Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.05.2010, Az. 3 StR 62/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 6856

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Verfallsanordnung: Wertersatzverfall bei Zahlung des Kaufpreises für eine Drogenlieferung im Auftrag des Käufers durch einen Dritten


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2009 im Ausspruch über den Verfall mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es gegen ihn den Verfall von 31.000 € angeordnet und ausgesprochen, dass "auf diesen Betrag … die am 19.03.2009 sichergestellten und durch Anordnung der Staatsanwaltschaft vom 22.06.2009 gepfändeten 8.920 € sowie der Erlös aus der Verwertung des sichergestellten Pkw [X.] anzurechnen" sind. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, die er auf mehrere Verfahrensrügen und die allgemeine Sachrüge stützt. Das Rechtsmittel hat auf die Sachrüge zum Ausspruch über den Verfall Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Zu der Verfahrensrüge, es habe bei dem Urteil [X.] mitgewirkt, dessen Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit mit Unrecht verworfen worden ist (§ 338 Nr. 3 StPO), weist der Senat ergänzend zur Antragsschrift des [X.] hinsichtlich der Beanstandung, die Anklageschrift sei von dem abgelehnten Vorsitzenden der [X.] deshalb nicht wirksam an den Wahlverteidiger zugestellt worden, weil sich dessen schriftliche Vollmacht zu diesem Zeitpunkt nicht bei den Akten befunden hatte, auf seinen Beschluss vom 15. Januar 2008 - 3 [X.]/07 - hin.

3

2. Der Ausspruch des [X.]s über die Anordnung des Verfalls hat keinen Bestand. Die [X.] hat im Fall II. 1. der Urteilsgründe zu Unrecht das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen angenommen und ferner eine Anrechnung auf den Verfallsbetrag angeordnet, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt.

4

Das [X.] hat den ausgesprochenen Verfallsbetrag im Wesentlichen - und insoweit rechtsfehlerfrei - unter Anwendung des Bruttoprinzips aus den festgestellten, vom Angeklagten in den Fällen [X.] bis 5. der Urteilsgründe vereinnahmten Verkaufserlösen errechnet (insgesamt 29.165 €). Im Fall II. 1. der Urteilsgründe hat es demgegenüber den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von (weiteren) 2.000 € damit begründet, dass der an diesem Drogengeschäft beteiligte Mitangeklagte [X.] einen solchen Geldbetrag aus seinem Vermögen für den Angeklagten und in dessen Auftrag an einen Unbekannten in [X.] gezahlt hat. Dadurch sei der Angeklagte in dieser Höhe "von dem Zahlungsverlangen des Verkäufers frei" geworden und habe "den Betrag somit erhalten". Dies kann die Anordnung von [X.] in dieser Höhe nicht rechtfertigen.

5

Die Anordnung von Verfall nach § 73 Abs. 1, § 73 a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der an einer rechtswidrigen Tat (als Täter oder Teilnehmer) Beteiligte für die Tat oder aus dieser etwas erlangt hat. Der Begriff "etwas" umfasst die Gesamtheit des materiell [X.] (sog. Bruttoprinzip). Aus der Tat sind alle Vermögenswerte erlangt, die dem Tatbeteiligten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes zufließen (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 73 Rdn. 7 ff.). Daran gemessen ist das [X.] zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe 2.000 € im Sinne der Verfallsvorschriften erlangt hat. Da weder der Angeklagte oder sein Tatgenosse noch der Lieferant über die entsprechenden Erlaubnisse verfügten, verstieß das Drogengeschäft gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG), die daran Beteiligten machten sich strafbar (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG). Der Kaufvertrag war daher nichtig (§ 134 BGB; [X.], BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 15 m. w. N.). Somit hatte der [X.] durch Abschluss des Betäubungsmittelgeschäfts weder einen Kaufpreisanspruch (§ 433 Abs. 2 BGB) über 2.000 € noch andere zivilrechtliche Ansprüche in dieser Höhe erworben, von denen der Angeklagte durch die festgestellte Zahlung hätte frei werden können. Im Übrigen hätte der Angeklagte durch die Zahlung des Tatbeteiligten an den [X.]en, deren rechtlichen und tatsächlichen Hintergrund das [X.] nicht festgestellt hat, selbst bei zivilrechtlicher Wirksamkeit des Geschäfts nach den getroffenen Feststellungen die 2.000 € nicht unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erlangt.

6

Ferner ist die Verfallsanordnung auch insoweit rechtsfehlerhaft, als das [X.] ausgesprochen hat, dass auf den Verfallsbetrag 8.920 € Bargeld sowie der Erlös aus der Verwertung des sichergestellten Pkw anzurechnen seien. Die Anordnung einer solchen Anrechnung ist rechtlich nicht möglich. Wie sich aus den Urteilsgründen eindeutig ergibt, hat das [X.] vom Verfall dieser Vermögensbestandteile nach der Härtevorschrift des § 73 c Abs. 1 StGB aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abgesehen. Dies hat indes nicht die Anordnung einer Anrechnung zur Folge; vielmehr hätte das [X.] diese Werte von dem nach dem Bruttoprinzip [X.] in Abzug bringen und den Verfall des danach verbleibenden Betrages anordnen müssen. Allerdings leidet die Verfallsanordnung insoweit zusätzlich unter dem rechtlichen Mangel, dass der sich aus einer Verwertung des Pkw ergebende Erlös nicht feststeht.

7

Wegen dieser Rechtsfehler bedarf die Anordnung des Verfalls neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat weist den neuen Tatrichter darauf hin, dass die Annahme einer unbilligen Härte im Sinne von § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht kommt (vgl. [X.], 86; [X.] 73 c Rdn. 3).

[X.]     

Pfister     

     Sost-Scheible

[X.] befindet sich
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

Hubert     

[X.]

Meta

3 StR 62/10

06.05.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 15. Oktober 2009, Az: 1 KLs 76/09 - 960 Js 36630/08, Urteil

§ 73 StGB, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.05.2010, Az. 3 StR 62/10 (REWIS RS 2010, 6856)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6856

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 62/10 (Bundesgerichtshof)


4 StR 76/12 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubtes Handeln mit Betäubungsmitteln: Voraussetzungen der unterschiedlichen rechtlich möglichen Verfallsanordnungen


3 StR 579/08 (Bundesgerichtshof)


4 StR 76/12 (Bundesgerichtshof)


1 StR 75/11 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikt: Strafzumessung bei verspäteter Aufklärungshilfe; Erörterung der Härtefallregelung bei Anordnung des Verfalls


Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 62/10

1 StR 19/22

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.