2011 entfallen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das [X.] hierfür auf § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung von § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) vom 30.11.2007 ([X.], 2783, [X.], 820) zurückgreifen durfte, der gemäß § 3 [X.] erst ab Bekanntmachung am 07.12.2007 anwendbar war. Dass die Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft davon abhängt, dass der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt mit dem bei der Beantragung der verbindlichen Auskunft vorgetragenen Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten übereinstimmt, ergab sich auch zuvor aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. BMF-Schreiben vom 29.12.2003, [X.], 742). Zudem hat das [X.] hierauf sowohl in der ursprünglichen verbindlichen Auskunft vom 05.07.1995 als auch in der ergänzenden verbindlichen Auskunft vom 29.06.2004 ausdrücklich hingewiesen.

Im Streitfall liegt in der Schließung des [X.] für den Publikumsverkehr und dem Übergang zu einem [X.] als [X.] eine wesentliche Sachverhaltsänderung, welche die Bindungswirkung entfallen lässt. Diese beiden Formen der betrieblichen Nutzung sind für den [X.] von unterschiedlicher Bedeutung und können deshalb im Rahmen der Würdigung nach dem "Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, auch wenn es hierfür auf eine objektive Betrachtung ankommt und nicht --wie vom [X.] ausgeführt-- auf die Sicht der Bürger.

Dass der Antrag auf verbindliche Auskunft nicht konkret auf den Betrieb des [X.] für den Publikumsverkehr abstellt, sondern lediglich den allgemeinen Verweis auf einen Betrieb der Bäder enthält, ist insofern unerheblich. Der Betrieb eines [X.] für den Publikumsverkehr (oder andere Nutzer) stellt den Regelfall und der [X.] als [X.] den Ausnahmefall dar. Deshalb hätte umgekehrt der [X.] als [X.] ausdrücklich erwähnt werden müssen, sofern die verbindliche Auskunft auch für eine solche Nutzung hätte gelten sollen.

d) Die durch das Jahressteuergesetz 2009 eingeführten Regelungen in § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 [X.] und § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 [X.] sind im Streitfall auch zeitlich anwendbar.

§ 8 Abs. 9 [X.] und § 15 Satz 1 Nr. 5 [X.] gelten gemäß § 34 Abs. 6 Satz 9 und Abs. 10 Satz 5 [X.] ab dem Veranlagungszeitraum 2009. § 8 Abs. 7 [X.] und § 15 Satz 1 Nr. 4 [X.] sind gemäß § 34 Abs. 6 Satz 4 und Abs. 10 Satz 4 [X.] sogar schon für frühere Zeiträume anzuwenden. Die Klägerin kann sich im Streitfall auch nicht auf § 34 Abs. 6 Satz 5 [X.] berufen, wonach bis einschließlich dem Veranlagungszeitraum 2011 die erwähnten Neuregelungen des Jahressteuergesetzes 2009 noch nicht anzuwenden sind, wenn vor dem 18.06.2008 "im Einzelfall" bei der Einkommensermittlung nach "anderen Grundsätzen" verfahren worden ist. Zwar wird hiervon grundsätzlich auch der Fall einer verbindlichen Auskunft erfasst ([X.]-Urteil in [X.], 407, m.w.N.). Dies gilt aber nicht, wenn es --wie im [X.] zu einer wesentlichen Änderung des Sachverhalts gekommen ist.

3. Da die streitigen Verluste der [X.] aus dem [X.] bereits nach nationalem Recht nicht mit den Ergebnissen der Klägerin verrechnet werden können, kommt es im Streitfall nicht darauf an, ob die Regelung für [X.] kommunaler [X.] gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 9 [X.] eine staatliche Beihilfe i.S. des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] ([X.]) darstellt, die dem beihilferechtlichen Durchführungsverbot gemäß Art. 108 Abs. 3 [X.] unterliegt (vgl. hierzu Vorlagebeschluss des Senats in [X.], 23).

Darüber hinaus kommt auch für diejenigen Dauerverluste des [X.]s, die das [X.] im Streitjahr zur Verrechnung mit Gewinnen anderer Tätigkeiten zugelassen hat, kein Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof der [X.] ([X.]) in Betracht. Selbst wenn der [X.] zu dem Ergebnis käme, dass § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 9 [X.] dem beihilferechtlichen Durchführungsverbot gemäß Art. 108 Abs. 3 [X.] unterläge, dürfte der Senat aufgrund des sog. Verböserungsverbots (Verbot der reformatio in peius) die Rechtsposition der Klägerin im Vergleich zur Rechtslage vor Klageerhebung nicht verschlechtern (vgl. Senatsbeschluss in [X.], 522, m.w.N., und Senatsurteil vom 15.07.2020 - I R 55/17, juris). Nach der Rechtsprechung des [X.] ist [X.] nicht dazu verpflichtet, von Amts wegen eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts anzuwenden, wenn er infolge einer derartigen Anwendung den im einschlägigen nationalen Recht verankerten Grundsatz des Verbots der "reformatio in peius" durchbrechen müsste ([X.]-Urteil [X.] und [X.] vom 25.11.2008 - [X.]/06, [X.]:C:2008:650).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 41/17

16.12.2020

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 11. Mai 2017, Az: 10 K 2308/14 K,G,F, Urteil

§ 4 Abs 6 S 1 Nr 2 KStG 2002, § 8 Abs 3 S 2 KStG 2002, § 8 Abs 7 S 1 Nr 2 KStG 2002, § 8 Abs 9 KStG 2002, § 15 S 1 Nr 4 KStG 2002, § 15 S 1 Nr 5 KStG 2002, § 34 Abs 6 S 4 KStG 2002, § 34 Abs 6 S 5 KStG 2002, § 34 Abs 6 S 9 KStG 2002, § 34 Abs 10 S 4 KStG 2002, § 34 Abs 10 S 5 KStG 2002, § 7 S 5 GewStG 2002, Art 107 Abs 1 AEUV, Art 108 Abs 3 AEUV, § 89 AO, § 118 Abs 2 FGO, KStG VZ 2011, GewStG VZ 2011, Art 267 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.12.2020, Az. I R 41/17 (REWIS RS 2020, 3670)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3670

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