Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.03.2006, Az. IX ZB 19/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 4598

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.][X.] vom 9. März 2006 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 290 Abs. 1 Nr. 2 Eine schriftliche Erklärung des Schuldners liegt auch dann vor, wenn eine Urkunds-person dessen Erklärungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit in einer öffentlichen Ur-kunde niederlegt. [X.], [X.]uss vom 9. Februar 2006 - [X.] - [X.] AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] am 9. März 2006 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uss der 1. Zivilkammer des [X.]s [X.] vom 7. Dezember 2004 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen. Der Wert des [X.] wird auf 4.000 Euro fest-gesetzt. Gründe: [X.] Auf Antrag des Schuldners, eines Zahnarztes, wurde über sein Vermö-gen am 17. September 2001 ein Insolvenzverfahren eröffnet, in dem er Rest-schuldbefreiung begehrt. Der (weitere) Beteiligte zu 2 (Finanzverwaltung) bean-tragte im Schlusstermin, die Restschuldbefreiung zu versagen, weil der Schuld-ner bei einem erfolglosen Vollstreckungsversuch am 15. Januar 2001 gegen-über dem Gläubiger hinsichtlich seiner Erwerbstätigkeit falsche Angaben [X.] habe. Aus diesem Grund hat das Insolvenzgericht die Restschuldbefrei-ung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] versagt. Die sofortige Beschwerde des 1 - 3 - Schuldners hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde. I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6 Abs. 1, 289 Abs. 2 Satz 1 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575 ZPO). Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet; die [X.] haben dem Schuldner mit Recht die begehrte Restschuldbefreiung versagt. 2 1. Das [X.] hat ausgeführt, der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] liege vor. Der Schuldner habe selbst eingeräumt, gegenüber dem Vollziehungsbeamten des Gläubigers am 15. Januar 2001 unwahre Anga-ben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht zu haben. Er habe wahr-heitswidrig angegeben, zur [X.] erwerbslos zu sein, während er in Wahrheit in einer Zahnarztpraxis gegen Entgelt als Assistent beschäftigt gewesen sei. Aus diesem Grund sei in der [X.] von Februar bis Oktober 2001 der Zugriff auf die pfändbaren Anteile aus dem Nettoeinkommen in Höhe von insgesamt 8.203,50 DM unterblieben. Unerheblich sei, dass der Schuldner die Aufzeich-nung seiner Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht unterzeichnet habe. 3 2. Der angefochtene [X.]uss hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. 4 a) Gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist die Restschuldbefreiung auf recht-zeitigen Antrag eines Insolvenzgläubigers zu versagen, wenn der Schuldner in 5 - 4 - den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Da der Schuldner ein-räumt, wahrheitswidrig seine Erwerbstätigkeit verschwiegen zu haben, kommt es für den objektiven Tatbestand dieses [X.] allein darauf an, ob der Schuldner schriftlich unrichtige Angaben gemacht hat. Dies ist indes zu bejahen. [X.]) Mit der Beschränkung des § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] auf schriftliche Angaben wollte der Gesetzgeber die Feststellung erleichtern, ob der [X.] vorliegt (BT-Drucks. 12/2443 [X.], Begründung zu § 239 [X.]). Die gerichtliche Entscheidung darüber sollte nicht von - unter Umständen lang-wierigen und aufwändigen - Beweiserhebungen abhängen ([X.], [X.]. v. 22. Mai 2003 - [X.] ZB 456/02, [X.], 1382, 1383). Der Schuldner hat aber auch dann schriftlich unrichtige Angaben gemacht, wenn er die entsprechenden Erklärungen nicht selbst formuliert, sondern durch einen Dritten hat abfassen lassen. § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] setzt kein vom Schuldner unterzeichnetes [X.] Schriftstück voraus. [X.] schriftliche Angaben, die der Schuldner zwar nicht persönlich niedergelegt hat, die jedoch mit seinem Wissen und seiner Billigung an den Empfänger weitergeleitet worden sind, entsprechen daher dem Unrechtsgehalt, den § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] sanktionieren will; sie werden von der Vorschrift in gleicher Weise erfasst ([X.] 156, 139, 144). Dar-auf, ob der Schuldner seine von einem Dritten niedergelegten Angaben [X.] durchgelesen hat, bevor dieser sie an den Gläubiger weitergeleitet hat, kommt es nicht an (vgl. [X.], [X.]. v. 21. Juli 2005 - [X.] ZB 80/04, [X.], 1858, 1859). 6 - 5 - [X.]) Danach hat der Schuldner schriftlich unwahre Angaben gemacht: 7 (1) Er hat selbst eine schriftliche Erklärung abgegeben. Zwar trifft es zu, dass der Schuldner die Aufzeichnungen des [X.] über seine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht gesondert unterzeichnet hat. Er hat aber die Nie[X.]chrift über die fruchtlose Pfändung des Finanzamts B. am 15. Januar 2001 unterzeichnet. In diesem Protokoll heißt es unter Ziff. 3.3. ausdrücklich: "Ich habe die angetroffene Person zu den wirtschaftli-chen Verhältnissen d. Vs. [des [X.]] - insbesondere zu ausstehenden Forderungen und anderen Vermögenswerten - befragt und die Antworten in der Anlage (Vordruck Nr. 767/17) festgehalten." Auch dieser [X.] auf die - hier unrichtigen - Angaben des Schuldners ist von seiner [X.] Unterschrift gedeckt; denn der Schuldner unterzeichnete das Protokoll unterhalb des von Hand gekennzeichneten vorgedruckten Textes: "Die [X.] ist den Beteiligten zur Durchsicht vorgelegt worden. – Die Nie[X.]chrift wurde genehmigt und unterschrieben." Das gilt auch für die Anlage; denn diese ist durch die Bezugnahme Bestandteil der Nie[X.]chrift geworden. 8 (2) Auch wenn man nicht von eigenen schriftlichen Angaben des [X.] ausgehen wollte, sind die Anforderungen erfüllt, die der Senat in seiner in [X.] 156, 139, 144 abgedruckten Entscheidung aufgestellt hat. Das [X.] hat ausdrücklich festgestellt, dass der Vollziehungsbeamte die Auskunft des Schuldners in seinem Beisein und mit dessen Billigung schriftlich [X.] hat. Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge der Rechtsbeschwerde er-achtet der Senat nicht für durchgreifend; von einer Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 2, § 564 Satz 1 ZPO abgesehen. In Fällen, in denen - wie hier - eine Urkundsperson im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Erklärungen des Schuldners mit dessen Kenntnis und Billigung in einer öffentlichen Urkunde [X.] - 6 - derlegt, ist von einer eigenen schriftlichen Erklärung des Schuldners auszuge-hen. Im Blick auf die den Vollziehungsbeamten treffenden Dienstpflichten steht dem nicht der Umstand entgegen, dass dieser an sich dem Lager des betrei-benden Gläubigers zuzurechnen ist. Die Vorinstanz hat weiter festgestellt, der Schuldner habe eingeräumt, sein Monatseinkommen verschwiegen zu haben, um eine Lohnpfändung zu vermeiden; damit hatte er in den Monaten Februar 2001 bis Oktober 2001 auch Erfolg. Somit hat das [X.] festgestellt, dass die unwahren, vom [X.] niedergelegten Angaben des Schuldners mit dessen Wissen und Billigung an das die Vollstreckung betrei-bende Finanzamt weitergeleitet worden sind. (3) Fehl geht der Hinweis der Rechtsbeschwerde auf Äußerungen in der Literatur, wonach unzutreffende Erklärungen im Rahmen einer Zwangsvollstre-ckung unbeachtlich sein sollen ([X.]/[X.], [X.] 12. Aufl. § 290 Rn. 30; [X.] in Kübler/Prütting, [X.] § 290 Rn. 10a; FK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 290 Rn. 23; MünchKomm-[X.]/[X.], § 290 Rn. 36). Denn damit sind nur solche Fälle gemeint, in denen der durch den subjektiven Tatbestand geforderte Zusammenhang mit dem Ziel, Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden, nicht besteht (deutlich etwa [X.], [X.] und [X.], jew. [X.]O). Liegt dieser Zusammenhang hingegen - wie hier (s.u. [X.]. b) - vor, erfüllen auch unrichtige Angaben gegenüber dem Vollstreckungsbeamtem des Finanzamts den [X.] des § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] (so auch für die hier gegebene Fallgestaltung [X.] NZI 2003, 664; ferner [X.], [X.] Rn. 383 bis 385; [X.]. [X.], 399, 401). 10 Die weitere Einwendung der Rechtsbeschwerde, der Schuldner habe die Feststellungen des [X.] über seine wirtschaftlichen [X.] nicht zu lesen bekommen, verfängt nicht. Zum einen war es Sache des 11 - 7 - - in [X.] erfahrenen - Schuldners, ob er eine [X.] erst nach Durchsicht auch der Anlagen durch seine Unterschrift geneh-migt. Zum anderen behauptet er selbst nicht, dass die schriftliche Wiedergabe seiner Angaben zu der angeblichen Erwerbslosigkeit durch den [X.] nicht zutrifft. [X.]) Entgegen der im Schrifttum teilweise erhobenen Kritik an der Ent-scheidung [X.] 156, 139, 144 ([X.] Z[X.] 2004, 647, 657; [X.]. [X.] § 290 [X.] 1.04; HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 290 Rn. 5; zust. hingegen [X.], [X.]O § 290 Rn. 11; [X.] [X.]O; [X.] LMK 2004, 39, 40; Rigol [X.]Report 2003, 1442, 1443) hat der Senat den abschließenden Charakter des Katalogs des § 290 Abs. 1 [X.] nicht verkannt (so bereits [X.], [X.]. v. 22. Mai 2003, [X.]O), sondern das Tatbestandsmerkmal "schriftlich" entspre-chend dem Sinn und Zweck des in § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] normierten [X.] ausgelegt. Die vom Gesetzgeber angestrebten Beweiser-leichterungen (BT-Drucks. 12/2443 [X.]) bleiben auch dann gewahrt. Der Senat teilt für die bisher entschiedenen Fallgruppen nicht die Einschätzung, die Feststellung, ob "Wissen und Billigung" des Schuldners vorliegen, werde prakti-sche Schwierigkeiten verursachen. Im Gegenteil wird sich auf der Grundlage der zum subjektiven Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zu treffenden Feststellungen regelmäßig auch diese Frage beantworten lassen. 12 - 8 - b) Das [X.] hat festgestellt, der Schuldner habe absichtlich fal-sche Angaben gemacht, um eine Lohnpfändung zu vermeiden. Hiergegen [X.] sich die Rechtsbeschwerde nicht. Damit ist auch der subjektive Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erfüllt. 13 [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 20.09.2004 - 72 IK 97/01 - [X.], Entscheidung vom 07.12.2004 - 1 T 485/04 -

Meta

IX ZB 19/05

09.03.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.03.2006, Az. IX ZB 19/05 (REWIS RS 2006, 4598)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4598

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZB 37/03 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 456/02 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 174/03 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 17/08 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 260/10 (Bundesgerichtshof)

Restschuldbefreiung: Versagungsgrund bei unrichtigen Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber Dritten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.