Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.02.2010, Az. I R 85/08

1. Senat | REWIS RS 2010, 9294

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Gegenstand

Kapitalertragsteuereinbehalt (sog. Zinsabschlag) bei Tafelpapieren


Leitsatz

1. Es ist nicht missbräuchlich (§ 42 AO), wenn eine inländische Bank ihre Kunden veranlasst, Zinsscheine von Inhaberschuldverschreibungen (sog. Tafelpapiere) über ein ausländisches Kreditinstitut einzulösen. Auszahlende Stelle i.S. von § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG 1997/2002 ist dann das ausländische Kreditinstitut, das nach § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG 1997/2002 nicht zum Einbehalt und zur Abführung von Kapitalertragsteuer verpflichtet ist .

2. Die Steuerabzugspflicht eines inländischen Kreditinstituts tritt bei der Einlösung solcher Tafelpapiere jedoch ein, wenn der Gegenwert der Zinsscheine zwar ausländischen Kreditinstituten gutgeschrieben wird, jene aber bei wertender Betrachtung als bloße "Auszahlstellen" des inländischen Kreditinstituts aufgetreten sind. Dies ist der Fall, wenn sich das inländische Kreditinstitut verpflichtet hatte, ihm von dem ausländischen Kreditinstitut vorgelegte Zinsscheine von Inhaberschuldverschreibungen nicht über die Landesbank oder eine andere sog. Clearingstelle, sondern direkt über sich selbst einzulösen .

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Nachforderungsbescheids (betreffend Kapitalertragsteuer und [X.]) unter Hinweis auf eine Verletzung der Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung dieser Abgaben (Auszahlung der auf Inhaberschuldverschreibungen --[X.]-- bezogenen Zinserträge durch ausländische Kreditinstitute). Streitjahre waren ursprünglich 1993 bis 2002 und sind nunmehr im Revisionsverfahren noch 1999 bis 2002.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Sparkasse. Kunden der Klägerin besaßen [X.], die inländische Kreditinstitute (auch die Klägerin selbst) als effektive Stücke ausgegeben hatten (sog. Tafelpapiere). Bei der Auszahlung von Zinsen auf diese Papiere war nach der Rechtslage ab 1. Januar 1993 grundsätzlich eine anrechenbare Kapitalertragsteuer (sog. Zinsabschlag) von der auszahlenden Stelle einzubehalten (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. a, § 43a Abs. 1 Nr. 4, § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 4 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes 1990 i.d.[X.] [Zinsabschlaggesetz] vom 9. November 1992, [X.], 1853, BStBl I 1992, 682 --EStG 1990 n.F., nachfolgend EStG 1997/2002--): "Auszahlende Stelle" ist danach dasjenige inländische Kreditinstitut, "das die Kapitalerträge gegen Aushändigung der Zinsscheine ... einem anderen als einem ausländischen Kreditinstitut auszahlt oder gutschreibt".

3

In der Kreditwirtschaft waren im Zuge der Einführung des sog. [X.] Überlegungen angestellt worden, ob den Kunden Wege aufgezeigt werden könnten und sollten, die Zinsscheine unter Vermeidung des [X.] anonym einzulösen. Zur Klärung der Möglichkeit der anonymen Einlösung von [X.] durch Kunden inländischer Sparkassen im Ausland ist Kontakt zu ausländischen Banken aufgenommen worden. Mitarbeiter der Klägerin haben ab Einführung des [X.] Kunden, die zur Einlösung von [X.] in Filialen oder der Zentrale der Klägerin erschienen sind, darauf hingewiesen, dass es durch Einlösung bei ausländischen Kreditinstituten möglich sei, den ansonsten gebotenen Zinsabschlag von 35 % zu vermeiden. Dabei kam es auch dazu, dass Mitarbeiter der Klägerin den Kunden zur Einlösung bereite ausländische Kreditinstitute im nahe gelegenen Ausland benannt und die Kunden dort telefonisch avisiert haben. Zwischen der Klägerin und einer ausländischen Bank war eine Vereinbarung dahingehend getroffen worden, dass diese Bank ihr vorgelegte Zinsscheine von [X.] der Klägerin (aber auch anderer inländischer Emittenten) nicht über die Landeszentralbank oder eine andere sog. Clearingstelle, sondern unmittelbar über die Klägerin einlöste, wobei die Klägerin für die Einlösung einen Teil der bei der Auszahlung (in [X.]) einbehaltenen Gesamtprovision (Anteil der Klägerin: 1 % des jeweiligen [X.]) erhalten sollte. Zwei Kundenberater der Klägerin hatten sich darüber hinaus einzelnen Kunden gegenüber bereit erklärt, deren Zinsscheine entgegen zu nehmen und sie bei einer ausländischen Bank persönlich zur Zahlung einzulösen.

4

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) hat gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 4. August 2005 für die Jahre 1993 bis 2002 Kapitalertragsteuer und [X.] hierzu in Höhe von insgesamt rd. ... € nachgefordert (§ 167 Abs. 1 Satz 1 und § 155 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung --[X.]-- [X.]. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG 1997/2002). Er ging dabei in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass die Klägerin durch planmäßiges und zielgerichtetes Handeln, ohne dass es dafür andere als steuervermeidende Gründe gegeben habe, den in § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] EStG 1997/2002 geregelten Ausnahmetatbestand der Einlösung der Zinsscheine über ein ausländisches Kreditinstitut herbeigeführt und diesen Tatbestand damit durch eine i.S. des § 42 (Abs. 1) Satz 1 [X.] rechtsmissbräuchliche Gestaltung erschlichen habe. Da dies mindestens bedingt vorsätzlich geschehen sei, sei aufgrund der verlängerten Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 [X.]) auch die Einbeziehung der Abgaben für die Jahre 1993 bis 1997 geboten. Die Klage gegen den Nachforderungsbescheid --von der Klägerin beschränkt auf die Abgabenschuld, die nicht auf die Situation der eigenhändigen Einlösung der [X.] durch Mitarbeiter der Klägerin ausgelöst wurde-- war erfolgreich (Finanzgericht --FG-- Baden-Württemberg, [X.], Urteil vom 17. Juli 2008 3 [X.], Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2008, 1965).

5

Das [X.] rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es den Nachforderungsbetrag betreffend die nachgeforderten Beträge (Kapitalertragsteuer und [X.]) der Jahre 1999 bis 2002 herabgesetzt hat, und die Klage insoweit abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist [X.]egründet. Das angefochtene Urteil wird im Umfang des [X.] (Streitjahre 1999 [X.]is 2002) aufgeho[X.]en und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen (§ 126 A[X.]s. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht, soweit es eine Nachforderung der Kapitalertragsteuer und [X.] 1999 [X.]is 2002 ausgeschlossen hat. Zum Umfang der Nachforderung sind allerdings weitere Feststellungen zu treffen, die vom [X.] nachzuholen sind.

8

1. Dass das [X.] zur Inanspruchnahme der Klägerin unter Hinweis auf von ihr pflichtwidrig nicht ein[X.]ehaltene und nicht a[X.]geführte Kapitalertragsteuer und [X.] einen sog. Nachforderungs[X.]escheid (§ 167 A[X.]s. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 A[X.]s. 1 Satz 1 [X.]) erlassen durfte und nicht einen Haftungs[X.]escheid (§ 191 A[X.]s. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 44 A[X.]s. 5 Satz 1 EStG 1997/2002) erlassen musste, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Daher verzichtet der Senat insoweit auf weitere Ausführungen und verweist auf seine Erwägungen im Senats[X.]eschluss vom 18. März 2009 [X.]/08 ([X.] 2009, 1237).

9

2. Der Nachforderungs[X.]escheid ist im Umfang der in der Revisionsinstanz noch streit[X.]efangenen Zeiträume 1999 [X.]is 2002 jedenfalls teilweise rechtmäßig, da die Klägerin eine gesetzliche Steuera[X.]zugsverpflichtung verletzt hat. Die Klägerin war hinsichtlich der ihr von ausländischen Kreditinstituten zur Einlösung vorgelegten [X.]e teilweise zur Ein[X.]ehaltung und A[X.]führung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag verpflichtet.

a) Nach § 43 A[X.]s. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. a EStG 1997/2002 unterliegen Zinsen aus Anleihen, ü[X.]er die --wie im [X.] Teilschuldverschrei[X.]ungen ausgege[X.]en worden sind, der Kapitalertragsteuer sowie --i.V.m. § 1 (A[X.]s. 1 und 2), § 3 A[X.]s. 1 Nr. 5 [X.]zw. [X.] des Solidaritätszuschlaggesetzes in den jeweiligen für die Streitjahre maßge[X.]lichen Fassungen-- dem darauf [X.]erechneten Solidaritätszuschlag. Die Kapitalertragsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläu[X.]iger zufließen (§ 44 A[X.]s. 1 Satz 2 EStG 1997/2002). Da[X.]ei hat die die Kapitalerträge auszahlende Stelle den Steuera[X.]zug vorzunehmen (§ 44 A[X.]s. 1 Satz 3 EStG 1997/2002). [X.] Stelle ist nach § 44 A[X.]s. 1 Satz 4 EStG 1997/2002 nach der dortigen Nr. 1 Buchst. a für die in § 43 A[X.]s. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. a EStG 1997/2002 [X.]ezeichneten Kapitalerträge das inländische Kreditinstitut. Ist kein inländisches Kreditinstitut die die Kapitalerträge auszahlende Stelle, wird der Schuldner der Kapitalerträge unter densel[X.]en Voraussetzungen wie ein inländisches Kreditinstitut zur auszahlenden Stelle (§ 44 A[X.]s. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. [X.] EStG 1997/2002).

[X.]) Die [X.]e, die im Streitfall eingelöst wurden, waren nicht von der Klägerin sel[X.]st verwahrt oder verwaltet worden. Daher konnte sich eine Steuera[X.]zugspflicht der Klägerin nach § 44 A[X.]s. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997/2002 nur aus der dort unter Doppel[X.]uchst. [X.][X.] getroffenen Regelung erge[X.]en. Danach musste die Klägerin "die Kapitalerträge gegen Aushändigung der [X.]e ... einem anderen als einem ausländischen Kreditinstitut" auszahlen oder gutschrei[X.]en. Die vom [X.] getroffenen Feststellungen lassen keine a[X.]schließende Beantwortung der Frage zu, inwieweit im Streitfall ein solcher Sachverhalt vorliegt.

aa) Die Klägerin hat den Gegenwert der [X.]e ausländischen Kreditinstituten ausgezahlt [X.]zw. gutgeschrie[X.]en. Insoweit ist das [X.] zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Vorlage von [X.] zu Auszahlungszwecken [X.]ei einem ausländischen Kreditinstitut eine Steuera[X.]zugsverpflichtung nicht auslöst; ein ausländisches Kreditinstitut ist grundsätzlich nicht auszahlende Stelle i.S. des § 44 A[X.]s. 1 Satz 4 EStG 1997/2002 und die Einlösung der [X.]e durch das ausländische Kreditinstitut [X.]ei der Klägerin erfüllt den in § 44 A[X.]s. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppel[X.]uchst. [X.][X.] EStG 1997/2002 normierten Ausnahmetat[X.]estand.

[X.][X.]) Dem [X.] ist auch darin zu folgen, dass die Ausnahme von der Steuera[X.]zugspflicht una[X.]hängig davon gilt, o[X.] der jeweilige [X.] mit der zugehörigen Schuldurkunde von dem ausländischen Kreditinstitut verwahrt und verwaltet wird oder o[X.] das ausländische Kreditinstitut sel[X.]st im Wege eines Tafelgeschäfts --also eines Wertpapiergeschäfts, [X.]ei dem die A[X.]wicklung zwischen dem Kreditinstitut und dem Bankkunden durch Ü[X.]erga[X.]e der effektiven Stücke am Schalter gegen Barzahlung erfolgt, ohne dass der Name des Bankkunden festgehalten wird (Urteil des [X.] vom 29. April 2008 [X.], [X.], 332; [X.], Die Besteuerung der Kapitaleinkünfte, 1996, [X.] in den Besitz des [X.]s gelangt ist. Denn dem Gesetzeswortlaut ist insoweit keine Einschränkung zu entnehmen.

Der ursprüngliche Gesetzentwurf, der eine Beschränkung auf von dem ausländischen Kreditinstitut verwahrte [X.]zw. verwaltete Wertpapiere vorgesehen hatte (vgl. BTDrucks 12/2501, [X.]), war insoweit ausdrücklich nicht weiterverfolgt worden (vgl. BTDrucks 12/2736, [X.]). Im Ü[X.]rigen [X.]ezieht sich die in § 44 A[X.]s. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppel[X.]uchst. [X.][X.] EStG 1997/2002 [X.]eschrie[X.]ene Form realisierter Kapitalerträge auf solche Wertpapiere, die regelmäßig von den jeweiligen Gläu[X.]igern zur Wahrung ihrer Anonymität sel[X.]st verwahrt und verwaltet und gerade nicht [X.]ei (inländischen oder ausländischen) Kreditinstituten in Depotverwahrung gege[X.]en werden ("[X.]"). Dann ist es a[X.]er konsequent, dass der Gesetzge[X.]er zur Kennzeichnung der von der Steuera[X.]zugspflicht ausgenommenen Fälle allein an die Auszahlung oder Gutschrift gegenü[X.]er einem ausländischen Kreditinstitut anknüpft und auf die Einschränkung der dortigen Verwahrung oder Verwaltung hingegen verzichtet hat.

Insoweit hat der Gesetzge[X.]er durch die Änderung des Gesetzentwurfs die Möglichkeit geschaffen, dass inländische und ausländische Erträge durch Einschaltung eines ausländischen Kreditinstituts nunmehr auch im Tafelgeschäft zinsa[X.]schlagsfrei realisiert werden können (so [X.]/[X.], Handkommentar zum Zinsa[X.]schlag, 1994, Rz 461; s. auch Zeitler, [X.] 1993, 513, 518; Ramackers in [X.]/ [X.]/[X.], [X.], § 44 Rz 12; [X.], a.a.O., Rz [X.]; dersel[X.]e in [X.], EStG/[X.]/[X.], § 44 EStG [X.]; Seemann in [X.], EStG, § 44 Rz 20c; [X.] in [X.]/[X.], EStG, § 44 Rz 23; s. auch [X.], Betrie[X.]s-Berater 1993, 183, 186: "legales Schlupfloch"). Auf dieser Grundlage sind die von Mitar[X.]eitern der Klägerin erteilten Hinweise auf die Möglichkeit einer zinsa[X.]schlagsfreien Einlösung von [X.]n im Ausland als Hinweise auf die [X.]estehende Rechtslage anzusehen, die die Rechtsposition der Klägerin nicht [X.]erühren. Für die Annahme eines Gestaltungsmiss[X.]rauchs (§ 42 [X.]) [X.]lei[X.]t damit im Grundsatz kein Raum.

cc) Soweit die ausländischen Kreditinstitute jedoch [X.]ei wertender Betrachtung als [X.]loße "[X.]" eines inländischen Kreditinstituts als der eigentlichen "auszahlenden Stelle" i.S. des § 44 A[X.]s. 1 Sätze 3 und 4 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997/2002 aufgetreten sind, ist eine A[X.]zugspflicht nicht nach dem Ausnahmetat[X.]estand in § 44 A[X.]s. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppel[X.]uchst. [X.][X.] EStG 1997/2002 ausgeschlossen.

aaa) Auch wenn der Begriff der "auszahlenden Stelle" in § 44 A[X.]s. 1 Sätze 3 und 4 EStG 1997/2002 sich regelmäßig auf die Funktion des [X.] als eines [X.]loß technisch-tatsächlichen Vorgangs [X.]eziehen wird, verlangt das Gesetz dennoch ein Mindestmaß an eigenständiger und sel[X.]stverantworteter Wahrnehmung dieses Vorgangs. Die "auszahlende Stelle" darf nicht als ausgelagertes Quasi-Organ desjenigen (inländischen) Kreditinstituts agieren, welches die [X.] [X.]ege[X.]en hat. So verhält es sich indes, wenn die [X.]eschrie[X.]ene Funktion des [X.] letztlich "fremdgesteuert" aufgrund ar[X.]eitsteiliger A[X.]sprachen erfolgt und die anschließende Wertpapiera[X.]rechnung gegenü[X.]er den inländischen Kreditinstituten losgelöst von den ü[X.]lichen Usancen direkt zwischen den [X.]eiden Instituten a[X.]gewickelt wird. Auf die zwischen den Beteiligten diskutierte Frage danach, o[X.] sich die in Rede stehende A[X.]wicklungsgestaltung als rechtsmiss[X.]räuchlich i.S. von § 42 [X.] darstellt, kommt es [X.]ei diesem normspezifischen Regelungsverständnis von § 44 A[X.]s. 1 Sätze 3 und 4 EStG 1997/2002 dann nicht mehr an.

[X.][X.][X.]) Eine solche Situation liegt im Streitfall aufgrund der hier vorliegenden [X.]esonderen tatsächlichen Gege[X.]enheiten vor:

Nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angegriffenen und damit im Revisionsverfahren [X.]indenden (§ 118 A[X.]s. 2 [X.]O) Feststellungen des [X.] hat die Klägerin mit zumindest einem ausländischen Kreditinstitut eine Verein[X.]arung dahingehend getroffen, ihr von diesem Kreditinstitut vorgelegte [X.]e nicht ü[X.]er die Landeszentral[X.]ank oder eine andere sog. Clearingstelle, sondern unmittel[X.]ar sel[X.]st einzulösen. Soweit eine solche Verein[X.]arung [X.]estand, hat die Klägerin nur formal die Kapitalerträge dem ausländischen Kreditinstitut ausgezahlt [X.]zw. gutgeschrie[X.]en. In der Sache hat sie das ausländische Kreditinstitut durch die Verein[X.]arung und deren tatsächlichen Vollzug im Streitfall in Einzelfällen [X.]eispielsweise durch ein "Avisieren" der Kunden von einem Einlösungsrisiko (ins[X.]esondere mit Blick auf evtl. gefälschte [X.]e) [X.]efreit und eine Möglichkeit für eine umwegfreie und anonyme Weiterleitung der Papiere an sich sel[X.]st sichergestellt. Die Funktion des ausländischen Kreditinstituts [X.]estand so gesehen ausschließlich darin, die [X.]e der inländischen Kunden der Klägerin in Empfang zu nehmen und in [X.]ar ([X.]) --unter Ein[X.]ehaltung einer (Gesamt-)Provision, die zu einem Teil der Klägerin zustand-- auszugleichen sowie alsdann die [X.]e an die Klägerin weiterzuleiten. Sowohl für die Gläu[X.]iger der Kapitalerträge als auch für die Klägerin hatte das ausländische Kreditinstitut damit lediglich die Funktion einer Empfangs- und mittel[X.]aren Auszahlstelle.

Dieser wertenden Betrachtung des Tat[X.]estandsmerkmals steht nicht entgegen, dass das Geschäft auf der Grundlage der Verein[X.]arung sowohl für das ausländische Kreditinstitut als auch für die Klägerin zu einem Provisionsertrag führte (der [X.]ei einer inländischen Einlösung nicht angefallen wäre) [X.]zw. dass es nach der zivilrechtlichen Grundlage der Verein[X.]arung zu einem jeweiligen Forderungserwer[X.] durch das ausländische Kreditinstitut und einer A[X.]tretung an die Klägerin gekommen ist. Wenn a[X.]er das ausländische Kreditinstitut durch diese Verein[X.]arung und den entsprechenden praktischen Vollzug das "Einlösungsgeschäft" der Klägerin [X.]etrie[X.]en hat, ist die Klägerin die "auszahlende Stelle" i.S. des § 44 A[X.]s. 1 Sätze 3 und 4 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997/2002, was eine Pflicht zur Entrichtung der Kapitalertragsteuer [X.]egründet.

Diesem Auslegungserge[X.]nis kann schließlich nicht entgegengehalten werden, dass die An[X.]indung des ausländischen Kreditinstituts an das Inland durch die Kooperationsverein[X.]arung nicht der An[X.]indung in einem Konzernver[X.]und gleichkomme und letztere Situation (Einlösung durch ausländische Zweigstellen eines inländischen Kreditinstituts) durch die gesetzliche Regelung ausdrücklich von einer Pflicht zur Kapitalertragsteuererhe[X.]ung [X.]efreit sei. Die [X.]esondere Motivation, die die Befreiung der Auslands[X.]anken ("Verhinderung von Risiken für den Kapitalmarktzins für [X.] und den [X.] der [X.]" [X.]zw. die A[X.]wendung einer "Gefahr(en) einer Kapitalmarktspaltung") und daran aus "wett[X.]ewer[X.]spolitischen Gründen" anschließend der ausländischen Zweigstellen inländischer Kreditinstitute nach den Motiven im Gesetzge[X.]ungsverfahren (BTDrucks 12/2736, [X.]) trägt, kann die Klägerin nicht für sich [X.]eanspruchen.

ccc) Die Klägerin ist ihrer Steuera[X.]zugspflicht nicht nachgekommen. Die tat[X.]estandlichen Erfordernisse des § 44 A[X.]s. 5 EStG 1997/2002, die auch [X.]eim Erlass eines Nachforderungs[X.]escheides zu [X.]eachten sind (vgl. Senatsurteil vom 20. August 2008 [X.], [X.], 500, [X.], 142), sind erfüllt. Nach § 44 A[X.]s. 5 Satz 1 letzter Hal[X.]satz EStG 1997/2002 entfällt die Haftung des Schuldners der Kapitalerträge, wenn dieser nachweist, dass er die ihm auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch gro[X.] fahrlässig verletzt hat. Einen solchen Nachweis hat die Klägerin nicht er[X.]racht. Die Verein[X.]arung mit dem ausländischen Kreditinstitut war gerade zu dem Zweck getroffen worden, eine unzweifelhaft [X.]ei inländischer Auszahlung [X.]estehende Kapitalertragsteuerpflicht zu vermeiden. O[X.] dieser Erfolg der Kooperation tatsächlich eingetreten war, ließ sich im Augen[X.]lick der Auszahlungen keinesfalls zuverlässig einschätzen. Die Ungewissheiten ü[X.]er die Rechtswirkungen der Verein[X.]arung (s. insoweit auch Senatsurteile in [X.], 500, [X.], 142; vom 18. März 2009 [X.], [X.] 2009, 1613; vom 6. Okto[X.]er 2009 [X.], [X.] 2010, 248) sind weder dadurch (nachträglich) [X.]eho[X.]en worden, dass ein [X.] (die Vorinstanz) in einem später a[X.]solvierten Gerichtsverfahren zu der Erkenntnis gelangt ist, eine Ein[X.]ehaltungspflicht ha[X.]e nicht [X.]estanden, noch dadurch, dass die ([X.]aden-württem[X.]ergische) Finanzverwaltung die in Rede stehenden Vorgänge zunächst und auch [X.]ei anderen [X.] un[X.]eanstandet [X.]elassen ha[X.]en mag. Angesichts der im Auszahlungszeitpunkt [X.]estehenden Ungewissheiten wäre es allein [X.] gewesen, wenn die Klägerin zur Vermeidung von Haftungsfolgen ihrer Pflicht zur Deklaration der Auszahlungen (evtl. ver[X.]unden mit dem Hinweis auf eine a[X.]weichende Rechtsmeinung, die im Rechts[X.]ehelfsverfahren durchzusetzen ist) ordnungsgemäß nachgekommen wäre. Da die Klägerin darauf verzichtet hat, ist ihr die Pflichtverletzung und deren erforderlicher Verschuldensmaßsta[X.] anzulasten.

3. Das [X.] hat --von seinem Standpunkt aus zu [X.] Feststellungen zu dem Umfang der Kapitalerträge, die unter Hinweis auf eine solche Verein[X.]arung an ein ausländisches Kreditinstitut ausgezahlt worden sind, nicht getroffen. Gegenstand der Nachforderung sind vielmehr nach der Aktenlage sämtliche Kapitalerträge, die auf --aus dem Ausland hereingenommene-- [X.]e von [X.] entfallen. Die nach Maßga[X.]e der Entscheidungsgründe notwendigen Feststellungen zur Höhe der Kapitalerträge, die im Zusammenhang mit der konkreten Einlöseverein[X.]arung stehen, sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind die nachzufordernden Beträge zu [X.]erechnen und festzusetzen.

Meta

I R 85/08

17.02.2010

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 17. Juli 2008, Az: 3 K 143/05, Urteil

§ 44 Abs 1 S 3 EStG 1997, § 44 Abs 1 S 3 EStG 2002, § 44 Abs 1 S 4 Nr 1 Buchst a DBuchst b EStG 1997, § 44 Abs 1 S 4 Nr 1 Buchst a DBuchst b EStG 2002, § 42 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.02.2010, Az. I R 85/08 (REWIS RS 2010, 9294)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9294

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