Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.04.2024, Az. VIII ZR 114/22

8. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 2402

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ZWANGSVOLLSTRECKUNG HÄRTEFALL MIETRECHT RÄUMUNGSSCHUTZ

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Leitsatz

Zu den Anforderungen an die gerichtliche Prüfung des Vorliegens einer nicht zu rechtfertigenden Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB bei der ernsthaften Gefahr eines Suizids des Mieters im Falle einer Verurteilung zur Räumung der Wohnung (im Anschluss an Senatsurteil vom 26. Oktober 2022 - VIII ZR 390/21).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird unter Verwerfung ihres weitergehenden Rechtsmittels als unzulässig das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 27. April 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Härteregelung nach §§ 574 ff. BGB betroffen ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte zu 1 ist seit dem [X.] Mieter einer im Dachgeschoss gelegenen Zweizimmerwohnung des [X.] in [X.]    . Er bewohnt diese gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, der Beklagten zu 2.

2

Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. Juli 2020 wegen Eigenbedarfs. Die Beklagten widersprachen der Kündigung fristgemäß. Zur Begründung führten sie unter anderem aus, die Kündigung stelle für sie eine besondere Härte dar, weil ein Umzug aufgrund ihrer gesundheitlichen sowie finanziellen Situation "schlicht unmöglich" sei.

3

Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das [X.] nach Einholung eines schriftlichen psychiatrischen Sachverständigengutachtens und ergänzender Anhörung des Sachverständigen zurückgewiesen.

4

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat, soweit sie eröffnet ist, Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

7

Der Kläger habe einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung, weil das mit dem [X.] zu 1 bestehende Mietverhältnis durch die Kündigung vom 24. Oktober 2019 wirksam beendet worden sei und die [X.] eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nach §§ 574, 574a [X.] nicht verlangen könnten. Die [X.] hätten [X.] nicht dargelegt beziehungsweise bewiesen. Ihr gesundheitlicher Zustand begründe im Ergebnis keine nicht zu rechtfertigende Härte.

8

Hinsichtlich der von ihnen dargelegten körperlichen Erkrankungen seien die [X.] auf die Inanspruchnahme professioneller Hilfe beim Umzug, gegebenenfalls auch im Rahmen des [X.], zu verweisen. Dass die [X.] - die im Übrigen ihren Lebensalltag eigenständig bewältigten - auch dann nicht in der Lage wären, einen Umzug zu bewerkstelligen, oder sich ihr physischer Gesundheitszustand erheblich verschlechtern würde, hätten sie nicht dargelegt und sei auch nicht ersichtlich.

9

Hinsichtlich des psychischen Gesundheitszustands habe der Sachverständige bei beiden [X.] zwar eine leichte bis mittelschwere Depression, eine Angststörung mit Verdacht auf Panikstörung und ein chronisches Schmerzsyndrom diagnostiziert, bei dem [X.] zu 1 zudem eine chronische Schlafstörung sowie eine Benzodiazepin-Abhängigkeit, bei der [X.] zu 2 zudem einen Reizmagen sowie -darm und eine Schlafstörung. Auch würde nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen eine Verpflichtung der [X.] zur Räumung der Wohnung zu einer Verschlechterung ihres psychischen Gesundheitszustands führen. Jedoch sei die Erwartung einer massiven Verschlechterung bis hin zu einer krankheitsbedingten [X.] nicht gegeben. Die von den [X.] für den Fall einer Verpflichtung zur Räumung bekundete [X.] bestehe unabhängig von deren psychischer Erkrankung und einer möglichen Verschlechterung des psychischen Zustands und beruhe auf ihrem uneingeschränkt freien Willen. Die [X.] seien trotz der Erkrankungen nicht lebensmüde und hätten ihren grundsätzlichen Lebenswillen beteuert. Insofern stelle sich die Suizidankündigung als im Rahmen der freien Willensbildung gewählte Reaktionsstrategie auf den möglichen Verlust der Wohnung dar, mit der die [X.] sich gegen die [X.] zur Wehr setzten und die sie in [X.] Absicht instrumentell einsetzten. Ferner sei den [X.] eine Berufung auf die Verschlechterung ihres psychischen Gesundheitszustandes deshalb verwehrt, weil sie bisher und auch für die Zukunft eine mögliche Behandlung ihrer Beschwerden ablehnten und dabei eine rigide Haltung einnähmen. Die Verschlechterung einer psychischen Erkrankung, die bei adäquater Behandlung vermeidbar sei, könne jedoch eine Härte im Sinne von § 574 [X.] nicht begründen.

Schließlich sei die übereinstimmend geäußerte [X.] auch für sich genommen kein Härtegrund im Sinne von § 574 [X.]. Zwar habe der Sachverständige den von den [X.] bekundeten [X.] als ernsthaft erachtet, da sie bereits einen konkreten Plan entwickelt und Vorbereitungen in Form der Ansammlung von Medikamenten getroffen hätten. Jedoch beruhe der Entschluss auf ihrer freien Willensbildung. Der frei gebildete und jegliche Hilfe ablehnende Wille der [X.] zur Selbsttötung sei Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Dieses umfasse als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, das auch die Freiheit einschließe, sich das Leben zu nehmen. Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, sei im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren, wie sich aus dem Urteil des [X.] vom 26. Februar 2020 ([X.] 153, 182) ergebe.

Jedenfalls könne ein solcher frei gebildeter und nicht krankheitsbedingt entwickelter Wille bei der vorzunehmenden Abwägung nicht dergestalt zu Lasten des [X.] berücksichtigt werden, dass ein Zugriff auf sein Eigentum trotz des berechtigten Eigenbedarfs auf unabsehbare [X.] ausgeschlossen werde. Das gelte umso mehr, als die [X.] jegliche Hilfemöglichkeiten bei der Auffindung einer Ersatzwohnung und der Finanzierung eines Umzugs ablehnten.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung, soweit sie aufgrund des beschränkten Umfangs der Revisionszulassung eröffnet ist, nicht stand.

1. Die Revision der [X.] ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung des [X.] vom 24. Oktober 2019 wendet. Insoweit ist sie mangels Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht nicht statthaft (§ 542 Abs. 1, § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 552 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Härteregelung nach §§ 574 ff. [X.] und damit auf den von den [X.] geltend gemachten Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses beschränkt.

a) Eine solche Beschränkung der Revision muss nicht im Tenor des Urteils angeordnet werden, sondern kann sich auch aus dessen Entscheidungsgründen ergeben, wenn sie sich diesen mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen lässt. Hat das Berufungsgericht die Revision wegen einer Rechtsfrage zugelassen, die nur für einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Streitstoffs von Bedeutung ist, kann die gebotene Auslegung der Entscheidungsgründe ergeben, dass die Zulassung der Revision auf diesen Teil des Streitstoffs beschränkt ist (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 29. November 2023 - [X.], juris Rn. 19 mwN).

So liegt der Fall hier. Denn das Berufungsgericht sieht höchstrichterlichen Klärungsbedarf lediglich im Hinblick auf die von ihm ausschließlich im Rahmen der Voraussetzungen der §§ 574 ff. [X.] - nicht auch bei der Prüfung des vom Kläger geltend gemachten Eigenbedarfs im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 [X.] - erörterte Entscheidung des [X.] zu dem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgenden Recht auf selbstbestimmtes Sterben und die neuere Rechtsprechung des [X.] zum Räumungsschutz bei bestehender Suizidalität.

b) Diese Beschränkung der Zulassung der Revision ist auch wirksam. Zwar ist eine Beschränkung der Revision auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente unzulässig. [X.] hat das Berufungsgericht jedoch die Möglichkeit, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die [X.] selbst die Revision beschränken könnte. Dafür ist es erforderlich, dass der von der Zulassungsbeschränkung betroffene Teil des Streitstoffs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen [X.] beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zu dem unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (vgl. nur Senatsurteil vom 20. Dezember 2023 - [X.], juris Rn. 28; Senatsbeschluss vom 21. August 2018 - [X.], NJW-RR 2019, 130 Rn. 16; jeweils mwN).

Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Denn bei der Härteregelung nach §§ 574 ff. [X.] und dem dort geregelten Anspruch des Mieters auf Fortsetzung des Mietverhältnisses handelt es sich um einen selbständigen Teil des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Streitstoff - hier namentlich der Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 [X.] - beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 21. August 2018 - [X.], aaO Rn. 17 mwN; vom 30. November 2021 - [X.], juris Rn. 11; vom 15. März 2022 - [X.], juris Rn. 6 f.).

2. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des [X.] zu 1 auf Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß §§ 574, 574a [X.] nicht verneint und dem Kläger ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von dem [X.] zu 1 angemieteten und von beiden [X.] genutzten Wohnung (§ 546 Abs. 1, 2, § 985 [X.]) nicht zuerkannt werden. Die Revision beanstandet mit Recht, dass die Würdigung des Berufungsgerichts zu der Frage, ob die Beendigung des Mietverhältnisses für die [X.] eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeutet, von [X.] beeinflusst ist.

a) Nach § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann der Mieter einer an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Bei der hierzu vom Tatrichter nach gründlicher und sorgfältiger Sachverhaltsfeststellung vorzunehmenden Gewichtung und Würdigung der beiderseitigen Interessen und ihrer Subsumtion unter die unbestimmten Rechtsbegriffe der genannten Vorschrift hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und kann regelmäßig nur überprüfen, ob das Berufungsgericht Rechtsbegriffe verkannt oder sonst unzutreffende rechtliche Maßstäbe angelegt hat, ob es Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze hinreichend beachtet hat oder ob ihm von der Revision gerügte [X.] unterlaufen sind, indem es etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 2019 - [X.]/18, [X.], 133 Rn. 26; vom 3. Februar 2021 - [X.], [X.], 361 Rn. 25; vom 26. Oktober 2022 - [X.], [X.], 35 Rn. 23; jeweils mwN).

b) Einer an diesem Maßstab ausgerichteten Prüfung hält die Beurteilung des Berufungsgerichts - und zwar sowohl hinsichtlich der Verneinung einer Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.] (dazu nachfolgend unter aa) als auch hinsichtlich der nach dieser Vorschrift vorzunehmenden Abwägung der gegenläufigen Interessen der Mietvertragsparteien (dazu nachfolgend unter [X.]) - in entscheidenden Punkten nicht stand.

aa) Das gilt zunächst für die Annahme des Berufungsgerichts, die Beendigung des Mietverhältnisses bedeute für den [X.] zu 1 und für seine im Haushalt lebende Lebensgefährtin, die Beklagte zu 2, keine Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.].

(1) Als [X.] im Sinne dieser Vorschrift kommen nur solche mit einem Umzug verbundenen Nachteile für den durch § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.] geschützten Personenkreis in Betracht, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 2019 - [X.]/18, [X.], 133 Rn. 28; vom 26. Oktober 2022 - [X.], [X.], 35 Rn. 24; jeweils mwN). Nach der Senatsrechtsprechung können Erkrankungen in Verbindung mit weiteren Umständen einen Härtegrund in diesem Sinne darstellen. In bestimmten Fällen, nämlich wenn der gesundheitliche Zustand einen Umzug nicht zulässt oder im Falle eines Wohnungswechsels zumindest die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des (schwer) erkrankten Mieters, Familien- oder Haushaltsangehörigen besteht, kann sogar allein dies ein Härtegrund sein (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 2019 - [X.]/18, aaO Rn. 31; vom 3. Februar 2021 - [X.], [X.], 361 Rn. 29; Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2022 - [X.], [X.], 210 Rn. 17).

Werden von dem Mieter für den Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels substantiiert ihm drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend gemacht, haben sich die Tatsacheninstanzen beim Fehlen eigener Sachkunde regelmäßig mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden sind, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen voraussichtlich erreichen werden und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann. Diese Verpflichtung zu besonders sorgfältiger Nachprüfung des [X.]vorbringens bei schwerwiegenden Eingriffen in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit folgt nicht zuletzt aus der grundrechtlichen Verbürgung in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 2019 - [X.]/18, aaO Rn. 41, und [X.], NJW-RR 2019, 972 Rn. 37; Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2022 - [X.], aaO Rn. 19; jeweils mwN).

(2) Soweit das Berufungsgericht hinsichtlich der körperlichen Erkrankungen zu der Beurteilung gelangt ist, dass deren erhebliche Verschlechterung durch einen Umzug von den [X.] bereits nicht hinreichend dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich sei, ist hiergegen aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. Auch die Revision erhebt insoweit keine Einwendungen.

(3) Nach dem vorstehend aufgezeigten Maßstab begegnet indessen die vom Berufungsgericht vorgenommene (weitere) Prüfung, ob wegen der von den [X.] für den Fall des unfreiwilligen Verlusts der Wohnung bekundeten [X.] ein Härtegrund im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.] gegeben ist, durchgreifenden revisionsrechtlichen Bedenken.

(a) Zwar ist das Berufungsgericht aufgrund verfahrensfehlerfrei getroffener und im Revisionsverfahren nicht angegriffener Feststellungen auf der Grundlage des eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachtens von der Gefahr eines Suizids der [X.] für den Fall des Verlusts der streitgegenständlichen Wohnung ausgegangen. Es hat die Suizidankündigung beider [X.] - in Übereinstimmung mit dem Gutachten - im Hinblick darauf als ernsthaft bewertet, dass diese bereits einen konkreten Plan entwickelt und Vorbereitungen in Form einer Ansammlung von Medikamenten getroffen hätten.

(b) Rechtsfehlerhaft hat es indessen der hieraus resultierenden Gefahr für das Leben und die körperliche Unversehrtheit der [X.] allein deshalb keine Bedeutung bei der Prüfung des Vorliegens einer Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.] beigemessen, weil der diesbezügliche Wille - wie das Berufungsgericht formuliert hat - von den [X.] frei gebildet worden sei und sich als im Rahmen ihrer freien Willensbildung gewählte Reaktionsstrategie auf den möglichen Verlust ihrer Wohnung darstelle. Eine solche Sichtweise wird dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltenen Gebot zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nicht in der erforderlichen Weise gerecht.

(aa) Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gewährt nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in diese Rechtsgüter. Es stellt zugleich eine objektive Wertentscheidung der Verfassung dar, die staatliche Schutzpflichten begründet. Danach hat der Staat die Pflicht, sich schützend und fördernd vor das Leben des Einzelnen zu stellen ([X.] 142, 313 Rn. 67 ff.; 158, 131 Rn. 64; [X.], Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG vom 8. November 2023 - [X.] 459/22, [X.], 213 Rn. 44).

Das gerichtliche Verfahren ist daher so durchzuführen, dass der sich aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ergebenden Schutzpflicht staatlicher Organe Genüge getan wird (vgl. [X.] NJW-RR 2014, 584 Rn. 10; [X.], 104 Rn. 16 mwN; [X.], Beschluss vom 20. Februar 2020 - [X.], [X.], 364 Rn. 7; jeweils zu § 765a ZPO). Bei drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr sind die Gerichte deshalb verfassungsrechtlich gehalten, ihre Entscheidung auf eine tragfähige Grundlage zu stellen, [X.] besonders sorgfältig nachzugehen und den hieraus resultierenden Gefahren bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. Senatsurteile vom 9. November 2016 - [X.], [X.], 26 Rn. 22; vom 15. März 2017 - [X.], [X.], 286 Rn. 28; vom 22. Mai 2019 - [X.]/18, [X.], 133 Rn. 41, und [X.], NJW-RR 2019, 972 Rn. 37; Senatsbeschlüsse vom 13. Dezember 2022 - [X.], [X.], 210 Rn. 19; vom 26. April 2023 - [X.], NJW-RR 2023, 861 Rn. 20 mwN; vgl. auch [X.], [X.], 187 Rn. 8 [zur Handhabung des Verfahrensrechts]).

([X.]) Im Hinblick auf die sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebende Pflicht des Staates zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit hat der Senat dementsprechend - nach Erlass des Berufungsurteils - eine Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.] beim Bestehen der (sehr) hohen Gefahr eines Suizids des Mieters für den Fall des Erlasses eines Räumungsurteils angenommen (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2022 - [X.], [X.], 35 Rn. 24, 30; siehe auch [X.], Beschluss vom 20. Februar 2020 - [X.], aaO [zu § 765a ZPO]).

Hierbei hat er betont, dass das in Art. 2 Abs. 2 GG enthaltene Gebot unabhängig davon gilt, ob der Unfähigkeit des Mieters, die Konfliktsituation angemessen zu bewältigen, Krankheitswert zukommt oder nicht, und dass die Schutzbedürftigkeit des Mieters nicht allein dadurch entfällt, dass er an der Behandlung seiner psychischen Erkrankung, aus der eine Suizidgefahr resultiert, nicht mitwirkt. Es bedarf vielmehr auch in einem solchen Fall stets einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2022 - [X.], aaO Rn. 24, 29 f. mwN). Das steht im Einklang damit, dass die Unfähigkeit, aus [X.] oder mit zumutbarer fremder Hilfe eine Konfliktsituation situationsangemessen zu bewältigen, nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht nur dann Beachtung verdient, wenn sie durch eine bereits festgestellte Krankheit verursacht wird. Vielmehr muss der Umstand, dass der zwangsweise Verlust der Wohnung zum Suizid führen kann, unabhängig davon beachtet werden, ob die Suizidalität auf einer - psychischen oder sonstigen - Erkrankung oder auf anderen - persönlichkeitsbedingten - Ursachen beruht (vgl. [X.], NJW 1994, 1719, 1720; NJW-RR 2001, 1523 f.; jeweils zu § 765a ZPO).

(cc) Demgegenüber hat das Berufungsgericht die im Streitfall gegebene Gefahr der Selbsttötung als Folge einer Verurteilung der [X.] zur Räumung der Wohnung von vornherein von der bei der Prüfung des Vorliegens einer Härte gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 2021 - [X.], [X.], 361 Rn. 29) ausgeschlossen, indem es allein auf die dahinterstehende freie Willensbildung der [X.] abgestellt hat. Hierdurch hat es bei seiner Entscheidung dem Schutz von Leben und Gesundheit der [X.] nicht die Bedeutung beigemessen, die Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ihm verleiht.

Die vom Berufungsgericht in Anknüpfung an die sachverständige Einschätzung vorgenommene Einordnung des seitens der [X.] angedrohten Suizids als "im Rahmen ihrer freien Willensbildung gewählte Reaktionsstrategie auf den möglichen Verlust ihrer Wohnung", die sie "in [X.] Absicht instrumentell einsetzten", ändert nichts daran, dass das Leben der [X.] bei einem unfreiwilligen Verlust ihrer Wohnung infolge einer Verurteilung zur Räumung konkret in Gefahr ist und diese Gefahr bei der hier vorzunehmenden Prüfung des Vorliegens einer Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.] Berücksichtigung finden muss (vgl. auch [X.], NJW-RR 2001, 1523, 1524 [zu § 765a ZPO]).

Zudem berücksichtigt die allein an den frei gebildeten Willen der [X.] anknüpfende Sichtweise des Berufungsgerichts den Umstand nicht hinreichend, dass die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung nach den getroffenen Feststellungen ausschließlich durch die aufgrund des gerichtlichen Verfahrens drohende Verurteilung hervorgerufen und ihre Verwirklichung seitens der [X.] allein von dem gerichtlich angeordneten Verlust der Wohnung abhängig gemacht wird (vgl. für den Fall der Räumungsvollstreckung [X.], Beschluss vom 7. Oktober 2010 - [X.], [X.], 915 Rn. 25 [zu § 765a ZPO]).

Überdies hat das Berufungsgericht nicht hinreichend in den Blick genommen, dass die Suizidankündigung nach den Ausführungen des Sachverständigen auch Ausdruck der von ihnen empfundenen Hilflosigkeit gegenüber dem drohenden Verlust ihrer langjährigen Wohnung ist. Gerade hierin zeigt sich aber die Schutzbedürftigkeit der [X.], der im Rahmen des § 574 [X.] angemessen Rechnung zu tragen ist.

Vor diesem Hintergrund kann das Vorliegen einer Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch nicht, wie es das Berufungsgericht getan hat, mit einem Verweis auf die - hier nicht einschlägige - verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu einem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgenden Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben (vgl. hierzu [X.] 153, 182) verneint werden.

(c) Dementsprechend ist (auch) im Streitfall aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Einzelfallumstände zu entscheiden, ob wegen der bestehenden - und trotz der freien Willensbildung der [X.] für die Prüfung nach § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.] maßgeblich zu berücksichtigenden - Gefahr eines Suizids der [X.] für den Fall des Verlusts ihrer bisherigen Wohnung das Vorliegen einer Härte anzunehmen ist oder ob eine solche im Hinblick auf den [X.] zugängliche und zumutbare, von ihnen aber nicht genutzte Beratungen sowie ärztliche oder therapeutische Behandlungen abzulehnen (oder anderenfalls jedenfalls im Rahmen der anschließend vorzunehmenden Interessenabwägung den Interessen des [X.] der Vorrang einzuräumen) ist (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2022 - [X.], [X.], 35 Rn. 29). Insoweit beanstandet die Revision mit Recht die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zu einer (fehlenden) Mitwirkungsbereitschaft der [X.] als rechtsfehlerhaft.

(aa) Bei der Feststellung des Vorliegens einer Härte ist ebenso wie bei deren Gewichtung im Rahmen der Interessenabwägung zwischen den berechtigten Belangen des Mieters und denen des Vermieters zu berücksichtigen, ob und inwieweit sich die mit einem Umzug einhergehenden Folgen durch die Unterstützung des Umfelds eines Mieters beziehungsweise durch begleitende ärztliche oder therapeutische Behandlungen mindern lassen. Dabei kann von dem Mieter - ungeachtet dessen Schutzes durch Art. 2 Abs. 2 GG - auch jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung des [X.] verlangt werden (vgl. nur Senatsurteile vom 22. Mai 2019 - [X.]/18, [X.], 133 Rn. 45; vom 26. Oktober 2022 - [X.], [X.], 35 Rn. 28; siehe auch [X.], [X.], 104 Rn. 20 [zu § 765a ZPO]). Es kann mithin zu berücksichtigen sein, ob eine bei Verlust der Wohnung bestehende Suizidgefahr durch eine Therapie beherrschbar ist (Senatsurteil vom 26. Oktober 2022 - [X.], aaO). In diesem Rahmen kann unter besonderen Umständen bereits das Vorliegen einer Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu verneinen sein. Derartige Umstände sind den bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen.

([X.]) Im Streitfall sind nach den insoweit verfahrensfehlerfrei getroffenen und im Revisionsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die psychischen Beschwerden der [X.] behandelbar. Insbesondere hat der Sachverständige ausgeführt, im Rahmen einer fachlichen Beratung, etwa durch den sozialpsychiatrischen Dienst, könnten mögliche Lösungen und Hilfen aufgezeigt werden, um die [X.] zur Änderung des [X.] zu bewegen. Zudem könnten die [X.] motiviert werden, fachärztliche oder psychologische Behandlungsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Der Sachverständige hat dabei auch den Zusammenhang derartiger Hilfen mit den psychischen Erkrankungen der [X.] und der bestehenden Suizidgefahr deutlich gemacht. Denn nach seiner Beurteilung würde sich ohne die Inanspruchnahme solcher Beratungs-, Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen der psychische Gesundheitszustand der [X.] im Falle einer Verurteilung zur Räumung verschlechtern und diese Verschlechterung wiederum die Ausführung des angekündigten Suizidplans der [X.] begünstigen.

Jedoch beruht die vom Berufungsgericht getroffene Annahme, die [X.] lehnten "jegliche Hilfe" sowie eine Behandlung ihrer psychischen Beschwerden bisher und auch für die Zukunft ("rigide") ab, auf einer unvollständigen Würdigung des [X.]s und des Ergebnisses der Beweisaufnahme, insbesondere der Erklärungen der [X.] zu 2 sowie der Ausführungen des Sachverständigen (§ 286 Abs. 1 ZPO).

Wenngleich der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hat, die [X.] verschlössen sich aktuell anderen Lösungsvorschlägen, lehnten mögliche Hilfen ab und nähmen "dabei eine rigide Haltung" ein, hat er jedoch auch - wie die Revision unter Verweis auf das schriftliche Gutachten und dessen mündliche Erläuterung mit Recht rügt - die bereits erwähnte Beratung durch den sozialpsychiatrischen Dienst oder andere Einrichtungen für zielführend erachtet. Insoweit hat er auch eine Änderung der Einstellung der [X.], die derartige Hilfestellungen "zunächst" abgelehnt hätten, bei Verfügbarkeit einer anderen Wohnung in vergleichbarer Lage und bei entsprechender Hilfeleistung für "durchaus denkbar" gehalten. Zudem hat die Beklagte zu 2, wie die Revision unter Bezugnahme auf das Sitzungsprotokoll des Berufungsgerichts geltend macht, im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung erklärt, sie und ihr Lebensgefährte hätten sich bislang zwar nicht in eine psychiatrische oder psychologische Behandlung begeben. Sie habe jedoch eine Überweisung an einen Psychologen erhalten, einen Termin oder einen bestimmten Psychologen habe sie "bislang noch nicht". Ausweislich des schriftlichen Gutachtens hat sie gegenüber dem Sachverständigen ausdrücklich erklärt, dass sie nichts gegen eine Psychotherapie habe.

Mit diesen Erklärungen, die gegen eine "rigide" ablehnende Haltung der [X.] gegenüber einer Therapie oder sonstigen Hilfestellungen ("jegliche Hilfe") sprechen könnten, hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt. Weitergehende Feststellungen, aufgrund derer die Bereitschaft der [X.], sich um eine Verringerung des [X.] zu bemühen, abschließend beurteilt werden könnte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

[X.]) Auch die - nur hilfsweise angestellte - Erwägung des Berufungsgerichts, die für den Fall der [X.] erklärte, auf einem frei gebildeten und nicht krankheitsbedingten Willen der [X.] beruhende [X.] könne jedenfalls bei der Interessenabwägung nicht dergestalt zu Lasten des [X.] berücksichtigt werden, dass der Zugriff auf sein Eigentum trotz des berechtigten Eigenbedarfs auf unabsehbare [X.] ausgeschlossen sei, ist nicht frei von [X.].

(1) Nach der Senatsrechtsprechung ist bei der - im Falle der Bejahung einer Härte erforderlichen - Bewertung und Gewichtung der widerstreitenden Interessen beider Mietvertragsparteien im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorzunehmenden Abwägung den Wertentscheidungen Rechnung zu tragen, die in den für sie streitenden Grundrechten zum Ausdruck kommen. Die Abwägung der gegenläufigen Interessen hat stets auf der Grundlage der sorgfältig festzustellenden Einzelfallumstände zu erfolgen und sich an den konkreten Umständen des zu beurteilenden Einzelfalls auszurichten. Dabei ist es angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse unzulässig, bestimmten Belangen des Vermieters oder des Mieters von vornherein - kategorisch - ein größeres Gewicht beizumessen als denen der Gegenseite (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 2019 - [X.]/18, [X.], 133 Rn. 36 f.; vom 11. Dezember 2019 - [X.], [X.], 276 Rn. 33, 39; vom 3. Februar 2021 - [X.], [X.], 361 Rn. 38).

(2) Diesen Anforderungen ist das Berufungsgericht nicht gerecht geworden. Denn es hat das Bestandsinteresse der [X.] im Hinblick auf eine von diesen für den Fall des [X.] eigenverantwortlich getroffene Entscheidung zum Suizid - im Wege einer generalisierenden Wertung - von vornherein als nachrangig gegenüber dem Interesse des [X.] an der Nutzung seines Eigentums bewertet und sich hierdurch den Weg zu einer an den konkreten Einzelfallumständen ausgerichteten Abwägung der widerstreitenden Interessen versperrt.

Zudem hat es sich die Möglichkeit einer sachgerechten Gewichtung des von den [X.] geltend gemachten Härtegrunds dadurch genommen, dass es für den Fall einer ihnen günstigen Würdigung (offensichtlich) von vornherein allein die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte [X.] als Regelungsfolge in Betracht gezogen (und für nicht angemessen befunden) hat. Insoweit hat das Berufungsgericht zum einen in unzulässiger Weise die Interessenabwägung im Rahmen des § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.] mit der bei einem gegebenen Fortsetzungsanspruch zur Bestimmung der [X.]dauer einer anzuordnenden Verlängerung des Mietverhältnisses vorzunehmenden Prognose über die Fortdauer eines Härtegrunds gemäß § 574a Abs. 2 [X.] vermengt. Zum anderen hat es dabei entweder rechtsfehlerhaft nicht in den Blick genommen, dass im Falle eines gegebenen Fortsetzungsanspruchs des Mieters nach der Senatsrechtsprechung im Regelfall nur die Fortsetzung des Mietverhältnisses für eine bestimmte [X.] anzuordnen ist und das Gesetz den Gerichten insoweit ein - rechtsfehlerfrei auszuübendes - Ermessen einräumt (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 2019 - [X.]/18, [X.], 133 Rn. 69; vom 11. Dezember 2019 - [X.], [X.], 276 Rn. 42; vom 26. Oktober 2022 - [X.], aaO Rn. 57), oder aber es hat - mangels hinreichender diesbezüglicher Feststellungen - auf unzureichender Tatsachengrundlage angenommen, dass im Streitfall auch auf längere Sicht nicht mit einem Entfallen des in der Suizidgefahr liegenden Beendigungshindernisses zu rechnen sei (vgl. hierzu im Falle von Therapiemöglichkeiten Senatsurteil vom 26. Oktober 2022 - [X.], aaO Rn. 50 ff.).

III.

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht zur Endentscheidung reife Sache ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin:

1. Maßgeblicher [X.]punkt sowohl für die nach wirksamem Widerspruch des Mieters gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorzunehmende Prüfung des Vorliegens einer Härte und Abwägung der wechselseitigen Interessen von Vermieter und Mieter als auch für die sich anschließende Beurteilung, ob beziehungsweise für welchen [X.]raum das durch die wirksame ordentliche Kündigung nach § 573 [X.] beendete Mietverhältnis gemäß § 574a [X.] fortzusetzen ist, ist der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 2019 - [X.]/18, [X.], 133 Rn. 32, und [X.], NJW-RR 2019, 972 Rn. 48; Senatsbeschluss vom 30. August 2022 - [X.], [X.], 831 Rn. 24).

Dementsprechend wird das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung den [X.] Gelegenheit zu geben haben, zu ihrer aktuellen gesundheitlichen Situation und zu einer möglicherweise in der Zwischenzeit bereits erfolgten Inanspruchnahme psychiatrischer oder psychologischer Unterstützung, Beratung oder Behandlung vorzutragen sowie sich verbindlich hinsichtlich ihrer Bereitschaft zur Inanspruchnahme von Hilfen und Behandlungsmaßnahmen zu erklären, mittels derer sich die mit einer Beendigung des Mietverhältnisses einhergehenden gesundheitlichen Folgen vermindern ließen.

Im Weiteren wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob aus Anlass dieses Vortrags eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen - gegebenenfalls nach erneuter Untersuchung der [X.] - einzuholen ist, die im Falle der ernsthaften Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der [X.] auch Ausführungen zu den derzeit bestehenden Behandlungsmöglichkeiten und deren zeitlichem Rahmen sowie zur Beurteilung der Mitwirkungsbereitschaft der [X.] enthalten sollte.

2. Sofern das Berufungsgericht bei umfassender Abwägung aller Einzelfallumstände zu der Annahme gelangen sollte, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für die [X.] eine Härte bedeutet, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des [X.] nicht zu rechtfertigen ist, wird es im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu prüfen haben, für welche [X.] und zu welchen Bedingungen das Mietverhältnis gemäß § 574a Abs. 2 [X.] fortzusetzen ist (vgl. Senatsurteile vom 15. März 2017 - [X.], [X.], 286 Rn. 32; vom 22. Mai 2019 - [X.]/18, [X.], 133 Rn. 71; vom 11. Dezember 2019 - [X.], [X.], 276 Rn. 43).

Hierbei wird es zu bedenken haben, dass die Fortsetzung nach der gesetzlichen Bestimmung - im Regelfall - nur auf bestimmte [X.] erfolgen soll (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2022 - [X.], [X.], 35 Rn. 57 mwN). Insoweit wird im Rahmen einer mit Tatsachen zu untermauernden Prognose - abhängig von der aktuell bei den [X.] gegebenen Gesundheitsgefährdung und der Einschätzung des Sachverständigen zu deren Schwere und zu den Möglichkeiten einer Milderung durch begleitende Maßnahmen - zu beurteilen sein, für welchen [X.]raum im Falle einer entsprechenden Mitwirkung der [X.] das einer Verurteilung zur Räumung entgegenstehende Hindernis voraussichtlich fortdauern wird (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 2019 - [X.]/18, aaO Rn. 69; vom 28. April 2021 - [X.], [X.], 597 Rn. 34). Dabei ist jedes den [X.] zumutbare Bemühen um eine Verringerung der Suizidgefahr zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2022 - [X.], aaO Rn. 51). Zudem genügt es, wenn die mit der Beendigung des Mietverhältnisses einhergehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen jedenfalls so weit abgemildert sind, dass sie keine nicht zu rechtfertigende Härte mehr darstellen (vgl. Schmidt-Futterer/[X.], Mietrecht, 16. Aufl., § 574a [X.] Rn. 12; siehe auch BeckOGK-[X.]/[X.], Stand: 1. Januar 2024, § 574a Rn. 17).

Aber auch dann, wenn ungewiss bleiben sollte, innerhalb welchen zeitlichen Rahmens der Härtegrund mit Hilfe von begleitenden Maßnahmen voraussichtlich wird überwunden werden können, muss das Gericht nicht zwingend die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte [X.] anordnen (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 2019 - [X.]/18, aaO Rn. 69). Der Gesetzgeber wollte ihm (lediglich) diese Möglichkeit eröffnen (vgl. Bericht des Rechtsausschusses zu BT-Drucks. V/2317, S. 2 [zu § 556a Abs. 3 Satz 2 [X.] aF, entspricht § 574a Abs. 2 Satz 2 [X.]]). Auch insoweit ist dem Gericht durch das Gesetz ein - rechtsfehlerfrei auszuübendes - Ermessen eingeräumt (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 2019 - [X.]/18, aaO; vom 28. April 2021 - [X.], aaO).

Dr. Bünger     

      

Kosziol     

      

Wiegand

      

Dr. Reichelt     

      

Messing     

      

Meta

VIII ZR 114/22

10.04.2024

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Detmold, 27. April 2022, Az: 3 S 18/21

§ 574 Abs 1 S 1 BGB, § 574a BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.04.2024, Az. VIII ZR 114/22 (REWIS RS 2024, 2402)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2402

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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