Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2000, Az. V ZR 443/99

V. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 1084

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[X.] DES VOLKESVERSÄUMNISURTEIL[X.]Verkündet am:22. September 2000K a n i k ,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]:[X.] § 1004 Abs. 1Zur Beseitigung des eigentumsbeeinträchtigenden Zustands eines Grundstücks istder Eigentümer des Nachbargrundstücks, der ihn weder durch [X.] nochdurch pflichtwidriges Unterlassen geschaffen hat, nur verpflichtet, wenn die Beein-trächtigung auf einen gefahrenträchtigen Zustand seines Grundstücks [X.] ist.[X.], [X.]. v. 22. September 2000 - [X.] - [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] [X.] und [X.] [X.], Tropf, [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Rechtsmittel des [X.]n wird das [X.]eil des 24. Zivil-senats des [X.] in [X.] vom 6. Oktober 1999 aufge-hoben und das [X.]eil der 13. Zivilkammer des [X.]s [X.]vom 3. Dezember 1998 abgeändert:Die Klage wird abgewiesen.Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.Das [X.]eil ist vorläufig vollstreckbar.Von Rechts [X.]:Mit notariellem Vertrag vom 24. November 1995 erwarben die Kläger [X.] bürgerlichen Rechts von einer Erbengemeinschaft das Grund-stück S. A. 62 in [X.]-P. B. . Die Eigentumsumschrei-bung im Grundbuch erfolgte am 28. Juni 1996. Der [X.] war bei [X.] der Klage am 8. Juli 1998 Eigentümer des [X.] 61, welches mit bestandskräftigem Bescheid des Amtes zur [X.] -offener Vermögensfragen Mitte-P. [X.] am 11. November 1998 resti-tuiert worden ist.Beide mit zum Teil gewerblich genutzten [X.] standen vor der [X.] im Eigentum des [X.] war jeweils der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung [X.]-P. B. . Dieser errichtete Anfang der 80er Jahre auf dem jetzigenGrundstück der Kläger einen etwa 2 x 4 m großen eingeschossigen Anbau. [X.] dazu ist ausschließlich durch einen Durchbruch in der Brandwand vondem Nachbargrundstück [X.] möglich. Ferner befindet sichim Erdgeschoß des auf dem Grundstück der Kläger gelegenen [X.] ein 3,5 x 5,6 m großer Raum, der durch eine vor dem Erwerbder Kläger hergestellte Öffnung der [X.] zwischen den GrundstückenS. A. 61 und 62 erschlossen wird. Der Zugang zu einem angren-zenden Raum des Hauses der Kläger wurde seinerzeit zugemauert.Sowohl der Anbau als auch der Raum im Seitenflügel des [X.] Kläger werden derzeit von einem Dritten gewerblich genutzt.Mit der Behauptung, der [X.] habe die Räume an den [X.], haben die Kläger verlangt, den [X.]n zu verurteilen, den Anbau zubeseitigen, die Maueröffnung und den Wanddurchbruch zu dem Raum im [X.] ihres [X.] zu schließen, den Zugang zu dem [X.] zu öffnen sowie Auskunft über die Höhe des erzielten Mietzinses für [X.] des Anbaus und des Raums im Seitenflügel ihres Hauses zu ertei-len und ihn nebst Zinsen auszuzahlen. Das [X.] hat den [X.] Zahlungsanspruch abgewiesen und der Klage im übrigen [X.] -Die Berufung des [X.]n ist erfolglos geblieben. Mit der - zugelassenen -Revision erstrebt er weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.Entscheidungsgründe:I.Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die während des [X.] erfolgte Restitution des bisher dem [X.]n gehörenden Grundstücksnach dem auch hier anzuwendenden Grundsatz der Prozeßwirtschaftlichkeitkeinen Einfluß auf die Passivlegitimation des [X.]n. Er sei [X.], weil das Aufrechterhalten des das Eigentum der Kläger fortlaufendbeeinträchtigenden Zustands auf seinen Willen zurückgegangen sei. Ob [X.] Eigentümer des Anbaus geworden seien, sei unerheblich. Sie seienauch nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung verpflichtet, weil die Voraus-setzungen des § 320 Abs. 1 ZGB und § 912 Abs. 1 BGB nicht vorlägen.II.Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.1. Die Kläger waren trotz ordnungsgemäßer Ladung im [X.] nicht vertreten. Deshalb ist über die Revision durch Versäumnisurteil zuentscheiden, obwohl das [X.]eil inhaltlich nicht auf der [X.] beruht- 5 -(vgl. [X.]Z 37, 79, 81 f; [X.]. v. 6. Juni 1986, [X.], NJW 1986,3086).2. Ob das Berufungsgericht zu Recht von einer fortdauernden Eigen-tumsbeeinträchtigung der Kläger ausgeht, kann dahinstehen. Zwar knüpft [X.] die Rechtsfolge des § 1004 BGB an jegliche Beeinträchtigung an, dieder Eigentümer nicht dulden muß; allein der dem Inhalt des Eigentums (§ 903BGB) widersprechende Zustand begründet den Abwehranspruch (vgl. [X.],[X.]Z 66, 37, 39 m.w.[X.]). Die Sachherrschaft des Grundstückseigentümers istso lange beeinträchtigt, wie die Eigentumsstörung nicht beseitigt ist ([X.]. 11. Dezember 1995, [X.], NJW 1996, 845, 846). In Anlehnung an [X.] des Eigengrenzüberbaus könnte hier bei wirtschaftlicher Betrach-tung eine Eigentumsbeeinträchtigung gegeben sein. Jedoch sind Zweifel darandeswegen angebracht, weil die Baumaßnahmen seinerzeit von dem Berech-tigten ausschließlich auf dem jetzt den Klägern gehörenden Grundstück aus-geführt wurden und die Kläger das Eigentum in dem baulich veränderten Zu-stand erlangt haben (s. dazu [X.]/[X.] [1999], § 1004 Rdn. 41 ff).Dies bedarf aber keiner Vertiefung, weil der [X.] für eine etwaige Störungnicht verantwortlich [X.]) Nach allgemeiner Auffassung richtet sich der Anspruch nach § 1004Abs. 1 BGB gegen denjenigen, der die Eigentumsbeeinträchtigung durch seinVerhalten - d.h. [X.] oder pflichtwidriges Unterlassen - adäquat [X.] hat (vgl. nur [X.], [X.]Z 49, 340, 347; [X.]. v. 17. Dezember1982, [X.], [X.], 176, 177; [X.]/[X.],aaO, Rdn. 93 mitumfangr. Nachw.), aber auch gegen denjenigen, der zwar nicht selbst gehan-delt hat, durch dessen maßgebenden Willen aber der eigentumsbeeinträchti-- 6 -gende Zustand aufrechterhalten wird, von dessen Willen also die Beseitigungdieses Zustands abhängt (vgl. [X.]. v. 22. März 1966, [X.], NJW1966, 1360, 1361 m.w.[X.]; 19. Januar 1996, [X.], NJW-RR 1996, [X.] Juni 1999, [X.] 377/98, [X.], 2168, 2169; [X.]/[X.], aaO,Rdn. 94 m. umfangr. Nachw.). Danach ist der Eigentümer eines Grundstücksfür dessen gefahrenträchtigen Zustand verantwortlich und kann nach § 1004Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden, weil die Aufrechterhaltung [X.] auf seinen Willen zurückgeht, ohne daß es darauf ankäme, welcheneigenen Beitrag er hierzu geleistet hat und ob er den störenden Zustandkannte ([X.]. v. 19. Januar 1996, [X.]) Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Haftung des [X.]n aus.Dafür kommt es allerdings nicht darauf an, daß die Baumaßnahmen, die [X.] der Kläger nach wie vor beeinträchtigen, seit vielen Jahren abge-schlossen sind. Denn an einer einmal eingetretenen Verantwortlichkeit [X.] kann sich durch das Verhalten des Pflichtigen nichts ändern, wenn [X.] fortbesteht ([X.]. v. 1. Dezember 1995, [X.], NJW1996, 845, 846). Entscheidend ist vielmehr, daß der [X.] die [X.] nicht vorgenommen und es sich bei ihnen seinerzeit gar nichtum die Beeinträchtigung fremden Eigentums gehandelt hat. Auch der Umstand,daß der [X.] bei Klageerhebung Eigentümer des an das Grundstück [X.] angrenzenden Grundstücks war, macht ihn nicht zum Störer im Sinnedes § 1004 Abs. 1 BGB. Eine solche Haftung kommt nämlich nur dann in [X.], wenn die störenden Einwirkungen auf das Nachbargrundstück von [X.] des Eigentümers ausgehen oder zu besorgen sind (s. nur [X.],[X.]Z 122, 283, 284 f; [X.]. v. 19. Januar 1996, aaO). Um es mit [X.] bereits in anderem Zusammenhang angeführten ähnlichen Beispiel- 7 -([X.]. v. 1. Dezember 1995, aaO) zu verdeutlichen: Der [X.] muß [X.], den der Voreigentümer auf das Nachbargrundstückgeworfen hat, nicht beseitigen. Denn die bei dem Nachbarn eingetretene Ei-gentumsstörung steht in keinerlei Zusammenhang mit dem Zustand [X.] des Eigentümers, sondern beruht ausschließlich auf dem Handelndes Voreigentümers. Der einzige Bezug zwischen Störung und [X.] durch die Identität des Störers mit dem früheren [X.]. Das reicht für die Begründung der Haftung des späteren [X.] nicht aus. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts läuft daraufhinaus, daß der Grundstückseigentümer für jede Störungshandlung eines [X.] verantwortlich ist, auch wenn sie keinen Bezug zu dem [X.] aufweist. Das kann nicht richtig sein. Zur Beseitigung deseigentumsbeeinträchtigenden Zustands eines Grundstücks ist der [X.] Nachbargrundstücks, der ihn weder durch [X.] noch durchpflichtwidriges Unterlassen geschaffen hat, nur verpflichtet, wenn die Beein-trächtigung auf einen gefahrenträchtigen Zustand seines Grundstücks [X.] ist.In dem vorliegenden Fall hat die zugemauerte Türöffnung in dem [X.] der Kläger mit dem Zustand des benachbarten Grundstücks [X.] zu tun wie der Durchbruch in der Mauer dieses Hauses. Beide Gege-benheiten beruhen nicht etwa auf Gefahren oder sonstigen Umständen, dievon dem anderen Grundstück ausgehen. Nichts anderes gilt für den auf [X.] der Kläger errichteten Anbau. Auch seine Existenz läßt sich nichtauf einen bestimmten Zustand des bei Klageerhebung dem [X.]n gehö-renden Grundstücks zurückführen. Etwas anderes könnte allenfalls für die- 8 -Wanddurchbrüche auf diesem Grundstück gelten. Deren Beseitigung verlan-gen die Kläger indes [X.]) Auf die vom Berufungsgericht weiter erörterte Problematik des Ei-gentums an dem Anbau und der Duldungspflicht nach §§ 912 Abs. 1, 1004Abs. 2 BGB kommt es somit nicht [X.] Der Anspruch der Kläger ist auch nicht aus § 823 BGB begründet. Der[X.] hat keine unerlaubte Handlung im Sinne des Absatzes 1 der Vor-schrift begangen, weil er die baulichen Maßnahmen nicht durchgeführt hat undnicht zu ihrer Beseitigung verpflichtet ist. Ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz(§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB) kann dem [X.]n nach dembisher Gesagten ebenfalls nicht vorgeworfen werden.4. Auch ein Anspruch der Kläger unter dem Gesichtspunkt des nachbar-lichen [X.] kommt nicht in Betracht. Dieses [X.] dient nur in Extremfällen als Korrektiv nach Treu und Glauben zur ein-zelfallgerechten Bewältigung atypischer nachbarlicher Interessenkonflikte (vgl.[X.], [X.]Z 113, 384, 389 ff). Hier liegt indes keine Situation vor, die einesolche Korrektur erfordert.5. Ob die während des Rechtsstreits erfolgte [X.] andem früher dem [X.]n gehörenden Grundstück zum Verlust seiner Passi-vlegitimation geführt hat, bedarf somit keiner Entscheidung.Nach alledem ist das [X.]eil des Berufungsgerichts aufzuheben. Da [X.] nach den Feststellungen in dem angefochtenen [X.]eil zur Endentschei-- 9 -dung reif ist, hat der [X.] abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1ZPO). Dies führt zur Abweisung der Klage.Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidungzur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 2 ZPO.[X.]Lambert-LangTropf [X.]Lemke

Meta

V ZR 443/99

22.09.2000

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2000, Az. V ZR 443/99 (REWIS RS 2000, 1084)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1084

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