Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2016, Az. XII ZB 455/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 14435

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[X.]:[X.]:BGH:2016:160316BXIIZB455.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 455/15

vom

16. März 2016

in der Betreuungssache

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 16.
März 2016
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose, die Richterin [X.] und [X.]
Klinkhammer, Dr.
Günter
und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss
der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 31.
August 2015 auf-gehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000

Gründe:
I.
Die Betroffene leidet an einer wahnhaften Störung nach operativer Ent-fernung eines Gehirntumors.
Nach mehrfachen jeweils einstweilig angeordneten Unterbringungen
der Betroffenen hat das Amtsgericht dieser im vorliegenden Verfahren einen Ver-fahrenspfleger und mit Beschluss vom 4.
Dezember 2014 den Beteiligten zu
2 als Berufsbetreuer bestellt. Der Aufgabenkreis umfasst die Gesundheitssorge, die Aufenthaltsbestimmung
einschließlich Unterbringung und unterbringungs-ähnlichen
Maßnahmen, Wohnungsangelegenheiten, Vermögenssorge mit Ein-willigungsvorbehalt, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie die 1
2
-
3
-
Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, "im Rechtsverkehr mit Unter-schriftsleistung".
Das [X.] hat die dagegen gerichtete Beschwerde nach persönli-cher Anhörung der Betroffenen (bezüglich der Unterbringung) und Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die
Rechtsbeschwerde der Betroffenen.

II.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.] und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
Auf der Grundlage der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass gemäß §
1896 Abs.
1a BGB der freie Wille der Betroffenen der Betreuung entgegensteht. Außerdem enthält der an-gefochtene Beschluss keine Begründung zur Erforderlichkeit des bezüglich der Vermögenssorge
angeordneten Einwilligungsvorbehalts.
1. Nach §
1896 Abs.
1a BGB darf gegen den freien Willen des Volljähri-gen ein Betreuer nicht bestellt werden. Wenn der Betroffene

wie hier

der Ein-richtung einer Betreuung nicht zustimmt, ist neben der Notwendigkeit einer Be-treuung stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf einem freien Willen beruht. Das fachärztlich beratene Gericht hat daher festzustellen, ob der Betroffene trotz seiner Erkrankung noch zu einer freien Willensbestim-mung fähig ist. Dabei ist der Begriff der freien Willensbestimmung im Sinne des §
1896 Abs.
1a BGB und des §
104 Nr.
2 BGB im [X.] deckungsgleich. Die beiden entscheidenden Kriterien sind dabei die Einsichtsfähigkeit des Betroffe-nen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem 3
4
5
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-
4
-
dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor (Senatsbeschlüsse vom 22.
Januar 2014

XII
ZB
632/12

FamRZ 2014, 647 Rn.
6; vom 7.
Oktober 2015

XII
ZB
58/15

FamRZ 2015, 2158 Rn.
8
f.
und vom 16.
September 2015

XII
ZB
500/14

FamRZ 2015, 2160
Rn.
12
f.).
Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grund-satz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Dabei dürfen jedoch keine über-spannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt wer-den. Auch der an einer Erkrankung im Sinne des §
1896 Abs.
1 BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu [X.]. Abzustellen ist jeweils auf das Krankheitsbild des Betroffenen. Wichtig ist das Verständnis, dass ein gesetzlicher Vertreter (§
1902 BGB) bestellt wird, der eigenständige Entscheidungen in den ihm übertragenen Aufgabenbereichen treffen kann. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite einer Be-treuung intellektuell erfassen können, was denknotwendig voraussetzt, dass er seine Defizite im Wesentlichen zutreffend einschätzen und auf der Grundlage dieser Einschätzung die für oder gegen eine Betreuung sprechenden Gesichts-punkte gegeneinander abwägen kann.
Ist der Betroffene zur Bildung eines kla-ren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss
es
ihm weiter möglich sein, nach diesem Urteil zu handeln und sich dabei von den [X.] interessierter Dritter abzugrenzen. Die Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbestimmung müssen durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (Senatsbeschlüsse vom 22.
Januar 2014

XII
ZB
632/12

FamRZ 2014, 647 Rn.
7
ff.; vom 7.
Oktober 2015

XII
ZB
58/15

FamRZ 2015, 2158 Rn.
9
f. und vom 16.
September 2015

XII
ZB
500/14

FamRZ 2015, 2160 Rn.
14
f. mwN).

7
-
5
-
Im vorliegenden Fall mangelt es dem angefochtenen Beschluss bereits an einer eindeutigen Feststellung. Das [X.]
hat lediglich angenommen, die Willensbildung bei der Betroffenen sei "deutlich eingeschränkt bis aufgeho-ben."
Damit steht aber nicht fest, dass die Betroffene zu einer Willensbildung nicht mehr in der Lage ist.
2. Des Weiteren rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass es zur Erfor-derlichkeit eines Einwilligungsvorbehalts im Sinne von §
1903 Abs.
1 BGB im angefochtenen Beschluss an einer Begründung mangelt.
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben. Die Sache ist zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das [X.] zurückzuver-weisen. Der Senat weist darauf hin, dass die weiteren von der Rechtsbe-schwerde erhobenen [X.] nicht durchgreifend sein dürften. Von einer weite-ren Begründung wird gemäß §
74 Abs.
7 FamFG abgesehen.
Dose

[X.]

Klinkhammer

Günter

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.12.2014 -
XVII 147/14 -

LG Gera, Entscheidung vom 31.08.2015 -
5 [X.] -

8
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Meta

XII ZB 455/15

16.03.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2016, Az. XII ZB 455/15 (REWIS RS 2016, 14435)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14435

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