Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.01.2011, Az. X ZR 69/08

10. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 10132

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Gegenstand

Patentverletzungsklage: Präklusion der weiteren Klage wegen einer gleichartigen Handlung; Voraussetzungen für einen engen technischen Zusammenhang - Raffvorhang


Leitsatz

Raffvorhang

1. Als gleichartig im Sinne von § 145 PatG sind nur solche weiteren Handlungen zu verstehen, die im Vergleich zu der im ersten Rechtsstreit angegriffenen Handlung zusätzliche oder abgewandelte Merkmale aufweisen, bei denen es sich wegen eines engen technischen Zusammenhangs aufdrängt, sie gemeinsam in einer Klage aus mehreren Patenten anzugreifen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 3. November 1988, X ZR 107/87, GRUR 1989, 187, 189, Kreiselegge II) .

2. Für die Bejahung eines engen technischen Zusammenhangs reicht es nicht aus, wenn einzelne Teile einer Gesamtvorrichtung, deren konkrete Ausgestaltung im ersten Rechtsstreit angegriffen worden ist, auch für die Verwirklichung des im zweiten Rechtsstreit geltend gemachten Verletzungstatbestandes von Bedeutung sind .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das am 17. April 2008 verkündete Urteil des [X.], 3. Zivilsenat, aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Patentverletzung in Anspruch. Die Beklagte erhebt die Einrede aus § 145 PatG.

2

Die Klägerin ist ausschließlich berechtigt, die Rechte aus dem [X.] Patent 44 39 423 ([X.]) zu nutzen, dessen Inhaber ihr Geschäftsführer ist. Das [X.] ist am 4. November 1994 angemeldet, der Hinweis auf die Patenterteilung am 13. Juli 1995 veröffentlicht worden.

3

Das [X.] betrifft einen Raffvorhang. Patentanspruch 1 lautet:

"Raffvorhang, bestehend aus einem Vorhang (10), einer [X.] (40), an der der Vorhang (10) mit seiner oberen [X.] (10a) lösbar befestigt ist, einer an der [X.] (40) nahe der oberen [X.] (10a) des [X.] (10) drehbar gelagerten, einendseitig mit einem mittels einer Bedienungsschnur oder Bedienungskette (55) betätigbaren Antrieb (51) versehenen [X.] (50) für eine Anzahl von auf diese aufwickelbaren [X.]n (20, 120, 220), die einendseitig an der unteren [X.] (10b) des [X.] (10) befestigt und durch zwischen der oberen [X.] (10a) und der unteren [X.] (10b) des [X.] (10) verteilt angeordnete [X.] (25) geführt sind, und aus einer Anzahl von im Bereich der [X.] (50) angeordneten [X.]n (30, 31, 130, 131, 230, 231), die ortsfest oder lösbar angebracht sind und durch die [X.] hindurchgeführt sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Vorhang (10) an seiner Rückseite (10f) mindestens eine U-förmig durch zwei an dem Vorhang (10) benachbart zu seiner oberen [X.] (10a) befestigten [X.] (30, 31, 130, 131, 230, 231) geführte Zugschnur (20, 120, 220) mit zwei quer zur [X.] (50) verlaufenden und mit ihren freien Enden an der unteren [X.] (10b) des [X.] (10) befestigten [X.] (22, 23; 122, 123; 222, 223) und mit einem zwischen den beiden [X.]n (30, 31; 130, 131; 230, 231) ausgebildeten, parallel zur [X.] (50) verlaufenden, die [X.] (22, 23; 122, 123; 222, 223) verbindenden [X.] (24; 124; 224) aufweist und die [X.] (50) auf ihrem Umfang mindestens einen mit seinem Umlaufbereich im Bereich des [X.]es (24; 124; 224) oder der [X.]e (24, 124, 224) liegenden, nocken- oder hakenförmigen Zugschnurmitnehmer (60) trägt, der im entrafften Zustand des [X.] (10) außer Eingriff mit dem oder den [X.]en (24, 124, 224) steht und der zum Aufwickeln der [X.] (20; 120; 220) bzw. deren [X.] (22, 23; 122, 123; 222, 223) auf die [X.] (60) [gemeint: 50] während des Vorhangraffvorganges bei umlaufender [X.] (60) [50] die [X.]e (24; 124; 224) ergreift."

4

Die Klägerin ist außerdem befugt, die Rechte aus dem [X.] Patent 282 957 (nachfolgend: [X.]s Patent) geltend zu machen, das ebenfalls einen Raffvorhang betrifft. Anspruch 1 dieses Patents lautet:

"Raffvorhang mit am [X.]toff angebrachten Führungs- und Umlenkelementen für die [X.], dadurch gekennzeichnet, dass jedes Umlenkelement aus einer mit dem [X.]toff (1) selbst verbundenen Befestigungsplatte (10) besteht, die ihrerseits mit einer von ihr herabhängenden Führungsöse (3) fest verbunden und vorzugsweise mit dieser aus einem Stück gefertigt ist."

5

Die Beklagte vertreibt Technik für Raffvorhänge und hat solche Vorhänge jedenfalls als sogenannte Demo-Muster auch selbst hergestellt und angeboten. [X.] bot die Beklagte unter der Artikelnummer 4161 eine Raffvorhang-Technik an, die von der Klägerin zunächst unter Bezugnahme auf das [X.] Patent, später auch unter Bezugnahme auf das [X.] beanstandet wurde. [X.] erhob die Klägerin vor dem [X.] gegen die Beklagte eine Verletzungsklage, die allein auf das [X.] Patent gestützt war. Angegriffen wurde ein Raffvorhang mit Umlenkelementen, dessen Funktionsweise aus der folgenden schematischen Zeichnung ersichtlich ist.

Abbildung

6

Das [X.] wies die Klage, deren Anträge den Wortlaut von Patentanspruch 1 des [X.] Patents wiedergeben, mit Urteil vom 10. Dezember 2002 ab. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Berufungsurteil vom 24. Juni 2004 ist rechtskräftig.

7

Am 12. November 2004 reichte die Klägerin die Klageschrift im vorliegenden Rechtsstreit ein. Die Klage ist auf das [X.] gestützt und gibt in den Anträgen den Wortlaut von dessen Patentanspruch 1 wieder. Sie richtete sich zunächst gegen zwei Ausführungsformen, die die Klägerin unter anderem in einem als "Produktinformation 11" bezeichneten Schreiben angeboten hat. Die Funktionsweise der Vorhänge ist in der nachfolgenden schematischen Zeichnung wiedergegeben.

Abbildung

8

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. In der Berufungsinstanz haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Ausführungsform I in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte. Hinsichtlich der [X.] hat das Berufungsgericht die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr in zweiter Instanz zuletzt geltend gemachtes Klagebegehren weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]erufungsgericht.

I. Das Klagepatent betrifft einen [X.] mit [X.]n, die zum Raffen auf einer dafür vorgesehenen Welle aufgewickelt werden. [X.]ei im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen waren die [X.] mit einer lösbaren Verbindung an der [X.] befestigt. Diese Verbindung muss bei jedem Abnehmen der Vorhänge gelöst und beim Aufhängen wiederhergestellt werden, was in der [X.] als zeitaufwendig und mühevoll bezeichnet wird. Das Klagepatent betrifft das technische Problem, eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, bei der dieser Aufwand nicht erforderlich ist.

Zur Lösung schlägt das Klagepatent einen [X.] mit folgenden Merkmalen vor:

1. Der [X.] besteht aus

a) einem Vorhang (10),

b) einer [X.] (40),

c) einer [X.] (50),

d) einer Anzahl von [X.]n (20, 120, 220)

e) und einer Anzahl von [X.]n (30, 31, 130, 131, 230, 231).

2. An der [X.] (40) ist der Vorhang (10) mit seiner oberen [X.] (10a) lösbar befestigt.

3. Die [X.] (50) ist

a) an der [X.] (40) nahe der oberen [X.] (10a) des [X.] (10) drehbar gelagert,

b) einendseitig mit einem Antrieb (51) versehen, der mittels einer [X.]edienungsschnur oder [X.]edienungskette (55) betätigbar ist,

c) so ausgestaltet, dass die [X.] auf sie aufgewickelt werden können,

d) und trägt auf ihrem Umfang mindestens einen [X.] (60).

4. Die [X.] (20, 120, 220) sind

a) einendseitig an der unteren [X.] (10b) des [X.] (10) befestigt,

b) durch [X.] (25) geführt, die zwischen der oberen [X.] (10a) und der unteren [X.] (10b) des [X.] (10) verteilt angeordnet sind, und

c) durch die [X.] (30, 31, 130, 131, 230, 231) hindurchgeführt.

5. Die [X.] sind

a) im [X.]ereich der [X.] (50) angeordnet,

b) benachbart zur oberen [X.] (10a) am Vorhang (10) befestigt und

b) ortsfest oder lösbar angebracht.

6. Mindestens eine Zugschnur ist wie folgt angebracht:

a) Sie ist an der Rückseite (10f) des [X.] (10) U-förmig durch zwei [X.] (30, 31; 130, 131; 230, 231) geführt.

b) [X.] (22, 23; 122, 123; 222, 223)

aa) verlaufen quer zur [X.] (50) und

bb) sind mit ihren freien Enden an der unteren [X.] (10b) des [X.] (10) befestigt.

c) Der diese beiden Abschnitte verbindende [X.] (24; 124; 224)

aa) ist zwischen den beiden [X.]n (30, 31; 130, 131; 230, 231) ausgebildet und

bb) verläuft parallel zur [X.] (50).

7. Der [X.] (60)

a) ist nocken- oder hakenförmig,

b) liegt mit seinem Umlaufbereich im [X.]ereich von mindestens einem [X.] (24; 124; 224),

c) steht im entrafften Zustand des [X.] (10) außer Eingriff mit diesen [X.]en (24, 124, 224) und

d) ergreift zum Aufwickeln der [X.] (20; 120; 220) auf die [X.] (50) während des [X.] bei umlaufender [X.] (50) die [X.]e (24; 124; 224).

Ein Ausführungsbeispiel ist in Figur 2 der [X.] dargestellt:

Abbildung

II. Das [X.] Patent betrifft einen [X.] mit [X.]n, die durch Umlenkelemente wie Ösen oder Ringe geführt werden. Im Stand der Technik waren Vorrichtungen dieser Art bekannt, bei denen die Umlenkelemente an einer Aufhängeleiste angebracht waren. Zum Abnehmen der Vorhänge mussten die [X.] aus den [X.] entfernt werden, was nach den Ausführungen in der [X.]n Patentschrift erheblichen Arbeits- und Zeitaufwand verursacht. [X.]ei anderen Vorrichtungen waren die Umlenkelemente auf einem bandartigen Träger angebracht, der auf den Vorhang aufgenäht oder aufgeklebt war. Dies hat nach den Ausführungen in der [X.]n Patentschrift den Nachteil, dass breite Vorhänge bei einseitig wirkender Zugkraft schräg verzogen werden. Das [X.] Patent betrifft das technische Problem, eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, bei der diese Nachteile vermieden werden.

Zur Lösung schlägt das [X.] Patent einen [X.] mit folgenden Merkmalen vor:

A. Am [X.]toff des [X.]s sind Führungs- und Umlenkelemente für die [X.] angebracht.

[X.]. Jedes Umlenkelement besteht aus einer [X.]efestigungsplatte (10), die

i. mit dem [X.]toff (1) selbst verbunden,

[X.] mit einer von ihr herabhängenden Führungsöse (3) fest verbunden und

i[X.] vorzugsweise mit der Führungsöse (3) aus einem Stück gefertigt ist.

Ein Ausführungsbeispiel für ein patentgemäßes Umlenkelement und einen patentgemäßen [X.] ist in den nachfolgenden Figuren dargestellt:

Abbildung Abbildung

III. Das [X.]erufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Klage sei gemäß § 145 [X.] unzulässig. Zwar betreffe die vorliegende Klage nicht dieselbe Handlung wie der Rechtsstreit vor den Gerichten in [X.]. Die beiden Verfahren beträfen einen anderen Teil der angegriffenen Gesamtvorrichtung, nämlich das Umlenkelement einerseits und die Ausgestaltung von Zugschnur und [X.] andererseits. Die Klagen richteten sich aber gegen eine gleichartige Handlung. Die im ersten Rechtsstreit angegriffenen Umlenkelemente seien auch im vorliegenden Rechtsstreit für die konkrete Verletzungshandlung charakteristisch. Sie sorgten im konstruktiv gewolltem Zusammenwirken mit der Zugschnurführung, der lösbaren Verbindung zwischen Vorhang und [X.] sowie der Konstruktion der [X.] mit den [X.]n dafür, dass der Vorhang in entrafftem Zustand abgenommen werden könne, ohne dass die Schnüre entfernt oder eigens von der [X.] gelöst werden müssten. Unerheblich sei, dass die beiden Patente unterschiedliche technische Aufgaben lösten; dies sei bei unterschiedlichen Patenten wesensnotwendig so. § 145 [X.] stelle nicht auf Patente mit verwandtem Inhalt ab, sondern auf die Gleichartigkeit der Verletzungshandlung. Maßgeblich sei, ob ein enger technischer Zusammenhang zwischen den jeweils angegriffenen Teilen der Gesamtvorrichtung bestehe. Dieser Zusammenhang sei hier aus den genannten Gründen gegeben. Für die Annahme einer gleichartigen Handlung spreche auch eine wertende [X.]etrachtung. Der Klägerin sei es ohne weiteres möglich gewesen, die vor dem Landgericht [X.] erhobene Klage auf beide Patente zu stützen.

IV. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. § 145 [X.] soll verhindern, dass ein [X.]eklagter wegen [X.]elben oder einer gleichartigen Handlung mehrfach von demselben Kläger wegen Patentverletzung in Anspruch genommen wird. Eine erneute Klage ist unzulässig, und zwar unabhängig davon, ob sie auf dasselbe oder auf ein anderes Patent gestützt wird. Der Patentinhaber wird damit im Ergebnis daran gehindert, die Rechte aus ihm zustehenden weiteren Patenten gegenüber dem [X.]eklagten geltend zu machen. Diese Regelung ist - entgegen einer in der Literatur geäußerten Auffassung (Stjerna, [X.] des § 145 [X.], [X.] ff.; [X.]., [X.], 17, 20 f.; zweifelnd auch [X.]/[X.], [X.], 8. Auflage, § 145 Rn. 2). - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, sofern sie mit der gebotenen Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen des [X.] ausgelegt und angewendet wird.

Die Regelung sieht keine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG vor. Enteignung ist der staatliche Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen (vgl. nur [X.], Urteil vom 23. November 1999 - 1 [X.], [X.], 413, 414). Ein derartiger Zugriff ist nach § 145 [X.] nicht möglich. Die Vorschrift regelt vielmehr Inhalt und Schranken der dem Patentinhaber zustehenden Rechte, wozu der Gesetzgeber nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG befugt ist.

Der Inhalt und Schranken bestimmende Gesetzgeber genießt keine unbeschränkte Gestaltungsfreiheit. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] muss er bei der Verwirklichung seines [X.] die Anerkennung des Privateigentums in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG beachten und sich im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten. Er ist, wenn er von der Ermächtigung zur Inhalts- und Schrankenbestimmung Gebrauch macht, insbesondere verpflichtet, die Interessen der [X.]eteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen ([X.], [X.], 413, 414 mwN).

Auch die Gerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Vorschriften die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten. Sie müssen die im Gesetz auf verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Grundrechtsschutz des Eigentums beachtet und unverhältnismäßige [X.] vermeidet ([X.], Urteil vom 14. Februar 1989 - 1 [X.]vR 308/88, NJW 1989, 970, 971 mwN).

[X.]ei [X.]eachtung dieser Schranken ist § 145 [X.] verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung dient dem Ausgleich zwischen den Interessen des [X.], der die Rechte aus allen ihm zustehenden Patenten wahrnehmen will, und einem [X.]eklagten, der wegen einer bestimmten Handlung bereits wegen Patentverletzung in Anspruch genommen worden ist und wegen dieser oder gleichartiger Handlungen nicht erneut in einen zeit- und kostenaufwendigen Rechtsstreit hineingezogen werden will. Der Patentinhaber wird an einer Wahrnehmung seiner Rechte nicht vollständig gehindert. Er ist lediglich gehalten, seine Angriffe gegen eine bestimmte Handlung in einer Klage zu bündeln. Die damit definierten Schranken für die Geltendmachung von Schutzrechten sind nicht unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber ist aufgrund des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums auch nicht gehalten, für Patente und Gebrauchsmuster insoweit dieselbe Regelung vorzusehen (abweichend auch insoweit Stjerna, [X.], 17, 21 f.).

2. Zutreffend ist das [X.]erufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die vorliegende Klage nicht dieselbe Handlung betrifft wie die Klage vor den Gerichten in [X.].

Der Senat hat bereits entschieden, dass eine Klage, die sich gegen Herstellung oder Vertrieb einer aus mehreren Teilen bestehenden Vorrichtung richtet, nicht schon dann "dieselbe Handlung" im Sinne von § 145 [X.] betrifft, wenn Herstellung und Vertrieb dieser Vorrichtung mit einer früheren Klage angegriffen worden sind. Als Handlung ist vielmehr der mit dem Klageantrag konkret beschriebene, durch die Ausgestaltung eines bestimmten Teils der Gesamtvorrichtung charakterisierte konkrete [X.] anzusehen ([X.], Urteil vom 3. November 1988 - [X.], [X.], 187, 189 - [X.] II).

Im Streitfall hat sich die Klägerin vor den Gerichten in [X.] gegen Herstellung und Vertrieb von [X.] gewandt, die die Merkmale A und [X.] aufweisen. Der mit dieser Klage geltend gemachte [X.] ist charakterisiert durch die besondere Ausgestaltung der am Vorhang angebrachten Umlenkelemente. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft [X.] mit den Merkmalen 1 bis 7. Der zu Grunde liegende [X.] ist charakterisiert durch die aufeinander abgestimmte Anordnung der [X.], der [X.] und des [X.]s. Dies ist nicht [X.]elbe [X.], auch wenn beide Tatbestände nach dem Vortrag der Klägerin durch Herstellung und Vertrieb der gleichen Gesamtvorrichtung verwirklicht werden.

3. Entgegen der Auffassung des [X.]erufungsgerichts ist die Handlung, gegen die sich die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit wendet, mit der in [X.] angegriffenen Handlung nicht gleichartig.

Wie auch das [X.]erufungsgericht im Ansatz nicht verkannt hat, ist zur [X.]eantwortung der Frage, ob zwei Handlungen als gleichartig im Sinne von § 145 [X.] anzusehen sind, nach der Rechtsprechung des Senats eine wertende [X.]eurteilung erforderlich, die sich einerseits an dem vom Gesetzgeber bezweckten Schutz des [X.]eklagten zu orientieren, andererseits aber auch die mit der Zusammenfassung mehrerer Schutzrechte in einem einzigen Verletzungsprozess verbundenen Nachteile zu berücksichtigen und rechtsstaatliche Erfordernisse zu beachten hat. Danach sind als gleichartig nur solche weiteren Handlungen zu verstehen, die im Vergleich zu der im ersten Rechtsstreit angegriffenen Handlung zusätzliche oder abgewandelte Merkmale aufweisen, bei denen es sich wegen eines engen technischen Zusammenhangs aufdrängt, sie gemeinsam in einer Klage aus mehreren Patenten anzugreifen. Für einen derartigen engen technischen Zusammenhang reicht abweichend von der älteren Rechtsprechung eine Übereinstimmung im Oberbegriff der beiden Patente nicht aus. Allein maßgebend sind auch insoweit die in den beiden Prozessen konkret verfolgten Handlungen ([X.], [X.], 187, 189 - [X.] II).

Entgegen der Auffassung des [X.]erufungsgerichts reicht es für die [X.]ejahung eines engen technischen Zusammenhangs nicht aus, wenn einzelne Teile einer Gesamtvorrichtung, deren konkrete Ausgestaltung im ersten Rechtsstreit angegriffen worden ist, auch für die Verwirklichung des im zweiten Rechtsstreit geltend gemachten [X.]es von [X.]edeutung sind. Mindestvoraussetzung ist vielmehr, dass auch im zweiten Rechtsstreit die konkrete Ausgestaltung dieser Teile angegriffen wird, sei es in [X.]elben oder in abgewandelter Form.

Im Streitfall ergibt sich ein enger technischer Zusammenhang deshalb nicht daraus, dass den [X.], deren Anbringung und Ausgestaltung für den [X.] des ersten Rechtsstreits charakteristisch ist, nach dem Vortrag der Klägerin zugleich die Funktion von [X.]n im Sinne des Klagepatents zukommt. An[X.] als im ersten Rechtsstreit kommt es für die Verwirklichung des im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen [X.]es nicht darauf an, wie diese Umlenkelemente ausgestaltet sind. Die vorliegende Klage richtet sich nicht gegen Vorrichtungen, bei denen die für den [X.] der ersten Klage charakteristischen Merkmale in abgewandelter Form oder zusammen mit zusätzlichen Merkmalen verwirklicht sind. Sie richtet sich vielmehr gegen einen [X.], dessen Verwirklichung nicht davon abhängt, ob die für den Gegenstand des ersten Rechtsstreits charakteristischen Merkmale verwirklicht sind. Damit fehlt es an der Gleichartigkeit der angegriffenen Handlungen.

V. Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben. Das [X.]erufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen, die dem Senat eine Entscheidung über die [X.]egründetheit der Klage ermöglichen.

Meier-[X.]eck                                   Gröning                                      [X.]acher

                          Hoffmann                                  Schuster

Meta

X ZR 69/08

25.01.2011

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 17. April 2008, Az: 3 U 270/05, Urteil

§ 145 PatG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.01.2011, Az. X ZR 69/08 (REWIS RS 2011, 10132)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10132

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

X ZR 69/08

X ZR 85/19

Zitiert

1 BvF 1/94

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x

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