Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.06.2010, Az. VI R 45/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 5287

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Gegenstand

Aufwendungen eines Polizei-Hundeführers für den Diensthund sind Werbungskosten


Leitsatz

Aufwendungen eines Diensthundeführers für den ihm anvertrauten Diensthund sind keine nicht abziehbaren Aufwendungen der privaten Lebensführung, sondern in vollem Umfang Werbungskosten .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen eines [[X.].] für den ihm zugewiesenen landeseigenen Diensthund als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr als Diensthundeführer im Polizeidienst des [[X.].] Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er führt einen Diensthund, der als Schutzhund und als [[X.].] eingesetzt wird. Die Ausbildung des Hundes, der im Eigentum des [[X.].] steht, erfolgte durch den Kläger. Nach einem Schreiben der Polizeidirektion [X.] vom 1. Oktober 2007 war der Kläger verpflichtet, den ihm zugewiesenen Diensthund außerhalb der Dienstzeit mit nach Hause zu nehmen und dort zu pflegen. Eine Möglichkeit der dienstlichen Unterbringung und Pflege des Hundes bestand nicht. Für die Pflege des Hundes im privaten Haushalt wurde dem Kläger pro Tag pauschal eine Stunde Dienstzeit angerechnet. Außerdem erhielt der Kläger vom [X.] für Fütterung und Pflege des Hundes eine Pauschale von jährlich 792 €. Eine private Nutzung des Hundes war dem Kläger untersagt.

3

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger erfolglos Aufwendungen für den Diensthund in Höhe von 3.430,94 € (4.222,94 € - der Kostenerstattung von 792 €) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Auch der Einspruch des [X.] blieb ohne Erfolg.

4

Der daraufhin erhobenen Klage gab das [X.] ([X.]) mit den in Entscheidungen der [X.]e 2009, 1924 veröffentlichten Gründen insoweit statt, als es weitere Werbungskosten bei den Einkünften des [X.] aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 2.422,64 € anerkannte. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

5

Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--, § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG).

6

Das [X.] beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen [X.] vom 29. Juli 2009  14 K 20/08 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

9

1. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Aufwendungen des [X.] für den Diensthund in Höhe von 2.422,64 € als weitere Werbungskosten bei den Einkünften des [X.] aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.

a) Werbungskosten sind nach der Rechtsprechung des [X.]s alle Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind (z.B. Urteil vom 23. März 2001 [X.]/99, [X.], 225, [X.] 2001, 585, m.w.N.). Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 17. Dezember 2002 [X.]/01, [X.], 211, [X.] 2003, 407, m.w.N.). Zu den Werbungskosten gehören auch Aufwendungen für Arbeitsmittel (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG). Arbeitsmittel sind alle Wirtschaftsgüter, die ausschließlich --oder doch nahezu ausschließlich-- und unmittelbar zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dienen (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteile vom 23. Oktober 1992 [X.], [X.], 350, [X.] 1993, 193, und vom 8. November 1996 [X.], [X.] 1997, 341, beide m.w.N.).

Zutreffend hat das [X.] erkannt, dass es sich bei dem Diensthund um ein Arbeitsmittel des [X.] handelt. Denn das Tier dient unmittelbar der Erledigung der dienstlichen Aufgaben des [X.] als Diensthundeführer.

b) Allerdings ist bei Gegenständen, die auch im Rahmen der allgemeinen Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) genutzt werden können, für die Einordnung als Arbeitsmittel der tatsächliche Verwendungszweck im Einzelfall entscheidend ([X.]-Urteile vom 19. Februar 2004 [X.]/01, [X.], 220, [X.] 2004, 958, und vom 20. Juli 2005 [X.]/03, [X.] 2005, 2185). Die Güter müssen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend nur zur Einnahmeerzielung beruflich genutzt werden. Eine geringfügige private Mitbenutzung ist unschädlich. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist unter Würdigung aller Umstände nach der tatsächlichen Zweckbestimmung, d.h. nach der Funktion des Wirtschaftsgutes im Einzelfall, festzustellen ([X.]-Urteil vom 21. Oktober 1988 [X.], [X.], 310, [X.] 1989, 356). Entsprechendes gilt für die Nutzung von Tieren (vgl. § 90a des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- sowie [X.]-Urteil vom 10. September 1990 VI R 101/86, [X.] 1991, 234).

c) Das [X.] hat nach Würdigung aller Umstände des [X.] festgestellt, dass der Diensthund des [X.] neben der beruflichen keine private Verwendung gefunden hat. Diese Würdigung ist rechtlich möglich. Der [X.] ist an sie gebunden, weil das [X.] hiergegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat (§ 118 Abs. 2 [X.]O). Der [X.] ist als Revisionsgericht grundsätzlich nicht befugt, eine eigene Tatsachen- oder Beweiswürdigung an die Stelle der Würdigung des [X.] zu setzen (vgl. [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 118 [X.]O Rz 54 ff., 64 ff., sowie [X.]-Beschluss vom 18. Juni 2007 [X.], [X.] 2007, 1869).

Entgegen der Auffassung der Revision zwingt der Umstand, dass der Kläger einen --möglicherweise auch einen erheblichen-- Teil seiner Freizeit und ca. 12 v.H. seiner Bruttobezüge für die Betreuung und Versorgung des [X.] aufgewendet hat, nicht zu dem Schluss, dass der Hund auch privaten Zwecken des [X.] gedient habe. Insbesondere lässt sich aus der Höhe des erwerbsbezogenen Aufwands regelmäßig nicht auf die Verwendung eines Wirtschaftsguts schließen. Auch der Zeitaufwand für die Pflege oder Wartung eines Arbeitsmittels erlaubt einen derartigen Rückschluss nicht. Der [X.] verkennt dabei nicht, dass der Diensthund --wie bei anderen Hundehaltern auch-- am privaten Leben des [X.] teilhat. Weder diese Teilhabe noch das besondere persönliche Verhältnis zwischen Diensthundeführer und Diensthund zeugen im Streitfall jedoch von einer privaten Nutzung des Tieres. Der Diensthundeführer und sein Diensthund bilden vielmehr eine Einheit, welche im dienstlichen Bereich funktionieren muss, um erfolgreiche Arbeit zu leisten. Um dies zu ermöglichen, soll der Hund nach seiner bestandenen Prüfung als Polizeihund nur noch mit seinem Hundeführer zusammen arbeiten und leben, das heißt, der Hund wird sowohl im Dienst geführt als auch privat mit in die Familie des Hundeführers integriert (www.polizei.niedersachsen.de, dort unter Dienststellen, Polizeiinspektion [X.]/[X.], [X.]). Die Teilhabe des Tieres am privaten Leben des [X.] ist nach den bindenden Feststellungen des [X.] dienstlich angeordnet und damit Dienstpflicht. Sie ist darüber hinaus der "Funktionsfähigkeit des Arbeitsmittels Hund" und der Erkenntnis geschuldet, dass Tiere keine bloßen Sachen sind (§ 90a Satz 1 BGB), sondern als Mitgeschöpfe besondere Anerkennung verdienen.

Auch wenn im Streitfall ein besonderes persönliches Verhältnis zwischen Diensthundeführer und Diensthund besteht und das Tier Teil des privaten Lebens des [X.] ist, bilden die Aufwendungen des [X.] für den Diensthund anders als bei einer privat veranlassten Hundehaltung keine steuerunerheblichen Kosten der privaten Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG. Eine Zurechnung der streitigen Beträge zu den privaten Lebenshaltungskosten würde die dienstliche Notwendigkeit und damit den vorhandenen Erwerbsbezug der Aufwendungen verkennen. Der erforderliche einkommensteuerrechtlich erhebliche Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis wird im Streitfall dadurch begründet, dass polizeiliche Diensthunde vom Diensthundeführer nicht aus privaten Gründen, zum Vergnügen oder zur Unterhaltung gehalten, sondern zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben betreut und versorgt werden (a.A. [X.] München, Urteil vom 7. März 2006  6 K 4483/03, juris). Dass diese dienstlichen Aufgaben in der Freizeit und unter Aufwendung eigener finanzieller Mittel erfüllt werden, steht einer solchen Beurteilung jedenfalls im Streitfall ebenso wenig entgegen wie ein privates Interesse des [X.] an der Hundehaltung. Vielmehr stehen private Motive dem Werbungskostenabzug nicht entgegen, wenn die objektiv festgestellten Tatsachen unter Berücksichtigung der dafür von der Rechtsprechung aufgestellten Merkmale und Maßstäbe --wie im [X.] die rechtliche Würdigung zulassen, dass Aufwendungen für ein Arbeitsmittel nahezu ausschließlich beruflich veranlasst sind, weil es nahezu ausschließlich beruflich genutzt wird. In einem solchen Fall sind die Aufwendungen in vollem Umfang zu berücksichtigen. Eine Aufteilung in abziehbaren beruflichen und steuerunerheblichen Privataufwand ist daher auch nicht geboten (vgl. Beschluss des Großen [X.]s des [X.] vom 21. September 2009 GrS 1/06, [X.]E 227, 1).

d) Ist ein Gegenstand als Arbeitsmittel zu beurteilen, sind auch die beruflich veranlassten Kosten der Instandsetzung und Wartung oder wie vorliegend der Pflege des Arbeitsmittels als Werbungskosten zu berücksichtigen (vgl. [X.]-Urteil vom 28. März 2006 [X.], [X.]E 212, 556, [X.] 2006, 473). Der Umstand, dass der Dienstherr des [X.] Eigentümer des Hundes ist, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Auch berufliche Aufwendungen auf fremdes Eigentum sind dem Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 EStG zugänglich (von [X.] in [X.], EStG, 9. Aufl., § 9 Rz 9). Das [X.] hat deshalb zu Recht die anteiligen Anschaffungskosten der Hundetransportbox, Aufwendungen für Leinen, die Änderung des [X.] und ähnliches Zubehör, Futter- und -nebenkosten sowie den Aufwand für die Hundeplatznutzung und damit --unter Anrechnung der Kostenerstattung durch den [X.] insgesamt einen Betrag in Höhe von 334,64 € zum Werbungskostenabzug zugelassen. Gleiches gilt hinsichtlich der Aufwendungen des [X.] für die Fahrten zu den [X.] in Höhe von 2.088 €. Bei diesen Kosten, die dem Kläger im Rahmen der Fährtenausbildung des [X.] entstanden sind, ist der konkrete Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit offenkundig (vgl. [X.]-Urteil vom 15. März 2007 [X.], [X.] 2007, 1132).

Meta

VI R 45/09

30.06.2010

Bundesfinanzhof 6. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 29. Juli 2009, Az: 14 K 20/08, Urteil

§ 9 Abs 1 S 3 Nr 6 EStG 2002, § 12 Nr 1 S 2 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.06.2010, Az. VI R 45/09 (REWIS RS 2010, 5287)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5287

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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6 CE 23.779

5 K 2345/15

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