Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.08.2012, Az. 3 StR 259/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4093

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 259/12
vom
2. August 2012
in der Strafsache
gegen

wegen
besonders schwerer räuberischer Erpressung
u.a.

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag -
am 2.
August 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16.
März 2012

a) im Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte [X.] besonders schwerer räuberischer Erpressung, schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, versuchter beson-ders schwerer räuberischer Erpressung
in Tateinheit mit ge-fährlicher Körperverletzung, versuchter schwerer räuberi-scher Erpressung und
wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen verurteilt ist

und

b) im Fall II. 1 der Urteilsgründe sowie

c)
im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist

mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit--
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tels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurück-verwiesen.

2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer [X.] in drei Fällen, versuchter schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, und wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen zur Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Da der Angeklagte -
wie das [X.] zutreffend erkannt hat -
im Fall II. 3. a der Urteilsgründe eine versuchte und im Fall II. 3. c der Urteilsgrün-de eine vollendete Tat nach §
250 Abs. 2 Nr. 1 StGB begangen hat, hat der Senat den Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte insoweit der versuchten bzw. vollendeten besonders schweren räuberischen
Erpressung schuldig ist; denn die von §
260 Abs. 4 Satz
1 StPO geforderte rechtliche Be-zeichnung der Straftat erfordert eine Kennzeichnung der begangenen [X.] ([X.], Beschlüsse vom 3.
September 2009 -
3 [X.], [X.], 101; vom 12.
Juni 2012 -
3 StR 186/12).
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2. Der Schuldspruch im Fall II. 1 der Urteilsgründe hält [X.] Prüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen warf der stark alkoholisierte Angeklagte eine geöffnete volle Bierflasche nach einem Paketzusteller der [X.]. Zwar gelang es dem Geschädigten, mit einer Abwehrbewegung
zu verhindern, dass die [X.] ihn am Kopf traf. Jedoch zerbrach sie an seinem linken Unterarm und verursachte dort mehrere Schnittwunden, die genäht werden mussten. Wegen einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 2,71

hat das [X.], ge-stützt auf das Gutachten eines rechtsmedizinischen Sachverständigen, dem es sich angeschlossen hat, insoweit ohne nähere Ausführungen eine erhebliche Verminderung der Einsichts-
und Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen.

a) Eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat, während die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum [X.] tatsächlich eingesehen hat. Die Voraussetzungen des §
21 StGB sind in den Fällen der verminderten Einsichtsfähigkeit nur dann zu bejahen, wenn die Einsicht gefehlt hat und dies dem Täter vorzuwerfen ist. Fehlt dem Täter aus einem in §
20 StGB genannten Grund die Einsicht, ohne dass ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann, ist auch bei verminderter Einsichtsfähigkeit nicht §
21 StGB, sondern §
20 StGB anwendbar, so dass in diesen Fällen ein Schuldspruch ausscheidet (st. Rspr.;
vgl. etwa [X.], Beschluss vom 21.
November 2007 -
2 StR 548/07, [X.], 106; Urteil vom 1.
Juni 1989 -
4 [X.], [X.]R StGB §
21 Einsichtsfähigkeit 5 jeweils mwN).

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b) Danach kann der Schuldspruch -
da das Urteil insoweit jegliche Erör-terung vermissen lässt und das [X.] jedenfalls auch auf die Einsichts-fähigkeit des Angeklagten abgestellt hat -
keinen Bestand haben; denn es bleibt die Möglichkeit offen, dass der Angeklagte die Tat in schuldunfähigem Zustand begangen hat. Es bedarf hier somit keiner näheren Betrachtung, ob die gleichzeitige Annahme von fehlender Einsichts-
und Steuerungsfähigkeit im Rahmen der Prüfung der §§
20, 21 StGB stets rechtsfehlerhaft ist (vgl. [X.], Urteil vom 25.
Januar 1995 -
3 StR 535/94, [X.], 226 mwN).

3. Die Ablehnung der Anordnung einer Unterbringung in einer Entzie-hungsanstalt begegnet ebenfalls durchgreifenden Bedenken.

Die [X.] hat ihre Entscheidung pauschal damit begründet, dass eine
chronische körperliche Abhängigkeit von Alkohol oder eine eingewur-zelte intensive Neigung, Alkohol im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht beste-he; zudem sei es nicht zu Entzugserscheinungen in der Untersuchungshaft ge-kommen.

Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das [X.] bei der Prü-fung der Anordnungsvoraussetzungen einen unzutreffenden Maßstab angelegt hat. Das Fehlen von Entzugserscheinungen ist für das Vorliegen eines Hangs im Sinne des §
64 StGB nur begrenzt aussagefähig. Die beim Absetzen von [X.] auftretenden Entzugserscheinungen kennzeichnen eine physi-sche Abhängigkeit. Diesen Grad der Neigung zum [X.] muss der Täter für die Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt aber nicht erreicht haben ([X.], Beschluss vom 27.
März 2008 -
3 StR 38/08, [X.], 405 f.).

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4. Der Wegfall des Schuldspruchs im Fall II. 1 der Urteilsgründe entzieht der verhängten Jugendstrafe die Grundlage. Der Senat weist insoweit im Übri-gen darauf hin, dass sich deren Höhe nach §
18 Abs.
2 [X.] vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten bemisst. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beach-tung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des [X.] abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 28.
Februar 2012 -
3 StR 15/12, [X.], 186, 187 mwN).

5. Das neue Tatgericht wird daneben auch über die Frage der Unterbrin-gung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt neu zu verhandeln und zu entscheiden haben. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht ([X.], Urteil vom 10.
April

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1990 -
1 StR 9/90, [X.]St 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwen-dung des §
64 StGB durch den Tatrichter auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen ([X.],
Urteil vom 7.
Oktober 1992 -
2 StR 374/92, [X.]St 38, 362). Im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Ent-ziehungsanstalt wird §
5 Abs.

3 [X.] zu beachten sein.

[X.] Hubert

Ri[X.] [X.] befindet sich Spaniol

im Urlaub und ist daher

gehindert zu unterschreiben.

[X.]

Meta

3 StR 259/12

02.08.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.08.2012, Az. 3 StR 259/12 (REWIS RS 2012, 4093)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4093

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