Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2002, Az. 1 StR 337/02

1. Strafsenat | REWIS RS 2002, 1663

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BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSS1 StR 337/02vom10. September 2002in dem SicherungsverfahrengegenwegenUnterbringung- 2 -Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. September 2002 be-schlossen:Die Revision der Beschuldigten gegen das Urteil des Landge-richts Nürnberg-Fürth vom 21. Mai 2002 wird verworfen.Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.Gründe:I.1. Die Strafkammer hat festgestellt:Die unter Verfolgungswahn leidende Beschuldigte löste am 9. Juli 2001ihr Sparbuch auf, weil sie Zusammenhänge zwischen ihrer Bank und ihrenGegnern vermutete. Am 10. Juli 2001 glaubte sie, sie habe von der BankFalschgeld bekommen und brachte deshalb 3.500 DM, die aus der Auszahlungstammten, zur Polizei. Dort erklärte ihr ein Polizeibeamter "im Spaß", es handlesich um "schlechte Fälschungen". Die Beschuldigte erkannte den "Spaß" nicht;das Geld blieb bei der Polizei. Die Beschuldigte fühlte sich in ihrem Verdachtbestätigt. Sie beschloß, ihre - ehemalige - Bank zu überfallen, um "echte3.500 DM" zu erhalten. Dementsprechend bedrohte sie am 12. Juli 2001 dorteine Bankangestellte mit einer ungeladenen Schreckschußpistole und erzwangso die Herausgabe von genau 3.500 DM, wobei sie auf einer eingehendenEchtheitskontrolle der einzelnen Geldscheine bestand.- 3 -2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Strafkammer dieUnterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus ange-ordnet (§ 63 StGB) und die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährungausgesetzt (§ 67b StGB). Sie bewertet das Verhalten der Beschuldigten als imZustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) begangene schwere räuberischeErpressung (§§ 253, 255, 250 Abs. 1 Ziffer 1b StGB). Die irrige Annahme derBeschuldigten, sie habe einen Anspruch gegen die Bank auf 3.500 DM - diebei einem geistig gesunden Täter die für eine Erpressung erforderliche Absichtrechtswidriger Bereicherung entfallen ließe (ständ. Rspr., vgl. zuletzt BGHNStZ 2002, 481, 482 m.w.N.) - sei unbeachtlich, da sie auf die zur Schuldunfä-higkeit führende Erkrankung der Beschuldigten zurückgehe.Diese Bewertung eines wahnbedingten Irrtums entspricht der Recht-sprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z.B. BGHSt 3, 287, 289; 10, 355, 357;BGH b. Holtz MDR 1983, 90; BGH NStZ 1991, 528), die in Teilen des Schrift-tums Zustimmung gefunden hat (vgl. z.B. Hanack in LK 11. Aufl. § 63Rdn. 23f.; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 7; Fischer in KK4. Aufl. § 413 Rdn. 11).II.Die Revision der Beschuldigten bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).1. Die Revision wendet sich gegen die Annahme, der Irrtum der Be-schuldigten sei allein wahnbedingt. Immerhin habe ihr ein Polizeibeamter be-stätigt, daß ihr die Bank falsche Geldscheine ausbezahlt habe.Mit einer im Rahmen der Erwiderung auf den Antrag des Generalbun-desanwalts (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) erhobenen Aufklärungsrüge macht siein diesem Zusammenhang auch geltend, der Polizeibeamte, der in der Haupt-- 4 -verhandlung nicht als Zeuge vernommen worden sei, habe die Geldscheinenicht lediglich "im Spaß" als Fälschungen bezeichnet.Diese Rüge war jedoch ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen, da sienicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO angebracht wurde (BGH, Be-schluß vom 3. August 2000 - 1 StR 293/00; BGH StV 1999, 407 m.w.N.).2. Die Revision meint darüber hinaus, es läge selbst dann keine (schwe-re räuberische) Erpressung vor, wenn der Irrtum der Beschuldigten allein aufihre Erkrankung zurückzuführen sei. Die gemäß § 63 StGB für eine Unterbrin-gungsanordnung erforderlichen Voraussetzungen, nämlich das Vorliegen einerrechtswidrigen Tat und deren Begehung im Zustand der Schuldunfähigkeit,müßten deutlich auseinandergehalten werden; von der Rechtsprechung wür-den diese beiden Gesichtspunkte demgegenüber in unklarer Weise vermischt.Diese Auffassung wird mit im einzelnen teilweise unterschiedlicher Begründungauch von Teilen des Schrifttums vertreten (vgl. z.B. Tröndle/Fischer StGB50. Aufl. § 63 Rdn. 2a; Lackner in Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 63 Rdn. 2;Horn in SK - StGB 7. Aufl. § 63 Rdn. 4; Böllinger in NK - StGB § 63 Rdn. 72;Gössel in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 413 Rdn. 19 Fußn. 36).3. Der Senat braucht hier jedoch weder den Gründen für den Irrtum derBeschuldigten noch dessen rechtlichen Konsequenzen näher nachzugehen.Eine Änderung der rechtlichen Bewertung der "Anlaßtat" durch das Revisions-gericht führt nämlich dann nicht zur Aufhebung einer Unterbringungsanord-nung, wenn trotzdem noch immer eine Tat vorliegt, die in ihrer konkreten Aus-gestaltung ohne weiteres Grundlage einer Unterbringung sein kann (vgl. BGH,Beschlüsse vom 17. Dezember 1984 - 4 StR 721/84, vom 27. August 1997- 2 StR 404/97 und vom 5. März 1999 - 2 StR 518/98). Da jedenfalls alle dieseVoraussetzungen hier erfüllt sind, hätte es auf den Bestand des Urteils keinen- 5 -Einfluß, wenn wegen der Vorstellungen der Beschuldigten aus Rechtsgründeneine (schwere räuberische) Erpressung zu verneinen wäre. Es läge dann je-denfalls eine Nötigung (§ 240 StGB) vor, wie auch die Revision selbst im ein-zelnen zutreffend ausgeführt hat. Es ist aber offensichtlich eine erhebliche Stö-rung des Rechtsfriedens, wenn Bankangestellte unter Einsatz einer (auch un-geladenen) Pistole zur Herausgabe von Geld gezwungen werden. Eine solcheTat kann eine Unterbringungsanordnung rechtfertigen.4. Auch die darüber hinaus erforderlichen individuellen Voraussetzun-gen für eine Unterbringungsanordnung hat die Strafkammer rechtsfehlerfreifestgestellt. Insoweit verweist der Senat auf die zureffenden Ausführungen desGeneralbundesanwalts in seinem Antrag vom 15. August 2002 und bemerktergänzend:Bei der gebotenen Gesamtwürdigung der Beschuldigten und ihrer Tat(vgl. BGH NStZ 1993, 78) hat die Strafkammer das von ihr (für den Senat bin-dend) festgestellte Verhalten des Polizeibeamten nicht erwogen. Entgegen derAuffassung der Revision ist dies hier jedoch unschädlich. Die Beschuldigte hat"Selbsthilfe" ausgeübt, obwohl ihr die Möglichkeit behördlichen Eingreifensbewußt war, wie sich daraus ergibt, daß sie die Polizei aufgesucht hat. Daßsich hieraus Gesichtspunkte ergeben könnten, die gegen die Notwendigkeiteiner- 6 -Unterbringungsanordnung sprechen, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist er-kennbar, wieso sich daran durch das festgestellte Verhalten des Polizeibeam-ten etwas ändern könnte, ohne daß es dabei auf die sonstige Bewertung die-ses Verhaltens ankäme.Schäfer Nack Wahl Herr RiBGH Dr. Boetticher ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert. Schäfer Kolz

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1 StR 337/02

10.09.2002

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2002, Az. 1 StR 337/02 (REWIS RS 2002, 1663)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1663

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