Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.06.2023, Az. 8 B 53/22

8. Senat | REWIS RS 2023, 4784

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Gegenstand

Klage gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss im Fall der gesetzlichen Vertretung der Erben


Tenor

Das Urteil des [X.] (Oder) vom 30. September 2022 wird aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 672,63 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger ist Mitglied der ungeteilten Erbengemeinschaft nach M. (im Folgenden: Erblasser) und gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben des Erblassers. Der Beigeladene war vom Beklagten bestellter gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben des Erblassers. Unter dem 31. Juli 2012 erließ der Beklagte einen Kostenfestsetzungsbescheid über 1 672,63 € zu Gunsten des Beigeladenen für dessen Tätigkeit als gesetzlicher Vertreter. Der Beigeladene sei berechtigt, die durch die gesetzliche Vertretung entstandenen Kosten aus dem vorhandenen Guthaben oder Verkaufserlös zu entnehmen. Die hiergegen im Hauptantrag auf Feststellung der Nichtigkeit und in den [X.] auf Aufhebung des [X.] und Wiederaufgreifen des Kostenfestsetzungsverfahrens gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Bescheid sei nicht nichtig. Er sei zwar rechtswidrig, weil die Kostenfestsetzung auf Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB gestützt worden sei, während die Bestellung des Beigeladenen zum gesetzlichen Vertreter auf § 11b [X.] beruhe. Die Angabe der Rechtsgrundlage sei hier nicht bloß austauschbares Begründungselement, sondern Teil der Regelung. Unabhängig davon sei der Kostenfestsetzungsbescheid außerdem rechtswidrig, weil dem Beigeladenen kein Anspruch gegen die Vertretenen hätte zugesprochen werden dürfen. Beide Fehler wögen indes nicht so schwer, dass sie die Nichtigkeit des Bescheids zur Folge hätten. Auch die Hilfsanträge hätten keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2

Die dagegen erhobene Beschwerde des [X.] ist statthaft. Gemäß § 135 Satz 1 VwGO steht den Beteiligten gegen das Urteil des [X.] die Revision zu, wenn durch [X.] die Berufung ausgeschlossen ist. Die Revision kann nur eingelegt werden, wenn das Verwaltungsgericht oder auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung das [X.] sie zugelassen hat (§ 135 Satz 2 VwGO). Für die Zulassung gelten die §§ 132, 133 VwGO entsprechend (§ 135 Satz 3 VwGO).

3

Der Ausschluss der Berufung folgt hier aus § 37 Abs. 2 [X.]. Er erfasst gerichtliche Entscheidungen aller Art, die in vermögensrechtlichen Streitigkeiten ergangen sind (BVerwG, Urteil vom 21. März 2005 - 7 C 13.04 - [X.] 303 § 767 ZPO Nr. 8 S. 10). Dazu zählt das angegriffene Urteil, weil es die unter anderem auf vermögensrechtliche Vorschriften gegründete Klage gestützt auf vermögensrechtliche Normen - insbesondere des § 11b [X.] - abgewiesen hat.

4

Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Recht rügt der Kläger, dass das Urteil des [X.] den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verletzt. Auf diesem Verfahrensmangel kann das angegriffene Urteil beruhen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

5

Ein als Verfahrensfehler einzuordnender Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht aktenwidrige Feststellungen getroffen, den [X.] selektiv verwertet oder Schlüsse gezogen hat, die nicht nur unwahrscheinlich, fernliegend oder nach Auffassung des Beschwerdeführers unrichtig, sondern aus Gründen der Logik schlechthin ausgeschlossen sind (BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2018 - 8 B 19.17 - [X.] 428 § 1 Abs. 6 [X.] Nr. 58 Rn. 22 m. w. N.).

6

Auf einer selektiven Verwertung des [X.]s beruht die Annahme des [X.], der Beigeladene sei gemäß § 11b [X.] zum gesetzlichen Vertreter bestellt worden. Das Verwaltungsgericht hat - wie in der Beschwerdebegründung beanstandet und in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 14. Oktober 2022 eingeräumt - übersehen, dass eine weitere, auf frühere Bestellungen nach § 11b [X.] folgende Bestallungsurkunde vom 24. Januar 2007 existiert, mit welcher der Beigeladene gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB zum gesetzlichen Vertreter der unbekannten Erben des Erblassers bestellt wurde.

7

Entgegen der vom Verwaltungsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vertretenen Auffassung kann die Entscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruhen. Das Verwaltungsgericht wäre bei Berücksichtigung der Bestallungsurkunde vom 24. Januar 2007 zwar nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass der angegriffene Bescheid schon wegen der Angabe einer falschen Rechtsgrundlage rechtswidrig ist. Bei der weiteren Prüfung des [X.], ob sich die Nichtigkeit des Bescheids aus dem Umstand ergibt, dass der Kostenfestsetzungsbescheid entgegen der gesetzlichen Regelung zu Lasten der Vertretenen erlassen wurde, erscheint jedoch bei Berücksichtigung der Bestallungsurkunde vom 24. Januar 2007 ein anderes Ergebnis möglich. Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Prüfung dieser Frage allein die (vermeintliche) Vertretung nach § 11b [X.] in den Blick genommen. Nicht ausgeschlossen ist, dass es bei [X.] der Vertretung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB wegen des von § 11b [X.] verschiedenen Zwecks dieser gesetzlichen Vertretung in Verbindung mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen des [X.] zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Die Entscheidungsgründe enthalten keine selbständig tragenden [X.], die eine Nichtigkeit des angegriffenen Bescheides auch für den Fall einer Bestellung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB verneinten. Nachträgliche Erwägungen im Nichtabhilfebeschluss können keine Urteilserwägungen ersetzen.

8

Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, das angegriffene Urteil durch Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung gegebenenfalls auch über die Zulassung der Berufung im Fall einer Heranziehung des Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB statt des § 11b [X.], an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 133 Abs. 6 VwGO).

9

Die Kostenentscheidung muss der Schlussentscheidung vorbehalten bleiben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Meta

8 B 53/22

28.06.2023

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Frankfurt (Oder), 30. September 2022, Az: 4 K 1180/15, Urteil

Art 233 § 2 Abs 3 BGBEG, § 11b VermG, § 37 Abs 2 VermG, § 108 Abs 1 S 1 VwGO, § 133 Abs 6 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.06.2023, Az. 8 B 53/22 (REWIS RS 2023, 4784)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4784

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