Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.09.2014, Az. X ZR 1/14

10. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2955

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) VERBRAUCHERSCHUTZ VERTRAGSRECHT REISERECHT REISE

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Gegenstand

AGB-Kontrollklage für Pauschalreiseverträge: Unterlassungsanspruch gegen den Reiseveranstalter wegen der Erteilung von Reisebestätigungen ohne Angabe voraussichtlicher Flugzeiten


Leitsatz

1. § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV schreibt nicht vor, in welcher Form und mit welcher Genauigkeit im Reisevertrag die Zeit der Abreise und die Zeit der Rückkehr festzulegen sind. Die Vorschrift bestimmt lediglich, dass der Reisende darüber zu informieren ist, was sich hinsichtlich der Abreisezeit und der Zeit der Rückkehr aus dem Reisevertrag ergibt.

2. Sind im Reisevertrag Uhrzeiten für den Hin- und Rückflug nicht vereinbart und soll dem Reiseveranstalter jeweils der gesamte benannte Reisetag für die nachträgliche Festlegung des Zeitpunkts des Hinflugs und des Rückflugs zur Verfügung stehen, wird der Inhalt des Reisevertrags mit der Angabe "Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt" zutreffend wiedergegeben (im Anschluss an BGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, X ZR 24/13, NJW 2014, 1168 = RRa 2014, 132).

Tenor

Die Revision gegen das am 22. November 2013 verkündete Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband der [X.]; er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragen.

2

Die Beklagte, eine Reiseveranstalterin, bedient sich zur Bestätigung von mit Verbrauchern geschlossenen Reiseverträgen eines Formulars, in dem - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - sowohl zum Hinflug als auch zum Rückflug neben den Daten der Reisetage angegeben ist: "Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt!". Der Kläger verlangt von der [X.], es zu unterlassen, an Verbraucher Bestätigungen über den Abschluss eines Reisevertrags zu übermitteln, ohne die voraussichtliche Zeit der Abreise (Abflug) und der Rückkehr (Landung des [X.]) anzugeben.

3

Das [X.] hat den Unterlassungsanspruch abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des [X.], der die Beklagte entgegentritt.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

5

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Es bestünden bereits Zweifel am Vorliegen der für ein Unterlassungsbegehren erforderlichen Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr. Es könne weder festgestellt werden, dass die Beklagte die Mitteilung ihr bekannter Reisezeiten unterlasse, noch dass sie bei Vertragsschluss Verbrauchern gegenüber den Eindruck erwecke, die Reisezeiten stünden fest, und gleichwohl die beanstandete Formulierung in der Reisebestätigung verwende. Jedenfalls habe die Beklagte mit der beanstandeten Formulierung in der Reisebestätigung nicht gegen § 6 Abs. 2 Nr. 2 [X.] verstoßen. Wenn bei einer Reise nach der Vereinbarung der Vertragsparteien die Reise- oder Flugzeiten nicht feststünden, könnten diese auch nicht als voraussichtliche Zeiten angegeben werden. Eine solche Vertragsgestaltung gestatte keine nachträgliche einseitige Leistungsänderung, sondern gewähre einer Vertragspartei ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB. Legte man § 6 Abs. 2 Nr. 2 [X.] so aus, dass jede Reisebestätigung die Reisezeiten angeben müsse, wäre ein Vertragsschluss, der zu einem Zeitpunkt vorgenommen werde, in dem auch dem Reiseunternehmen die Flugzeiten noch nicht bekannt sind, nicht möglich. Der zulässige Inhalt von [X.]n solle nach der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl. EG Nr. L 158 vom 23. Juni 1990, [X.], nachfolgend: Richtlinie oder Pauschalreiserichtlinie) und den Vorstellungen des [X.] Gesetzgebers (BT-Drucks. 12/5354, [X.]) nicht durch Bestimmungen der [X.] festgelegt werden.

6

II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

7

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann im Interesse des Verbraucherschutzes derjenige auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze). Als Verbraucherschutzgesetz sind unter anderem die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts, die für [X.] zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher gelten, mithin auch § 651a Abs. 3 BGB und § 6 Abs. 2 Nr. 2 [X.] anzusehen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. f [X.]).

8

2. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, die Beklagte habe mit dem beanstandeten Hinweis in der Reisebestätigung ("Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt!") den [X.] nicht zuwidergehandelt.

9

a) Bei einer Flugreise gehört die Luftbeförderung zu der vom Reiseveranstalter zu erbringenden Hauptvertragsleistung. Der Reisevertrag muss nach Tag und Uhrzeit bestimmen, wann sie erbracht werden soll. Zur Regelung der Reisezeit können Reiseveranstalter und Reisender bereits bei Vertragsschluss eine bestimmte Uhrzeit für Hin- und Rückflug vereinbaren oder die Reisezeiten bewusst offen lassen. Der Reiseveranstalter kann sich im letzteren Fall ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB ausbedingen, das es ihm erlaubt, die Uhrzeit der Abreise und der Rückkehr erst zu einem späteren Zeitpunkt festzulegen. In diesem Fall muss der Reisevertrag jedoch bestimmen, in welchem Rahmen das Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt werden darf, d.h., ob dem Reiseveranstalter der gesamte Zeitraum von 0 bis 23.59 Uhr des [X.] oder [X.]es zur Bestimmung der Abflug- oder der Rückkehrzeit zur Verfügung stehen soll oder ob er bei der Ausübung des [X.] jedenfalls auf eine bestimmte Tageszeit oder ein bestimmtes Zeitfenster (etwa: zwischen 9 und 12 Uhr) festgelegt sein soll ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2013 - [X.], NJW 2014, 1168 = [X.] 2014, 132 Rn. 19 bis 21).

b) Aus der [X.] und der Pauschalreiserichtlinie ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen.

§ 6 Abs. 2 Nr. 2 [X.] schreibt weder vor, dass im Reisevertrag eine (voraussichtliche) Abflug- oder Rückkehrzeit zu nennen ist, noch bestimmt die Vorschrift sonst, in welcher Form und mit welcher Genauigkeit im Reisevertrag die [X.] und die [X.] festzulegen sind. Sie legt lediglich fest, dass der Reisende darüber zu informieren ist, was sich hinsichtlich der Abreisezeit und der [X.] aus dem Reisevertrag ergibt. Der Reiseveranstalter ist danach nicht auf die Angabe einer konkreten, gegebenenfalls als voraussichtlich gekennzeichneten Uhrzeit angewiesen, sondern kann sich einen für nötig gehaltenen Spielraum durch die Vereinbarung eines entsprechend groß bemessenen Zeitfensters, gegebenenfalls auch des ganzen [X.], verschaffen ([X.], NJW 2014, 1168 = [X.] 2014, 132 Rn. 25).

Dies steht mit der Pauschalreiserichtlinie in Einklang. Nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie umfasst der [X.] mindestens die im Anhang der Richtlinie aufgeführten Bedingungen. Der Anhang der Richtlinie listet "erforderliche Angaben im Vertrag, sofern sie auf die jeweilige Pauschalreise zutreffen" auf; unter Buchstabe b sind als solche Angaben unter anderem Tag und Zeit sowie Ort der Abreise und Rückkehr genannt. Die Richtlinie sieht es danach grundsätzlich als notwendig an, bestimmte Vertragsbedingungen in den Vertrag aufzunehmen. Gleichzeitig erlaubt sie mit Blick auf die Art der jeweiligen Pauschalreise Ausnahmen von diesem Grundsatz, ohne eine bestimmte Art der Gestaltung des Reisevertrags ausdrücklich als Ausnahme zu benennen oder sie auszuschließen. Auch nach der Richtlinie sind demnach Vertragsgestaltungen zulässig, bei denen konkrete Angaben zur Reisezeit nicht im Reisevertrag enthalten sind.

c) Wie bereits das [X.] angenommen hat, gibt die Bezeichnung der Reisetage in der Reisebestätigung in Verbindung mit der angegriffenen Angabe, die genauen Flugzeiten seien noch nicht bekannt, die im Reisevertrag getroffene Vereinbarung zu den Reisezeiten dahin wieder, dass im Reisevertrag nur die Reisetage, nicht aber genaue oder auch nur voraussichtliche Uhrzeiten für die Reise vereinbart wurden. Für die Festlegung der Reisezeiten soll somit der Beklagten jeweils der gesamte [X.] und [X.] zur Verfügung stehen. Haben die Vertragsparteien tatsächlich weder für den Hin- noch für den Rückflug eine Uhrzeit vereinbart, gibt der Hinweis, dass genaue Flugzeiten noch nicht bekannt seien, damit den Inhalt des Reisevertrags zutreffend wieder und ist nicht zu beanstanden.

d) Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die beanstandete Klausel auch in Fällen verwendet hat, in denen die Reisezeiten im Reisevertrag bereits festgelegt waren, liegen nach den von der Revision nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck                        Grabinski                        Bacher

                    [X.]

Meta

X ZR 1/14

16.09.2014

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 22. November 2013, Az: I-7 U 271/12, Urteil

§ 6 Abs 2 Nr 2 BGB-InfoV, § 8 Abs 1 Nr 1 BGB-InfoV, § 2 UKlaG, § 315 Abs 1 BGB, § 651a Abs 3 BGB, Art 4 Abs 2 Buchst a EWGRL 314/90

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.09.2014, Az. X ZR 1/14 (REWIS RS 2014, 2955)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2955

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