Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2012, Az. I ZR 124/10

I. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8386

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I
ZR
124/10
Verkündet am:
8.
März
2012
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Weinkaraffe
[X.] Art. 3 Buchst. a, Art. 36 Abs. 1 Buchst. c Satz 1
a)
Schutzgegenstand des eingetragenen [X.] ist die in der Anmeldung sichtbar wiedergegebene Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon.
Unterschiedliche Darstellungen eines [X.] in der Anmeldung bilden nicht mehrere Schutzgegenstände.
Führen unterschiedliche Darstellungen eines [X.] in der Anmeldung zu Unklarheiten über den Schutzgegenstand, ist der Schutzgegenstand durch Auslegung zu ermitteln.
b)
Teile oder Elemente eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmus-ters sind nach der [X.] nicht [X.] geschützt.
[X.], Urteil vom 8. März 2012 -
I ZR 124/10 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 8.
März
2012
durch [X.] [X.] und [X.], Prof. Dr.
Büscher, Dr.
Schaffert und
Dr.
Koch

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 11.
Zivilsenats des Oberlan-desgerichts Frankfurt am Main vom 8.
Juni 2010 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, wegen der behaupteten Verletzung eines
Gemeinschaftsge-schmacksmusters an der Gestaltung einer Weinkaraffe in Anspruch.
Die Klägerin ist Inhaberin des [X.] Nr.
000383757-0001
(im Weiteren: [X.]), das am 8.
August 2005 [X.] und am 20.
September 2005 bekanntgemacht
worden ist. Die Wie-dergabe des [X.]s
zeigt eine Karaffe in sieben
Ansichten. Auf vier An-sichten ist die Karaffe zusammen mit einem Sockel zu sehen, auf drei Ansich-ten ist die Karaffe allein wiedergegeben. Nachfolgend ist eine der vier Ansichten
der Karaffe mit Sockel und eine der drei Ansichten der Karaffe
ohne Sockel ab-gebildet:
1
2
-
3
-

Ansicht der Karaffe mit Sockel
Ansicht der
Karaffe ohne Sockel
Die Beklagte vertreibt die nachstehend
abgebildete Weinkaraffe:

3
-
4
-
Nach Ansicht der Klägerin verletzt
die Beklagte mit dem Vertrieb dieser
Weinkaraffe
das [X.]. Sie
nimmt die Beklagte deshalb auf [X.], Auskunftserteilung, Feststellung der
Schadensersatzpflicht und
Erstat-tung von Rechtsanwalts-
und Patentanwaltskosten für das [X.] im vorausgegangenen Verfahren der einstweiligen Verfügung in Anspruch.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat
widerklagend beantragt, das Gemeinschaftsgeschmacksmuster
der Klägerin für nichtig zu erklären.
Das [X.] hat die Klage und die Widerklage abgewiesen. Die Be-rufung der Parteien
ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelasse-nen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Kläge-rin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht
hat die mit der Klage geltend gemachten An-sprüche für
begründet
erachtet, weil die Beklagte mit dem Vertrieb ihrer
Wein-karaffe
das [X.]
verletze. Dazu hat es unter Bezugnahme auf die Ent-scheidung eines anderen Senats des Berufungsgerichts im vorausgegangenen Verfahren der einstweiligen Verfügung ([X.], [X.], 333
f.
unter 1
a) ausgeführt:

Der Schutz des [X.]s beziehe sich auf die in vier Einzeldarstel-lungen wiedergegebene
Kombination von Karaffe und Sockel. Die drei Einzel-darstellungen, auf denen die Karaffe allein abgebildet sei, verdeutlichten die Gestaltung der Karaffe, ohne einen eigenständigen Schutz für die Karaffe allein zu begründen. Die von der [X.] vertriebene Karaffe erwecke beim [X.] Benutzer einen anderen Gesamteindruck als das [X.]. Denn 4
5
6
7
8
-
5
-
der Gesamteindruck des [X.] der Klägerin werde
maßgeblich auch von dem Sockel mitbestimmt, auf den die Beklagte bei
ihrem
Modell ver-zichte. Die Klägerin könne keinen Schutz allein für die Karaffe in Anspruch nehmen. Die Geschmacksmusterverordnung gewähre keinen Schutz für Teile oder Elemente eines eingetragenen Musters.
I[X.] Die Revision der
Klägerin
hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die
mit der Klage
geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung (Art.
89 Abs.
1 Buchst.
a [X.]), Auskunftserteilung (Art.
89 Abs.
1 Buchst.
d [X.], §
46 Abs.
1 und 3 [X.]), Feststellung der Scha-densersatzpflicht (Art.
89 Abs.
1 Buchst.
d
[X.], §
42 Abs.
2 [X.]) und Erstattung von Rechtsanwalts-
und Patentanwaltskosten für das Abschluss-schreiben im vorausgegangenen Verfahren der einstweiligen Verfügung (Art.
88 Abs.
2 und 3
[X.], §§
677, 683, 670 BGB, §
52 Abs.
4 [X.])
unbegrün-det sind, weil die Beklagte mit dem Vertrieb der Weinkaraffe
das [X.]
der Klägerin nicht verletzt.
1.
Nach Art.
85 Abs.
1 Satz
1 [X.] ist im vorliegenden Verletzungsver-fahren von der Rechtsgültigkeit des eingetragenen [X.] und damit vom Vorliegen der [X.] (Art.
4 Abs.
1 [X.]) der Neuheit (Art.
5 [X.]) und der Eigenart (Art.
6 [X.]) sowie vom
Feh-len von Schutzausschließungsgründen (Art.
8, 9 [X.]) auszugehen. Die von der [X.]
gemäß Art.
85 Abs.
1 Satz
2 [X.] erhobene Widerklage auf Er-klärung der Nichtigkeit des [X.]s
ist -
nachdem die Beklagte das Beru-fungsurteil insoweit nicht angegriffen hat -
rechtskräftig abgewiesen.
2. Das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster gewährt seinem Inhaber nach Art.
19 Abs.
1 [X.]
unter anderem das ausschließliche Recht, Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen und insbesondere 9
10
11
-
6
-
anzubieten und in Verkehr zu bringen. Der Umfang des Schutzes aus dem [X.] erstreckt sich gemäß Art.
10 Abs.
1 [X.]
auf jedes Muster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt.
3. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler
angenommen, dass Ge-genstand des [X.]s die in der Anmeldung sichtbar wiedergegebene Er-scheinungsform eines aus einer Karaffe und einem Sockel bestehenden Kom-binationserzeugnisses ist (dazu
a)
und dass die von der [X.] vertriebene Weinkaraffe beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck als das
[X.]
erweckt (dazu
b). Es
ist auch
mit Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin keinen Schutz allein für die Karaffe als Teil oder Element des Kla-gemusters
beanspruchen kann
(dazu
c).
a) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, Gegen-stand des [X.]s
sei die in der Anmeldung sichtbar wiedergegebene Er-scheinungsform eines aus einer Karaffe und einem Sockel bestehenden Kom-binationserzeugnisses. Die Revision
macht ohne Erfolg geltend, auch die Ein-zeldarstellungen dieser Karaffe seien Schutzgegenstand des [X.]s.
aa) Gegenstand des [X.] ist beim eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster -
wie auch beim [X.] [X.] -
die in der Anmeldung sichtbar wiedergegebene
Erscheinungsform ei-nes Erzeugnisses oder eines Teils davon.

(1) Im Sinne des [X.] Geschmacksmustergesetzes ist ein Muster nach §
1 Nr.
1 [X.] die zweidimensionale oder dreidimensionale Er-scheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder
eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, 12
13
14
15
-
7
-
Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt. Gemäß §
11 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] muss die [X.] zur Eintragung eines Geschmacksmusters in das Register eine zur Bekanntmachung geeignete Wiedergabe des Musters enthalten. Nach §
37 Abs.
1 [X.] wird der Schutz für diejenigen Merkmale der Erscheinungs-form eines Geschmacksmusters begründet, die in der Anmeldung sichtbar wie-dergegeben sind. Der Schutzgegenstand des Geschmacksmusters wird danach durch diejenigen Merkmale der Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon begründet, die in der Anmeldung sichtbar wiedergege-ben sind.

[X.] Auch
die
Geschmacksmusterverordnung bezeichnet in
Art.
3 Buchst.
a [X.] die Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils da-von

, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur und/oder der [X.] des Erzeugnisses selbst und/oder seiner Verzierung ergibt. Gemäß
Art.
36 Abs.
1 Buchst.
c Satz 1 [X.]
muss die Anmeldung des eingetragenen [X.] gleichfalls eine zur Reproduktion geeignete Wiedergabe des Geschmacksmusters enthalten. Die [X.] enthält zwar keine §
37 Abs.
1 [X.] ent-sprechende Bestimmung. Dass der Schutz für diejenigen Merkmale der Er-scheinungsform eines Geschmacksmusters begründet wird, die in der Anmel-dung sichtbar wiedergegeben sind, ist jedoch ein allgemein
anerkannter
Grund-satz des Geschmacksmusterrechts (vgl. etwa Erwägungsgrund
11 der Richtlinie 98/71/[X.] über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen), der auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung und auch im Gemeinschaftsge-schmacksmusterrecht gilt (vgl. [X.] in [X.]/v.
[X.], [X.], 4.
Aufl., §
37 Rn.
2).
Der Schutzgegenstand des Gemeinschaftsge-schmacksmusters wird danach gleichfalls durch diejenigen Merkmale der [X.]
-
8
-
scheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon begründet, die in der Anmeldung sichtbar wiedergegeben sind.
[X.]) Die Anmeldung
eines [X.] begründet -
wie auch die Anmeldung
eines [X.] Geschmacksmusters -
selbst
dann Schutz nur für ein einziges Muster, wenn sie
unterschiedliche Darstellungen
der Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon enthält.

(1) Die Anmeldung eines Geschmacksmusters muss grundsätzlich nach §
11 Abs.
2 Nr.
3 [X.] eine zur Bekanntmachung geeignete Wiedergabe des Musters enthalten. Die Wiedergabe besteht gemäß §
6 Abs.
1 Satz
1 GeschmMV
aus bis zu zehn fotografischen oder sonstigen grafischen Darstel-lungen
des Musters. Dabei darf eine einzelne Darstellung nach §
6 Abs.
3 Satz
3 GeschmMV nur eine Ansicht -
also einen bestimmen Aspekt des [X.] (v.
[X.] in [X.]/v.
[X.] aaO §
11 Rn.
25) -
zeigen.
Enthält die Anmeldung eines Geschmacksmusters eine Wiedergabe
mit mehreren Darstellungen des Musters, bilden diese Darstellungen auch dann nur einen einzigen Schutzgegenstand, wenn sie verschiedene Ausführungsfor-men des Musters zeigen. Mit der Einzelanmeldung eines Geschmacksmusters wird Schutz nur für ein einheitliches Muster beansprucht. Abweichungen der Darstellungen führen daher nicht zu
einer Vermehrung der Schutzgegenstände (vgl. zu §
7 Abs.
3 Nr.
2 [X.] in der bis zum 31.
Mai 2004 geltenden Fassung
[[X.] aF] [X.], Urteil vom 15.
Februar 2001 -
I
ZR
333/98, [X.], 503, 505 = [X.], 946 -
Sitz-Liegemöbel).

[X.] Auch die Anmeldung des eingetragenen [X.] muss grundsätzlich nach Art.
36 Abs.
1 Buchst.
c Satz
1 [X.]
eine zur Reproduktion geeignete
Wiedergabe des Geschmacksmusters enthalten. Die 17
18
19
20
-
9
-
Wiedergabe des Geschmacksmusters besteht gemäß Art.
4 Abs.
1 Satz
1 der Verordnung ([X.]) 2245/2002 zur Durchführung der Gemeinschaftsgeschmacks-musterverordnung ([X.])
aus einer fotografischen oder sonstigen grafischen Darstellung des Geschmacksmusters in
schwarz-weiß oder in Farbe. Nach Art.
4 Abs.
2 Satz
1 [X.] können nicht mehr als sieben verschiedene Ansich-ten des Musters wiedergegeben werden. Eine einzelne fotografische oder sons-tige grafische Darstellung darf nach Art.
4 Abs.
2 Satz
2 [X.] nur eine Ansicht zeigen.
Da mit der Einzelanmeldung eines eingetragenen Gemeinschaftsge-schmacksmusters Schutz nur für ein einheitliches Geschmacksmuster bean-sprucht wird, bilden
mehrere in der Anmeldung eines eingetragenen Gemein-schaftsgeschmacksmusters enthaltene Darstellungen des Geschmacksmusters
selbst dann nur einen einzigen Schutzgegenstand
und nicht etwa mehrere Schutzgegenstände, wenn sie
verschiedene Ausführungsformen des [X.] zeigen.
[X.]) Enthält die Einzelanmeldung eines eingetragenen Gemeinschaftsge-schmacksmusters -
oder eines [X.] Geschmacksmusters -
Darstellungen verschiedener
Ausführungsformen des Geschmacksmusters
und entstehen dadurch Unklarheiten über den Schutzgegenstand, ist
der Schutzgegenstand durch Auslegung zu ermitteln.
Die Anmeldung eines Geschmacksmusters ist nicht nur eine Verfahrens-handlung, sondern auch eine Willenserklärung. Der Anmelder bringt damit sein Begehren zum
Ausdruck, für die in der Anmeldung sichtbar wiedergegebene Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon [X.]schutz zu erlangen. Bei Unklarheiten der Anmeldung ist daher der Wille des Anmelders durch Auslegung zu ermitteln. Dabei muss auf den Empfänger-21
22
23
-
10
-
horizont der Fachkreise des betreffenden Sektors abgestellt werden. Denn bei der Auslegung muss
das Interesse des Verkehrs berücksichtigt werden, klar er-kennen zu können, wofür der Anmelder Schutz beansprucht.
Im Wege der [X.] können auf diese Weise auch Unklarheiten
beseitigt werden,
die durch unterschiedliche Darstellungen verschiedener Ausführungsformen des [X.] in der Anmeldung entstehen
(v.
[X.] in [X.]/v.
[X.] aaO §
11 Rn.
28; [X.] in [X.]/v.
[X.] aaO §
37 Rn.
1 und 7; [X.], [X.], 2.
Aufl., Art.
3 Rn.
143 und Art.
36 Rn.
75).
Als Auslegungshilfe kann insbesondere die
(fakultative) Beschreibung (§
11 Abs.
4 Nr.
1 [X.]; Art.
36 Buchst.
a [X.])
herangezogen werden, die bestimmungsgemäß der Erläuterung der Wiedergabe dient (v.
[X.] in [X.]/v.
[X.] aaO §
11 Rn.
66; [X.] in [X.]/v.
[X.] aaO §
37 Rn.
10). Aber auch die (obligatorische) Angabe der [X.], in die das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei denen es verwendet werden soll (§
11 Abs.
2 Nr.
4 [X.];
Art.
36 Abs.
2 [X.]),
und das
(fakultative) Verzeichnis mit der
Warenklasse oder den [X.], in die das Geschmacksmuster einzuordnen ist (§
11 Abs.
4 Nr.
3 [X.]),
oder
die (fakultative) Klassifikation der Erzeugnisse, in die das [X.] aufgenommen oder bei denen es verwendet werden soll (Art.
36 Abs.
3 Buchst.
d [X.]), kommen als Auslegungsmittel in Betracht
(vgl. [X.] in [X.]/v.
[X.] aaO §
37 Rn.
1 und 11).
Die
Angaben nach §
11 Abs.
2 Nr.
4 [X.] oder
Art.
36 Abs.
2 [X.] (Erzeugnis) und §
11 Abs.
4 Nr.
3 [X.] oder
Art.
36 Abs.
3 Buchst.
d [X.]
([X.]) haben zwar gemäß §
11 Abs.
5 [X.] keinen Einfluss auf den Schutzumfang des Geschmacksmusters
und
beein-trächtigen gemäß Art.
36 Abs.
6 [X.] nicht den Schutzumfang des [X.] als solchen. Das gilt nach Art.
36 Abs.
6 [X.] -
anders als 24
25
-
11
-
nach §
11 Abs.
5 [X.] (vgl. dazu
[X.],
Urteil vom 24.
März 2011 -
I
ZR
211/08, [X.], 1112 Rn.
55 = [X.], 1621 -
Schreibgeräte) -
auch für die Angaben gemäß Art.
36 Abs.
2 [X.] (Beschreibung). Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, diese Angaben
zur Bestimmung des Schutzgegenstan-des des Geschmacksmusters heranzuziehen (vgl. v.
[X.] in [X.]/v.
[X.] aaO §
11 Rn.
63 und 87).
[X.]) Das Berufungsgericht hat nach diesen Grundsätzen ohne [X.] angenommen, dass Gegenstand des [X.]s
die in der Anmeldung sichtbar wiedergegebene Erscheinungsform eines aus einer Karaffe und einem Sockel bestehenden Kombinationserzeugnisses ist.

(1) Die
Auslegung der Anmeldung eines Geschmacksmusters obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter. In der Revisionsinstanz ist nur zu prüfen, ob der Tatrichter einen zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt, nicht gegen Erfah-rungssätze oder Denkgesetze verstoßen und
wesentliche Umstände nicht un-berücksichtigt gelassen hat.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist danach rechtlich nicht zu beanstanden.

[X.] Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Gegenstand des [X.] durch
die in der Anmeldung sichtbar wiedergegebene Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon
begründet wird (vgl. oben Rn.
14
ff.) und die Anmeldung eines [X.]s selbst dann Schutz nur für ein einziges Muster
begründet, wenn sie unterschiedliche Darstellungen der Erscheinungsform ei-nes Erzeugnisses oder eines Teils davon enthält
(vgl. oben Rn.
17
ff.). Es ist danach
-
anders als die Revision meint -
ausgeschlossen, dass sowohl die Er-scheinungsform eines aus einer Karaffe und einem Sockel bestehenden Kom-26
27
28
-
12
-
binationserzeugnisses als auch die Erscheinungsform allein einer Karaffe Schutzgegenstand des [X.]s sind.

(3) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, der Schutz des Geschmacksmusters der Klägerin beziehe sich auf die in vier Ein-zeldarstellungen wiedergegebene Kombination von Karaffe und Sockel; die drei Einzeldarstellungen, auf denen die Karaffe allein abgebildet sei, verdeutlichten lediglich die Gestaltung der Karaffe.
Weichen verschiedene Darstellungen eines Geschmacksmusters -
wie im Streitfall -
voneinander ab
und entstehen dadurch Unklarheiten über den Schutzgegenstand, ist der Schutzgegenstand des Geschmacksmusters durch Auslegung zu bestimmen
(vgl. oben Rn.
22
ff.).
Diese Auslegung kann zu dem Ergebnis führen, dass Abweichungen der Wiedergaben bei der Bestimmung
des Schutzgegenstandes außer Betracht bleiben müssen (vgl. [X.], [X.], 503, 505 -
Sitz-Liegemöbel)
und der Schutzgegenstand gleichsam aus der Schnittmenge der allen Darstellungen gemeinsamen Merkmale besteht
(v.
[X.] in [X.]/v.
[X.] aaO §
11 Rn.
29).
Die Auslegung kann aber auch ergeben, dass der Schutzgegenstand aus mehreren Gegenständen besteht, die nach der Verkehrsauffassung ein einheit-liches Erzeugnis -
ein sogenanntes Kombinationserzeugnis -
bilden ([X.] in [X.]/v.
[X.] aaO §
1 Rn.
29
und §
37 Rn.
7). Dies liegt, wie das Berufungsgericht zutreffend
angenommen hat, insbesondere dann nahe, wenn die abgebildeten Einzelgegenstände -
wie im Streitfall -
ästhetisch aufeinander abgestimmt sind und miteinander in einem funktionalen Zusammenhang stehen 29
30
31
32
-
13
-
(vgl. v.
[X.] in [X.]/v.
[X.] aaO §
11 Rn.
41; [X.] aaO Art.
3 Rn.
26 und 148).

Die Revision
macht vergeblich
geltend, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass Teile eines Erzeugnisses nach Art.
3 Buchst.
a [X.]
be-reits als solche Gegenstand eines eigenständigen Geschmacksmusters sein könnten. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin lediglich [X.]chutz für den Teil eines Erzeugnisses beansprucht
haben könnte. Insbesondere ist weder festgestellt noch vorgetragen, dass sie
bei der Anmeldung -
etwa durch entsprechende Angaben in der Beschreibung des [X.] -
für die Fachkreise des betreffenden Sektors erkennbar zum Ausdruck gebracht hat, sie beanspruche Geschmacksmusterschutz allein für die Gestaltung der Karaffe.
b) Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, die von der [X.] vertriebene Weinkaraffe erwecke beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck als das [X.], weil der Gesamteindruck des Kombinati-onsmusters der Klägerin maßgeblich auch von dem Sockel mitbestimmt
werde, auf den die Beklagte bei dem angegriffenen Modell verzichte. Gegen
diese Be-urteilung hat die Revision keine Einwände erhoben. Sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. zur Bestimmung des Schutzumfangs nach Art.
10 [X.] [X.], Urteil vom 19.
Mai 2010 -
I
ZR
71/08, [X.], 142 Rn.
17 = [X.], 100
-
Untersetzer).
c) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Klä-gerin keinen Schutz allein für die Karaffe als Teil oder Element des eingetrage-nen Geschmacksmusters beanspruchen kann, weil die Geschmacksmusterver-ordnung -
wie auch die [X.] und das darauf beruhende 33
34
35
-
14
-
Geschmacksmustergesetz in der ab dem 1.
Juni 2004 geltenden Fassung -
kei-nen Schutz für Teile oder Elemente eines eingetragenen Musters kennt.
aa) Nach §
1 Abs.
1 [X.] aF stand dem Urheber eines gewerbli-ches Musters oder Modells ausschließlich das Recht zu, dasselbe ganz oder teilweise nachzubilden. Es war allgemein anerkannt, dass
danach auch ein in sich geschlossener Teil eines hinterlegten Geschmacksmusters selbständig am Musterschutz teilnehmen konnte, sofern er für sich allein den Erfordernissen der Neuheit und Eigentümlichkeit genügte und
eine gewisse Eigenständigkeit und Geschlossenheit der Form
aufwies, die es überhaupt möglich machte, ei-nen von der Gesamtform
unabhängigen ästhetischen Gesamteindruck der Un-terkombination festzustellen (vgl. [X.], Urteil vom 21.
Januar 1977 -
I
ZR
49/75, [X.] 1977, 602, 605 -
Trockenrasierer, mwN; Urteil vom 21.
Mai 1979 -
I
ZR
117/77, [X.] 1979, 705, 706 = WRP 1979, 646 -
Notizklötze; Urteil vom 11.
Dezember 1997 -
I
ZR
134/95, [X.] 1998, 379, 381
= [X.], 406
-
Lunette, mwN; [X.] in [X.]/v.
[X.] aaO §
38 Rn.
28 mwN).
[X.]) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass diese Grundsätze nicht auf das Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht -
und das deutsche
Geschmacksmusterrecht neuer Fassung -
übertragen werden können
([X.]
aaO
Art.
10 Rn.
51-63; Auler in Büscher/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2.
Aufl., Art.
11 [X.] Rn.
6, §
37 [X.]
Rn.
8 und §
38 [X.] Rn.
7
ff.; [X.], [X.] 2008, 19, 22
f.; [X.], [X.] 2010, 289, 299
f.; aA [X.] in [X.]/v.
[X.] aaO §
38 Rn.
27; [X.], [X.], §
38 Rn.
40; [X.] in [X.]/Kur, Designrecht, §
2
Rn.
157
f.).

(1) Dem Wortlaut
der Geschmacksmusterverordnung lässt sich -
wie auch dem Wortlaut der [X.] und des diese umsetzen-36
37
38
-
15
-
den Geschmacksmustergesetzes
-
kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass für Teile oder Elemente eines eingetragenen Musters für sich genommen Schutz beansprucht werden kann. Es gibt im geltenden [X.] keine §
1 Abs.
1 [X.] aF entsprechende Bestimmung, die dem In-haber eines eingetragenen
Geschmacksmusters ein
ausschließliches
Recht an einem Teil eines
eingetragenen Geschmacksmusters zuerkennt.
[X.] Es besteht auch kein
Bedürfnis für einen Schutz von Teilen oder Elementen eines Geschmacksmusters. Denn es ist möglich, auch für die [X.] oder Elementen eines Erzeugnisses
den Schutz als Geschmacksmuster zu erlangen. Das folgt
unmittelbar daraus, dass ein ([X.] nach den maßgeblichen Begriffsbestimmungen (Art.
3 Buchst.
a [X.]; Art.
1 Buchst.
a RL
98/71/[X.]; §
1 Nr.
1 [X.]) nicht nur die Erscheinungsform eines (ganzen) Erzeugnisses, sondern auch die Erschei-nungsform eines Teils davon ist. [X.] ergibt sich dies daraus, dass die Er-scheinungsform des Bauelements eines komplexen
Erzeugnisses
(nur) unter bestimmten Voraussetzungen (Art.
4 Abs.
2 [X.]; Art.
3 Abs.
3 RL
98/71/[X.]; §
4 [X.])
als Geschmacksmuster geschützt sein kann.
(3) Die
Rechtssicherheit
erfordert es, allein
solche Erscheinungsformen von Teilen eines Erzeugnisses als eingetragene Geschmacksmuster zu schüt-zen, die als Erscheinungsformen
von Teilen eines Erzeugnisses angemeldet und eingetragen sind. Nur unter dieser Voraussetzung
können die interessier-ten Verkehrskreise aufgrund einer [X.] zuverlässig feststellen, was Gegenstand des [X.] ist. Könnten
auch Teile eingetragener
Muster
als Geschmacksmuster geschützt
sein, wäre dagegen oft unklar, ob und inwieweit Teile eines eingetragenen Musters einen solchen Schutz genießen. Zudem würde dies eine
gezielte Recherche nach ge-schützten [X.] erschweren. Dem Anmelder ist es dagegen 39
40
-
16
-
möglich und zumutbar klarzustellen, ob er Schutz für die Erscheinungsform ei-nes (ganzen) Erzeugnisses oder des
Teils eines Erzeugnisses begehrt. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, hatte es im Streitfall
auch die Klägerin
in der Hand, allein die Erscheinungsform der Karaffe als Ge-schmacksmuster anzumelden.
3. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [X.] nach Art.
267 Abs.
3 AEUV ist nicht geboten, da keine vernünfti-gen Zweifel an der Auslegung der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverord-nung bestehen
(vgl. [X.], Urteil vom 6.
Oktober 1982 -
C-283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258
-
Cilfit).
Es ist ein allgemein
anerkannter
Grund-satz
des Geschmacksmusterrechts, dass der Schutzgegenstand eines einge-tragenen Geschmacksmusters durch die in der Anmeldung sichtbar wiederge-gebene Erscheinungsform eines
Erzeugnisses oder eines Teils davon bestimmt wird und bei Unklarheiten durch Auslegung zu ermitteln ist. Es kann auch nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass unterschiedliche Darstellungen eines [X.] in der Anmeldung nicht mehrere Schutzgegenstände bilden und dass die [X.] keinen Schutz für Teile oder Elemente eines eingetragenen Geschmacksmusters kennt.
41
-
17
-
II[X.] Danach ist die Revision
auf Kosten der Klägerin (§
97 Abs.
1 ZPO) zurückzuweisen.
Bornkamm
Pokrant
Büscher

Schaffert
Koch
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.07.2009 -
2-18 O 320/07 -

O[X.], Entscheidung vom 08.06.2010 -
11
U 52/09 -

42

Meta

I ZR 124/10

08.03.2012

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2012, Az. I ZR 124/10 (REWIS RS 2012, 8386)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8386

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Gemeinschaftsgeschmacksmuster: Ermittlung der Eigenart; Zugänglichmachung durch Anmeldung; Begrenzung des Schutzumfangs; Umfang der Erschöpfungswirkung; gemeinschaftsweiter Unterlassungsanspruch …


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I ZR 124/10

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