Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.11.2022, Az. VIII R 21/19

8. Senat | REWIS RS 2022, 9017

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Gegenstand

Veräußerung eines Dividendenanspruchs zwischen beschränkt Steuerpflichtigen


Leitsatz

1. Der Steuerentrichtungspflichtige ist befugt, gegen die auf seinen eigenen Anmeldungen beruhenden, unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Festsetzungen (§ 168 Satz 1 AO) der Kapitalertragsteuer zu klagen und diese auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen (Anschluss an BFH-Beschluss vom 12.04.2022 - VIII R 35/19, BFHE 277, 113, BFH/NV 2022, 1024, Rz 16 ff., m.w.N.).

2. Die Sperrwirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG für die Besteuerung der Dividenden nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG tritt nach der im Jahr 2013 geltenden Fassung auch dann ein, wenn der Gewinn aus der Veräußerung der Dividendenansprüche bei beschränkt Steuerpflichtigen gemäß § 49 EStG nicht steuerpflichtig ist.

3. Die Veräußerung des Dividendenanspruchs ist kein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO, da diese in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG vom Gesetzgeber geregelt ist.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 17.05.2019 - 4 K 720/16 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 15.03.2016 aufgehoben.

2. Die Kapitalertragsteuer-Festsetzung für April 2013 vom 26.06.2015 ist im Rahmen des [X.] durch die auszahlende Stelle bei den Kapitalerträgen i.S. des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes um [X.] (Kapitalertragsteuer) bzw. [X.] ([X.]) herabzusetzen.

3. Die Kapitalertragsteuer-Festsetzung für Mai 2013 vom 26.06.2015 ist im Rahmen des [X.] durch die auszahlende Stelle bei den Kapitalerträgen i.S. des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes um [X.] (Kapitalertragsteuer) bzw. [X.] ([X.]) herabzusetzen.

4. Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein inländisches Kreditinstitut. Sie verwahrte und verwaltete in dem Streitzeitraum April und Mai 2013 zu den jeweiligen Dividendenstichtagen folgende Wertpapiere nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 des Kreditwesengesetzes für das in [X.] ansässige Kreditinstitut [X.], einer Aktiengesellschaft nach dem Recht [X.]s:

Aktiengattung

Aktienanzahl

Bruttodividende

Einlieferung

Ex-Tag

Auslieferung

[X.]     

        

 €    

08.04.2013

19.04.2013

23.04.2013

VW    

        

 €    

15.04.2013

26.04.2013

03.05.2013

MüRü   

        

 €    

15.04.2013

26.04.2013

03.05.2013

Bayer 

        

 €    

16.04.2013

29.04.2013

30.04.2013

[X.]   

        

 €    

16.04.2013

29.04.2013

30.04.2013

Porsche

        

 €    

19.04.2013

02.05.2013

03.05.2013

E.ON   

        

 €    

23.04.2013

06.05.2013

08.05.2013

[X.]

        

 €    

26.04.2013

09.05.2013

10.05.2013

Allianz

        

 €    

26.04.2013

08.05.2013

09.05.2013

BMW     

        

 €    

03.05.2013

15.05.2013

16.05.2013

DB    

        

 €    

13.05.2013

24.05.2013

24.05.2013

2

[X.] veräußerte jeweils mit auf den [X.] in das Depot datierten Verträgen die künftigen [X.] für das Geschäftsjahr 2012 an die [X.] Niederlassung [X.], einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats X. Als Kaufpreis waren zwischen 93 % und 97 % der zu erwartenden "[X.]" zu zahlen. Gleichzeitig wurde der jeweilige Anspruch auf die Auszahlung der Dividende abgetreten. Sämtliche Verträge enthielten hinsichtlich der Zusicherungen der Veräußerin identische Formulierungen. Danach übernahm [X.] weder die Verantwortung oder Haftung dafür, dass die Forderung in voller Höhe des [X.] entstand, noch für die Bonität und die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft nach dem Entstehen der Forderung.

3

Gegenüber der Klägerin wurde die Abtretung jeweils angezeigt. In den Abtretungsanzeigen wurde sie angewiesen, die zu erwartende Dividende auf ein Konto der [X.] auszuzahlen.

4

Die Klägerin gab in der Kapitalertragsteuer-Anmeldung vom 10.06.2013 für Mai 2013 allein die Ausschüttung der [X.] an, für die sie bei der Auszahlung an die Abtretungsempfängerin die Kapitalertragsteuer einbehalten hatte. Mit Schreiben vom 09.07.2013 legte sie Einspruch gegen die Kapitalertragsteuer-Anmeldung für Mai 2013 vom 10.06.2013 ein und begehrte, betreffend die Ausschüttung der [X.] die Kapitalertragsteuer um … € und den Solidaritätszuschlag um … € herabzusetzen.

5

Am 26.06.2015 reichte die Klägerin geänderte [X.] für April und Mai 2013 ein, die die Ausschüttungen aller an die [X.] abgetretenen Dividendenzahlungen (s. oben Tabelle) umfassten, und legte gegen diese mit Schreiben vom 20.07.2015 Einspruch ein.

6

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte aus den in den Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 1593 mitgeteilten Gründen keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) folgte dem Prüfungsbericht der Außenprüfung, wonach das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien zum Zeitpunkt der Ausschüttung bei [X.] lag, und nahm an, dass die Klägerin gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a und § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des [X.] (EStG) zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer auf die Dividendenzahlungen im Auszahlungszeitpunkt verpflichtet war.

7

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

8

Die Klägerin beantragt,
1. Das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17.05.2019 ergangene Urteil des Hessischen [X.], zugestellt am 13.06.2019, wird aufgehoben.

9

2. Die Festsetzung der Kapitalertragsteuer für Kapitalerträge i.S. des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG für den [X.] April 2013 durch die [X.] vom 10.05.2013 und 26.06.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.03.2016 von … € um … € auf … € sowie den entsprechenden Solidaritätszuschlag von … € um … € auf … € zu reduzieren.

3. Die Festsetzung der Kapitalertragsteuer für Kapitalerträge i.S. des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG für den [X.] Mai 2013 durch die [X.] vom 10.06.2013 und 26.06.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.03.2016 von … € um … € auf … € sowie den entsprechenden Solidaritätszuschlag von … € um … € auf … € zu reduzieren.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das [X.] folgt im Wesentlichen den Ausführungen des [X.]. Die Klägerin sei zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer auf die Dividendenzahlungen verpflichtet gewesen, da die Dividendenzahlungen von [X.] als Anteilseignerin gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 5 EStG zu versteuern seien. Die Sperrwirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG in Bezug auf die Besteuerung der Dividenden finde keine Anwendung, da in § 49 Abs. 1 EStG nicht auf diese Vorschrift verwiesen werde. Eine Verdrängung der Besteuerung der Dividendenzahlungen aufgrund der Veräußerung der [X.] lasse sich sachlich auch nur dann rechtfertigen, wenn eine Besteuerung der Veräußerungsgewinne --anders als im [X.] tatsächlich erfolge; der Gesetzgeber habe die Besteuerung der Dividendenzahlungen durch die Regelung der Sperrwirkung in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG nicht per se aufgeben wollen. Mit der Neuregelung im Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt [X.] zur [X.] und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014 --KroatienAnpG-- ([X.], 1266) habe er außerdem klargestellt, dass eine tatsächliche Besteuerung der Veräußerungsgewinne für den Eintritt der Sperrwirkung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG erforderlich sei. Dies gelte auch für vorangegangene [X.]. Es sei jedenfalls ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 der Abgabenordnung ([X.]) gegeben. Abgesehen von einem Abschlag zwischen 3 % und 7 % der zu erwartenden Bruttodividende entspreche das wirtschaftliche Ergebnis der Veräußerung dem, wie es bei einer späteren Vereinnahmung der Dividende eingetreten wäre. Der geringfügige Finanzierungsvorteil durch die Veräußerung der [X.] von gerade einmal zehn Tagen sei vernachlässigbar. Die Gestaltung sei nur gewählt worden, um zu erreichen, dass die Dividendenzahlungen nicht der Besteuerung unterliegen.

Entscheidungsgründe

II.

[X.]ie Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils. [X.]er [X.] entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) und gibt der Klage statt. Zwar hat das [X.] die Klage zu Recht als zulässig angesehen, aber zu Unrecht entschieden, dass die Klägerin zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichtet war.

1. [X.]as [X.] hat die Klage im Ergebnis zu Recht als zulässig angesehen. [X.]ie Klägerin ist als Steuerentrichtungspflichtige befugt, gegen die auf ihren eigenen Anmeldungen beruhenden, unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Festsetzungen (§ 168 Satz 1 [X.]) der Kapitalertragsteuer zu klagen und diese auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen (vgl. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 12.04.2022 - VIII R 35/19, [X.], 113, [X.]/NV 2022, 1024, Rz 16 ff., m.w.N.).

2. [X.]as Urteil ist jedoch aufzuheben, da das [X.] rechtsfehlerhaft die Klage als unbegründet abgewiesen hat. Entgegen der Auffassung des [X.] war die Klägerin als die Kapitalerträge auszahlende Stelle bei Auszahlung der [X.]ividenden an [X.] nicht zum Abzug und zur Abführung der Kapitalertragsteuer und des hierauf entfallenden [X.]s nach § 44 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG verpflichtet, da [X.] als Anteilseignerin der Aktien i.S. des § 20 Abs. 5 EStG keine steuerbaren [X.]ividendeneinkünfte i.S. des § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes ([X.]) i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt hat. Rechtsgrund hierfür ist, dass nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG der Gewinn der [X.] aus der Veräußerung der [X.]ividende an [X.] an die Stelle der Besteuerung der [X.]ividenden nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG getreten ist und dieser nicht unter die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte nach § 49 EStG fällt.

a) [X.]ie Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer nach § 44 Abs. 1 Satz 3, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG durch die Klägerin setzt voraus, dass [X.] als im Inland beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft steuerbare Kapitaleinkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt hat. [X.]as ist vorliegend nicht der Fall.

aa) Anteilseignerin der Aktien i.S. des § 20 Abs. 5 EStG war bei der Ausschüttung der [X.]ividenden im Streitzeitraum [X.]. [X.]iese unterlag als Kapitalgesellschaft, die ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung im Ausland hatte und damit im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig war, gemäß § 2 Nr. 1 [X.] mit ihren inländischen Einkünften der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Gemäß § 8 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG sind inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Steuerpflicht Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, also auch an die Anteilseigner ausgeschüttete [X.]ividenden.

bb) Zwar werden die [X.]ividendenzahlungen [X.] als Anteilseignerin i.S. des § 20 Abs. 5 EStG trotz der Abtretung der [X.] an [X.] als Kapitaleinkünfte zugerechnet (vgl. [X.]-Urteil vom 11.12.1968 - I 250/64, [X.], 488, [X.] 1969, 188), so dass der Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG an sich erfüllt ist. Jedoch tritt nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der [X.]ividende durch den Inhaber des Stammrechts an die Stelle der Besteuerung der [X.]ividende nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. [X.]ie Besteuerung der [X.]ividenden im Zeitpunkt ihrer Auszahlung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wird hierdurch verdrängt (vgl. [X.]-Urteil vom 02.03.2010 - I R 44/09, [X.], 1622, Rz 17). [X.]a Kapitaleinkünfte gemäß § 20 Abs. 2 EStG seit Einführung der Abgeltungsteuer keine inländischen Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 49 EStG sind, unterliegt [X.] in Bezug auf den von ihr erzielten Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der [X.]ividenden auch insoweit im Inland nicht der inländischen Besteuerung, so dass auch keine Pflicht der Klägerin zum Einbehalt und zur Abführung der Kapitalertragsteuer besteht.

cc) Entgegen der Auffassung des [X.] entfällt die Sperrwirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG für die Besteuerung der [X.]ividende nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht deshalb, weil in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG auf diese Regelung nicht verwiesen wird. [X.]enn § 49 Abs. 1 EStG knüpft an das Vorliegen der Einkünfte i.S. des § 2 i.V.m. §§ 13 ff. EStG punktuell an und enthält keine Erweiterung gegenüber dem für unbeschränkt Steuerpflichtige geltenden Einkünftebegriff (ständige Rechtsprechung, [X.]-Urteil vom 07.11.2001 - I R 14/01, [X.], 287, [X.] 2002, 861, unter [X.]; [X.] vom 01.12.1982 - I B 11/82, [X.], 178, [X.] 1983, 367, unter 2.b; vgl. Hidien in [X.][X.] --[X.]--, EStG, § 49 Rz A 1, A 24, A 300 und A 314; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 49 EStG Rz 5; [X.] in [X.]/[X.], [X.] Steuerrecht, Stand 131. Lfg. 04.2022 § 49 EStG Rz 1; [X.]/[X.], EStG, 41. Aufl., § 49 Rz 11). Im Falle einer Veräußerung von künftigen [X.]n durch den Inhaber des Stammrechts wären die [X.]ividendenzahlungen bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG nicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerbar, so dass dies --mangels einer gegenteiligen Regelung in § 49 EStG-- auch für beschränkt steuerpflichtige Aktieninhaber gelten muss. Hätte der Gesetzgeber hiervon abweichen wollen, hätte er in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG regeln müssen, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht zu berücksichtigen ist. [X.]ies hat er aber --anders als in § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 des [X.] vom 28.05.2007 ([X.], 914)-- nicht geregelt (vgl. z.B. [X.]/[X.], [X.] --[X.]-- 2014, 110, 112).

dd) [X.]ie Sperrwirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG für die Besteuerung der [X.]ividenden nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG tritt nach der im Streitzeitraum 2013 geltenden Fassung der Vorschrift auch dann ein, wenn eine Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der [X.] bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht erfolgt (vgl. [X.] in [X.], EStG, § 20 EStG Rz 1052 f.; [X.] in [X.]/Herlinghaus/[X.], [X.], 1. Aufl., § 2 Rz 84; [X.] in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl., § 49 Rz 74; [X.] in [X.], EStG, § 20 Rz [X.]/2 26 und [X.]/2 28a; [X.]/[X.]ahm in Korn, § 20 EStG Rz 329; [X.]/[X.], § 20 EStG Rz 456; [X.], [X.] --[X.]-- 2013, 4108; [X.]/[X.], [X.] 2014, 110, 112; Wiese/[X.], [X.]eutsches Steuerrecht --[X.]StR-- 2013, 2674; vgl. das Ergebnis in [X.]-Urteil in [X.], 1622; andere Auffassung Gesetzesbegründung zum [X.] in BT[X.]rucks 18/1529, S. 53; Schreiben des [X.] --BMF-- vom [X.] - IV C 1-S 2410/11/10001:003, [X.], 939; [X.] EStG/Mann, [X.]. [01.10.2022], EStG § 45 Rz 9 f.; [X.]ötsch/[X.] in [X.]ötsch/Pung/Möhlenbrock, Kommentar zum [X.], § 20 EStG Rz 254; [X.], Recht der Finanzinstrumente --RdF-- 2013, 241).

aaa) Aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG, nach dem "diese Besteuerung an die Stelle der Besteuerung nach Abs. 1 tritt", ist nicht zu folgern, dass der Gesetzgeber eine tatsächliche Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der [X.]ividende zur Voraussetzung der Sperrwirkung der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG machen wollte. Zum einen ist dies dem Begriff der "Besteuerung" nicht ohne weiteres zu entnehmen, da dieser im Einkommensteuergesetz in den unterschiedlichsten Zusammenhängen verwendet wird und erst im konkreten Bezug an Bedeutung gewinnt (vgl. [X.] in [X.], EStG, § 20 Rz [X.]/2 26 und [X.]/2 28; Wiese/[X.], [X.]StR 2013, 2674, 2675). Zum anderen ist auch der Gesetzesbegründung zum Standortsicherungsgesetz vom 13.09.1993 (BT[X.]rucks 12/5016, S. 87) in Bezug auf die Einführung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG nicht zu entnehmen, dass die Sperrwirkung für die Besteuerung der [X.]ividenden nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur dann eintreten soll, wenn die Gewinne aus der Veräußerung des [X.]ividendenanspruchs tatsächlich besteuert werden. Mit der Einfügung des Satz 2 in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sollte nach der Gesetzesbegründung allein eine [X.]oppelbesteuerung der [X.]ividende und des Gewinns aus der Veräußerung des [X.]ividendenanspruchs vermieden werden. [X.]ass eine tatsächliche Besteuerung bzw. eine Einmalbesteuerung des Veräußerungsgewinns oder der [X.]ividendenzahlungen sichergestellt werden sollte, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung indes nicht (so z.B. auch [X.], [X.] 2013, 4108, 4110; Wiese/[X.], [X.]StR 2013, 2674, 2676).

bbb) Erst die Neufassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG in der Fassung des [X.] stellt auf eine tatsächliche Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung des [X.]ividendenanspruchs für das Eintreten der Sperrwirkung ab. [X.]anach tritt die Sperrwirkung erst dann ein, "soweit eine Besteuerung" des Gewinns aus der Veräußerung der [X.]ividenden nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 1 EStG "erfolgt ist". Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (s. BMF-Schreiben in [X.], 939) macht diese durch das [X.] eingeführte Neufassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG nicht nur eine bereits geltende Rechtsauffassung deutlich (so jedoch die Gesetzesbegründung in BT[X.]rucks 18/1529, S. 53), sondern ändert das Gesetz dahingehend, dass der Ausschluss der Besteuerung der [X.]ividende im Falle einer Veräußerung von [X.]n von der tatsächlichen Besteuerung des sich daraus ergebenden Gewinns abhängt (so auch [X.]/[X.]ahm in Korn, § 20 EStG Rz 329; [X.]/[X.], § 20 EStG Rz 456). [X.]ie Neuregelung findet erstmals in dem Zeitpunkt Anwendung, in dem sie wirksam geworden ist und hat keine Rückwirkung. Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 3 EStG in der Fassung des [X.] ist die Gesetzesänderung beim Steuerabzug vom Kapitalertrag erstmals auf [X.]ividenden anzuwenden, die nach dem 31.12.2014 zufließen. Somit scheidet eine Anwendung der Neuregelung im Streitfall aus.

ccc) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Änderung der Regelung des § 49 EStG zur Besteuerung der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom [X.] ([X.], 1912). [X.]iese Gesetzesänderung führte zu einer Streichung der Verweisung in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG auf § 20 Abs. 2 EStG mit dem Ergebnis, dass der Gewinn aus der Veräußerung von [X.]n nicht mehr der inländischen beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Hieraus ist jedoch entgegen der Auffassung des [X.] nicht zu schließen, dass der Gesetzgeber die [X.]ividende nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch im Falle der Veräußerung des [X.]ividendenanspruchs stets besteuern wollte, da mit der Gesetzesänderung auch der Verweis auf die Sperrwirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG entfallen ist. [X.]ies ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen (s. BR[X.]rucks 220/07, S. 113). Hätte eine solche Absicht des Gesetzgebers bestanden, hätte es nahe gelegen, die Sperrwirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG von einer tatsächlichen Besteuerung des Veräußerungsgewinns abhängig zu machen. [X.]ie Norm des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist aber durch das UntStRefG 2008 vom Gesetzgeber nicht geändert worden und sollte ausweislich der Gesetzesbegründung (s. BR[X.]rucks 220/07, [X.]) der bisherigen Regelung entsprechen. [X.]emzufolge kommt auch eine einschränkende Auslegung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG aufgrund der Änderung des § 49 EStG nicht in Betracht (so aber [X.], [X.], 241, 243).

b) [X.]ie Klägerin war auch nicht zu einem Kapitalertragsteuerabzug gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG hinsichtlich der durch [X.] erzielten Gewinne aus der Veräußerung der [X.] i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verpflichtet. [X.]iese sind keine nach § 49 EStG beschränkt steuerpflichtige Einkünfte. [X.]a keine inländische Steuerpflicht besteht, ist von der auszahlenden Stelle kein Kapitalertragsteuereinbehalt vorzunehmen (vgl. BMF-Schreiben vom 19.05.2022 - IV C 1-S 2252/19/10003:009, [X.], 742). Zum Steuerabzug verpflichtet ist gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 Alternative 2 EStG allein die für den Verkäufer der [X.] den Verkaufsauftrag ausführende Stelle. [X.]ies war vorliegend nicht die Klägerin.

c) [X.]ie Veräußerung der [X.] i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG durch [X.] stellt auch keinen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 [X.] dar.

aa) Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch nach § 42 Abs. 2 Satz 1 [X.] liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem [X.]ritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Jedoch macht das Motiv, Steuern zu sparen, eine Gestaltung noch nicht unangemessen i.S. des § 42 [X.]. [X.]er Steuerpflichtige darf seine Verhältnisse grundsätzlich so gestalten, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen und dabei zivilrechtliche Gestaltungen, die vom Gesetz vorgesehen sind, frei verwenden. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige nicht die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll. Eine Gestaltung, die überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat, kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. [X.]as ist zum Beispiel der Fall, wenn durch mehrere Geschäfte, die sich wirtschaftlich gegenseitig neutralisieren, lediglich ein steuerlicher Vorteil erzielt werden soll oder wenn die Gestaltung in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert wird und sich deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erweist (vgl. [X.]-Urteile vom 29.09.2020 - VIII R 9/17, [X.], 114, [X.] 2021, 385, Rz 19; vom 12.06.2018 - VIII R 32/16, [X.], 74, [X.] 2019, 221, Rz 19; vom 08.03.2017 - IX R 5/16, [X.], 211, [X.] 2017, 930, Rz 18 f.; vom 25.08.2009 - IX R 55/07, [X.], 387, unter [X.], und vom 11.10.2000 - I R 99/96, [X.], 330, [X.] 2001, 22, unter II.1.g).

bb) Nach diesen Grundsätzen liegt im vorliegenden Fall ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 [X.] nicht vor. [X.] hat lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht, diese aber nicht missbraucht. Sie hat sich entschieden, die [X.]ividendenzahlungen nicht abzuwarten, sondern ihre künftigen [X.] bereits zu einem früheren Zeitpunkt wirtschaftlich zu verwerten. [X.]ieses Ziel war (sinnvoll) durch eine Veräußerung zu erreichen. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sieht die Veräußerung von [X.]n ausdrücklich vor und unterwirft sie der Besteuerung. [X.] hat daher nicht gegen eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung verstoßen, sondern lediglich von einer ihr durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit zum Verkauf des [X.]ividendenanspruchs vor Ausschüttung der [X.]ividende Gebrauch gemacht, weshalb es --entgegen der Ansicht des FA-- auch nicht erheblich ist, ob dies zu einem größeren Aufwand (z.B. durch den Abschluss von Verträgen, das Ausbringen von Garantieversprechen oder die Verwahrung der Aktien in einem selbständigen [X.]epot) als der spätere Erhalt der [X.]ividenden geführt hat (s. hierzu [X.]-Urteil in [X.], 114, [X.] 2021, 385).

cc) [X.]ie Gestaltung ist auch nicht etwa deshalb rechtsmissbräuchlich, weil [X.] die künftigen [X.] erst ca. zehn Tage vor dem Tag, an dem der Aktienkurs um die [X.]ividende gekürzt wurde, an [X.] veräußerte. Zum einen ist der Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht zu entnehmen, dass die Möglichkeit einer Veräußerung von [X.]n zeitlich begrenzt werden sollte. Zum anderen kann das von [X.] auf [X.] mit der Veräußerung der Ansprüche übertragene Risiko, dass die [X.]ividendenzahlung gekürzt wird oder ausfällt, auch in diesem kurzen Zeitraum zum Tragen kommen.

3. [X.]ie Sache ist spruchreif. [X.]er [X.] kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O) und gibt der Klage statt. Nach den Ausführungen unter II.2. ist die Kapitalertragsteuer-Festsetzung für April 2013 vom 26.06.2015 um … € (Kapitalertragsteuer) bzw. … € ([X.]) und die Kapitalertragsteuer-Festsetzung für Mai 2013 vom 26.06.2015 um … € (Kapitalertragsteuer) bzw. … € ([X.]) --jeweils im Rahmen des [X.] durch die auszahlende Stelle bei den Kapitalerträgen i.S. des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG-- herabzusetzen.

4. [X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VIII R 21/19

15.11.2022

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 17. Mai 2019, Az: 4 K 720/16, Urteil

§ 20 Abs 1 Nr 1 EStG 2009, § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 2 EStG 2009, § 44 Abs 1 S 3 EStG 2009, § 43 Abs 1 S 1 Nr 1a EStG 2009, § 49 Abs 1 Nr 5 Buchst a EStG 2009 vom 12.04.2012, § 42 AO, § 168 S 1 AO, § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 2 EStG 2009 vom 25.07.2014, § 49 Abs 1 Nr 5 Buchst a S 2 EStG 2002 vom 14.08.2007, § 49 Abs 1 Nr 5 Buchst a S 2 EStG 2002 vom 13.12.2006, UntStRefG 2008, KroatienAnpG, § 40 Abs 2 FGO, EStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.11.2022, Az. VIII R 21/19 (REWIS RS 2022, 9017)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9017

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