Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2003, Az. V ZR 143/02

V. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 4606

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[X.] [X.]ES VOLKESURTEIL[X.] Verkündet am:31. Januar 2003K a n i k,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: ja[X.] § 242 ([X.])[X.] § 1004 Abs. 1 und 2a) Ein nachbarliches [X.] kann auch durch spätere Parzellie-rung eines bebauten Gesamtgrundstücks entstehen, durch die vorhandene Ge-bäude rechtlich von ihrer bisherigen Abwasserentsorgung abgeschnitten werden.b) [X.]as nachbarliche [X.] kann in einem solchen Fall auch [X.] weiteren [X.]uldung der Abwasserdurchleitung verpflichten, wenn das [X.] Grundstück nicht an das belastete angrenzt.[X.], [X.]. v. 31. Januar 2003 - [X.] - [X.] Essen- 2 -[X.]er V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 31. Januar 2003 durch den Vizepräsidenten des [X.][X.]r. [X.] und [X.], [X.]r. Klein, [X.]r. Lemke und [X.]r. Schmidt-Räntschfür Recht erkannt:Auf die Revision der [X.] wird das [X.]eil des [X.] vom 25. Februar 2002 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der [X.] erkannt hat.Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des [X.] gegendas [X.]eil der 18. Zivilkammer des [X.] vom27. August 2001 zurückgewiesen und die Klage im übrigen [X.].[X.]er Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.Von Rechts wegenTatbestand[X.]as Grundstück des [X.] und die Grundstücke der [X.] warenursprünglich Teile eines ungeteilten Hanggrundstücks in [X.]. Sie sind [X.] späteren Parzellierung dieses Grundstücks entstanden. [X.]as Areal liegt ander Straße [X.]und fällt in einem langen Hang ab zur Straße [X.]. .- 3 -1953 ließ die damalige Eigentümerin von der Straße [X.] aushangabwärts Stichstraßen anlegen und an diesen Häuser errichten. [X.]ie [X.] der [X.] liegen an einer dieser Stichstraßen. Zur Entsorgung der [X.] dieser Häuser hatte die damalige Eigentümerin von dem am [X.] durch das darunter liegende Wiesengelände ein Abwasser-rohr zum öffentlichen Abwasserkanal in der [X.]. verlegenlassen. In den 70er Jahren wurde das Areal an einen Immobilienhändler ver-äußert und von diesem parzelliert. Hierbei entstanden u. a. aus Flächen, aufdenen die Häuser der [X.] stehen, einzelne [X.], die späteran die [X.] veräußert wurden. [X.]as am Fuß des Hangs an der Straße [X.]. gelegene Wiesengelände wurde dabei ebenfalls parzelliert und späteran Erwerber zur Bebauung verkauft. Einer dieser Erwerber ist der Kläger.Als der Kläger im Jahre 2000 die Baugrube für sein Einfamilienhausausheben ließ, fiel das Abwasserrohr auf. [X.]er Kläger ließ das Rohr zunächstteilweise umlegen, um die Baugrube für seinen Neubau ausheben zu können.Er verlangte von den [X.] Erstattung der für die Umlegung des [X.] sowie seine Entfernung, weil er seiner Verlegung [X.] nicht zugestimmt habe und dieses Rohr auch nicht dulden müsse,hilfsweise, die Einleitung von Abwässern auf sein Grundstück zu unterlassen.[X.]ies lehnten die [X.] unter Hinweis darauf ab, daß das Rohr durch denseinerzeitigen Eigentümer angelegt worden sei und seitdem dort liege.[X.]as [X.] hat die Klage abgewiesen. [X.]as Berufungsgericht hatdem Entfernungsbegehren entsprochen, die Berufung hinsichtlich des [X.] indes zurückgewiesen. Mit der Revision beantragen die Beklag-- 4 -ten, ihre Verurteilung zur Entfernung des [X.] aufzuheben und die Klage ins-gesamt abzuweisen. [X.]er Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.EntscheidungsgründeI.Nach Ansicht des Berufungsgerichts beeinträchtigen die [X.] [X.] des [X.] dadurch, daß sie ihre [X.] in dem Rohrdurch das Grundstück des [X.] in den öffentlichen Kanal leiten. [X.]as müsseder Kläger nicht dulden. Seine Pflicht zur [X.]uldung des [X.] und der Ableitungder [X.] lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Notweg-rechts begründen. [X.]enn die [X.] könnten ihre [X.] in die amoberen Hangende verlaufende Straße [X.] entsorgen. [X.]ie Kosten fürdie Errichtung der dazu erforderlichen Abwasserhebeanlage sei den [X.]zuzumuten.II.[X.]iese Erwägung halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.1. [X.]er Kläger kann von den [X.] weder die Entfernung des Ab-wasserrohrs verlangen, noch daß diese ihre [X.] nicht mehr in seinGrundstück einleiten. [X.]ie Voraussetzungen des als Grundlage für diese [X.] allein in Betracht kommenden § 1004 [X.] sind unbeschadet der [X.] einer Störung durch die [X.] jedenfalls deshalb nicht gegeben, weildie [X.] von dem Kläger die [X.]uldung des [X.] und seine Nut-zung zur [X.]urchleitung der Abwässer verlangen [X.] 5 -2. [X.]ie [X.]uldungspflicht des [X.] ergibt sich aus dem [X.] nachbarlichen [X.]ses. [X.]ie Rechte und Pflichten [X.] haben insbesondere durch die [X.] 905 ff. [X.] und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der [X.] ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie ist allerdingsder allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 [X.]) [X.] folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme,deren Auswirkungen auf den konkreten Fall man unter dem Begriff des nach-barlichen [X.]ses zusammenfaßt (z. B. Senat [X.]Z 28,110, 114; Senat [X.]Z 42, 374, 377; [X.]Z 58, 149, 157; [X.]Z 88, 344, 351;[X.]Z 113, 384, 389; [X.]. v. 26. April 1991, [X.], [X.],2826, 2827 u. v. 6. Juli 2001, [X.], NJW 2001, 3119, 3120; Soergel/[X.], 13. Aufl. [2002] § 903 Rdn. 51 jeweils m. w. Nachw.). Eine solchePflicht zur Rücksichtnahme ist zwar mit Rücksicht auf die [X.] eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung [X.], wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Aus-gleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint (Senat[X.]Z 28, 110, 114; [X.]Z 42, 374, 377; [X.]Z 58, 149, 157; [X.]Z 88, 344,351; [X.]. v. 26. April 1991, [X.], [X.], 2826, 2827). Wenndiese Bedingungen vorliegen, ist die Ausübung eines Anspruchs aus § 1004Abs. 1 [X.] unter Berücksichtigung vorrangiger Interessen des Störers unzu-lässig (vgl. Senat [X.]Z 28, 225, 229 f.; 68, 350, 353 ff.; [X.]Z 113, 384, 389;[X.]. v 26. April 1991, [X.], [X.], 2826, 2827, u. v. 6. Juli 2001,[X.], NJW 2001, 3119, 3120 f. ).- 6 -3. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. [X.]ie [X.] können [X.] der Umstände, die zu dem vom Kläger beanstandeten Zustand geführthaben, und auf Grund des langen Zeitraums, während dessen dieser Zustandbis zu dem Streit der Parteien unangefochten bestanden hat, darauf vertrauen,daß dieser Zustand auch künftig erhalten bleibt. [X.]ieses Bestandsschutzinte-resse der [X.] hat Vorrang vor dem Interesse des [X.] an einer Ver-änderung dieses Zustands. [X.]ies kann der Senat auch selbst entscheiden, [X.] Berufungsgericht die dazu erforderlichen Feststellungen getroffen hat.a) [X.]ie Grundstücke der Parteien sind im Wege der Parzellierung aus ei-nem einheitlichen Gesamtgrundstück hervorgegangen. Auf diesem [X.] hatte dessen ursprünglicher Eigentümer die Siedlung errichten [X.], zu der auch die Häuser der [X.] gehören. [X.]ie Abwässer dieserHäuser wurden nach den von dem Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffe-nen Feststellungen auf Veranlassung des damaligen Eigentümers von [X.] in dem streitigen Rohr hangabwärts durch die Wiesenfläche des [X.] in den Abwasserkanal der [X.]. am Fuß des [X.]. [X.]ieses so bebaute Gesamtareal wurde später in dem Zustand parzel-liert, in dem es sich damals befand. [X.]as Rohr ist bei dieser Parzellierung nichtdinglich abgesichert worden. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß dem die [X.] zugrunde lag, den bestehenden Zustand zu ändern. [X.]as Areal solltevielmehr nur aufgeteilt und an Erwerber veräußert werden. [X.]as [X.] ist damals übersehen worden. Es wäre auch erhalten geblie-ben, wenn es rechtzeitig entdeckt worden wäre.b) [X.]ie [X.] haben ihre Häuser seinerzeit mit der heute vorhande-nen Abwasserentsorgung erworben. [X.]a die Grundstücke alle zu einem einheit-- 7 -lichen Areal gehört hatten, durften sie auch davon ausgehen, daß sich [X.] ändern würde. In ihrer Erwartung sind sie dadurch gestärkt worden, daßdieser Zustand nahezu 30 Jahre lang unangefochten blieb und auch die vondem Rohr ebenfalls betroffenen anderen Erwerber keine Einwände [X.]) [X.]ieses Vertrauen der [X.] wiegt stärker als das Interesse des[X.] an der Beendigung der [X.]urchleitung der Abwässer. [X.]er Kläger hat [X.] ihm jetzt beanstandete Lage bei Erwerb vorgefunden und sein Grundstückmit diesem situationsbedingten Nachteil erworben. [X.]as Abwasserrohr liegt ineinem Streifen seines Grundstücks, der wegen der einzuhaltenden Abstands-flächen nur eingeschränkt nutzbar ist. Er könnte zudem von den [X.]nach Treu und Glauben verlangen, daß sie einer Verlegung des [X.] zustim-men, wenn es eine künftige Nutzung seines Grundstücks durch den Kläger ander gegenwärtigen Ausübungsstelle in nicht zumutbarer Weise beeinträchtigensollte.d) [X.]as Grundstück des [X.] grenzt allerdings nicht unmittelbar an [X.] der [X.]. [X.]as hindert aber die Entstehung eines nachbarli-chen [X.]ses zwischen den Parteien nicht. [X.]ie Pflicht derParteien zur Rücksichtnahme beruht darauf, daß die Grundstücke zu einemGesamtgrundstück gehört haben und die [X.] auf den [X.] destatsächlichen Entsorgungszustands vertrauen können, der bei [X.] war. Es kommt deshalb nur auf die tatsächlichen Verhältnisse an;zu welchem Grundstückszuschnitt die Parzellierung geführt hat, ist unerheb-lich. Ohne Bedeutung ist deshalb auch, ob die heutigen Grundstücksgrenzendurch eine Parzellierung in einem Zuge entstanden sind oder ob dies in mehre-ren Parzellierungsschritten geschehen ist, wie der Kläger vorträgt.- 8 -e) Nach dem Vortrag des [X.] ist das Abwasserrohr nicht an [X.] verlegt worden, die in den damaligen Plänen angeben war. Es soll [X.] im Baulastenverzeichnis oder in einem Abwasserkataster enthalten sein.[X.]ieser Vortrag könnte die [X.]uldungspflicht des [X.] nur in Frage stellen,wenn sich aus ihm ableiten ließe, daß das Rohr seinerzeit rechtswidrig ange-legt wurde. [X.]as ist nicht der Fall. Für die angeblichen Abweichungen von denursprünglichen Planungen folgt das schon daraus, daß die [X.]uldungspflichtnicht an die Planung, sondern an den tatsächlichen Zustand anknüpft, in [X.] das Areal bei Parzellierung befand. [X.]a lag das Rohr aber an der bean-standeten Stelle. Aus dem gleichen Grund kommt es auch nicht auf das [X.] Baulast an, die zudem seinerzeit auch nicht begründet werden konnte,weil sich das Rohr in eigenem Grund befand. [X.]ie fehlende Eintragung des[X.] in ein Abwasserkataster besagt über die Rechtmäßigkeit einer Abwas-serleitung nichts. Ein solches Kataster dient allein einer Bestandsaufnahmeund erfaßt gewöhnlich auch nur die Leitungen von öffentlichen Netzen.4. Keiner Entscheidung bedarf im vorliegenden Fall, ob der Kläger [X.] und seine weitere Nutzung durch die [X.] ohne Ausgleichhinzunehmen oder ob die Beeinträchtigung das zumutbare Maß einer [X.] hinzunehmenden Einwirkung übersteigt und dem Kläger deshalbein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zuzubilligen ist (vgl. [X.]. [X.] Juni 1999, [X.] 377/98, NJW 1999, 2896 u. v. 23. Februar 2001, [X.]389/99, NJW 2001, 1865, 1866). [X.]enn der Kläger hat einen solchen Ausgleichnicht [X.] -III.[X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.[X.] Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch

Meta

V ZR 143/02

31.01.2003

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2003, Az. V ZR 143/02 (REWIS RS 2003, 4606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4606

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