19. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 12525
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Die Berufung des Klägers gegen das am 22.9.2015 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bonn (18 O 30/15) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die Vollstreckbarkeit nach diesem Beschluss richtet.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
G r ü n d e :
I.
Die Parteien streiten über die Höhe eines Ausgleichsanspruchs.
Der Kläger war vom 1.10.1975 bis zum 30.11.1984 als angestellter Versicherungskaufmann bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt, bevor er vom 1.12.1984 bis zum 31.12.2013 als deren selbstständiger Versicherungsvertreter – zuletzt als Leiter der Bezirksdirektion in A – tätig war. Zum 1.7.1985 schloss die Beklagte für den Kläger als Begünstigten eine Kapitallebensversicherung ab (vgl. Anlage 6 zur Klageschrift sowie Anlage B 5), für die teilweise leistungsunabhängige und teilweise von der Leistung des Klägers abhängige Beitragszahlungen der Beklagten erfolgten. Die Lebensversicherung endete zum 1.7.2011 durch Zeitablauf und wurde in Höhe von 160.378,04 € an den Kläger ausgezahlt. Am 18.2.2013 berechnete die Beklagte den Ausgleichsanspruch des Klägers nach den „‘Grundsätzen zur Errechnung Ausgleichsanspruchs‘ in der Fassung vom April 1968“ auf 214.737,67 € (Anlage 1 zur Klageschrift) und zahlte nach Abzug des kapitalisierten Arbeitgeberanteils der Altersversorgung in Höhe von 160.378,04 € an den Kläger einen Betrag von 54.349,63 €. Im Anschluss daran kam es zu Schriftwechsel wegen des nach Auffassung des Klägers unberechtigten Abzugs des Werts der Altersversorgung und wegen der Erteilung eines Buchauszugs (Anlagen A 2 ff. zur Klageschrift).
Der Kläger hat in erster Instanz eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 160.378,04 € nebst Zinsen und außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten beantragt sowie die Auffassung vertreten, dass keine wirksame Vereinbarung über die Anrechnung des Barwerts der Lebensversicherung auf den Ausgleichsanspruch zustande gekommen sei und die Anrechnung im Übrigen auch nicht der Billigkeit entspreche, weil – wie er in der mündlichen Verhandlung vom 25.8.2015 (Bl. 55 GA) behauptet hat – auf die Lebensversicherungssumme Sozialabgaben in Höhe von ca. 44.000,00 € angefallen seien. Seines Erachtens fehle es ferner am Merkmal der Freiwilligkeit, da die Einzahlung nicht ausschließlich aus freiwilligen Leistungen der Beklagten, sondern auch aus leistungsbezogenen Anteilen (Bonifikationen) zum Aufbau einer zusätzlichen Altersversorgung stamme. Insofern liege auch keine Doppelbelastung der Beklagten vor. Zudem zeigten die unterschiedlichen Fälligkeitstermine der Lebensversicherung einerseits und des Ausgleichsanspruchs andererseits, dass die Zusatzversorgung nicht zur Substitution des Ausgleichs diene.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt sowie das Vorbringen des Klägers zur Zahlung von Sozialversicherungsabgaben auf die Lebensversicherungssumme bestritten und als verspätet gerügt.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Altersversorgung allein aus Mitteln der Beklagten finanziert worden sei, die Anrechnung der zeitnah zur Beendigung des Versicherungsvertreterverhältnisses ausgezahlten Lebensversicherung zur Vermeidung einer Doppelbelastung der Beklagten der Billigkeit entspreche und die Provisionszahlungen an den Kläger nicht wegen der Zusatzversorgung gekürzt worden seien, sondern die Leistungsabhängigkeit lediglich als Bemessungsgrundlage gedient habe. Anzurechnen sei wegen des Versorgungscharakters die an den Kläger geleistete Zahlung und nicht die Einzahlung der Beklagten. Eine Reduzierung sei auch nicht im Hinblick auf eventuelle Sozialbeiträge vorzunehmen, da diese ebenso wie etwaige Steuervor- oder –nachteile unerheblich seien. Die Anrechnungsvereinbarung sei unabhängig von deren rechtlicher (Un-) Wirksamkeit bei der Billigkeitsentscheidung berücksichtigungsfähig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem Urteil vom 22.9.2015 (Bl. 59 ff. GA) Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt sowie sein Vorbringen aus erster Instanz wiederholt, vertieft und ergänzt. Der Kläger behauptet, dass die Anrechnung der Altersversorgung, bei der er nicht Versicherter oder Versicherungsnehmer, sondern nur Begünstigter gewesen sei, zu einem finanziellen Verlust in Höhe von 47.499,97 € geführt habe. Wegen der Einzelheiten seiner Berechnung wird auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung (Seite 4 = Bl. 106 GA) verwiesen. Ferner behauptet der Kläger, die Altersvorsorge sei ihm von der Beklagten aufgedrängt worden, die durch die Vertragsgestaltung erhebliche steuerliche Vorteile gehabt habe. Über die damit für ihn verbundenen Nachteile und etwaige Alternativen sei er nicht informiert worden, wozu die Beklagte jedoch seines Erachtens verpflichtet gewesen wäre. Schließlich bekräftigt der Kläger seine Auffassung, dass es sich bei den Einzahlungen nicht um freiwillige Leistungen der Beklagten gehandelt habe.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 160.378,04 € zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2014 und weitere 2.874,92 € zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und hält die Berufung hinsichtlich des über 47.499,97 € hinausgehenden Betrags für unzulässig. Ferner bestreitet sie den Anfall von nicht belegten Steuern und Sozialabgaben auf die Lebensversicherungssumme und die Berechnungen in der Berufungsbegründung, die sie für nicht nachvollziehbar hält, und rügt deren Verspätung. Auch in der Sache sei das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der volle Barwert der Lebensversicherung auf den dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen Ausgleichsanspruch anzurechnen ist.
Der Senat hat durch Beschluss vom 18.3.2016 auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO hingewiesen. Der Kläger hat hierzu mit Schriftsatz vom 18.4.2016 Stellung genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien und des Prozessverlaufs wird auf den genannten Beschluss (Bl. 138 ff. GA) und den o.g. Schriftsatz des Klägers (Bl. 145 ff. GA) sowie den sonstigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung des Rechtsmittels durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor. Zur Begründung wird zunächst auf die nachfolgend wiedergegebenen Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 18.3.2016 verwiesen:
Die Berufung des Klägers ist entgegen den von der Beklagten geäußerten Bedenken insgesamt zulässig, weil sich sowohl aus dem Antrag als auch aus der Begründung hinreichend deutlich ergibt, dass der Kläger die erstinstanzliche Entscheidung in vollem Umfang angreift, weil seines Erachtens eine Anrechnung der Lebensversicherungssumme in Höhe von 160.378,04 € überhaupt nicht zu erfolgen habe.
Das danach zulässige Rechtsmittel hat jedoch in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 160.378,04 € aus § 89 b HGB oder einem anderen Rechtsgrund. Zur Begründung kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen werden. Das Berufungsvorbringen führt nicht zu einer abweichenden Entscheidung.
Dass der kapitalisierte „Arbeitgeberanteil“ der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zugunsten des Klägers abgeschlossenen Kapitallebensversicherung sich auf den mit der Klage begehrten Betrag beläuft, ist zwischen den Parteien ebenso unstreitig wie die sonstige Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Klägers nach Beendigung des Versicherungsvertreterverhältnisses zur Beklagten. Die danach allein streitige Anrechnung von 160.378,04 € auf den Ausgleichsanspruch erfolgte zu Recht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt Urteil vom 8.5.2014 – VII ZR 282/12, in: NJW-RR 2014, 928 ff. m.w.N.), der sich der Senat in ständiger Rechtsprechung anschließt (vgl. etwa Beschluss vom 20.10.2014 – 19 U 67/14, abrufbar bei juris, und Urteil vom 28.11.2014 – 19 U 71/14, abrufbar bei juris), ist auf einen nach den sog. Grundsätzen berechneten Ausgleichsanspruch eines Versicherungsvertreters aus Billigkeitsgründen die aus Leistungen des Versicherungsunternehmens aufgebaute Altersversorgung in Höhe ihres Kapitalwerts anzurechnen, selbst wenn die insoweit in den Grundsätzen getroffene Regelung unwirksam ist.
Auf eine vertragliche Verpflichtung des Unternehmers zu entsprechenden Leistungen kommt es danach nicht an, sondern das vom Kläger hervorgehobene - seines Erachtens nicht erfüllte - Erfordernis einer Freiwilligkeit wird lediglich bei einer gesetzlichen Verpflichtung zu verneinen sein, die vorliegend nicht bestand. Vielmehr hat sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten im vorstehenden Sinne zwar aufgrund vertraglicher Vereinbarung, aber „freiwillig“ gegenüber dem Kläger verpflichtet, zu dessen Gunsten eine Kapitallebensversicherung abzuschließen und hierauf Zahlungen zu leisten, mögen diese auch – teilweise – vom Leistungserfolg des Klägers abhängig gewesen sein (vgl. auch Senat, Beschluss vom 20.10.2014 – 19 U 67/14, abrufbar bei juris). Dass es hierdurch zu Einbußen bei den laufenden (Provisions-) Einnahmen des Klägers gekommen wäre, so dass der Wert der Lebensversicherung, soweit er auf den Ausgleichsanspruch angerechnet wurde, unmittelbar aus eigenen Mitteln des Klägers finanziert worden wäre, macht er selbst nicht geltend. Dass die Tätigkeit des Klägers und der damit korrespondierende wirtschaftliche Nutzen für die Beklagte die Höhe der von der Beklagten erbrachten Einzahlungen mitbestimmt haben, ändert nichts an der Freiwilligkeit der Leistungen und/oder am Vorliegen einer Doppelbelastung der Beklagten. Schließlich wird die Erfüllung dieses Erfordernisses auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Altersvorsorgemaßnahme und/oder deren konkrete vertragliche Ausgestaltung dem Kläger – wie er behauptet – von der Beklagten „aufgedrängt“ worden wäre. Abgesehen davon, dass das diesbezügliche Vorbringen des Klägers wenig konkret und nicht erwiderungsfähig ist, ist auch nicht ersichtlich, dass und ggf. weshalb der Kläger sich einem entsprechenden Anliegen der Beklagten (bzw. ihrer Rechtsvorgängerin) nicht widersetzen konnte.
Auch der zeitliche Abstand zwischen der Fälligkeit des Lebensversicherungsvertrages am 1.7.2011 und der Beendigung des Vertragsverhältnisses der Parteien zum 31.12.2013 steht der Zulässigkeit einer Anrechnung nicht entgegen. Nur eine erhebliche zeitliche Divergenz zwischen dem Auszahlungsdatum der betrieblichen Altersversorgung und dem Ende des Versicherungsvertretervertrages stellt die für eine Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch erforderliche „funktionelle Verwandtschaft“ zwischen Ausgleich und Altersversorgung in Frage (vgl. etwa Staub, in: Emde, Großkommentar HGB, 5. Auflage 2008, § 89 b HGB Rn 167 m.w.N., wonach sogar eine Fälligkeitsdifferenz von – mindestens - 12 Jahren einer Anrechnung nicht entgegen steht). Hiervon kann vorliegend keine Rede sein, da zwischen der Auszahlung der Lebensversicherung und der Beendigung der Versicherungsvertretertätigkeit lediglich 2 ½ Jahre lagen (vgl. auch Senat, Urteil vom 28.11.2014 – 19 U 71/14, abrufbar bei juris).
Die Anrechnung ist schließlich auch nicht deshalb unbillig, weil die Beklagte durch die Einzahlungen finanzielle (steuerliche) Vorteile erlangt und/oder der Kläger nach seiner Darstellung u.a. infolge der Sozialversicherungspflichtigkeit der ausgezahlten Versicherungssumme finanzielle Einbußen im Vergleich zu der Situation erlitten hat, dass (nur) der Ausgleichsanspruch ohne Anrechnung des Kapitalwerts der Altersversorgung ausgezahlt worden wäre. Steuervor- oder –nachteile der Vertragsparteien eines Versicherungsvertretervertrags bleiben nach der zitierten Rechtsprechung u.a. des Bundesgerichtshofs bei der Beurteilung der Billigkeit einer Anrechnung der Altersvorsorge auf den Ausgleichsanspruch grundsätzlich außer Betracht. Der Kläger beruft sich auch selbst vornehmlich auf wirtschaftliche Nachteile in Höhe von ca. 44.000,00 € entsprechend dem erstinstanzlichen Vortrag bzw. 47.499,97 € nach der Darstellung in der Berufungsbegründung infolge der Sozialbeitragspflichtigkeit der Auszahlung der Kapitallebensversicherung, die anscheinend auf eine zum 1.1.2004 in Kraft getretene Gesetzesänderung in § 229 SGB V zurückzuführen ist, wonach u.a. Versorgungsbezüge aus einer vom Arbeitgeber finanzierten betrieblichen Altersversorgung auch dann als beitragspflichtige Einnahmen gelten, wenn eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden ist (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 28.9.2010 – 1 BvR 1660/08, in: DVBl. 2010, 1502 ff.). Auf die prozessuale Berücksichtigungsfähigkeit des von der Beklagten bestrittenen – nicht durch Vorlage aussagekräftiger Belege untermauerten - Vortrags des Klägers zur Belastung mit Sozialversicherungsbeiträgen kommt es nicht entscheidend an. Denn es gibt keinen überzeugenden Grund, eine etwaige Belastung aufgrund einer Sozialabgabenpflicht anders zu behandeln als steuerliche Nachteile.
Entgegen dem vom Kläger verfochtenen Standpunkt führt auch eine Verletzung einer etwaigen Aufklärungspflicht der Beklagten nicht dazu, abweichend vom Regelfall vorliegend ausnahmsweise keine (vollständige) Anrechnung der Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch vorzunehmen. Vielmehr oblag es in erster Linie dem Kläger selbst, sich im eigenen Interesse über die Vor- und Nachteile der konkreten Vertragsgestaltung zu informieren und ggf. für ihn günstigere Änderungen anzuregen. Dies gilt auch für die von ihm beklagte Belastung mit Sozialbeiträgen auf die Versicherungssumme. Dass die – hiervon nicht unmittelbar betroffene – Beklagte insofern bessere Erkenntnismöglichkeiten als der als Versicherungsvertreter in gehobener Position tätige Kläger und/ oder Anlass gehabt hätte, deswegen ungefragt an den Kläger heranzutreten, ist weder dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Ob im Hinblick auf die gesetzliche Neuregelung überhaupt noch die Möglichkeit bestanden hätte, die Rechtsbeziehungen dahingehend umzugestalten, dass auf die später ausgezahlte Versicherungssumme keine Kranken- und Pflegekassenbeiträge hätten entrichtet werden müssen, kann insofern dahinstehen. Dies gilt auch und erst recht im Hinblick auf angebliche steuerliche Nachteile des Klägers im Vergleich zu alternativen Vertragsgestaltungen.
Schließlich zeigt der Kläger auch keine sonstigen Gründe auf, die eine Anrechnung der Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch im vorliegenden Fall ausnahmsweise (ganz oder teilweise) als unbillig erscheinen lassen. Insbesondere benennt er keine Rechtsprechungs- oder Literaturstellen, nach denen dies im Hinblick auf die mittlerweile mehr als zehn Jahre zurückliegende Gesetzesänderung befürwortet oder zumindest in Erwägung gezogen würde. Entsprechende Stimmen sind auch ansonsten nicht ersichtlich.
Die gegen diese Bewertung der Sach- und Rechtslage gerichteten Einwände des Klägers mit Schriftsatz vom 18.4.2016 veranlassen den Senat auch nach nochmaliger Prüfung nicht zu einer abweichenden Beurteilung:
Aus den im Beschluss vom 18.3.2016 dargelegten Gründen ist die Anrechnung der Altersvorsorge auf den Ausgleichsanspruch des Klägers weder ganz noch teilweise unbillig. Abgesehen davon, dass der Kläger auch mit seiner Stellungnahme zu dem Hinweisbeschluss die (angebliche) Belastung der Versicherungsleistung mit Sozialbeiträgen nicht belegt hat, sind die Ausführungen im Schriftsatz vom 18.4.2016 nicht geeignet, die (volle) Anrechnung als unbillig i.S.d. § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 HGB erscheinen zu lassen.
Der Auffassung des Klägers, dass die Verknüpfung des Handelsvertreterausgleichsanspruches mit einer Altersvorsorgeleistung – grundsätzlich - „unrechtmäßig“ sei, vermag sich der Senat im Hinblick auf die im Beschluss vom 18.3.2016 zitierte Rechtsprechung u.a. des Bundesgerichtshofs nicht anzuschließen, auf die zur Begründung verwiesen werden kann.
Abweichendes gilt auch nicht wegen der vom Kläger geltend gemachten Belastung des an ihn ausgezahlten Betrags der Kapitallebensversicherung mit Sozialversicherungsbeiträgen. Der Kläger tritt der Erwägung des Senats, dass die (mögliche) Sozialversicherungspflicht auf eine zum 1.1.2004 in Kraft getretene Gesetzesänderung zurückzuführen ist, nicht entgegen. Insofern vermag das Argument des Klägers, dass „eine solche Belastung des Handelsvertreters von der Rechtsordnung nicht vorgesehen sei“, nicht zu überzeugen. Auch ansonsten führt die zur Billigkeitsbeurteilung vorzunehmende Interessenabwägung nicht zu einer für den Kläger günstigeren Beurteilung, weil ein nachvollziehbarer Grund, die vorliegend reklamierte Belastung mit Sozialversicherungsbeiträgen anders zu behandeln als Steuervor- oder –nachteile der Vertragsparteien eines Versicherungsvertretervertrags, die nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung bei der Beurteilung der Billigkeit einer Anrechnung der Altersvorsorge auf den Ausgleichsanspruch grundsätzlich außer Betracht bleiben, selbst im Schriftsatz vom 18.4.2016 nicht dargelegt wurde und auch ansonsten nicht ersichtlich ist, zumal hiermit kein finanzieller Vorteil auf Seiten der Beklagten verbunden ist, was dafür spricht, die Rechtsprechung zur Unerheblichkeit der steuerlichen Behandlung – erst recht – auf eine etwaige Sozialversicherungspflichtigkeit einer auf den Ausgleichsanspruch anzurechnenden Altersvorsorge anzuwenden. Insofern vermeidet der Senat auch nicht – wie der Kläger meint – die Beschäftigung mit einer (ungeklärten) Rechtsfrage, sondern entscheidet diese lediglich nicht in dem von ihm favorisierten Sinne, wobei der Hinweis auf das Fehlen von Rechtsprechungs- oder Literaturstimmen, die die Auffassung des Klägers stützen könnten, lediglich eine weitere – nicht allein tragende – Begründung darstellt.
Ansonsten erhebt der Kläger keine Einwände gegen die Ausführungen im Beschluss vom 18.3.2016, auf die deshalb zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen abschließend Bezug genommen wird.
Die vorstehende Beurteilung des Senats steht – wie ausgeführt - in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anrechnung einer aus Leistungen des Versicherungsunternehmens aufgebauten Altersversorgung in Höhe ihres Kapitalwerts auf einen nach den sog. Grundsätzen berechneten Ausgleichsanspruch eines Versicherungsvertreters, so dass kein Anlass besteht, die Revision zuzulassen oder von einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO abzusehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 711 ZPO (i.V.m. § 522 Abs. 3 ZPO).
Streitwert des Berufungsverfahrens: 160.378,04 €
Meta
21.04.2016
Oberlandesgericht Köln 19. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: U
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 21.04.2016, Az. 19 U 165/15 (REWIS RS 2016, 12525)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 12525
Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.
Bundesgerichtshof, IX ZR 125/17, 12.03.2020.
Oberlandesgericht Köln, 19 U 165/15, 21.04.2016.
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
19 U 67/14 (Oberlandesgericht Köln)
19 U 71/14 (Oberlandesgericht Köln)
(Leistungen aus einer Lebensversicherung an Stelle eines Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB)
L 11 KR 2653/19 (Landessozialgericht Baden-Württemberg)
VIII ZR 146/01 (Bundesgerichtshof)