Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.12.2022, Az. II R 33/20

2. Senat | REWIS RS 2022, 9328

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Gegenstand

(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 14.12.2022 II R 40/20 - Grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung von Grundstücken inländischer GmbHs an US-amerikanische Muttergesellschaft)


Leitsatz

NV: Grundstücke inländischer Untergesellschaften sind auch einer ausländischen Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die ausländische Obergesellschaft selbst sie aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG erworben hat (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 01.12.2021 - II R 44/18, BFHE 275, 373).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des [X.] vom 30.09.2020 - 5 K 2390/17 und der Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer des Beklagten vom 28.11.2017 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

[X.]ie Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine in den [X.] ansässige Gesellschaft. Sie ist aufgrund einer Verschmelzung aus der ursprünglichen Klägerin, der [X.], diese wiederum aufgrund eines Formwechsels aus der [X.] hervorgegangen. [X.]ie [X.] war über verschiedene Konzerngesellschaften mittelbar --auf jeder [X.]eteiligungsstufe zu mindestens 97 %-- an mehreren [X.] GmbHs beteiligt. In deren Vermögen befanden sich Grundstücke im Inland in verschiedenen Finanzamtsbezirken.

2

Im [X.]pril 2014 wurde durch Umstrukturierungen unter [X.]nwendung von § 251 (g) des [X.]elaware General [X.]orporation Law ([X.]G[X.]L) im Konzern eine Holdinggesellschaftsstruktur geschaffen. [X.]azu wurde u.a. --von einer ausländischen Tochtergesellschaft der [X.]-- die [X.] gegründet, welche somit zunächst die Enkelgesellschaft der [X.] darstellte. Nach dem am 14.04.2014 unterzeichneten [X.] sollte die [X.] mit Wirkung zum 15.04.2014 alleinige [X.]ktionärin der [X.] werden, während jeder bisherige [X.]ktionär der [X.] im Umfang seiner [X.]eteiligung an der [X.] [X.]ktien der [X.] erhalten sollte. [X.]m Ende der Umstrukturierung waren alle [X.]nteile der [X.] in der Hand der [X.] vereinigt, sodass nun [X.] die Tochtergesellschaft der [X.] war.

3

[X.]m 13.02.2017 wurde die [X.] in die [X.] umgewandelt. [X.]m 14.02.2017 wurde die [X.] aufgrund eines Formwechsels zur [X.]. [X.]m 29.03.2017 wurde die [X.] auf die [X.] --die ursprüngliche Klägerin-- verschmolzen.

4

[X.]as damals zuständige Finanzamt erließ am 28.11.2017 gegenüber der [X.] (vormals [X.]) als Rechtsnachfolgerin der [X.] (vormals [X.]) einen [X.]escheid über die gesonderte Feststellung von [X.]esteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer (Feststellungsbescheid) für eine [X.]nteilsvereinigung ohne vorausgegangenes schuldrechtliches Geschäft vom 15.04.2014. Es seien unmittelbar [X.]nteile der [X.] (vormals [X.]) vereinigt worden. Erwerber sei [X.] (vormals [X.]) als Rechtsnachfolger der [X.] (vormals [X.]). [X.]ie den [X.] GmbHs gehörenden Grundstücke waren in einer [X.]nlage zum [X.]escheid aufgeführt.

5

Eine unter Zustimmung des nach einem gesetzlichen [X.]eteiligtenwechsel nunmehr zuständigen [X.]eklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --F[X.]--) erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg. [X.]as Finanzgericht ([X.]) führte zur [X.]egründung aus, der Vorgang sei nach § 1 [X.]bs. 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes in der für den Streitfall geltenden Fassung ([X.]) steuerbar. Insbesondere seien aufgrund der [X.]eteiligungsverhältnisse die Grundstücke der grundbesitzenden GmbHs der [X.] zuzurechnen gewesen. [X.]ass sich im damaligen Vermögen der [X.] selbst kein inländisches Grundvermögen befunden habe, das zuvor unter Verwirklichung eines grunderwerbsteuerlichen Tatbestands durch [X.] erworben worden sei, sei unerheblich. [X.]as Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 303 veröffentlicht.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen eine Verletzung von § 1 [X.]bs. 3 Nr. 2 und § 17 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 [X.] geltend. Zur [X.]egründung führt sie aus, die Grundstücke der GmbHs "gehörten" nicht i.S. des § 1 [X.]bs. 3 [X.] der [X.]. [X.]ie [X.] habe keinen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand verwirklicht, aufgrund dessen ihr die Grundstücke der [X.] zuzurechnen wären. Zudem sei die vorgenommene Umstrukturierung nach § 251 (g) [X.]G[X.]L dem Grunde nach nicht grunderwerbsteuerbar.

7

[X.]ie Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung und den Feststellungsbescheid vom 28.11.2017 aufzuheben.

8

[X.]as F[X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

[X.]ie Revision ist begründet. [X.]ie Vorentscheidung und der Feststellungsbescheid vom 28.11.2017 werden aufgehoben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zu Unrecht ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 [X.] erfüllt ist. [X.]enn die Grundstücke der GmbHs "gehörten" am 15.04.2014 im Sinne dieser Vorschrift nicht der [X.].

1. Gehört zum Vermögen einer [X.] ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Steuer, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) [X.] nicht in Betracht kommt, die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile der [X.], wenn kein schuldrechtliches Geschäft i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] vorausgegangen ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 [X.]). [X.]er Tatbestand knüpft zwar an den Anspruch auf Übertragung bzw. die Vereinigung von [X.]santeilen an, erfasst aber die infolge der [X.] in einer Hand spezifisch grunderwerbsteuerrechtlich veränderte Zuordnung von Grundstücken. [X.]erjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, wird so behandelt, als habe er die Grundstücke von der [X.] erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 04.03.2020 - II R 35/17, [X.], 545, BStBl II 2020, 514, Rz 13, m.w.N.).

a) § 1 Abs. 3 Nr. 2 [X.] ist gleichermaßen auf Personen- und Kapitalgesellschaften anwendbar. [X.]er Wortlaut der Vorschrift, der von "Vermögen" und "Anteile der [X.]" spricht, differenziert insoweit nicht (vgl. [X.]-Urteil vom 27.05.2020 - II R 45/17, [X.], 247, BStBl II 2021, 315, Rz 12, zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.]).

b) Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 [X.] zum Vermögen der [X.] "gehört", richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 der Abgabenordnung. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung (vgl. [X.]-Urteile vom 11.12.2014 - II R 26/12, [X.], 343, [X.], 402, Rz 18, und vom 01.12.2021 - II R 44/18, [X.], 373, Rz 22).

aa) Ein inländisches Grundstück ist einer [X.] im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 [X.] der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 [X.] (und die [X.] einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 [X.] fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 [X.] ist es ihr nicht mehr zuzurechnen, wenn ein [X.]ritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 [X.] (und die [X.] einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 [X.] fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.

bb) Ein (nach den Grundsätzen unter aa) einer anderen [X.] zuzurechnendes inländisches Grundstück ist einer [X.] im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 [X.] der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang (hinsichtlich der Anteile an dieser [X.]) zuzurechnen, wenn sie zuvor hinsichtlich dieses Grundstücks einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a [X.] fallenden (fiktiven) Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 [X.] ist es ihr jedoch in dem Moment nicht mehr zuzurechnen, in dem ein [X.]ritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a [X.] fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht. [X.]asselbe gilt, wenn ihre Beteiligung an der grundbesitzenden [X.] unter 95 % (heute 90 %) sinkt oder der grundbesitzenden [X.] nach den unter aa) genannten Grundsätzen das Grundstück nicht mehr zuzurechnen ist.

cc) Soweit der [X.] für Erwerb und Verlust der Zurechnung bisher auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 bis (!) 3a [X.] abgestellt hat, läuft die Formulierung für Erwerbe nach § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) [X.], die lediglich eine neue [X.] fingieren und bei denen sich die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung nicht ändert, leer. [X.]er [X.] hält insoweit daran nicht fest.

dd) Entsprechendes gilt für die Zurechnung eines Grundstücks für Zwecke des § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) und Abs. 3a [X.], denn auch diese Tatbestände betreffen [X.]en, denen ein Grundstück "gehört".

[X.]ie Verwirklichung von anderen Erwerbstatbeständen nach § 1 [X.] bleibt hiervon ausdrücklich unberührt.

c) [X.]ie vorstehenden Grundsätze finden auch bei mehrstöckigen Beteiligungen Anwendung. Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist einer [X.] grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die [X.] selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a [X.] erworben hat. [X.]er bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der [X.] bzw. im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den [X.]en. [X.]as bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe stellt selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar ([X.]-Urteil in [X.], 373, Rz 25).

2. [X.]as [X.] ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. [X.]ie Vorentscheidung war aufzuheben. [X.]ie Sache ist spruchreif. [X.]er Feststellungsbescheid vom 28.11.2017 wird aufgehoben.

a) [X.]ie Grundstücke der GmbHs "gehörten" am 15.04.2014 der [X.] nicht i.S. von § 1 Abs. 3 [X.]. [X.]as [X.] hat unter 3.c der Entscheidungsgründe seines Urteils für den [X.] nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindend festgestellt, dass [X.] selbst hinsichtlich dieser Grundstücke keinen grunderwerbsteuerrechtlichen Tatbestand nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a [X.] verwirklicht hatte.

b) [X.] bleiben kann deshalb, ob die Umstrukturierungen nach dem Recht von [X.] im Übrigen den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 [X.] erfüllt hätten, d.h., ob dadurch erstmals mindestens 95 % der Anteile der [X.] bei der [X.] vereinigt worden sind. Nicht zu entscheiden ist außerdem, ob der Vorgang --seine [X.] vorausgesetzt-- nach § 6a [X.] steuerbefreit gewesen wäre. [X.]a der angegriffene Feststellungsbescheid ausdrücklich nur die unmittelbare Vereinigung der Anteile der A (vormals [X.]) als steuerbaren Erwerbsvorgang benennt, kommt es zuletzt auch nicht darauf an, ob eine eventuelle mittelbare Vereinigung der Anteile der GmbHs den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 [X.] erfüllt hätte.

3. [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

II R 33/20

14.12.2022

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 30. September 2020, Az: 5 K 2390/17, Urteil

§ 1 Abs 3 Nr 2 GrEStG 1997, § 1 Abs 1 GrEStG 1997, § 1 Abs 2 GrEStG 1997, § 1 Abs 2a GrEStG 1997, § 1 Abs 2b GrEStG 1997, § 1 Abs 3a GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.12.2022, Az. II R 33/20 (REWIS RS 2022, 9328)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9328

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