Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24.07.2012, Az. IX B 173/11

9. Senat | REWIS RS 2012, 4344

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Gegenstand

NZB: Fremdvergleich, Vertragsauslegung, Rechtsanwendungsfehler; Gesamtergebnis des Verfahrens


Leitsatz

1. NV: Ist für die anhand des Fremdvergleichs vorzunehmende Beurteilung die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend, so ist auf die --regelmäßig nicht klärungsbedürftigen und damit nicht grundsätzlich bedeutsamen-- Umstände des Einzelfalles abzuheben.  

2. NV: Zur Durchführung des Fremdvergleichs ist zunächst der Inhalt des zu beurteilenden Vertrages festzustellen. Dazu bedarf es der Vertragsauslegung, bei der bedeutsame, ggf. auch außerhalb des Vertrages liegende Begleitumstände heranzuziehen sind.  

3. NV: Die unzutreffende Würdigung von Tatsachen, die fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles oder bloße Subsumtionsfehler des FG sind keine offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht, sondern lediglich materiell-rechtliche Fehler, die eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.  

4. NV: § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO gebietet nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern oder etwa die Rechtsansicht eines der Beteiligten zu übernehmen.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre Be-gründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O); zudem liegen die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.

2

1. a) [X.] hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O; denn die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig.
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) ist für die anhand des Fremdvergleichs vorzunehmende Beurteilung die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend, wobei nicht jede Abweichung vom Üblichen die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt. Das Finanzgericht ([X.]) hat auf dieser Basis hinsichtlich der Frage, ob ein Darlehens-vertrag (zwischen teilidentischen Gesellschaften) einem Fremd-vergleich standhält, auf die --regelmäßig nicht klärungsbedürftigen und damit nicht grundsätzlich bedeutsamen-- Umstände des Einzelfalles abgehoben (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 1. April 2008 I[X.]156/07, [X.]/NV 2008, 1323; vom 30. Mai 2008 I[X.]216/07, [X.]/NV 2008, 1510).

3

Auch die Frage, ob die Fremdüblichkeit auch anhand von Tatsachen zu beurteilen ist, die außerhalb des Vertragsverhältnisses liegen, ist nicht klärungsbedürftig: Denn um mit dem [X.] verglichen werden zu können, ist zunächst der konkrete Inhalt des zu beurteilenden Vertrages festzustellen. Dazu bedarf es der Vertragsauslegung, bei der bedeutsame, ggf. auch außerhalb des Vertrages liegende Begleitumstände heranzuziehen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteile vom 4. Dezember 1979 VII R 29/77, [X.]E 130, 226, [X.] 1980, 488; vom 11. Februar 1981 I R 13/77, [X.]E 133, 3, [X.] 1981, 475; vom 11. Januar 2005 IX R 15/03, [X.]E 209, 77, [X.] 2005, 477; vom 1. Februar 2012 I R 57/10, [X.]E 236, 374, [X.] 2012, 407; Beschluss vom 5. Dezember 2006 VIII B 4/06, [X.]/NV 2007, 490, unter 2. c). Das gilt auch dann, wenn zwischen den Vertragsparteien --wie hier-- weitere Vertragsbeziehungen bestehen und sich die hier zu beurteilenden Darlehensverträge auf diese anderen Verträge bzw. Ansprüche daraus beziehen.
Danach ist auch eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alt. [X.]O nicht erforderlich.

4

b) Die Erforderlichkeit einer Entscheidung des [X.] zur Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alt. [X.]O) ist nicht hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O dargelegt. Dazu hätte ein offensichtlicher (materieller oder formeller) Rechtsanwendungsfehler des [X.] von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung dargetan werden müssen (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 3. Februar 2012 I[X.]126/11, [X.]/NV 2012, 741; vom 10. Februar 2010 I[X.]163/09, [X.]/NV 2010, 887, unter 2., m.w.N.). Das ist nicht geschehen. Unterhalb dieser Schwelle liegende, auch erhebliche Rechtsfehler reichen dagegen nicht aus (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 7. Juli 2005 I[X.]13/05, [X.]/NV 2005, 2031; vom 15. Februar 2012 IV B 126/10, [X.]/NV 2012, 774), insbesondere nicht die (vermeintlich) unzutreffende Würdigung von Tatsachen, die (vorgeblich) fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles oder bloße Subsumtionsfehler des [X.] (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2012, 741).

5

c) Mit ihren Einwänden setzt die Klägerin ihre eigene Sachver-haltswürdigung (insbesondere zur Fremdüblichkeit) und ihre --auf dieser anderen Würdigung basierende-- Rechtsansicht anstelle des [X.] und rügt damit im [X.] eine (vermeintlich) unzutreffende Tatsachenwürdigung und fehlerhafte Rechtsanwendung durch das [X.], also materiell-rechtliche Fehler des Urteils; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 30. August 2007 I[X.]104/07, [X.]/NV 2007, 2144, und in [X.]/NV 2012, 741).

6

2. Der gerügte Verfahrensmangel (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) der Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O liegt nicht vor. Danach hat das [X.] seine Überzeugung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu bilden, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde zu legen. § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O gebietet aber nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 22. März 2011 [X.]7/11, [X.]/NV 2011, 1005; vom 19. Oktober 2011 I[X.]90/11, [X.]/NV 2012, 234). Im Streitfall hat das [X.] die Fremdüblichkeit der Verzinsung ausdrücklich angesprochen, aber anders als die Klägerin beurteilt.

7

Im Übrigen hat die fachkundig vertretene Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausweislich des [X.] zur Fremdüblichkeit der (unterschiedlichen) Verzinsung bei wechselseitigen Geschäftsbeziehungen keinen Beweisantrag gestellt und auch auf sonstige Aufklärungsmaßnahmen nicht hingewirkt (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 19. Mai 2010 I[X.]198/09, [X.]/NV 2010, 1647, und in [X.]/NV 2012, 741).

Meta

IX B 173/11

24.07.2012

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 19. Oktober 2011, Az: 4 K 96/08, Urteil

§ 96 Abs 1 S 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24.07.2012, Az. IX B 173/11 (REWIS RS 2012, 4344)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4344

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