Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.12.2022, Az. II R 40/20

2. Senat | REWIS RS 2022, 9325

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Gegenstand

Zurechnung von Grundstücken nach Abschluss einer Vereinbarungstreuhand


Leitsatz

1. Hat das FA in einem Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG Feststellungen zu mehreren Grundstücken getroffen, von denen eines oder mehrere nicht in die Feststellungen hätte einbezogen werden dürfen, ist der Bescheid insgesamt rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Eine bloße Änderung oder nur teilweise Aufhebung des Feststellungsbescheids ist nicht möglich.

2. Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.

Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist es ihr nicht mehr zuzurechnen, wenn ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.

3. Der BFH kann über die Entscheidung des FG hinaus zu Lasten des Revisionsklägers in der Sache entscheiden, wenn die Entscheidung eine unvermeidbare Folge einer prozessual gebotenen Aufhebung des angefochtenen Urteils und der erneuten Entscheidung über den Klageantrag ist.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des [X.] vom 12.11.2020 - 5 K 2582/11, der Feststellungsbescheid vom [X.], der Änderungsbescheid vom 17.12.2009 und die Einspruchsentscheidung vom 07.10.2011 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, erwarb durch Kaufvereinbarung vom 19.04.2004 von der [X.] % der Anteile an der [X.]. Die [X.] war teils mittelbar, teils unmittelbar zu insgesamt 100 % an drei GmbHs beteiligt, die Eigentümer inländischen Grundbesitzes in verschiedenen Bundesländern und Finanzamtsbezirken waren.

2

Mit [X.]n vom 20.12.2002 hatte die [X.] mit den GmbHs jeweils eine [X.] begründet. Danach hielten die GmbHs als Treuhänder mit Wirkung ab dem 31.12.2002 einen erheblichen Teil der zu ihrem bisherigen Geschäftsbetrieb gehörenden Vermögensgegenstände einschließlich Grundbesitz, jedoch ohne Beteiligungen, für Rechnung und Gefahr der [X.] als Treugeber.

3

Parallel zur Kaufvereinbarung vom 19.04.2004 übertrug [X.] sämtliche Rechte und Pflichten aus den [X.]n auf Tochtergesellschaften der Klägerin. Auch für diese Übertragungen wurde [X.] wie bereits zuvor für die [X.] vom 20.12.2002-- Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes in der 2004 geltenden Fassung ([X.]) festgesetzt.

4

Mit Bescheid vom [X.] stellte das seinerzeit zuständige Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für den unmittelbaren Erwerb der Anteile an der [X.] aufgrund Kaufvereinbarung vom 19.04.2004 gesondert fest. Neben den im Eigentum der drei GmbHs befindlichen Grundstücken erfasste der Bescheid ein im Eigentum einer Tochtergesellschaft einer der GmbHs stehendes Gebäude in [X.] Der Feststellungsbescheid wurde am 17.12.2009 aus im Revisionsverfahren nicht streitigen Gründen geändert. Der gegen den Bescheid vom [X.] in Gestalt des Änderungsbescheids vom 17.12.2009 eingelegte Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 07.10.2011 zurückgewiesen.

5

Im Klageverfahren vor dem [X.] ([X.]), während dessen ein gesetzlicher [X.] zugunsten des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --[X.]--) stattfand, beantragte die Klägerin sinngemäß, die Bescheide dahingehend zu ändern, dass die Feststellungen nur in Bezug auf das Gebäude in [X.] verbleiben und im Übrigen aufgehoben werden.

6

Das [X.] gab der Klage in der so formulierten Weise statt und führte im Wesentlichen aus, durch die Kaufvereinbarung sei zwar ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.] verwirklicht worden. Die Grundstücke hätten zunächst auch der [X.] "gehört" i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.], da sie zu 100 % an den GmbHs beteiligt gewesen sei. Diese [X.]urechnung habe jedoch bereits vor dem Stichtag 19.04.2004 geendet, da der Grundbesitz durch die [X.] vom 20.12.2002 Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 1 oder zumindest nach § 1 Abs. 2 [X.] gewesen sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der [X.]e 2021, 477 veröffentlicht.

7

Mit seiner Revision macht das [X.] eine Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 sowie des § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.] geltend. Die [X.] vom 20.12.2002 stellten kein Verpflichtungsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] dar. Bei Begründung einer [X.] könne es lediglich zu einem Übergang der [X.] nach § 1 Abs. 2 [X.], nicht aber zu einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] kommen. Bei der Übertragung der [X.] wiederum würden zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinanderfallen. Daher könne [X.] eine doppelte [X.]urechnung --beim Treuhänder als zivilrechtlichem und beim Treugeber als wirtschaftlichem [X.] vorgenommen werden. Die der [X.] eingeräumte [X.] i.S. des § 1 Abs. 2 [X.] ändere nichts daran, dass die Grundstücke i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.] nach wie vor zum Vermögen der GmbHs gehörten und über die Beteiligung der [X.] an diesen GmbHs daher auch der [X.] zuzurechnen gewesen seien.

8

Das [X.] beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die [X.] vom 20.12.2002 seien Rechtsgeschäfte i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.], sodass die Grundstücke am [X.] nicht mehr i.S. des § 1 Abs. 3 [X.] der [X.] "gehört" hätten. Aber selbst wenn man davon ausgehe, dass der [X.] aufgrund der [X.] lediglich eine [X.] i.S. des § 1 Abs. 2 [X.] eingeräumt worden sei, seien die Grundstücke nur noch der [X.] als Treugeber und wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen gewesen.

Entscheidungsgründe

I[X.]

Die Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Vorentscheidung ist schon aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil dem [X.] die Befugnis zu der von ihm vorgenommenen Änderung des angefochtenen Feststellungsbescheids fehlte (dazu 1.). Über den Antrag der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren ist erneut zu entscheiden (dazu 2.). Die Sache ist spruchreif. Der Feststellungsbescheid vom [X.], der Änderungsbescheid vom 17.12.2009 und die Einspruchsentscheidung vom 07.10.2011 sind rechtswidrig und daher aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). § 1 Abs. 3 [X.] ist nicht erfüllt, da die Grundstücke am 19.04.2004 der [X.] nicht mehr i.S. des § 1 Abs. 3 [X.] "gehörten" (dazu 3.).

1. Die Vorentscheidung war bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das [X.] durfte den angefochtenen Feststellungsbescheid nicht nach § 100 Abs. 2 [X.]O ändern.

a) Fehlt dem [X.] die Befugnis zu der von ihm vorgenommenen Änderung des angefochtenen Feststellungsbescheids, ist sein Urteil aufzuheben (z.B. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 15.10.2014 - II R 14/14, [X.], 228, [X.], 405).

b) Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]. Nach dieser Vorschrift werden die Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 1 Abs. 2a und 3 (heute Abs. 2a bis 3a) [X.] durch das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks dieses Finanzamts liegendes Grundstück oder ein auf das Gebiet eines anderen Landes sich erstreckender Teil eines im Bezirk dieses Finanzamts liegenden Grundstücks betroffen wird.

Die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 [X.] hat für alle von einem der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang betroffenen Grundstücke in nur einem Verwaltungsakt zu erfolgen ([X.]-Urteil in [X.], 228, [X.], 405, Rz 22; vgl. auch [X.]-Urteil vom 15.06.1994 - II R 120/91, [X.], 465, [X.] 1994, 819).

c) Hat das Finanzamt in einem solchen Feststellungsbescheid Feststellungen zu mehreren Grundstücken getroffen, von denen eines oder mehrere nicht in die Feststellungen hätten einbezogen werden dürfen, ist der Bescheid insgesamt rechtswidrig und deshalb nach § 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O aufzuheben. Eine bloße Änderung oder nur teilweise Aufhebung des Feststellungsbescheids nach § 100 Abs. 2 [X.]O ist nicht möglich. Die Änderung der Angabe der betroffenen Grundstücke stellt insbesondere keine bloß betragsmäßige Änderung der Besteuerungsgrundlagen dar.

d) Das [X.] ist von anderen Grundsätzen ausgegangen, sodass sein Urteil aufzuheben ist. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob Ziffer 1 des Tenors des [X.]-Urteils hinreichend bestimmt ist, insbesondere, ob durch die Angabe "... die Feststellungen zu den betroffenen Grundstücken mit Ausnahme ..." in Verbindung mit der dem angefochtenen Bescheid beigefügten [X.] die durch die Anteilsvereinigung betroffenen Grundstücke so ausreichend bezeichnet sind, dass das [X.] den Bescheid umsetzen kann.

2. Nach der Aufhebung der Vorentscheidung ist erneut über den im finanzgerichtlichen Verfahren gestellten Antrag zu entscheiden.

Der Antrag der Klägerin im [X.]-Verfahren ist dahingehend zu verstehen, dass sie die vollumfängliche Aufhebung des Feststellungsbescheids, des Änderungsbescheids und der Einspruchsentscheidung begehrt. Die Klägerin hatte zwar zuletzt selbst einen eingeschränkten Antrag formuliert. Ein unter Verkennung der Entscheidungsmöglichkeiten nach § 100 [X.]O gestellter Antrag kann aber dahingehend sachdienlich ausgelegt werden, dass die Aufhebung aller angefochtenen [X.] begehrt wird (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 228, [X.], 405). Dies entspricht sinngemäß dem ursprünglichen Antrag der Klägerin im [X.]-Verfahren mit Schriftsatz vom 25.11.2011.

Der [X.] darf im Revisionsverfahren zwar nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 [X.]O nicht über das Klagebegehren hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Er kann diesbezüglich die Klageschrift selbst auslegen (vgl. [X.]-Urteil vom 06.07.1999 - VIII R 17/97, [X.]E 189, 302, [X.] 2000, 306, unter [X.]). Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht. Nur eine solche Auslegung trägt dem Grundsatz der Rechtsschutz gewährenden Auslegung nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes Rechnung ([X.]-Beschluss vom 02.07.2012 - III B 101/11, [X.]/NV 2012, 1628, Rz 9, m.w.N.).

3. Der so ausgelegte Antrag der Klägerin hat Erfolg. Der Feststellungsbescheid vom [X.], der Änderungsbescheid vom 17.12.2009 und die Einspruchsentscheidung vom 07.10.2011 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie waren daher aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Im Ergebnis zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Grundstücke am 19.04.2004 der [X.] nicht mehr i.S. des § 1 Abs. 3 [X.] "gehörten" (dazu a). Entgegen der Auffassung des [X.] konnte der Fehler des [X.] in dem angegriffenen Bescheid aber nicht durch dessen Änderung behoben werden. Vielmehr waren der Bescheid, der Änderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben (dazu b). Der vollständigen Aufhebung der [X.] steht auch das Verböserungsverbot nicht entgegen (dazu c).

a) Am 19.04.2004 "gehörten" die Grundstücke der [X.] nicht mehr i.S. des § 1 Abs. 3 [X.].

aa) Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Steuer, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) [X.] nicht in Betracht kommt, u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile der Gesellschaft begründet (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.]).

(1) Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 [X.] zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 der Abgabenordnung. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung (vgl. [X.]-Urteile vom 11.12.2014 - II R 26/12, [X.]E 247, 343, [X.], 402, Rz 18, und vom 01.12.2021 - II R 44/18, [X.]E 275, 373, Rz 22).

(a) Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 [X.] der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 [X.] (und die [X.] einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 [X.] fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 [X.] ist es ihr nicht mehr zuzurechnen, wenn ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 [X.] (und die [X.] einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 [X.] fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.

(b) Ein (nach den Grundsätzen unter (a)) einer anderen [X.] inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 [X.] der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang (hinsichtlich der Anteile an dieser Gesellschaft) zuzurechnen, wenn sie zuvor hinsichtlich dieses Grundstücks einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a [X.] fallenden (fiktiven) Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 [X.] ist es ihr jedoch in dem Moment nicht mehr zuzurechnen, in dem ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a [X.] fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht. Dasselbe gilt, wenn ihre Beteiligung an der [X.] unter 95 % (heute 90 %) sinkt oder der [X.] nach den unter (a) genannten Grundsätzen das Grundstück nicht mehr zuzurechnen ist.

(c) Soweit der [X.] für Erwerb und Verlust der Zurechnung bisher auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 bis (!) 3a [X.] abgestellt hat, läuft die Formulierung für Erwerbe nach § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) [X.], die lediglich eine neue Gesellschaft fingieren und bei denen sich die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung nicht ändert, leer. Der [X.] hält insoweit daran nicht fest.

(d) Entsprechendes gilt für die Zurechnung eines Grundstücks für Zwecke des § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) und Abs. 3a [X.], denn auch diese Tatbestände betreffen Gesellschaften, denen ein Grundstück "gehört".

Die Verwirklichung von anderen Erwerbstatbeständen nach § 1 [X.] bleibt hiervon ausdrücklich unberührt.

(2) Die vorstehenden Grundsätze finden auch bei mehrstöckigen Beteiligungen Anwendung. Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist einer [X.] grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die [X.] selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a [X.] erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der [X.] bzw. im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den [X.]en. Das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe stellt selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar ([X.]-Urteil in [X.]E 275, 373, Rz 25).

(3) Nach § 1 Abs. 2 [X.] unterliegen der Grunderwerbsteuer auch [X.], die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dadurch sollen Sachverhalte erfasst werden, bei denen es zwar nicht --wie in den Fällen des § 1 Abs. 1 [X.]-- zu einem Rechtsträgerwechsel, d.h. zu einer Änderung der [X.] im Außenverhältnis kommt, bei denen der Eigentümer einem anderen aber im Innenverhältnis so weitgehende Möglichkeiten zur Einflussnahme hinsichtlich des Grundstücks einräumt, dass dieser und nicht mehr der Eigentümer über die Verwertung des Grundstücks entscheiden kann.

Eine [X.] des Auftraggebers i.S. von § 1 Abs. 2 [X.] kann auch bei Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses zwischen dem Auftraggeber und dem Beauftragten gegeben sein. In solchen Fällen unterliegt gemäß § 1 Abs. 2 [X.] die damit dem Auftraggeber verschaffte [X.] der Grunderwerbsteuer (vgl. [X.]-Urteil vom 20.04.2016 - II R 54/14, [X.]E 253, 276, [X.] 2016, 715, Rz 10 f., zu einer Übertragungstreuhand). Da dieser Steuertatbestand ebenso wie die Tatbestände des § 1 Abs. 1, Abs. 2a (heute auch Abs. 2b), Abs. 3 und Abs. 3a [X.] den wirtschaftlichen Zugriff auf das Grundstück zu erfassen suchen, ist es gerechtfertigt, bei Auseinanderfallen von Eigentum und [X.] die Zurechnung eines Grundstücks für Zwecke jener Erwerbstatbestände an die [X.] und nicht mehr an das wirtschaftlich bedeutungslos gewordene Eigentum anzuknüpfen.

bb) Danach "gehörten" die Grundstücke der GmbHs am 19.04.2004 der [X.] nicht mehr i.S. des § 1 Abs. 3 [X.]. Denn sie waren zuvor bereits Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs entweder i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder i.S. des § 1 Abs. 2 [X.] gewesen.

Sind die [X.] vom 20.12.2002 dahingehend auszulegen, dass sie einen Übereignungsanspruch für die [X.] begründet haben, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erfüllt, anderenfalls wurde die [X.] an dem Grundbesitz i.S. des § 1 Abs. 2 [X.] auf die [X.] übertragen. In beiden Fällen waren die Grundstücke aufgrund der [X.] für Zwecke des § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.] am 19.04.2004 der [X.], aber jedenfalls nicht (mehr) der [X.] grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen.

Es kann dahinstehen, ob die Grundstücke der [X.] jemals "gehörten", d.h. ihr aufgrund eines entsprechenden Erwerbstatbestands grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen waren. Jedenfalls hätte eine solche Zurechnung spätestens mit Abschluss der [X.] vom 20.12.2002 geendet.

b) Da die damit gegebene Fehlerhaftigkeit des angegriffenen Feststellungsbescheids nicht durch dessen bloße Änderung behoben werden konnte (dazu oben [X.]1.), waren dieser Bescheid, der vorangegangene Bescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

c) Die über das Urteil des [X.] hinausgehende vollständige Aufhebung der [X.] ist zulässig, obwohl nur das [X.] gegen das Urteil des [X.] Revision eingelegt hatte.

Grundsätzlich gilt auch im Revisionsverfahren das Verböserungsverbot gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 [X.]O, durch welches der [X.] die Rechtsposition des Revisionsklägers im Vergleich zum angefochtenen Urteil nicht verschlechtern darf, wenn kein anderer Beteiligter Revision eingelegt hat (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom [X.], [X.]E 212, 388, [X.] 2006, 584; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 121 Rz 1, m.w.N.). Im Streitfall hingegen ist die Verböserung eine unvermeidbare Folge der Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen des Fehlens einer Änderungsbefugnis des [X.] nach § 100 Abs. 2 [X.]O und der erneuten Entscheidung über den Klageantrag (vgl. [X.]-Urteil vom 06.03.1990 - II R 63/87, [X.]E 159, 555, [X.] 1990, 504, unter 2.).

4. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

II R 40/20

14.12.2022

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 12. November 2020, Az: 5 K 2582/11, Gerichtsbescheid

§ 96 Abs 1 S 2 FGO, § 100 Abs 1 S 1 FGO, § 100 Abs 2 FGO, § 121 FGO, § 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 1 Abs 2 GrEStG 1997, § 1 Abs 3 Nr 3 GrEStG 1997, § 17 Abs 3 S 1 Nr 2 GrEStG 1997, § 1 Abs 2a GrEStG 1997, § 1 Abs 2b GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.12.2022, Az. II R 40/20 (REWIS RS 2022, 9325)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9325

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