Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2013, Az. X ZR 24/13

X. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 480

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X [X.]
Verkündet am:

10. Dezember 2013

Wermes

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 651a Abs. 1, § 315 Abs. 1, § 307 Abs. 1 Bi, [X.], § 308 Nr. 4;
[X.] § 6 Abs. 2
a)
Die Luftbeförderung gehört bei einer Flugreise zu der vom [X.] zu erbringenden Hauptleistung. Der Reisevertrag muss die [X.] regeln, wann sie erbracht werden soll.
b)
Der [X.]punkt der Abreise kann im Reisevertrag nicht nur als nach Tag und Uhrzeit bezeichneter [X.]punkt vereinbart, sondern auch zum Ge-genstand eines [X.] des Reiseveranstalters gemacht werden, das es diesem erlaubt, die genaue Leistungszeit in-nerhalb eines vereinbarten Rahmens festzulegen. Ein solches Bestim-mungsrecht kann auch durch die Vereinbarung einer als voraussichtlich bezeichneten Abreisezeit eingeräumt werden.
c)
Liegt dem Reisevertrag eine vom Reiseveranstalter genannte voraus-sichtliche Abreisezeit (hier: Abflugzeit) zugrunde, ist diese jedenfalls annähernd einzuhalten.
d)
Die Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines [X.]s
"Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem [X.] mit den Reiseunterlagen."
und
"Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind un-verbindlich."
benachteiligen den Reisenden entgegen den Geboten von [X.] und Glauben unangemessen und sind unwirksam.
[X.], Urteil vom 10. Dezember 2013 -
X [X.] -
OLG Celle

[X.]

-
2
-
Der
X.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-lung vom 10.
Dezember 2013
durch den Vorsitzenden Richter
Prof.
Dr.
Meier-Beck,
die Richter Dr.
Grabinski, Dr.
Bacher, [X.] und die Richterin Schuster
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 7. Februar 2013 verkündete Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband der [X.] der Bundesländer; er ist in die
Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß §
4
[X.] eingetragen.
Die Beklagte bietet [X.] an. Sie verwendet "Ausführliche Reisebedingungen", die in Abschnitt 3.3 in Absatz
1 Satz
2 und 3 folgende Re-gelungen
enthalten:
"Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen.
Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich."
Der Kläger hält diese Bedingungen für unwirksam. Er erstrebt mit der [X.] ein Verbot, diese oder inhaltsgleiche Bestimmungen in Pauschalreiseverträ-1
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ge mit Verbrauchern einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger
Verträge
zu berufen
und die Erstattung der Kosten der erfolglosen Abmahnung der Beklagten.
Das [X.] hat die Beklagte hinsichtlich der ersten Klausel [X.] verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung des [X.] auch hinsichtlich der zweiten
Klausel
antragsgemäß erkannt. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, der der Kläger entgegentritt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, beide Klauseln beinhalteten
Nebenabreden, die entweder die vertragliche Änderung der Leistung der [X.] oder die einseitige Leistungsbestimmung durch die Beklagte ermögli-chen sollten. Es handle sich deshalb um Vertragsbedingungen im Sinne von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
(nachfolgend: [X.]), die der
Inhaltskontrol-le
gemäß §
307 Abs.
3 Satz
1 [X.] unterlägen.
Die erste
Klausel ("Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen.")
verstoße sowohl gegen §
308 Nr.
4 [X.] als auch gegen §
307 Abs.
2 Nr.
1 [X.].
Die Klausel
umfasse dem Wortlaut nach auch Fälle, in denen von der [X.] bei Vertragsschluss
bereits eine feste Abflugund Ankunftszeit genannt werde. Die Änderung einer solchen
Vereinbarung stelle eine Vertragsänderung 4
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4
-
im Sinne des §
308 Nr.
4 [X.] dar. Ein wirksamer Änderungsvorbehalt in [X.]
setze voraus, dass die Interessen des Vertragspartners gewahrt würden, die Änderung diesem insbesondere zumutbar sei. Die möglichen triftigen Ände-rungsgründe müssten konkret benannt werden. Daran fehle es bei der angegrif-fenen Klausel.

In denjenigen Fällen, in denen von der Beklagten keine (verbindlichen) Angaben zu Flugzeiten gemacht worden seien, verstoße die Klausel gegen das Transparenzgebot. Die nachträgliche Benennung einer Vertragsleistung stelle eine einseitige Leistungsbestimmung im Sinne des §
315 [X.] dar. Eine solche sei in [X.]
nur zulässig, wenn es hierfür ein berechtigtes Interesse des [X.] gebe und dieses in der Klausel auch genannt werde, damit der [X.] für den
Vertragspartner kalkulierbar sei. Ein etwaiges
berechtigtes Interesse der Beklagten an einer nachträglichen einseitigen Leistungsbestim-mung sei weder in der Klausel erwähnt noch sei ersichtlich, auf welche Weise in einem solchen Fall
die Interessen des Reisenden beachtet würden.
Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass der Reisende nach §
6 Abs. 2 Nr. 2
der Verordnung über Informations-
und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (nachfolgend: [X.] oder [X.])
nur über die voraussichtliche [X.] und der Rückkehr zu informieren sei. Regelungsinhalt der [X.]
sei nicht die Festlegung des [X.]s des Pauschalreisevertrags, sondern die Benennung der Informati-onspflichten des Reiseveranstalters. Die Verbindlichkeit der angegebenen Zei-ten ergebe
sich aus dem jeweiligen Vertrag. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Unterabs. i der
Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen ([X.]. L
158 vom 23.
Juni 1990, S. 59
bis 64, nachfolgend:
Richtlinie), wonach dem Verbraucher nur Tag und [X.] und Rückkehr mitgeteilt werden müssten, führe zu keiner anderen Beurteilung. Die
Richtlinie stelle nur eine Mindestharmonisierung der nationalen Rechte dar.
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-
Die zweite Klausel ("Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich.")
verstoße gegen das Transparenzgebot des
§
307 Abs.
1 Satz
2 [X.]. Es handle sich nicht nur um eine die Vollmacht eines Reisevermittlers beschränkende Klausel. Durch die Regelung werde bei dem Reisenden viel-mehr der Eindruck erweckt, sämtliche Angaben der [X.], die sich auf Flugzeiten bezögen, seien unverbindlich. Dies betreffe auch die von den [X.]n lediglich weitergegebenen Fluginformationen der Beklagten. An den
von
ihr selbst genannten Informationen müsse sich die [X.] jedoch in jedem Fall festhalten lassen.
Die Unterlassungsverpflichtung beziehe sich auf den gesamten [X.]raum ab dem 1.
April 1977. Zu diesem [X.]punkt sei das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ([X.]-Gesetz) in [X.] getreten, dessen Vorschriften, soweit in diesem Rechtsstreit von Bedeutung, mit §§
307, 308 [X.] übereinstimmten. Die Beklagte dürfe inhaltsgleiche Klauseln in [X.] seit dem Inkrafttreten des [X.]-Gesetzes verwenden. Auf den [X.]punkt der Einführung der konkret beanstandeten Reisebedingungen der Beklagten komme
es nicht an, da alle inhaltsgleichen Klauseln von dem [X.] erfasst seien.
II.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Der Kläger kann
nach §§ 1,
3 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 [X.] von der Beklagten ver-langen, die Verwendung der genannten Klauseln zu unterlassen; die Beklagte hat deshalb auch die Kosten der Abmahnung zu tragen.
1.
Bei den angegriffenen
Bestimmungen handelt es sich, wie das [X.] von der Revision unbeanstandet festgestellt hat, um für eine Viel-zahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingungen, die die Beklagte ihren [X.] bei Abschluss eines Vertrags stellt (§
305 Abs. 1 Satz 1 [X.]).
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-
6
-
2.
Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die streiti-gen Bestimmungen nach §
307 Abs. 3 Satz 1 [X.]
der Inhaltskontrolle
unterlie-gen.
a)
Gegenstand der Inhaltskontrolle sind nach §
307 Abs. 3 Satz 1 [X.] solche
Bestimmungen in [X.], durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden.
Unter [X.] sind dabei nicht nur Gesetzesvorschriften im materiellen Sinn zu verstehen. Möglich ist auch eine Kontrolle von [X.]-Klauseln, die vertragsnatürliche we-sentliche Rechte und Pflichten zum Nachteil des Vertragspartners einschränken oder sonst gegen allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze verstoßen (vgl. [X.], Urteile vom 21. Dezember 1983

VIII
ZR
195/82, [X.]Z 89, 206, 211;
vom 6. Februar 1985

VIII
ZR
61/84, [X.]Z 93, 358, 362;
vom 10. Dezember 1992

I
ZR
186/90, [X.]Z 121, 13, 18 und vom 8.
Oktober 2013

XI
ZR
401/12, [X.], 2166). Hierzu gehören auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des [X.] oder die aufgrund ergänzen-der Auslegung nach §§ 157, 242 [X.] und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte
und Pflichten.
Nicht unter die Inhaltskontrolle fallen vertragliche Vereinbarungen betreffend Leistung und Ge-genleistung, die von den Vertragsparteien nach den Grundsätzen der Privatau-tonomie frei bestimmt werden können
oder deklaratorische Klauseln, die ledig-lich den Inhalt gesetzlicher Vorschriften wiedergeben. [X.] sind dage-gen Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen modifizieren, einschränken oder aushöhlen
([X.], Urteile vom 19. November 1991

X
ZR
63/90, [X.]Z 116, 119; vom 16. November 1999

[X.], [X.]Z 143, 128, 138; vom 18.
April 2002

III
ZR
199/01, [X.], 2386; vom 22.
November 2012

VII
ZR
222/12, NJW 2012, 159 Rn. 16; vgl. auch [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]-Recht, 11. Aufl., §
307 [X.] Rn. 38, 40 mwN).
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-
Ob eine Klausel danach kontrollfähig ist, ist durch Auslegung zu ermitteln ([X.] [X.], 2166 mwN). Maßgeblich ist, wie der Wortlaut der Klausel von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise
nach dem
objektiven
Inhalt und dem
typischen
Sinn der Klausel verstanden wird ([X.], Urteil vom 13. November 2012

[X.], [X.]Z 195, 298).

b)
Bei Anwendung dieser Grundsätze
unterliegen die angegriffenen Klauseln nach §
307 Abs. 3 Satz 1 [X.] der Inhaltskontrolle, weil durch sie von Rechtsvorschriften abweichende
Regelungen vereinbart werden.
(1)
Nach § 651a Abs. 1 [X.] wird der Reiseveranstalter durch den [X.] verpflichtet, dem Reisenden eine Gesamtheit von Reiseleistungen, z.B. den Flug zu dem gewünschten Urlaubsort und die Zurverfügungstellung eines Hotelzimmers, zu erbringen. Die Luftbeförderung
gehört
bei einer Flugrei-se
damit zu der vom Reiseveranstalter zu erbringenden Hauptleistung.
Sie ist zeitgebunden, und schon weil sie nur erbracht werden kann, wenn der Reisen-de an ihr mitwirkt, indem er sich rechtzeitig am [X.] und am Ausgang ein-findet, muss
der Reisevertrag regeln, wann sie erbracht werden soll.
Dies schreibt im Übrigen auch Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dem nationalen Recht vor.
(a)
Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass Reiseveranstalter und Reisender bereits bei Vertragsschluss eine bestimmte Uhrzeit für Hin-
und Rückflug vereinbaren. Eine solche Vereinbarung liegt umso näher, desto kürzer der zeitliche Abstand zwischen Vertragsschluss und vereinbartem Abreisetag ist.
Insbesondere bei Reiseverträgen, die lange vor der vorgesehenen Reise-zeit geschlossen werden, kann sich der Reiseveranstalter zum anderen jedoch auch ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 [X.] ausbedingen, das 17
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es ihm erlaubt, bei Vertragsschluss bestehenden Unwägbarkeiten hinsichtlich der zum Reisezeitpunkt möglichen Flugzeiten dadurch Rechnung zu tragen, dass er den [X.]punkt der Abreise und der Rückreise erst zu einem späteren [X.]punkt festlegt. In diesem Fall muss der Reisevertrag jedoch bestimmen, in welchem Rahmen das Leistungsbestimmungsrecht
ausgeübt werden darf, d.h. ob der
Reiseveranstalter sogar befugt sein soll, den Tag festzulegen, und ob ihm bei festgelegtem Tag der gesamte [X.]raum von 0.00
bis 23.59 Uhr zur Be-stimmung der Abflugzeit zur Verfügung stehen soll oder ob er bei der Ausübung des [X.] jedenfalls auf eine bestimmte Tageszeit oder ein bestimmtes [X.]fenster (etwa: zwischen 9.00
und 12.00
Uhr) festgelegt sein soll.
(b)
Ein solches beschränktes Leistungsbestimmungsrecht kann auch dadurch vereinbart werden, dass im Reisevertrag eine "voraussichtliche"
oder vorläufige Abflugzeit festgelegt wird. Mit der Qualifikation der Abflugzeit als vo-raussichtlich wird zum Ausdruck gebracht, dass der Reiseveranstalter dazu [X.] sein soll, die vertragliche Abflugzeit erst zu einem späteren [X.]punkt endgültig zu fixieren und hierbei in gewissem Umfang von der vorläufigen An-gabe abzuweichen.
Der Streitfall gibt keinen Anlass zu einer näheren Bestimmung des reise-vertragsrechtlich zulässigen Umfangs dieser Abweichung. Jedoch darf sie [X.] nicht soweit gehen, dass eine bei Vertragsschluss vereinbarte voraus-sichtliche Flugzeit die Funktion nicht mehr erfüllt, die geschuldete Leistungszeit zumindest annähernd anzugeben. Im Übrigen wird zu bedenken sein, dass der Reiseveranstalter, der einen vergleichsweise großen Spielraum zu benötigen meint, nicht auf die Angabe einer konkreten, wenngleich als voraussichtlich ge-kennzeichneten Uhrzeit angewiesen ist, sondern sich diesen Spielraum durch die Vereinbarung eines entsprechend groß bemessenen [X.]fensters verschaf-fen kann.
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(c)
Damit wird auch dem Schutzzweck des § 6 Abs. 2 Nr. 2 [X.] Rechnung getragen, nach dem nicht nur der Tag, sondern auch die [X.] [X.] und der Rückkehr in der Reisebestätigung ge-nannt sein müssen. Die Reisebestätigung ist nach § 6 Abs. 1 [X.] die dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss auszuhändigende Urkunde über den Reisevertrag. Die in ihr enthaltenen Angaben über den [X.], die Merkmale der
Reise nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 und 7 und nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 [X.] beschreiben den Gegenstand der vertraglichen Leistung des Reiseveranstalters und sollen entsprechend dem Zweck der ge-setzlichen Ermächtigung in Art.
238 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EG[X.] und der [X.] sicherstellen, dass der Reiseveranstalter dem Reisenden die notwendigen Informationen über den Inhalt des Reisevertrages erteilt.
Diesem Zweck entsprechend schreibt §
6 Abs. 2 Nr. 2 [X.] weder vor, dass im Reisevertrag eine
voraussichtliche Abflugzeit zu nennen
ist,
noch bestimmt die Vorschrift sonst, in welcher Form und mit welcher Genauigkeit im Reisevertrag die [X.] und die [X.] festzulegen sind. Sie bestimmt lediglich, dass der Reisende darüber zu informieren ist, was sich hinsichtlich der Abreisezeit und der [X.] aus dem Reisevertrag ergibt. Wenn der Verordnungsgeber insoweit davon ausgeht, dass die Reisebe-stätigung eine
voraussichtliche Abflugzeit enthalten kann, wird
damit der [X.] Praxis im Reisevertragsrecht Rechnung getragen, die genaue Abrei-sezeit erst zu einem späteren [X.]punkt zu fixieren. Es soll daher,
wie sich aus der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur [X.] der Pauschalreiserichtlinie zu §
3, jetzt § 6 [X.] (BT-Drucks. 12/5354 S. 18 re.
[X.]) ergibt, nicht nur der Fall erfasst werden, dass eine be-stimmte, als voraussichtlich gekennzeichnete Uhrzeit angegeben wird, sondern gleichermaßen eine sonstige, noch der Konkretisierung bedürftige Angabe der Tageszeit (wie etwa "vormittags"
oder "abends").
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-
Entscheidend ist in jedem Fall, dass die Reisebestätigung die Funktion er-füllt, den Reisenden zuverlässig zu informieren. Eine vorläufige Angabe über die Abreisezeit ist deshalb ebenso
wie die übrigen Angaben verbindlich und keinesfalls
als reines Werbemittel anzusehen, mit dem der Reiseveranstalter an bestimmten Flugzeiten interessierte Kunden zum Abschluss eines [X.] bewegen kann, ohne zur Einhaltung der vertraglich versprochenen Flug-zeit verpflichtet zu sein. Auch dies spricht dafür, dass bei Vereinbarung einer bestimmten Uhrzeit als Abflugzeit auch deren Qualifikation als voraussichtlich oder vorläufig Abweichungen hiervon
nur in einem verhältnismäßig engen Rahmen gestattet.
(2)
Soweit die erste Klausel der Beklagten das Recht gibt, mit den [X.] endgültige Flugzeiten festzulegen, liegt hiernach eine Modifizie-rung des Hauptleistungsversprechens vor.
(a)
Die
Klausel eröffnet die
Möglichkeit, mit der Festlegung des endgülti-gen Inhalts der [X.] von einem bisherigen,
vorläufig
gül-tigen Vertragsinhalt betreffend die Flugzeiten abzuweichen.
Denn jedenfalls bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung bestimmt die Klausel, dass eine vertraglich vereinbarte bestimmte Flugzeit nur vorläufigen Charakter trägt, die endgültige Flugzeit hingegen erst mit Übersendung der Reiseunterlagen von der Beklagten bestimmt wird.
(b)
Aber auch für den

praktisch im Vordergrund stehenden

Fall, dass
dem Vertragsschluss lediglich Angaben der Beklagten zu voraussichtlichen Hin-
und Rückreisezeiten zugrunde liegen, modifiziert die Klausel die
Hauptleis-tungsverpflichtung.

Nennt ein Reiseveranstalter in seinem
Reisekatalog oder sonstigen Unter-lagen, mit denen
er
die von ihm veranstalteten Flugreisen bewirbt, oder bei der Bestätigung einer Buchung voraussichtliche Flugzeiten, hat dies

entgegen der 26
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-
Annahme der Revision

regelmäßig
zur Folge, dass bei Abschluss des [X.] auch eine Vereinbarung über entsprechende Flugzeiten
getroffen wird. Denn der Reisende darf solche Angaben als Beschreibung der Leistung verste-hen, die der
Reiseveranstalter ihm gegenüber zu erbringen bereit ist.
Die Cha-rakterisierung der Abflugzeit als voraussichtlich bringt dabei, wie
ausgeführt, lediglich
zum Ausdruck, dass die endgültige Abflugzeit in gewissem Umfang von der zunächst genannten abweichen kann.
Die beanstandete Klausel stellt sich daher auch in dieser Konstellation als Änderungsvorbehalt dar. Die Bestimmung in den [X.] erlaubt
es dem [X.]
jedenfalls bei kundenfeindlicher Auslegung, die Abreisezeit unab-hängig von der in der Reisebestätigung
genannten voraussichtlichen Reisezeit mit der Übersendung der Reiseunterlagen
neu und gleichzeitig endgültig
festzu-legen.
(3)
Auch die Klausel "Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich"
enthält einen Vorbehalt des Reiseveranstalters, die verspro-chene Leistung

die Durchführung des Flugs

abweichend
von Rechtsvor-schriften festzulegen.
Die Klausel berührt die rechtlichen Beziehungen
zwischen dem [X.] und dem Reisebüro, das i.d.R. als Reisevermittler auftritt. Es
ist

falls es nicht selbst Reiseveranstalter ist

Vertragspartei eines Reisevermittlungs-vertrags mit dem Kunden und wirkt gleichzeitig

gegebenenfalls als Abschluss-bevollmächtigter
([X.], Urteil vom 19. November 1981

[X.], [X.]Z 82, 219, 223)
des Veranstalters

am Zustandekommen des Vertrags zwischen dem Veranstalter und dem Reisenden sowie gegebenenfalls der
Vertragsab-wicklung mit
(vgl. auch A.
[X.] in [X.], [X.], 11. Aufl.,
§
651a Rn.
63, der das Reisebüro jedenfalls als Boten ansieht). Reiseveranstalter und Reisevermittler stehen sonach regelmäßig in einer rechtlichen Beziehung, die den
Vermittler berechtigt, Informationen des Veranstalters, die die Reise betref-31
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-
fen, an den Kunden weiter zu geben; gegebenenfalls wird gegenüber dem [X.] zumindest der Anschein einer solchen Berechtigung erweckt.
Durch die Klausel soll, wie die Revision geltend macht, verhindert werden, dass Angaben des Reisebüros unberechtigterweise dem Veranstalter
zuge-rechnet werden.
Nach ihrem Wortlaut erfasst sie aber auch Angaben, die sich der Reiseveranstalter

kraft Vollmacht, Anscheinsvollmacht oder Duldungs-vollmacht oder aus anderen Gründen

zurechnen lassen muss. Die beanstan-dete
Bestimmung enthält damit ebenfalls eine Einschränkung der vertraglichen Rechte des Reisenden.
3.
Der danach eröffneten Inhaltskontrolle halten die
beanstandeten Re-gelungen nicht stand.
a)
Die erste angegriffene Klausel verstößt gegen §
308 Nr. 4 [X.].
(1)
§
308 Nr. 4 [X.]
betrifft diejenigen
Klauseln, in denen sich der [X.] das Recht vorbehält, die versprochene Leistung zu ändern oder
von ihr abzuweichen. Dies trifft, wie dargelegt,
für die
erste
Klausel zu.
(2)
Die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung durch die ange-griffene Klausel ist unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den Vertragspartner
nicht
zumutbar

308 Nr. 4 [X.]).
Ob eine Änderungsvereinbarung für den Reisenden zumutbar ist, ist auf-grund einer Abwägung der Interessen der Vertragsparteien zu beurteilen. Die-ser Abwägung ist
wegen der Geltung der [X.] für eine Vielzahl von Fällen eine
für derartige Verträge typische Betrachtungsweise
zugrunde zu legen; sie rich-tet
sich nicht nach den Umständen eines konkreten Einzelfalls
(vgl [X.], [X.], 6. Aufl.,
§
308 Rn. 7 mwN).
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-
Der Reiseveranstalter
mag, insbesondere bei frühzeitig geschlossenen Verträgen,
typischerweise darauf angewiesen
sein,
eine gewisse
Flexibilität bei der Planung
und Festlegung der Flugzeiten
zu behalten.
Dadurch kann z. B. ein für einen bestimmten Charterflug gebuchtes Kontingent so weit wie möglich ausgeschöpft und auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass
der Veranstalter, wie die Revision
geltend macht, in seiner Planung von der
Angabe der Flugzeiten und deren möglicher
Änderung durch die Fluggesellschaften ab-hängig ist.
Um eine weitgehende Flexibilität zu behalten, benötigt der [X.] jedoch keinen
in
Reisebedingungen formulierten Änderungsvorbehalt. Er kann und muss, wie ausgeführt, mit
dem Reisenden vielmehr bei Vertrags-schluss diejenigen Vereinbarungen hinsichtlich der voraussichtlichen
Flugzeiten treffen, die ihm eine spätere Konkretisierung innerhalb des vertraglich vorgese-henen Rahmens erlauben.
Hingegen ist es dem Reisenden nicht zumutbar, vo-raussetzungslos Abweichungen von dem vertraglich vereinbarten [X.]rahmen hinnehmen zu müssen. Reisende entscheiden sich
regelmäßig
bewusst für ei-nen Flug zu einer bestimmten Tageszeit, da sie unter Umständen
die Anreise
zum und die Rückkehr vom [X.]
mit einer weiteren Übernachtung einpla-nen und wissen müssen, ob hierfür ein weiterer Urlaubstag aufzuwenden ist. Die Abreise und die Rückkehr sind
in zeitlicher und auch finanzieller Hinsicht nicht mehr sicher kalkulierbar, wenn
der Reisende, der etwa von einer Abflug-zeit am Nachmittag
ausgehen durfte, kurzfristig auf einen in die frühen [X.] vorverlegten Flug verwiesen werden darf.

b)
Die Klausel "Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich"
verstößt gegen §
307 Abs. 1 Satz 1 [X.].
Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in [X.] unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von [X.] und Glauben
unangemessen benachteiligen. Dies trifft für die
beanstandete Klausel zu.
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-
Sie betrifft, wie ausgeführt,
unter anderem den Fall, dass
sich der [X.] zur Übermittlung vertragsbezogener Informationen
zu Abflugzeiten
eines Reisebüros bedient und diesem Vollmacht erteilt oder dem Kunden ge-genüber den
Anschein einer bestehenden Vollmacht
erweckt hat. Die Frei-zeichnung von der dadurch bewirkten Bindung des Reiseveranstalters benach-teiligt den Reisenden unangemessen.
4.
Die Revision bleibt auch ohne Erfolg, soweit der Beklagten untersagt worden ist, sich auf die angegriffenen Bestimmungen bei der Abwicklung nach dem
1. April 1977 ([X.]punkt des Inkrafttretens des [X.]-Gesetzes) geschlos-sener Verträge zu berufen.
Mit dem Unterlassungsanspruch nach §
1 [X.] soll der Rechtsverkehr von sachlich unangemessenen Vertragsbedingungen freigehalten und dafür gesorgt werden, dass die Kunden nicht von nach den §§ 307 ff. [X.] unwirk-samen Klauseln betroffen und davon abgehalten werden,
ihre Rechte hinrei-chend wahrzunehmen
(vgl. MünchKomm./Micklitz, ZPO, 4.
Aufl.,
§
1 [X.] Rn.
5).
Der Anspruch auf Unterlassung einer künftigen Verwendung erschöpft sich nicht in der Forderung nach bloßer Untätigkeit. Die Unterlassung der [X.] kann bei bereits getroffenen und fortwirkenden störenden Vorkehrun-gen auch ein Handeln zur Beseitigung der aus den unangemessenen Vertrags-bedingungen resultierenden Umstände gebieten ([X.]/Bornkamm, [X.], 31.
Aufl.,
§
1 [X.] Rn. 12). Der Anspruchsverpflichtete darf die unwirksamen [X.]
nicht mehr verwenden, d.h. er darf nicht mehr erklären, dass diese für künftige Verträge gelten sollen,
und er darf sich bei der Abwicklung bereits [X.] Verträge nicht mehr auf diese
berufen
(st. Rspr., [X.], Urteil vom
13.
Juli 1994

IV
ZR
107/93, [X.]Z 107, 93; Urteil vom 18.
April 2002

III
ZR
199/01, [X.], 2386 Rn.
11; Urteil vom 23.
Januar 2003

II
ZR
54/02, NJW 2003, 1237 Rn.
9; Urteil vom 4.
Februar 2009

VIII
ZR
32/08, [X.], 1337 Rn. 24).
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-
15
-
Soweit die Revision beanstandet, dass das Berufungsgericht das [X.] seit dem 1. April 1977 geschlossenen Verträge erstreckt habe, ist diese Rüge ebenfalls unbegründet. Das Berufungsgericht hat hiermit

angesichts der seither verstrichenen [X.] von mehr als dreißig Jahren nicht zwingend notwendig

lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sich die Verurteilung der Beklagten nicht auf Verträge erstreckt, die vor dem Inkrafttre-ten des [X.]-Gesetzes, dessen Regelungen inhaltlich mit den §§
307 bis 309 [X.] und §
1 [X.] übereinstimmen,
geschlossen worden sind; die Beklagte wird hierdurch nicht beschwert.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck
Grabinski
Bacher

[X.]
Schuster

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.03.2012 -
18 O 79/11 -

OLG Celle, Entscheidung vom 07.02.2013 -
11 [X.] -

46
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Meta

X ZR 24/13

10.12.2013

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2013, Az. X ZR 24/13 (REWIS RS 2013, 480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 480

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X ZR 1/14 (Bundesgerichtshof)


X ZR 147/13 (Bundesgerichtshof)


X ZR 147/13 (Bundesgerichtshof)

Allgemeine Geschäftsbedingungen für einen Reisevertrag: Inhaltskontrolle für Formularklauseln über in unterschiedlicher Höhe zu leistende Anzahlungen …


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X ZR 24/13

XI ZR 500/11

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