Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.05.2017, Az. IV B 20/17

4. Senat | REWIS RS 2017, 10284

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Gegenstand

Bindung an Auslegung der Klägerstellung im zweiten Rechtsgang


Leitsatz

1. NV: Das FG ist im zweiten Rechtsgang an eine den Beschluss nach § 116 Abs. 6 FGO tragende Rechtsauffassung des BFH gebunden .

2. NV: Legt der BFH die Klage dahin aus, dass eine bestimmte Person als Kläger anzusehen ist, muss das FG im zweiten Rechtsgang davon ausgehen, dass diese Person als Kläger am Verfahren beteiligt ist und deshalb ihre notwendige Beiladung nicht in Betracht kommt .

Tenor

Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des [X.] vom 29. März 2017 5 K 1751/12 aufgehoben.

Tatbestand

1

I. Die Beigeladene und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) war einzige Kommanditistin der im Mai 2004 gegründeten [X.] ([X.]). Im November 2004 kündigte sie ihre Beteiligung mit Wirkung zum 31. Dezember 2004 mit der Folge, dass ihr Gesellschaftsanteil der einzigen Komplementärin B-Gmb[X.] (Gmb[X.]) anwuchs. Das Erlöschen der [X.] wurde im Mai 2005 im [X.]andelsregister eingetragen.

2

Der Beklagte (das Finanzamt --[X.]--) erließ unter dem 6. Oktober 2005 einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes für das Streitjahr 2004, der an die Gmb[X.] als Empfangsbevollmächtigte der [X.] gerichtet und Steuerberater [X.], zugleich Geschäftsführer der jetzigen Prozessbevollmächtigten, als Zustellungsbevollmächtigtem der Gmb[X.] bekanntgegeben wurde. Mit dem Bescheid wurde ein Gewinn aus [X.] von ./. 8.436,29 € festgestellt, wovon 750 € auf die Gmb[X.] und ./. 9.186,29 € auf die Beschwerdeführerin entfielen. Gegen diesen Bescheid legte [X.] für die [X.], diese vertreten durch die Gmb[X.], Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 7. April 2006 stellte das [X.] neben den unverändert gebliebenen Einkünften aus [X.] auch Einkünfte aus Ergänzungsbilanz von ./. 154.000 € fest, die der Gmb[X.] zugerechnet wurden. Die Einspruchsentscheidung war an die [X.] "i.L.", vertreten durch [X.], gerichtet.

3

[X.]iergegen erhob [X.] Klage namens der Gmb[X.] als Rechtsnachfolgerin der [X.], mit der geltend gemacht wurde, dass die Einspruchsentscheidung fehlerhaft bekanntgegeben und dass zu Unrecht ein Aufgabegewinn der Beschwerdeführerin von 154.000 € festgestellt worden sei.

4

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage durch Prozessurteil vom 21. Februar 2011  1 K 1361/06 ab. Die Gmb[X.] habe nicht für alle ehemaligen Gesellschafter der [X.] Klage erheben können. Soweit sie selbst als ehemalige Gesellschafterin klage, fehle ihr eine Beschwer.

5

Aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde der Gmb[X.] hob der beschließende Senat das Urteil des [X.] mit Beschluss vom 17. Juli 2012 IV B 55/11 nach § 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) auf und verwies das Verfahren an das [X.] zurück. Das [X.] habe zu Unrecht eine Auslegung der Klage als "auch im Namen der [Beschwerdeführerin] erhoben" abgelehnt und diese als unzulässig abgewiesen. Es bedürfe demnach keiner Erörterung, ob das [X.] aufgrund seiner Auslegung die Beschwerdeführerin hätte beiladen müssen.

6

Im zweiten Rechtsgang lud das [X.] mit Beschluss vom 29. März 2017  5 K 1751/12 die Beschwerdeführerin nach § 60 Abs. 3 [X.]O zu dem Verfahren bei. Als ausgeschiedene Gesellschafterin stehe ihr gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 [X.]O ein eigenes Klagerecht zu.

7

Gegen den Beschluss hat die Prozessbevollmächtigte am 4. April 2017 unter Vorlage einer Vollmacht der Beschwerdeführerin in deren Namen Beschwerde eingelegt. Das [X.] hat der Beschwerde mit Beschluss vom 4. April 2017 nicht abgeholfen.

8

Die Beschwerdeführerin trägt vor, sie sei ausweislich des Beschlusses des [X.] (BF[X.]) im ersten Rechtsgang als Klägerin anzusehen. Die Beiladung sei deshalb rechtsfehlerhaft.

9

Sie beantragt,
den [X.] ersatzlos aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Klägerin habe nicht auch für die Beschwerdeführerin Klage erhoben. Aus der Entscheidung des BF[X.] im ersten Rechtszug ergebe sich nichts Anderes. [X.] habe der BF[X.] lediglich entschieden, dass zu Unrecht ein Prozessurteil ergangen sei.

Entscheidungsgründe

II. [X.] ist zulässig und begründet. Das [X.] hat die Beschwerdeführerin rechtsfehlerhaft zu dem Verfahren beigeladen, so dass der [X.] aufzuheben war.

1. [X.] ist zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin gemäß § 128 Abs. 1 i.V.m. § 57 [X.]O als Beigeladene berechtigt, gegen den [X.] Beschwerde einzulegen.

2. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung gemäß § 60 Abs. 3 [X.]O liegen nicht vor, weil die Beschwerdeführerin bereits als Klägerin an dem Verfahren beteiligt ist.

a) Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 [X.]O sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (notwendige Beiladung). Klagen nicht alle von mehreren nach § 48 [X.]O Klagebefugten, müssen deshalb die übrigen Klagebefugten mit Ausnahme solcher klagebefugter Personen, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen sind, zum Verfahren beigeladen werden.

b) [X.]führerin ist als ehemalige Gesellschafterin der erloschenen KG klagebefugt.

Erlischt eine Personengesellschaft durch Vollbeendigung ohne Abwicklung, kann nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ein [X.] nur noch von den früheren Gesellschaftern angefochten werden, deren Mitgliedschaft die [X.] berührt, die der anzufechtende [X.] betrifft. Die aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O folgende Befugnis der Personengesellschaft, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen die [X.]e einzulegen, ist mit deren Vollbeendigung erloschen. Insoweit lebt die bis zum [X.]punkt der Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf. Die Klagebefugnis geht deshalb auch nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger der Personengesellschaft über (z.B. [X.]-Beschluss vom 17. Oktober 2013 IV R 25/10, Rz 19, m.w.N.).

[X.]führerin war im Jahr 2004 Gesellschafterin der durch ihr Ausscheiden [X.] und ist deshalb zur Klage gegen den hier streitgegenständlichen [X.] 2004 befugt.

c) [X.]führerin ist selbst als Klägerin anzusehen und war deshalb nicht zu dem Verfahren beizuladen.

Wie der Senat in seinem Beschluss vom 17. Juli 2012 IV B 55/11 unter [X.] der Entscheidungsgründe ausgeführt hat, hat "das [X.] zu Unrecht eine Auslegung der Klage als 'auch im Namen der A [Beschwerdeführerin] erhoben' abgelehnt und diese als unzulässig abgewiesen". Daraus folgt, dass der Senat die Klage zwingend für dahingehend auszulegen gehalten hat, dass sie auch für die Beschwerdeführerin erhoben worden ist. An diese rechtliche Beurteilung ist das [X.] in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 5 [X.]O gebunden. Eine Bindung nach dieser Vorschrift wird auch durch Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde ausgelöst (vgl. [X.]-Beschluss vom 2. April 2002 IX B 66/01, [X.]/NV 2002, 898, unter [X.]). Die Bindungswirkung ist unabhängig davon, ob das [X.] die Rechtsauffassung des [X.] teilt. Das gilt auch dann, wenn die Auffassung des [X.] auf einem Rechtsfehler beruhen sollte. Denn der [X.] selbst ist in einem folgenden Rechtsgang ebenfalls grundsätzlich an seine im vorangegangenen Rechtsgang vertretene Rechtsauffassung gebunden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 17. Mai 2006 VIII R 21/04, [X.]/NV 2006, 1839, m.w.N.). Eine solche Bindung besteht auch in einem folgenden Beschwerdeverfahren ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 126 [X.]O Rz 95) und gilt deshalb für den beschließenden Senat im hiesigen Verfahren.

Dass die Rechtsauffassung des Senats zur Klägerstellung der Beschwerdeführerin tragend war, wird entgegen der Ansicht des [X.] nicht durch die Formulierung unter [X.]b der Entscheidungsgründe in Frage gestellt, dass "die Klage gegen den Wortlaut nur dahin ausgelegt werden [kann], dass sie von einem oder allen ehemaligen Gesellschaftern eingelegt worden ist". Diese Formulierung ist lediglich ein nicht an den konkreten Fall angepasstes Zitat aus früheren Entscheidungen des [X.], auf die unmittelbar folgend in einem Klammerzusatz hingewiesen wird. Dass der Senat sich eine abschließende Auffassung über die Klägerstellung gebildet hat, ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass anderenfalls Ausführungen zur Beiladung erforderlich gewesen wären. Ausführungen dazu werden in dem Beschluss aber ausdrücklich für nicht erforderlich erklärt.

3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 4. Mai 1999 VIII B 94/98, [X.]/NV 1999, 1483, unter 3., m.w.N.).

Meta

IV B 20/17

30.05.2017

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 29. März 2017, Az: 5 K 1751/12, Beschluss

§ 48 Abs 1 FGO, § 60 Abs 3 FGO, § 116 Abs 6 FGO, § 126 Abs 5 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.05.2017, Az. IV B 20/17 (REWIS RS 2017, 10284)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10284

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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