Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.05.2019, Az. 7 AZR 396/17

7. Senat | REWIS RS 2019, 7282

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Gegenstand

Betriebsratstätigkeit - Freizeitausgleich


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 18. Januar 2017 - 7 [X.] - im Hinblick auf die Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als es die Berufung des [X.] zurückgewiesen hat.

Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 30. März 2016 - 3 [X.]/15 - im Hinblick auf die Kostenentscheidung und insoweit abgeändert, als es die Klage in Höhe einer Zeitgutschrift von 15 Stunden und 29 Minuten abgewiesen hat.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des [X.] weitere 15 Stunden und 29 Minuten gutzuschreiben.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über [X.] auf dem Arbeitszeitkonto des [X.].

2

Der Kläger ist Mitglied des im Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Er ist in vollkontinuierlicher Wechselschicht beschäftigt. Dabei folgt auf eine Woche Frühschicht eine Woche Spätschicht, darauf eine Woche Nachtschicht und sodann eine Freiwoche. Findet am ersten Tag der Freiwoche eine Betriebsratssitzung statt, stellt die Beklagte den Kläger in der vorhergehenden Nachtschicht unter Fortzahlung der Vergütung für acht Stunden von der Arbeitsleistung frei.

3

Der Kläger leistete jeweils am ersten Tag seiner Freiwoche am 11. Juni 2015 vier Stunden und 20 Minuten, am 20. August 2015 neun Stunden und 36 Minuten und am 24. September 2015 drei Stunden und neun Minuten, also insgesamt 17 Stunden und fünf Minuten Betriebsratstätigkeit. Die Beklagte stellte ihn jeweils in der vorhergehenden Nachtschicht unter Fortzahlung der Vergütung für acht Stunden von der Arbeitsleistung frei. Sie lehnte es allerdings ab, dem Kläger darüber hinaus für die Dauer der an den genannten Tagen erbrachten Betriebsratstätigkeit Freizeitausgleich zu gewähren.

4

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Gutschrift von 17 Stunden und 53 Minuten auf seinem Arbeitszeitkonto für die Zeiten der Betriebsratstätigkeit am 11. Juni, 20. August und 24. September 2015 geltend gemacht.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nach § 37 Abs. 3 BetrVG verpflichtet, ihm Freizeitausgleich in dieser Höhe für die Zeit der Wahrnehmung von [X.] außerhalb der Arbeitszeit zu gewähren.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, seinem Arbeitszeitkonto 17 Stunden und 53 Minuten gutzuschreiben.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat den Standpunkt eingenommen, dem geltend gemachten Anspruch stehe entgegen, dass dem Kläger unter Berücksichtigung seiner Freistellung in der vorherigen Nachtschicht durch die [X.] keine - im Verhältnis zu seiner persönlichen Arbeitszeit - zusätzliche zeitliche Belastung entstanden sei. Betriebsratstätigkeit liege nur dann „außerhalb der Arbeitszeit“ iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG, wenn die persönliche Arbeitszeit bereits durch Arbeitsleistung oder Betriebsratstätigkeit ausgefüllt gewesen sei. Dies sei hier aufgrund der Freistellung in der vorherigen Schicht nicht der Fall. Jedenfalls habe sie etwaige [X.] durch die Freistellung in der vorangehenden Nachtschicht erfüllt. Eine kumulative Zuerkennung von Ansprüchen aus § 37 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG führe zu einer unzulässigen Begünstigung des Betriebsratsmitglieds.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Hinblick auf die am 20. August 2015 über acht Stunden hinausgehende Betriebsratstätigkeit im Umfang einer Gutschrift von einer Stunde und 36 Minuten entsprochen und sie im Übrigen abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Kläger über die vom Arbeitsgericht zugesprochene Zeitgutschrift hinaus noch eine Zeitgutschrift von 15 Stunden und 29 Minuten verlangt. Die Beklagte hat mit der Anschlussberufung die Abweisung der Klage auch im Hinblick auf die vom Arbeitsgericht zugesprochene Gutschrift begehrt. Das [X.] hat die Berufung des [X.] und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein beim [X.] geltend gemachtes Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist begründet. Das [X.] hat die Klage im Umfang der in der Revision noch verlangten [X.]gutschrift von 15 Stunden und 29 Minuten zu Unrecht abgewiesen. Die insoweit zulässige Klage ist entgegen der Auffassung des [X.]s begründet.

I. Die Klage ist - soweit sie Gegenstand der Revision ist - nach der gebotenen Auslegung des Klageantrags zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

1. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein [X.]konto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können und das Leistungsbegehren konkretisiert, an welcher Stelle des [X.] die Gutschrift erfolgen soll ([X.] 26. September 2018 - 7 [X.] - Rn. 12; 18. Januar 2017 - 7 [X.] - Rn. 16, [X.]E 158, 31; 28. September 2016 - 7 [X.] - Rn. 21; 29. Juni 2016 - 5 [X.] - Rn. 14 mwN, [X.]E 155, 310). [X.] das Arbeitszeitkonto geleistete Mehr- oder Überarbeit aus oder solche [X.]en, die durch Freistellung von der Arbeitspflicht bei Fortzahlung der Vergütung auszugleichen sind, ist der Streitgegenstand iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, wenn sich der Antrag auf eine Gutschrift von solchen [X.]en in einem genau angegebenen Umfang bezieht (vgl. [X.] 26. September 2018 - 7 [X.] - Rn. 12; 18. Januar 2017 - 7 [X.] - Rn. 16, aaO; 15. Februar 2012 - 7 [X.] - Rn. 17).

2. Danach ist der Antrag zulässig. Die Beklagte führt für den Kläger ein Arbeitszeitkonto, auf dem die begehrte Gutschrift von 15 Stunden und 29 Minuten noch erfolgen kann. Die Beklagte hat nicht behauptet, dass die Angaben in diesem Arbeitszeitkonto nicht mehr korrigiert werden könnten. An welcher Stelle des [X.] die Gutschrift erfolgen soll, kommt zwar im Wortlaut des Antrags nicht zum Ausdruck. Insoweit lässt der Antrag aber bei gebotener, auf die Ermöglichung einer Sachentscheidung gerichteten Auslegung (vgl. [X.] 18. Januar 2017 - 7 [X.] - Rn. 17, [X.]E 158, 31; 23. März 2016 - 5 [X.] - Rn. 22, [X.]E 154, 337) den Inhalt der vom Kläger begehrten Entscheidung erkennen. Der Kläger verlangt die Gutschrift für die [X.]en der Betriebsratstätigkeit außerhalb seiner Arbeitszeit am 11. Juni 2015 im Umfang von vier Stunden und 20 Minuten, am 20. August 2015 im Umfang von weiteren acht Stunden und am 24. September 2015 im Umfang von drei Stunden und neun Minuten. Die [X.]gutschrift für die über acht Stunden hinausgehende Betriebsratstätigkeit am 20. August 2015 ist dem Kläger bereits rechtskräftig zugesprochen worden, nachdem das [X.] die Anschlussberufung der [X.] zurückgewiesen und die Beklagte diese Entscheidung nicht angefochten hat. Damit ist das Klagebegehren für die Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft hinreichend bestimmt.

II. Die Klage ist entgegen der Auffassung des [X.]s begründet. Die Beklagte ist nach § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.] iVm. § 611 BGB verpflichtet, dem Arbeitszeitkonto des [X.] weitere 15 Stunden und 29 Minuten gutzuschreiben.

1. Da das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung. Geleistete Arbeit ist gemäß § 611 Abs. 1 BGB (seit dem 1. April 2017 § 611a Abs. 2 BGB) in das Konto aufzunehmen. Diese Grundsätze gelten ebenso für Angaben, die ein durch Befreiung von der Arbeitspflicht auszugleichendes [X.]guthaben ausweisen. Auch hinsichtlich dieser Daten hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des [X.] und kann bei fehlerhaften Angaben eine Berichtigung verlangen ([X.] 26. September 2018 - 7 [X.] - Rn. 15; 18. Januar 2017 - 7 [X.] - Rn. 34, [X.]E 158, 31; 15. Februar 2012 - 7 [X.] - Rn. 20).

2. Der Kläger hat aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit am 11. Juni 2015, am 20. August 2015 und am 24. September 2015 nach § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.] Anspruch auf Arbeitsbefreiung im Umfang von weiteren 15 Stunden und 29 Minuten und daher auch auf die erstrebte Berichtigung des [X.] durch eine entsprechende Gutschrift.

a) Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.] hat ein Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen nach § 37 Abs. 3 Satz 2 [X.] auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Fällt die Betriebsratstätigkeit eines in Wechselschicht arbeitenden Betriebsratsmitglieds in dessen [X.], wird sie daher aus betriebsbedingten Gründen außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit durchgeführt (vgl. [X.] 18. Januar 2017 - 7 [X.] - Rn. 36, [X.]E 158, 31; 16. April 2003 - 7 [X.] - zu I 1 der Gründe, [X.]E 106, 87; zur Tätigkeit eines Wahlvorstands [X.] 26. April 1995 - 7 [X.] - zu I 1 b der Gründe, [X.]E 80, 54).

b) Hiernach hat der Kläger aufgrund der außerhalb seiner Arbeitszeit erbrachten - unstreitig erforderlichen - Betriebsratstätigkeit am 11. Juni 2015, am 20. August 2015 und am 24. September 2015 nach § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.] einen Freizeitausgleichsanspruch im Umfang von weiteren 15 Stunden und 29 Minuten erworben. Nach den Feststellungen des [X.]s musste diese Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder und damit aus betriebsbedingten Gründen iSv. § 37 Abs. 3 Satz 2 [X.] außerhalb der Schicht des [X.] durchgeführt werden.

c) Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger von der [X.] in der vor der Betriebsratstätigkeit liegenden Nachtschicht nicht zur Arbeit herangezogen, sondern von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wurde. Betriebsratstätigkeit liegt nicht nur dann „außerhalb der Arbeitszeit“ iSv. § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.], wenn sie zusätzlich zu der durch Arbeitsleistung oder erforderliche Betriebsratstätigkeit bereits ausgefüllten vertraglichen Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds geleistet wird (so im Ergebnis bereits [X.] 18. Januar 2017 - 7 [X.] - Rn. 35 ff., [X.]E 158, 31; 19. März 2014 - 7 [X.] - Rn. 23 ff.). Vielmehr kommt es für den Freizeitausgleichsanspruch nach § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.] ausschließlich darauf an, ob die Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen zu einer [X.] zu leisten ist, zu der das Betriebsratsmitglied keine Arbeitsleistungen zu erbringen hätte. Das ergibt die Auslegung von § 37 Abs. 3 [X.]. An der gegenteiligen Auffassung in den Entscheidungen vom 15. Februar 1989 (- 7 [X.] - zu 2 der Gründe) und vom 7. Juni 1989 (- 7 [X.] - zu II der Gründe) hält der [X.] nicht fest.

aa) Bereits der Wortlaut des § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.] spricht für dieses Verständnis. Danach erhält das Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen „außerhalb der Arbeitszeit“ durchzuführen ist, entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Die Präposition „außerhalb“ beschreibt ein räumlich oder bereichsmäßig abgrenzendes Verhältnis zu einem bestimmten Bezugspunkt (hier die Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds), etwa iSv. „nicht in einem Bereich“ oder „nicht in einem bestimmten [X.]raum“ liegend (vgl. [X.] [X.] 8. Aufl.; [X.] Deutsches Wörterbuch 9. Aufl.). Damit deutet bereits der Wortlaut, mag er auch nicht völlig eindeutig sein, darauf hin, dass es für den Freizeitausgleichsanspruch lediglich auf die zeitliche Lage der Betriebsratstätigkeit außerhalb der festgelegten Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds ankommt, nicht aber darauf, ob durch die erbrachte Arbeitsleistung und die Betriebsratstätigkeit der vertraglich geschuldete Umfang der Arbeitszeit überschritten und die Betriebsratstätigkeit daher zusätzlich geleistet wird.

bb) Diese Sichtweise entspricht Sinn und Zweck des § 37 Abs. 3 [X.]. Die Norm gewährt keinen Anspruch auf Vergütung von Betriebsratstätigkeit, sondern berücksichtigt, dass bei Betriebsratstätigkeit während der Freizeit kein Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 37 Abs. 2 [X.] besteht und schafft dafür einen Ausgleich ([X.] 16. Januar 2008 - 7 [X.] - Rn. 15, [X.]E 125, 242) und zwar grundsätzlich dergestalt, dass an einem anderen Arbeitstag bezahlte Arbeitsbefreiung in entsprechendem Umfang gewährt wird ([X.] 27. Juli 2016 - 7 [X.] - Rn. 16). Der in § 37 Abs. 3 [X.] geregelte Freizeitausgleich für die außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit betrifft lediglich die Folgen einer aus betriebsbedingten Gründen notwendigen Abweichung von dem Grundsatz, dass Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit stattzufinden hat. Während § 37 Abs. 2 [X.] das Betriebsratsmitglied vor einer Minderung seines Arbeitsentgelts wegen [X.] infolge notwendiger Betriebsratstätigkeit schützt, soll der Ausgleichsanspruch nach § 37 Abs. 3 [X.] verhindern, dass Betriebsratsmitglieder, die aus betriebsbedingten Gründen ihre Betriebsratstätigkeit nicht während der Arbeitszeit ausführen können, durch einen Verlust persönlicher Freizeit benachteiligt werden. Es handelt sich im Ergebnis um ein zeitlich verschobenes Arbeitsentgelt für eine sonst in der persönlichen Arbeitszeit anfallende Betriebsratstätigkeit, die nur infolge eines dem Arbeitgeber zuzurechnenden Umstands in die Freizeit verlegt worden ist ([X.] 5. Mai 2010 - 7 [X.] - Rn. 29, [X.]E 134, 233).

Der in § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.] geregelte Freizeitausgleich soll somit nicht in erster Linie eine überobligatorische Arbeitsbelastung kompensieren; vielmehr geht es vornehmlich um einen Ausgleich für die betriebsbedingte Aufopferung persönlicher Freizeit, in der das Betriebsratsmitglied üblicherweise seinen Freizeitaktivitäten nachgehen und diese entsprechend planen kann. Dieses [X.] wird unabhängig davon erbracht, ob das Betriebsratsmitglied - aus welchen Gründen auch immer - während der persönlichen Arbeitszeit zuvor vom Arbeitgeber (ganz oder teilweise) nicht zur Arbeit herangezogen wurde.

cc) Setzte der Freizeitausgleichsanspruch nach § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.] voraus, dass die außerhalb der persönlichen Arbeitszeit erbrachte Betriebsratstätigkeit zusätzlich zu der durch Arbeitsleistung oder erforderliche Betriebsratstätigkeit ausgefüllten vertraglichen Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds erbracht wird, bliebe zudem unklar, auf welchen [X.]raum die Ermittlung einer zusätzlichen Belastung zu beziehen wäre. Denkbar wäre etwa, im Hinblick auf die Belastung durch Arbeitsleistung oder Mandatstätigkeit während der Arbeitszeit nur auf den unmittelbar vor der Betriebsratstätigkeit liegenden Arbeitsabschnitt abzustellen. Genauso denkbar wäre es indes, auch weiter zurückliegende [X.]räume in die Betrachtung der Belastung einzubeziehen. So hat der [X.] etwa in der Entscheidung vom 15. Februar 1989 (- 7 [X.] -) den vom klagenden Betriebsratsmitglied geltend gemachten Freizeitausgleichsanspruch für eine außerhalb der persönlichen Arbeitszeit liegende samstägliche Heimreise von einer dreitägigen auswärtigen Betriebsräteversammlung mit der Begründung abgelehnt, die Betriebsräteversammlung habe an den Tagen vor der Heimfahrt jeweils nicht die volle Arbeitszeit von acht Stunden in Anspruch genommen. Ein derart weitreichendes Verständnis ließe es auch zu, noch weiter zurückliegende Freizeitphasen zu berücksichtigen. Das würde letztlich eine langfristige Saldierung von durch Arbeitsleistung und Betriebsratstätigkeit ausgefüllter Arbeitszeit und außerhalb der Arbeitszeit erbrachter Betriebsratstätigkeit bedeuten. Dies wäre jedoch weder mit dem Wortlaut noch mit Sinn und Zweck der Norm vereinbar.

dd) Das Betriebsratsmitglied wird entgegen der Auffassung der [X.] durch die Gewährung von Freizeitausgleich auch bei einer Freistellung von der Arbeit in der der Betriebsratstätigkeit vorausgehenden Schicht nicht entgegen § 78 Satz 2 [X.] unzulässig wegen seiner Betriebsratstätigkeit begünstigt.

(1) Stellt der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied mit Rücksicht auf eine zu erwartende außerhalb der Arbeitszeit liegende Betriebsratstätigkeit in der vorherigen Schicht frei, erfolgt dies regelmäßig aufgrund einer aus § 37 Abs. 2 [X.] folgenden rechtlichen Verpflichtung, denn ein Betriebsratsmitglied, das an einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzung teilnimmt und dem es deswegen unmöglich oder unzumutbar ist, seine vor oder nach der Betriebsratssitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten, hat insoweit gemäß § 37 Abs. 2 [X.] einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung ([X.] 18. Januar 2017 - 7 [X.] - Rn. 22, [X.]E 158, 31; 7. Juni 1989 - 7 [X.] - zu 3 der Gründe, [X.]E 62, 83). Demgegenüber dient der Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 [X.] der Kompensation der betriebsbedingten Aufopferung persönlicher Freizeit durch ehrenamtliche Betriebsratstätigkeit. Der bezahlten Freistellung während der Schicht vor der Betriebsratssitzung nach § 37 Abs. 2 [X.] und dem späteren Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 [X.] liegen daher unterschiedliche Schutzzwecke zu Grunde, die jeweils für sich genommen den jeweiligen Anspruch rechtfertigen. Die Gewährung von Freizeitausgleich zusätzlich zu der Freistellung in der vorherigen Schicht verschafft dem Betriebsratsmitglied daher keinen unzulässigen Vorteil.

(2) Zudem ist es dem Arbeitgeber grundsätzlich unbenommen, die von der [X.] monierte „Verdoppelung“ der zu gewährenden Freizeit und die Entstehung eines „[X.]“ dadurch zu verhindern, dass er den nach § 37 Abs. 3 [X.] entstandenen Freizeitausgleichsanspruch in einer der nächsten Schichten erfüllt, die vor einer außerhalb der Arbeitszeit zu erbringenden Betriebsratstätigkeit liegt. Das ist entgegen der Auffassung des [X.] nicht ausgeschlossen. Wie bereits der Wortlaut des § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 [X.] ergibt („ist … zu gewähren“), bedarf die Gewährung von Freizeitausgleich keiner Einigung, sondern einer empfangsbedürftigen gestaltenden Erklärung des Arbeitgebers, mit der er zum Zweck der Erfüllung des Arbeitsbefreiungsanspruchs nach § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.] auf sein vertragliches Recht auf Leistung der geschuldeten Dienste in einem bestimmten Umfang verzichtet und die Arbeitspflicht des Betriebsratsmitglieds zum Erlöschen bringt. Es handelt sich damit um eine Weisung zur Verteilung der Arbeitszeit iSv. § 106 Satz 1 GewO. Mit der Bestimmung der [X.] wird zugleich auch die [X.] bestimmt, während derer ein Arbeitnehmer keine Arbeit zu leisten hat. Beide Festlegungen unterliegen dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO. Das ermöglicht es dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach [X.], Art und Ort nach billigem Ermessen iSv. § 315 Abs. 3 BGB zu bestimmen (vgl. [X.] 19. März 2014 - 7 [X.] - Rn. 19; 15. Februar 2012 - 7 [X.] - Rn. 25). Die Grenzen billigen Ermessens sind gewahrt, wenn der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Der Arbeitgeber kann danach bei der zeitlichen Lage der Gewährung des Freizeitausgleichs nach § 37 Abs. 3 [X.] zwar nicht einseitig auf seine Bedürfnisse abstellen. Es stellt aber regelmäßig eine billigenswerte Erwägung dar, wenn der Arbeitgeber den Freizeitausgleich in eine Arbeitsschicht des Betriebsratsmitglieds legt, um arbeitszeitrechtlichen Wertungen und dem Erholungsbedürfnis des Betriebsratsmitglieds im Zusammenhang mit einer außerhalb der Schicht liegenden Betriebsratstätigkeit zu genügen.

3. Die Beklagte hat den Freizeitausgleichsanspruch entgegen der Auffassung des [X.]s nicht nach § 362 Abs. 1 BGB dadurch erfüllt, dass sie den Kläger jeweils in der vor der Betriebsratstätigkeit liegenden Nachtschicht freigestellt hat. Da der Freistellungsanspruch nach § 37 Abs. 3 [X.] erst nach der Nachtschicht infolge der außerhalb der Arbeitszeit erbrachten Betriebsratstätigkeit entstanden ist und erfüllbar wurde, war es der [X.] nicht möglich, die Freistellung rückwirkend durch Arbeitsbefreiung in der der Betriebsratstätigkeit vorausgegangenen Nachtschicht zu gewähren (vgl. [X.] 18. Januar 2017 - 7 [X.] - Rn. 41, [X.]E 158, 31). Eine Leistung vor der Entstehung des Anspruchs führt nur dann zu dessen Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB, wenn die Parteien eine entsprechende Anrechnungsabrede getroffen haben (vgl. [X.] - zu II 1 der Gründe). Das [X.] hat nicht festgestellt, dass die Parteien eine derartige [X.] bzw. Vorauserfüllungsabrede getroffen haben. Ohne entsprechende Anhaltspunkte kann auch nicht vom konkludenten Zustandekommen einer solchen Vereinbarung ausgegangen werden, zumal in der Regel der Umfang der nach der Nachtschicht anfallenden Betriebsratstätigkeit zum [X.]punkt der vorherigen Nachtschicht noch nicht feststehen dürfte.

III. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Klose    

        

    Waskow    

        

        

        

    Glock    

        

    Deinert     

                 

Meta

7 AZR 396/17

15.05.2019

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 30. März 2016, Az: 3 Ca 6849/15, Urteil

§ 37 Abs 2 BetrVG, § 37 Abs 3 BetrVG, § 78 S 2 BetrVG, § 362 Abs 1 BGB, § 611 BGB, § 106 S 1 GewO, § 315 Abs 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.05.2019, Az. 7 AZR 396/17 (REWIS RS 2019, 7282)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7282

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