Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.07.2022, Az. 10 AZR 41/22

10. Senat | REWIS RS 2022, 5224

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) ARBEITSVERTRAG TARIFVERTRÄGE KOLLEKTIVARBEITSRECHT

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Gegenstand

Tariflicher Erschwerniszuschlag - Atemschutzmaske


Leitsatz

Anspruch auf einen Erschwerniszuschlag nach § 10 Nr. 1.2 des Rahmentarifvertrags für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung haben Arbeitnehmer, die während der Ausführung ihrer Tätigkeit eine vorgeschriebene Atemschutzmaske als persönliche Schutzausrüstung tragen. Eine medizinische Gesichtsmaske (sog. OP-Maske) erfüllt diese Anforderung nicht.

Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 17. November 2021 - 17 Sa 1067/21 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung zur Zahlung eines tariflichen [X.]s für das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske während der Arbeit.

2

Die Beklagte beschäftigt den Kläger seit dem 1. August 2007 als Reinigungskraft. Für das Arbeitsverhältnis gilt der für allgemeinverbindlich erklärte [X.] für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 31. Oktober 2019 ([X.], Allgemeinverbindlicherklärung vom 5. April 2020, BAnz. [X.] 15. April 2020 B2).

3

Dieser enthält ua. folgende Bestimmung:

        

„§ 10 Erschwerniszuschläge

        

Der Anspruch auf nachstehende Zuschläge setzt voraus, dass Beschäftigte die einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften einhalten.

        

Beschäftigte haben für die [X.], in der sie mit einer der folgenden Arbeiten beschäftigt werden, Anspruch auf den nachstehend jeweils aufgeführten [X.], bezogen auf den jeweiligen Lohn des Tätigkeitsbereichs.

        

1       

Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung

                 

(Schutzbekleidung, Atemschutzgerät)

        

1.1     

Arbeiten, bei denen ein vorgeschriebener Schutzanzug (mit PVC o.ä. beschichtet) verwendet wird

        

a)    

mit Kapuze, Überschuhen, Handschuhen und Brille

5 %     

        

b)    

mit Kapuze, Überschuhen und Handschuhen, [X.] oder luftunterstützenden Beatmungssystemen

15 %   

        

c)    

mit Kapuze, Überschuhen und Handschuhen, Frischluftsaugschlauchgerät, Druckluftschlauchgerät (Pressluftatmer) oder ein Regenerationsgerät

20 %   

        

d)    

in Form des Vollschutzes oder des Chemikalienschutzanzugs (Form C) mit Gesichts- und Atemschutz

40 %   

        

1.2     

Arbeiten, bei denen eine vorgeschriebene Atemschutzmaske verwendet wird

10 %   

        

2       

Arbeiten in/an besonderen Räumen und Einrichtungen

        

2.1     

Manuelles Parkettabziehen ohne jeglichen Maschineneinsatz

3,00 Euro/Stunde

        

2.2     

Staubdacharbeiten

3,00 Euro/Stunde

        

2.3     

Reinigen von Sheddächern in Abständen von mehr als 6 Monaten

3,00 Euro/Stunde

        

2.4     

Reinigen von [X.] unter Verwendung von Strahlgut und/oder Hochdruckgeräten

3,00 Euro/Stunde

        

2.5     

Innenreinigungsarbeiten in Arbeitsbereichen mit außergewöhnlicher Verschmutzung, z. B. Reinigung von [X.] in der Schwerindustrie, sanitäre Anlagen in [X.], öffentliche Bedürfnisanstalten, Farbspritzanlagen (Spritzkabinen), Fahrbahnen, Maschinen, Kessel und Werkhallen im Industriebereich, Inspektionsgruben in [X.], Filteranlagen, Produktionsbereiche der chemischen Industrie, in denen Farben, Säuren und Teerprodukte usw. hergestellt oder verarbeitet werden

0,75 Euro/Stunde

                                   
                 

Nicht gemeint sind typische Arbeiten der Unterhaltsreinigung in Werkstattbüros, -fluren und -treppen sowie in Kunden- und [X.]

        
        

2.6     

Arbeiten mit über 40°C im Arbeitsbereich (Witterungseinflüsse sind ausgenommen)

0,50 Euro/Stunde

        

2.7     

Arbeiten in Kühlräumen mit Temperaturen unter 6°C im Arbeitsbereich (Witterungseinflüsse sind ausgenommen)

0,50 Euro/Stunde

        

2.8     

Grundreinigungsarbeiten in Straßenbahn-, S-Bahn-, [X.] und Bussen, soweit sie nicht in einer höheren Lohngruppe als 1 eingestuft sind

0,50 Euro/Stunde

        

2.9     

Reinigung von Güterbahnwaggons, Triebwagen, Flugzeugkabinen, soweit sie nicht in einer höheren Lohngruppe als 1 eingestuft sind

0,75 Euro/Stunde

        

2.10   

Arbeiten in Bootsmannstühlen oder manuell betriebenen Hängekörben

2,00 Euro/Stunde

        

Fallen mehrere Zuschläge nach Nummer 2 zusammen, so können sie nicht gegenseitig aufgerechnet werden. Alle Zuschläge sind einzeln nebeneinander zu gewähren.

        

3       

Belastungszuschlag

        

Wegen der mit Reinigungstätigkeiten verbundenen besonderen körperlichen Belastungen bei einer Arbeitszeit über acht Stunden täglich (§ 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz) oder über die 40. Wochenarbeitsstunde hinaus und zur Vermeidung dieser zusätzlichen Belastungen erhalten Beschäftigte für die Arbeitszeit über die acht Stunden täglich hinaus oder alternativ für die Arbeitszeit über die 40. Wochenarbeitsstunde hinaus einen Zuschlag in Höhe von 25 Prozent.“

4

§ 1 der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen bei der Arbeit vom 4. Dezember 1996 ([X.], BGBl. I S. 1841) lautet:

        

„§ 1 Anwendungsbereich

        

(1) Diese Verordnung gilt für die Bereitstellung persönlicher Schutzausrüstungen durch Arbeitgeber sowie für die Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen durch Beschäftigte bei der Arbeit.

        

(2) Persönliche Schutzausrüstung im Sinne dieser Verordnung ist jede Ausrüstung, die dazu bestimmt ist, von den Beschäftigten benutzt oder getragen zu werden, um sich gegen eine Gefährdung für ihre Sicherheit und Gesundheit zu schützen, sowie jede mit demselben Ziel verwendete und mit der persönlichen Schutzausrüstung verbundene Zusatzausrüstung.

        

...“   

5

Der Kläger trug in der [X.] von August 2020 bis Mai 2021 auf Anweisung der Beklagten bei der Ausführung der Arbeit eine medizinische Gesichtsmaske (sog. [X.]). Die Zahlung eines tariflichen [X.]s für diese Arbeitsstunden lehnte die Beklagte nach außergerichtlicher Geltendmachung durch den Kläger ab.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es handele sich bei einer medizinischen Gesichtsmaske um eine Atemschutzmaske iSd. § 10 Nr. 1.2 [X.]. Die Auslegung dieser Tarifnorm ergebe, dass allein die Erschwernis, die das Tragen einer [X.] bei der Arbeit mit sich bringe, durch den [X.] iHv. 10 % abgegolten werden solle. Die Schutzwirkung der [X.] sei demgegenüber unerheblich. Im Übrigen verringere auch eine [X.] die Gefahr der eigenen Ansteckung, so dass sie als Teil der persönlichen Schutzausrüstung ([X.]) anzusehen sei. § 1 Abs. 2 [X.] stehe dem nicht entgegen. Hiervon umfasst seien auch Ausrüstungen, die neben dem Fremdschutz auch das Schutzziel des Eigenschutzes verfolgten. Außerdem entspreche es Sinn und Zweck der Tarifnorm, einen Zuschlag für die Erschwernis bei der Arbeit gewähren zu wollen.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.115,87 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 241,86 Euro seit dem 19. Januar 2021, auf 509,59 Euro seit dem 9. März 2021, auf 88,88 Euro seit dem 23. März 2021, auf 117,21 Euro seit dem 16. April 2021, auf 74,44 Euro seit dem 18. Mai 2021 und auf 83,89 Euro seit dem 28. Juni 2021 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und gemeint, § 10 Nr. 1.2 [X.] setze voraus, dass der Arbeitnehmer die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften einhalte und eine Atemschutzmaske als persönliche Schutzausrüstung zum Zwecke der Verhütung eines (eigenen) Arbeitsunfalls trage. Auch müsse das Tragen einer Atemschutzmaske durch Arbeitsschutzvorschriften vorgeschrieben sein. Beides sei hier nicht gegeben. Eine [X.] stelle keine Atemschutzmaske im Tarifsinn dar, weil sie nicht den Beschäftigten, sondern Dritte vor Ansteckung schützen solle. Damit gehöre sie nicht zur [X.] der Beschäftigten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zu Recht zurückgewiesen, denn die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Zahlung eines [X.]s nach § 10 Nr. 1.2 [X.] für den streitgegenständlichen [X.]raum. Er erfüllte durch das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske während seiner Tätigkeit nicht die tariflichen Voraussetzungen für einen solchen Zuschlag.

1. Nach § 10 Satz 1 [X.] setzt ein Anspruch auf die dort geregelten [X.] voraus, dass die Beschäftigten die einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften einhalten. Nach § 10 Satz 2 [X.] besteht ein Anspruch auf Zuschlag in Höhe der benannten Prozentsätze für die [X.], in der der Arbeitnehmer mit einer der aufgezählten Arbeiten beschäftigt worden ist. Hierzu zählt [X.]. nach § 10 Nr. 1 das „Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung (Schutzbekleidung, Atemschutzgerät)“ für „Arbeiten, bei denen eine vorgeschriebene Atemschutzmaske verwendet wird“ (§ 10 Nr. 1.2 [X.]).

2. Eine medizinische Gesichtsmaske, die der Kläger während seiner Arbeit auf Anweisung der Beklagten getragen hat, ist - so zu Recht das [X.] - keine Atemschutzmaske im tariflichen Sinn. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm (zu den Auslegungsgrundsätzen für Tarifverträge vgl. [X.] 13. Oktober 2021 - 4 [X.] - Rn. 21 mwN).

a) Die Auslegung einer Tarifnorm durch das [X.] ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachprüfbar (st. Rspr., vgl. zB [X.] 11. November 2020 - 4 [X.] - Rn. 21 mwN). Vorliegend lässt sie im Ergebnis keinen Rechtsfehler erkennen.

b) Allerdings steht dem geltend gemachten Anspruch bereits - anders als das [X.] und der Kläger meinen - der Wortlaut der Tarifnorm entgegen, von dem bei der Auslegung eines Tarifvertrags vorrangig auszugehen ist ([X.] 13. Oktober 2021 - 4 [X.] - Rn. 21 mwN; 8. September 2021 - 10 [X.] - Rn. 17 mwN).

aa) Bei der Wortlautauslegung ist, wenn die Tarifvertragsparteien einen Begriff nicht eigenständig definieren, erläutern oder einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden, vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Enthält die Tarifnorm einen Fachbegriff, ohne ihn näher zu erläutern, ist hingegen davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff in seiner in fachlichen Kreisen bestimmten Bedeutung verwenden wollten (vgl. [X.] 8. September 2021 - 10 [X.] - Rn. 17 mwN; 24. Febr[X.]r 2021 - 10 [X.] - Rn. 18 mwN). Dies gilt hier für den arbeitsschutzrechtlichen Fachbegriff der Atemschutzmaske.

[X.]) Von dem Begriff „Atemschutzmaske“ in seiner fachtechnischen Bedeutung ist die medizinische Gesichtsmaske nicht umfasst. Maßgebend sind insoweit - wie der Gesamtwortlaut der Norm zeigt - die einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften. Auf diese verweist § 10 Satz 1 [X.]. Zudem wird durch die Überschrift zu § 10 Nr. 1 [X.] - „Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung (... Atemschutzgerät)“ - ein Bezug zu bestimmten Schutzausrüstungen und den insoweit maßgeblichen Regelungen des Arbeitsschutzes hergestellt. Ausschlaggebend sind damit für die Begriffsbestimmung das [X.] ([X.]) und die dieses konkretisierenden Vorschriften.

(1) § 3 Abs. 1 [X.] regelt, dass der Arbeitgeber zu Schutzmaßnahmen gegenüber seinen Arbeitnehmern verpflichtet ist. Konkretisierungen erfolgen gemäß der Ermächtigung in §§ 18, 19 [X.] durch eine Reihe von Ausführungsverordnungen. Ebenso ergänzen andere spezielle Vorschriften die allgemeinen Regelungen im [X.], zB die [X.]. Pflichten des Arbeitgebers oder Pflichten und Rechte der Beschäftigten zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit sind zudem in weiteren Vorschriften iSv. § 2 Abs. 4 [X.] geregelt. Hierzu zählen [X.]. die Unfallverhütungsvorschriften ([X.]) als sonstige Rechtsvorschriften iSd. [X.] (vgl. [X.] [X.] 7. Aufl. § 2 [X.] Rn. 30; [X.]/[X.]/Schlucht/[X.] 4. Aufl. [X.] § 2 Rn. 142 f.). Regeln, Bekanntmachungen und Informationen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger können wiederum „sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse“ iSv. § 4 Nr. 3 [X.] enthalten, die der Arbeitgeber zu beachten hat (vgl. [X.] [X.] § 4 [X.] Rn. 15a, 16j ff.; HK-[X.]/[X.]/[X.] 2. Aufl. § 4 [X.] Rn. 90). [X.] etwa konkretisieren das [X.] und erläutern, mit welchen konkreten Präventionsmaßnahmen Pflichten zur Verhütung von [X.]. arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren erfüllt werden können (vgl. [X.] in [X.]Voelzke jurisPK-SGB VII Stand 15. Jan[X.]r 2022 § 15 Rn. 82 ff.).

(2) Nach § 1 Abs. 2 [X.] gelten als [X.] solche Ausrüstungen, die dazu bestimmt sind, von Beschäftigten benutzt oder getragen zu werden, um sich gegen eine Gefährdung für ihre Sicherheit und Gesundheit zu schützen (vgl. auch die inhaltlich übereinstimmende Definition in Art. 3 Nr. 1 der Verordnung ([X.]) 2016/425 vom 9. März 2016 über persönliche Schutzausrüstungen, ABl. [X.] L 81 vom 31. März 2016 S. 51: „Ausrüstung, die entworfen und hergestellt wird, um von einer Person als Schutz gegen ein oder mehrere Risiken für ihre Gesundheit oder ihre Sicherheit getragen oder gehalten zu werden“). Das trifft auf eine Atemschutzmaske zu, nicht aber auf eine medizinische Gesichtsmaske. Letztere bezweckt einen Fremd-, aber keinen Eigenschutz. Ein gewisser Eigenschutz ist zwar vorhanden, aber nicht hinreichend, um sie als [X.] einordnen zu können.

(a) Das folgt zunächst aus den Arbeitsmedizinischen Regeln ([X.] Nummer 14.2, [X.]. 2014 S. 791, zuletzt geändert am 4. November 2015, [X.]. 2016 S. 173). Diese enthalten eine identische Definition für [X.] wie die [X.] und geben den Stand der Arbeitsmedizin und sonstige gesicherte arbeitsmedizinische Erkenntnisse (§ 4 Nr. 3 [X.]) wieder (vgl. [X.] [X.] § 4 [X.] Rn. 9b). Die [X.] Nr. 14.2 teilt Atemschutzgeräte in die Gruppen 1 bis 3 ein. Definiert wird das Atemschutzgerät als eine [X.], die den Träger vor dem Einatmen von Schadstoffen aus der Umgebungsatmosphäre oder vor Sauerstoffmangel schützt. In die Gruppe 1 fallen [X.]. [X.] mit Partikelfilter der [X.] und [X.] und partikelfiltrierende Halbmasken ([X.], FF[X.] oder [X.]). [X.] werden nicht aufgeführt.

(b) Dass eine medizinische Gesichtsmaske keine [X.] ist, ergibt sich zudem aus der [X.] (Bekanntmachung des [X.] vom 20. August 2020, [X.]. S. 484) und der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21. Jan[X.]r 2021 ([X.], BAnz. [X.] 22. Jan[X.]r 2021 V1, und idF vom 11. März und 14. April 2021 - für den Streitzeitraum ab dem 22. Jan[X.]r 2021). Die [X.] konkretisierte für den gemäß § 5 [X.] festgestellten [X.]raum der epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Anforderungen an den Arbeitsschutz im Hinblick auf SARS-CoV-2 (vgl. [X.] 14/2021 [X.]. 1; [X.] [X.] Anhang 2).

Sie beschrieb den Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte Erkenntnisse iSv. § 4 Nr. 3 [X.] ([X.] [X.] Einl. Rn. 166).

(aa) Die [X.] differenziert zwischen Mund-Nase-Bedeckung (Nr. 2.3), Mund-Nase-Schutz/[X.] (Nr. 2.4) und Atemschutzmasken (Nr. 2.5). Die medizinische Gesichtsmaske bietet nach Nr. 2.4 [X.] einen definierten Fremdschutz - sie schützt Dritte vor der Exposition gegenüber möglicherweise infektiösen Tröpfchen desjenigen, der die [X.] trägt. Sie dient danach nicht dem Eigenschutz, was aber Voraussetzung einer [X.] ist. Nach Nr. 2.5 Abs. 1 [X.] sind Atemschutzmasken filtrierende Halbmasken sowie Atemschutzmasken mit auswechselbarem Partikelfilter. Nach Nr. 2.5 Abs. 2 Satz 2 [X.] schützen diese (zB FF[X.]-[X.]n) als [X.] den Träger vor Tröpfchen und Aerosolen (Eigenschutz). Ohne Ausatemventil bieten sie auch einen gewissen Fremdschutz. Entsprechende Definitionen für die medizinische Gesichtsmaske finden sich nicht.

([X.]) Gleiches ergibt sich aus der [X.]. Dort wird in § 3 Abs. 1 in der ursprünglichen bzw. in § 4 der nachfolgenden Fassungen bestimmt, dass der Arbeitgeber unter bestimmten Umständen [X.]n zur Verfügung zu stellen hat. Differenziert wird zwischen medizinischen Gesichtsmasken und Atemschutzmasken, die in der Anlage zur [X.] benannt sind. In der Anlage sind [X.]. FF[X.]-[X.]n oder vergleichbare [X.]n aufgeführt. Medizinische [X.]n werden unter dem Begriff „Atemschutzmasken“ nicht angeführt.

(c) [X.] keine Atemschutzmasken iSe. [X.] sind, folgt des Weiteren aus der [X.] Regel 112-190. Nach der dortigen Definition sind Atemschutzgeräte [X.], die den Träger vor dem Einatmen von Schadstoffen aus der Umgebungsatmosphäre oder vor Sauerstoffmangel schützen ([X.] Regel 112-190 S. 9). Viertel-/Halbmasken, die Partikelfilter enthalten (sog. [X.] oder auch filtrierende Halbmasken - [X.]. die Halbmasken [X.], FF[X.] und [X.]), zählen zu den Atemschutzgeräten iSd. vorgenannten Regel ([X.] Regel 112-190 S. 11, 14). Zu den FF[X.]-[X.]n ist explizit - unter Verweis auf besondere technische Regeln - aufgeführt, dass eine solche, gut angepasste [X.] einen geeigneten Schutz vor infektiösen Aerosolen, einschließlich [X.], bietet ([X.] Regel 112-190 S. 32). [X.] sind auch hier nicht genannt.

(d) Soweit der Kläger auf die berufsgenossenschaftlichen Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit aus September 2006 verweist, ändert das nichts. Dort ist nur wiedergegeben, dass Atemschutz zur [X.] gehören kann. Was genau darunter fällt, ist nicht bestimmt. Es wird allgemein bezüglich der Frage, was unter „geeignete persönliche Schutzausrüstungen“ zu verstehen ist, auf § 29 Abs. 1 [X.] „Grundsätze der Prävention“ verwiesen, wonach diese dem Stand der Technik entsprechen und die ermittelten Gefährdungen auf ein geringes Restrisiko begrenzen ([X.] 515 S. 8 unter 3.2.1). Eine Definition für den Begriff der Atemschutzmaske ist nicht enthalten.

Gleiches gilt, soweit er auf die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards des Bundesinnungsverbands des [X.], der [X.] sowie der [X.] vom 30. März 2021 verweist. Zwar sollen nach deren Nr. II.1 Reinigungskräfte durch eine Schutzausrüstung gegen eine mögliche Übertragung geschützt werden. Verwiesen wird insoweit auf Nr. II.12 („[X.] und Persönliche Schutzausrüstung ([X.])“), wonach „[X.] oder FF[X.]-[X.]n bzw. vergleichbare Atemschutzmasken“ getragen werden müssen. Das führt aber nicht dazu, dass medizinische Gesichtsmasken zur [X.] im Tarifsinn des [X.] werden. Was eine [X.] ist, wird nicht definiert.

c) Dieses Auslegungsergebnis wird von der Tarifsystematik bestätigt. Auch hiernach kommt es auf die Begrifflichkeiten gemäß den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften - insbesondere die zur [X.] - an.

aa) Nach § 10 Satz 1 [X.] besteht Anspruch auf einen [X.] nur, wenn die einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden. Gemäß der Überschrift zu § 10 Nr. 1 [X.] geht es um „Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung (... Atemschutzgerät)“. Dies stellt den Bezug zur [X.] sowie zum Begriff des Atemschutzgeräts her. Die [X.] wiederum definiert - wie ausgeführt - als [X.] eine solche Schutzausrüstung, die benutzt oder getragen wird, um sich vor Gefahren für die eigene Sicherheit und Gesundheit zu schützen. Konkretisierungen des Arbeitsschutzes in Bezug auf Atemschutzgeräte beinhaltet die [X.] Regel 112-190, die - wie aufgezeigt - Atemschutzgeräte als [X.] definiert, die den Träger vor dem Einatmen von Schadstoffen aus der Umgebungsatmosphäre oder vor Sauerstoffmangel schützen. Diese Systematik und der § 10 [X.] immanente Zusammenhang zu den arbeitsschutzrechtlichen Regelungen belegen, dass es den Tarifvertragsparteien auf den fachtechnischen Begriff der Atemschutzmaske iSd. arbeitsschutzrechtlichen Regelungen ankommt.

[X.]) Der Vergleich mit dem Zuschlag gemäß § 10 Nr. 1.1 Buchst. a und b [X.] bestätigt das Ergebnis ebenfalls. Hiernach erhält der Arbeitnehmer für Arbeiten, bei denen er einen vorgeschriebenen Schutzanzug mit Kapuze, Überschuhen, Handschuhen und Brille trägt, einen Zuschlag iHv. 5 %. Kommt das Tragen einer [X.] oder eines luftunterstützenden Beatmungssystems hinzu, beträgt der Zuschlag 15 %. Die zusätzliche Belastung durch [X.] oder Beatmungssystem löst also einen Zuschlag von weiteren 10 % aus. Das spricht dafür, dass mit dem gleich hohen Zuschlag nach § 10 Nr. 1.2 [X.] nur eine dementsprechende Erschwernis, die nach der Einschätzung der Tarifvertragsparteien das Tragen einer Atemschutzmaske typischerweise mit sich bringt, den Zuschlag auslösen soll und nicht das Tragen jedweder Gesichtsmaske (vgl. [X.] 14. Oktober 2021 - 5 [X.]/21 - zu I 1 b [X.] der Gründe).

d) Sinn und Zweck von § 10 Satz 1 [X.] stehen dem vorstehenden Verständnis nicht entgegen.

aa) Mit einem [X.] versehen sind solche Arbeiten, bei denen Gesundheitsgefahren für die Arbeitnehmer gegeben sein können, vor denen sie sich mit dem Tragen einer Atemschutzmaske im Sinn einer [X.] schützen, was durch Vorschriften oder vom Arbeitgeber - in Erfüllung seiner Pflichten aus § 618 BGB, §§ 3 ff. [X.] - vorgeschrieben sein muss. Anknüpfungspunkt für den Zuschlag ist damit eine Tätigkeit, die das Tragen einer solchen Atemschutzmaske erfordert. Die hierdurch hervorgerufene Erschwernis bei der Arbeit soll ausgeglichen werden.

Richtig ist zwar, dass alle Gesichtsmasken, die Mund und Nase bedecken und während der Arbeit getragen werden, zu einer Erschwernis bei der Arbeit führen. Allerdings soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien insoweit nicht jede Erschwernis ausgeglichen werden, sondern nur eine solche, die das Maß bei Arbeiten mit einer [X.] erreicht.

[X.]) Dass ein tariflicher Ausgleich nur ab einem gewissen Grad der Erschwernis der Arbeit vorgesehen ist, zeigt sich des Weiteren an den Regelungen in § 10 Nr. 2 und Nr. 3 [X.]. Auch dort sind Zuschläge nur für bestimmte Arbeiten vorgesehen, die von den Tarifvertragsparteien nach der Art oder der Dauer der Tätigkeit als körperlich besonders belastend angesehen werden.

cc) Soweit der Kläger darauf verweist, das [X.] habe sich mit einer Erschwernis der Arbeit durch das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske, etwa infolge des erhöhten Atemwiderstands, nicht befasst und nur hierauf komme es nach den Regeln im [X.] an, kann dem nicht gefolgt werden. Wie ausgeführt haben die Tarifvertragsparteien durch den Bezug zur [X.] klar festgelegt, dass für einen Anspruch auf den [X.] maßgeblich ist, ob die Tätigkeit mit dem Tragen einer vorgeschriebenen [X.] verbunden ist. Nur auf die hiermit typischerweise verbundene Erschwernis kommt es an.

e) Soweit der Kläger in den Vorinstanzen auf die Tarifhistorie verwiesen hat, ergibt sich daraus nichts anderes.

aa) Verbleiben bei der Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Wortsinn und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt, können weitere Kriterien herangezogen werden (vgl. [X.] 11. November 2020 - 4 [X.] - Rn. 20) - so ggf. auch die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags (vgl. [X.] 27. Jan[X.]r 2022 - 6 [X.] - Rn. 28).

[X.]) Vorliegend bestehen schon keine Zweifel an dem gefundenen Auslegungsergebnis. Im Übrigen ließe sich aus der Entstehungsgeschichte aber auch kein anderes Ergebnis herleiten.

Soweit aus den hier entscheidenden tariflichen Regelungen im [X.] und deren Änderungen erkennbar, enthalten § 9 Nr. 1.1 und Nr. 1.2 [X.] idF vom 16. August 2000 - wie auch idF vom 22. September 1995 - nahezu inhaltsgleiche Regelungen wie § 10 Nr. 1.1 und Nr. 1.2 [X.]. Insbesondere der [X.] unter § 10 Nr. 1.2 [X.] ist in beiden Fassungen identisch. Verändert hat sich die Zuschlagsregelung für Arbeiten in „Isolier-, Intensiv-, Operationsräumen und sonstigen geschlossenen Krankenstationen wie TBC-Krankenstationen, [X.], [X.]“ (§ 9 Nr. 2.8 [X.] idF vom 16. August 2000). Dieser [X.] wurde im [X.] idF vom 4. Oktober 2003 abgeschafft, hatte aber per se nichts mit dem Tragen einer Atemschutzmaske zu tun. Denn insoweit gab es bereits die Zuschlagsregelung in § 9 Nr. 1.2 [X.] idF vom 16. August 2000. Gleichzeitig wurde im [X.] idF vom 4. Oktober 2003 § 7 umstrukturiert und ein neues Lohngruppensystem eingeführt. Die Tätigkeit der Reinigung von Isolier-, Intensiv-, Operationsräumen und sonstigen geschlossenen Krankenstationen wie TBC-Krankenstationen, [X.] findet sich seitdem in der Lohngruppe 2 und nicht mehr in einer Zuschlagsregelung wieder. Der zuvor in § 9 Nr. 2.8 geregelte [X.] entfiel. Das zeigt, dass die Tarifvertragsparteien diesen aufgrund der neuen Lohngruppen nicht mehr für erforderlich hielten, sondern durch die neue [X.] als angemessen vergütet ansahen. Sollte bei dieser Tätigkeit eine Atemschutzmaske vorgeschrieben sein und getragen werden, fällt der [X.] nach § 10 Nr. 1.2 [X.] - wie zuvor auch - zusätzlich an. Rückschlüsse auf die Beschaffenheit einer Atemschutzmaske können aus diesen tarifvertraglichen Änderungen nicht gezogen werden (vgl. auch [X.] 14. Oktober 2021 - 5 [X.]/21 - zu I 1 b dd der Gründe).

II. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    W. Reinfelder    

        

    Pessinger    

        

    Günther-Gräff    

        

        

        

    [X.]    

        

    [X.]    

                 

Meta

10 AZR 41/22

20.07.2022

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 13. Juli 2021, Az: 17 Ca 2580/21, Urteil

§ 1 TVG, § 4 Nr 3 ArbSchG, § 3 Abs 1 Corona-ArbSchV, § 3 ArbSchG, § 618 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.07.2022, Az. 10 AZR 41/22 (REWIS RS 2022, 5224)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5224

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