Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2003, Az. XII ZR 111/01

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 775

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[X.] DES VOLKESVERSÄUMNISURTEIL[X.]/01Verkündet am:12. November 2003Küpferle,[X.] Geschäftsstellein der [X.]:jaBGHZ:[X.]: [X.] §§ 1603 Abs. 1, 1609Ist eine geschiedene Ehefrau ihrem Kind aus erster Ehe barunterhaltspflichtig,kommt eine Kontrollberechnung anhand des bei einem hypothetischen Rollentauscherzielbaren Erwerbseinkommens nicht in Betracht, wenn ein solcher Rollentauschtatsächlich nicht stattgefunden hat, weil die Ehefrau wie schon zuvor in ihrer [X.] die Führung des Haushalts und die Betreuung der Kinder übernommen hat ([X.] zu [X.] vom 31. März 1982 - [X.] - FamRZ 1982, 590und vom 26. September 1984 - [X.] - NJW 1985, 318 und Fortführung derbisherigen "[X.], Versäumnisurteil vom 12. November 2003 - [X.]/01 - [X.] am [X.] 2 -Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 12. November 2003 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 1. Senats für Fa-miliensachen des [X.] abgeändert.Die Berufung der [X.] gegen das Urteil des Amtsgerichts- Familiengericht - [X.] vom 20. Juni 2000 wird [X.].Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung und der Revision.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.Von Rechts [X.]:Der Kläger verlangt von der [X.], seiner Mutter, Kindesunterhalt.Der Kläger, geboren am 7. Januar 1991, lebt seit der Scheidung der Eheseiner Eltern im Jahre 1997 im Haushalt seines sorgeberechtigten [X.], derihn betreut. Der Vater des [X.] ist wieder verheiratet. Sein Einkommen auseiner halbschichtigen Tätigkeit beträgt 1.800 DM monatlich. Auch die [X.] -die in der Ehe mit dem Vater des [X.] in geringem Umfang erwerbstätig war,ist wieder verheiratet. Aus ihrer neuen Ehe ist ein Kind, geboren im [X.], hervorgegangen, das sie betreut. Sie ist nicht erwerbstätig. Ihr Ehemannverdient aus nichtselbständiger Arbeit monatlich netto 2.600 DM zuzüglich Jah-reszuwendungen; er führt außerdem einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb.Das Familiengericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an den Kläger abFebruar 2000 einen monatlichen Unterhalt von 296 DM (431 [X.] 135 DM hälftiges Kindergeld) zu zahlen. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das Urteil des Amtsgerichts abgeändert undden von der [X.] monatlich zu zahlenden Unterhalt auf 159 DM herabge-setzt. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des [X.], mit der erdie Wiederherstellung des familiengerichtlichen Urteils erstrebt.Entscheidungsgründe:Das Rechtsmittel ist begründet.1. Da die Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen ordnungsgemä-ßer Bekanntgabe nicht erschienen ist, ist durch Versäumnisurteil zu [X.], das jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprü-fung beruht (vgl. [X.], 79, 82).2. Das [X.], dessen Urteil in [X.], 1477 abge-druckt ist, hat ausgeführt: Nach den schon vom Amtsgericht getroffenen Fest-stellungen, denen es beipflichte, sei die Beklagte in der Lage, neben der Be-treuung des kleinen Kindes aus ihrer jetzigen Ehe eine stundenweise Beschäf-tigung auszuüben, etwa durch eine Putzstelle in den Abendstunden, in denen- 4 -ihr Ehemann das Kind betreuen könne und mit der sie den geforderten [X.] von knapp 300 DM monatlich verdienen könne. Ihr Ehemann sei inder Lage, mit seinem Erwerbseinkommen von monatlich 2.600 DM zuzüglichjahresbezogener Sonderzuwendungen und etwaiger weiterer Einkünfte ausseinem landwirtschaftlichen Nebenbetrieb den Unterhalt der neuen Familie vollzu bestreiten. Etwaige verbleibende Zweifel hieran gingen zu Lasten der für ihre(mangelnde) Leistungsfähigkeit beweisbelasteten [X.].Gegen diese Ausführungen sind angesichts der festgestellten tatsächli-chen Verhältnisse aus Rechtsgründen keine Einwendungen zu erheben. [X.] hat beachtet, daß der [X.] eine Erwerbstätigkeit nur soweit zugemutet werden kann, als die Betreuung ihres Kleinkindes sichergestelltist, und sie bei entsprechenden Bemühungen auch eine Stelle auf dem [X.] zu finden vermag. Weiter geht das [X.] im Einklangmit der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 18. Oktober 2000- [X.] - [X.], 1065 und vom 20. März 2002 - [X.]/00 -FamRZ 2002, 742) davon aus, daß die Beklagte die durch einen Nebenerwerberzielten Einkünfte für den Unterhalt des [X.] nur zu verwenden hat, [X.] soweit ihr eigener angemessener Unterhalt (§§ 1360, 1360a BGB) von ih-rem berufstätigen Ehemann gedeckt wird. Die Voraussetzungen hierfür hat [X.] in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht.3. Das [X.] hält aber eine Einschränkung der [X.] der [X.] aufgrund einer Kontrollberechnung für gegeben. Es [X.] aus, die Beklagte müsse höchstens den Unterhalt an den Kläger zahlen,den sie zahlen müßte, wenn sie voll erwerbstätig wäre und sie ihrem Ehemann,der dann das zweijährige Kind betreuen würde und selbst nicht mehr erwerbs-tätig wäre, sowie ihren beiden Kindern Unterhalt leistete. Da aber die [X.] einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nur 2.100 DM monatlich verdienen- 5 -könnte, läge ein Mangelfall vor: Es bestände ein Unterhaltsbedarf von insge-samt 1.626 DM (Ehegattenunterhalt: 840 DM; Kindesunterhalt: 431 DM für [X.], 355 DM für das zweite Kind). Für [X.] wären nach [X.] Selbstbehalts der Klägerin lediglich 600 DM (2.100 DM - 1.500 DM) vor-handen. Die [X.] betrüge daher 0,369 (600 DM : 1.626 DM). DerUnterhaltsanspruch des [X.] beliefe sich dann auf lediglich 159 DM(431 DM x 0,369). Ein höherer Unterhalt stehe dem Kläger aber nicht zu. [X.] sich aus der sogenannten [X.]. Danach dürfe der Unterhaltspflichtige, der sich in einer neuen [X.] auf seine Rolle als [X.] zurückgezogen habe, [X.] nicht schlechter stehen, als er stehen würde, wenn er erwerbstätig ge-blieben wäre. Dies müsse aber erst recht gelten, wenn, wie hier, die [X.] unterhaltspflichtigen [X.] offensichtlich obliegenheitsgemäß gewesensei.4. Diese Ausführungen halten, wie die Revision zu Recht rügt, einerrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die vom [X.] vorgenomme-ne Kontrollrechnung ist nicht durchzuführen; der Unterhaltsanspruch des [X.] ist nicht auf den Betrag begrenzt, den die Beklagte zu leisten hätte, [X.] sie - und nicht wie tatsächlich ihr Ehemann - voll erwerbstätig wäre.Richtig ist zwar, daß der Senat im Rahmen seiner sogenannten Haus-mann-Rechtsprechung in bestimmten Konstellationen eine Kontrollberechnungfür erforderlich hält (vgl. Senatsurteil vom 26. September 1984 - [X.] -NJW 1985, 318). Dies bezieht sich jedoch nur auf solche Fälle, in denen [X.], der in seiner früheren Ehe voll erwerbstätig war, in einer neuen [X.] wegen der Betreuung seines minderjährigen Kindes die Haushaltsfüh-rung übernimmt. Brauchen die Unterhaltsberechtigten aus der geschiedenenEhe des Verpflichteten diesen Rollenwechsel nicht hinzunehmen, ist dem- 6 -[X.]/der Hausfrau sein/ihr früheres Einkommen fiktiv zuzurechnen. [X.] der Rollenwechsel gegenüber der früheren Familie gerechtfertigt (vgl.zu den strengen Voraussetzungen Senatsurteile vom 13. März 1996 - [X.] - FamRZ 1996, 796, 797 und vom 21. Februar 2001 - [X.] -[X.], 614, 616 m.Anm. [X.]), ist die dann regelmäßig vorliegendeObliegenheit zur Aufnahme einer Nebenerwerbstätigkeit, um Barunterhalt [X.] zu können, begrenzt: Der [X.] darf dadurch, daß er sich auf seineRolle als [X.] zurückgezogen hat, nicht schlechter stehen, als wenn ererwerbstätig geblieben wäre. Dies bedeutet zugleich, daß die minderjährigenunterhaltsberechtigten Kinder aus der früheren Ehe unter den genannten [X.] nicht besser gestellt werden dürfen als bei einer Fortführung [X.] des Unterhaltspflichtigen (vgl. hierzu insbesondere [X.] 18. Oktober 2000 aaO, 1067).Die [X.]-Rechtsprechung beruht im wesentlichen auf der Gleich-rangigkeit der [X.] und dem Grundgedanken des § 1603Abs. 1, § 1609 BGB. Aus diesen beiden Gesichtspunkten folgt, daß bei [X.] zum [X.] die Obliegenheit zum Nebenerwerb nur so [X.] kann, daß die unterhaltsberechtigten Kinder aus der früheren Ehe [X.] stehen als wenn der Unterhaltspflichtige sich in seiner neuen Ehenicht auf die Rolle des [X.]s zurückgezogen hätte, sondern erwerbstätiggeblieben wäre. Eine solche Begrenzung der Obliegenheit zum Nebenerwerbkann aber dann nicht angenommen werden, wenn es, wie hier, nicht zu [X.] gekommen ist, der Unterhaltspflichtige vielmehr in der alten wie inder neuen Familie in erster Linie die Haushaltsführung und die Kindesbetreuungübernommen hat. Denn § 1603 Abs. 1 BGB bestimmt die [X.] Unterhaltsverpflichteten aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse und nichtaufgrund von hypothetischen Situationen, die in der Realität noch nie vorgele-gen haben und zu deren Herbeiführung den Unterhaltsverpflichteten auch keine- 7 -Obliegenheit trifft. Da auf die realen Verhältnisse abzustellen ist, ist die [X.] der Wiederverheiratung des unterhaltspflichtigen Elternteils unterhaltsrecht-lich zu beachten. Ebenso wie die Wiederheirat dazu führen kann, daß sich dasersteheliche Kind eine Schmälerung seines Unterhaltsanspruchs als Folge [X.] weiterer minderjähriger Kinder aus der neuen Ehe des [X.] entgegenhalten lassen muß, kann sich die Wiederverheiratung auch,wie im vorliegenden Fall, zum Vorteil des erstehelichen Kindes auswirken. Da§ 1603 BGB darauf abstellt, ob und inwieweit der Unterhaltsverpflichtete im-stande ist, den begehrten Unterhalt ohne Gefährdung seines eigenen ange-messenen Unterhalts zu gewähren, ist hier die Sicherstellung des eigenen Un-terhalts der [X.] in der neuen Ehe als Folge ihrer Wiederheirat unterhalts-rechtlich zu berücksichtigen. Es besteht daher kein Anlaß und auch kein recht-fertigender Grund, eine volle Erwerbstätigkeit der [X.] zu unterstellen (vgl.Senatsurteil vom 18. Oktober 2000 aaO, 1066, 1067).Da die Beklagte nach den Feststellungen des [X.]s in derLage ist, den geforderten Unterhalt ohne Gefährdung ihres [X.] zu erbringen, braucht nicht geprüft zu werden, ob eine gestei-gerte Unterhaltspflicht der [X.] nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB besteht.Es kommt daher auch nicht darauf an, ob eine solche gesteigerte Unterhalts-pflicht nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB entfallen würde, weil der das [X.] Vater als anderer unterhaltspflichtiger Verwandter im Sinne dieserVorschrift in Betracht käme.Zwar kann der das Kind betreuende Elternteil in besonderen Ausnah-mefällen selbst dann, wenn bei Inanspruchnahme des anderen Elternteils des-sen angemessener Selbstbehalt nicht gefährdet würde, dazu verpflichtet sein,zusätzlich zu seiner Betreuungsleistung zum Barunterhalt des Kindes beizutra-gen, wenn nämlich anderenfalls ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht- 8 -zwischen den Eltern [X.] (vgl. Senatsurteil vom 20. März 2002 aaO S. 742m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier indes weder vom [X.]festgestellt noch von der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen [X.]dargetan worden. Auch sonst sind keine hinreichenden Anhaltspunkte hierfürersichtlich.HahneSprick[X.][X.]Ahlt

Meta

XII ZR 111/01

12.11.2003

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2003, Az. XII ZR 111/01 (REWIS RS 2003, 775)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 775

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