Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.06.2016, Az. 3 StR 221/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 8982

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Gegenstand

Betäubungsmitteldelikt: Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme an der Einfuhr von Betäubungsmitteln


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2015 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte in den Fällen [X.], 12., 14. und 15. der Urteilsgründe verurteilt worden ist;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;

c) im [X.].

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen unerlaubten" Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen, davon in vier Fällen ([X.], 12., 14. und 15. der Urteilsgründe) in Tateinheit mit "gemeinschaftlicher unerlaubter" Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt und zudem seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Außerdem hat es bestimmt, dass acht Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor dem Vollzug der Maßregel zu vollstrecken sind. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch in den Fällen [X.], 13. und 16. der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen hat das Urteil keinen Bestand, soweit der Angeklagte in den Fällen [X.], 12., 14. und 15. der [X.] wegen - gemeinschaftlich begangener - Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Zudem hält die Anordnung der Maßregel sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

3

1. Nach den zu den Fällen [X.], 12., 14. und 15. der Urteilsgründe vom [X.] getroffenen Feststellungen bestellte in allen Fällen die nichtrevidierende frühere Mitangeklagte, die Lebensgefährtin des Angeklagten, telefonisch bei unbekannt gebliebenen Personen in den [X.] Heroin (in Fall [X.] zusätzlich 3 g Kokain), ließ sich in der Folge von der Schwester des Angeklagten mit deren Pkw in die [X.] fahren, holte dort die Betäubungsmittel ab und brachte sie in das [X.] in die gemeinsam mit dem Angeklagten bewohnte Wohnung. Der Angeklagte wartete währenddessen zu Hause und hielt - falls erforderlich - telefonischen Kontakt. In einem Fall ([X.]) telefonierte auch der Angeklagte im Vorfeld der Abholung der Betäubungsmittel wegen des Termins mit dem unbekannten Verkäufer. Die Betäubungsmittel waren nach dem gemeinsamen Tatplan des Angeklagten und seiner Lebensgefährtin abzüglich eines zum Eigenkonsum bestimmten Anteils zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. In allen Fällen wurde ein Teil der eingeführten Betäubungsmittel in der Folge an die gesondert Verfolgten [X.]und [X.]verkauft. Mit dem Gewinn sollte der gemeinsame Lebensunterhalt sowie der eigene Drogenkonsum des Angeklagten und seiner Lebensgefährtin finanziert werden.

4

Diese Feststellungen tragen die vom [X.] in Bezug auf die Einfuhr der Betäubungsmittel angenommene Mittäterschaft des Angeklagten (§ 25 Abs. 2 StGB) nicht. Zwar ist es nicht erforderlich, dass der Täter der Einfuhr das Rauschgift eigenhändig ins Inland verbringt. Vielmehr kann auch derjenige, der die Betäubungsmittel nicht selbst nach [X.] transportiert, (Mit-)Täter der Einfuhr des unmittelbar handelnden Täters sein, wenn er einen Tatbeitrag erbringt, der sich bei wertender Betrachtung nicht nur als Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der zur Tatbestandsverwirklichung führenden Tätigkeit aller Mitwirkenden darstellt, und der die Tathandlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen [X.] erscheinen lässt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 22. Juli 1992 - 3 [X.], [X.]St 38, 315, 319; Beschluss vom 5. April 2016 - 3 StR 554/15, [X.], 209, 210; jeweils mwN). Wesentliche Anhaltspunkte für die Täterschaft sind dabei der Grad seines Eigeninteresses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. Juli 1991 - 1 [X.], [X.]St 38, 32, 33; vom 31. März 2015 - 3 [X.], [X.], 259, 260). Entscheidender Bezugspunkt für all diese Merkmale ist der Einfuhrvorgang selbst, wobei dem Interesse des mit den zu beschaffenden Betäubungsmitteln Handel Treibenden am Gelingen des [X.] keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. Mai 2014 - 3 [X.], [X.], 633; vom 2. Juni 2016 - 1 [X.], juris Rn. 3 f.; Körner/[X.]/[X.], BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 5 Rn. 166 mwN). Auch der im Inland aufhältige Empfänger von Betäubungsmitteln aus dem Ausland kann wegen täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln strafbar sein, wenn er sie durch Dritte über die Grenze bringen lässt und dabei mit Täterwillen die Tatbestandsverwirklichung fördernde Beiträge leistet. Hat der Empfänger hingegen keinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang und wartet nur darauf, dass der Lieferant ihm die eingeführten Betäubungsmittel bringt, kann er sich zwar etwa wegen einer Bestellung des Rauschgifts wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar machen; die bloße Bereitschaft zur Entgegennahme der eingeführten Betäubungsmittel begründet aber weder die Stellung als Mittäter noch als Gehilfe der Einfuhr (Körner/[X.]/[X.], BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 5 Rn. 167 mwN).

5

Nach diesen Maßstäben begegnet die Einordnung der Beteiligung des Angeklagten als Mittäterschaft an der Einfuhr durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Angeklagte hatte zwar ein nicht unerhebliches Interesse an dem Erwerb der Betäubungsmittel sowie deren Transport nach [X.], da er diese teilweise mitverkaufen und teilweise selbst konsumieren wollte. Dies begründet hier jedoch mit Blick auf den Umfang seiner Tatbeteiligung und seine fehlende Tatherrschaft ebenso wenig eine (Mit-)Täterschaft an der Einfuhr wie der Umstand, dass er jeweils - falls erforderlich - telefonischen Kontakt hielt. Es bleibt nach den getroffenen Feststellungen bereits unklar, ob der Angeklagte während der [X.] tatsächlich mit seiner Lebensgefährtin telefonierte und unter welchen Umständen ein Telefonkontakt erforderlich werden konnte oder sollte. Den Feststellungen lässt sich daher nicht entnehmen, dass der Angeklagte einen auch nur geringen Einfluss auf den konkreten Transport der Betäubungsmittel von den [X.] nach [X.] hatte. Diesen führte vielmehr allein seine ebenfalls mit erheblichem Eigeninteresse handelnde Lebensgefährtin aus. Bei dem Erwerb der Betäubungsmittel war der Angeklagte ebenso wenig zugegen wie bei der sich anschließenden Rückfahrt nach [X.]. Der vom [X.] festgestellte gemeinsame Tatplan und das im Vorfeld zur Tat [X.] der Urteilsgründe von dem Angeklagten mit dem Verkäufer geführte Telefonat vermag die rechtliche Einordnung dieser Tatbeiträge durch das [X.] nicht zu rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn dem Tatrichter bei der vorzunehmenden Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen sein sollte, der nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung zugänglich ist (vgl. [X.], Urteile vom 17. Oktober 2002 - 3 [X.], [X.], 253, 254 und vom 10. Dezember 2013 - 5 [X.], juris Rn. 10). Denn ein solcher Beurteilungsspielraum wäre aus den dargelegten Gründen hier jedenfalls überschritten.

6

Die Sache bedarf daher insoweit neuer tatgerichtlicher Verhandlung und Entscheidung. Es ist nicht auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere, über die bisherigen Feststellungen hinausgehende Umstände festgestellt werden können, welche die Annahme rechtfertigen, der Angeklagte habe sich an der Einfuhr als (Mit-)Täter, Anstifter oder Gehilfe beteiligt.

7

Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln bedingt auch die Aufhebung des - für sich genommen [X.] - Schuldspruchs wegen tateinheitlich verwirklichten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie der Gesamtstrafe. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, sieht der Senat davon ab, die insoweit bislang getroffenen Feststellungen auch nur teilweise bestehen zu lassen.

8

2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.

9

Zwar hat das [X.] rechtsfehlerfrei einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von Betäubungsmitteln, den symptomatischen Zusammenhang zwischen diesem und den abgeurteilten Taten sowie auch die Gefahr festgestellt, dass der Angeklagte aufgrund seines Hangs weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird (§ 64 Satz 1 StGB). Indes ergeben die Urteilsgründe nicht hinreichend, dass die erforderliche konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg im Sinne des § 64 Satz 2 StGB besteht. Ein solcher ist nur dann anzunehmen, wenn die Entzugsbehandlung voraussichtlich innerhalb der in § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB für diese Maßregel festgesetzten Höchstfrist zum Erfolg führen kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. April 2012 - 3 [X.], [X.]R StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1; vom 15. April 2014 - 3 [X.], NStZ-RR 2014, 212, 213). Dies bleibt nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen offen, weil es die voraussichtliche Dauer für eine erfolgreiche Therapie nicht festgestellt hat. Eine präzise Prognose hinsichtlich der voraussichtlich notwendigen Dauer des [X.] ist zudem Voraussetzung für die Bemessung eines etwa vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe (vgl. [X.], Beschluss vom 27. März 2013 - 4 [X.], juris Rn. 3 mwN). Die Anordnung der Maßregel kann daher keinen Bestand haben. Da es möglich erscheint, dass ein sachverständig beratener neuer Tatrichter zu der Prognose gelangt, die erforderliche Dauer einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt werde (voraussichtlich) zwei Jahre nicht übersteigen, bedarf die Sache auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Durch die Aufhebung der Anordnung der Maßregel ist zugleich die Anordnung über den [X.] gegenstandslos.

Becker                            Schäfer                            Mayer

                  Gericke                            Spaniol

Meta

3 StR 221/16

30.06.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mönchengladbach, 18. Dezember 2015, Az: 22 KLs 13/15

§ 30 Abs 1 Nr 4 BtMG, § 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.06.2016, Az. 3 StR 221/16 (REWIS RS 2016, 8982)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8982

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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