Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.06.2013, Az. II ZR 80/12

II. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5188

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 80/12
Verkündet am:
11. Juni 2013
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BKN
BGB § 823 Abs. 2 Bf; [X.] §§ 35, 38 Nr. 2
a)
Die übrigen Aktionäre haben keinen Anspruch auf eine Gegenleistung, wenn ein Kontrollerwerber entgegen §
35 Abs.
2 [X.] kein Pflichtangebot veröffentlicht.
b)
Zinsen werden nach §
38 Nr.
2 [X.] nur geschuldet, wenn und soweit ein Pflichtangebot

verspätet

veröffentlicht wird.
c)
§
35 Abs.
2 [X.] ist kein Schutzgesetz im Sinne des §
823 Abs.
2 BGB.

[X.], Urteil vom 11. Juni 2013 -
II ZR 80/12 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der I[X.] Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2013 durch [X.]
Dr.
Bergmann,
[X.]
Strohn, die Richterinnen [X.] und
Dr.
[X.] und den Richter Sunder

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlan-desgerichts [X.] vom 25. Januar 2012 wird auf Kosten der Kläge-rin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 987.000

.

AG in Anspruch, hilfsweise auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 987.000

Pflichtangebot nach §
35 Abs.
2 [X.] veröffentlicht haben. Dazu seien sie aber

so meint die Klägerin

verpflichtet gewesen, da sie unmittelbar oder mit-telbar die Kontrolle über die B.

AG durch Erwerb von [X.] 30
% der Aktien erlangt hätten.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen ([X.], Urteil vom
4.
Februar 2011

82
O
30/09, juris). Das [X.] hat die Berufung 1
2

3

zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.
[X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Ob die Voraussetzungen des §
35 Abs.
2 [X.] vorlägen und ob die Klägerin, die ihre Aktien erst nach dem Ende der Beherrschung erworben habe, für einen Anspruch aus §
35 Abs.
2 [X.] aktivlegitimiert sei, könne offenblei-ben. Denn jedenfalls ergebe sich aus §
35 Abs.
2 [X.] kein Anspruch der Aktionäre der Zielgesellschaft gegen den Kontrollerwerber auf Zahlung einer Gegenleistung für die Aktien, wenn der Kontrollerwerber ein Pflichtangebot nicht abgegeben habe. Weder der Wortlaut noch
der Sinn und Zweck des [X.] geböten eine derartige Auslegung. Auch der Gesetzgeber gehe, wie ei-ne Äußerung in der Regierungsbegründung zum [X.] zeige, davon aus, dass das Wertpapiererwerbs-
und Übernah-megesetz Individualansprüche von Anlegern auf den Abschluss entsprechender Verträge nicht vorsähe. Auch die dem Gesetz zugrundeliegende Übernahme-richtlinie 2004/25/[X.] vom 21. April 2004 ([X.]. [X.] 142 S. 12) verlange keine derartige Auslegung.
Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus §
823 Abs.
2 [X.] mit §
35 Abs.
2 [X.]. Diese Norm sei kein Schutzgesetz. Für eine Schutzgesetzeigenschaft reiche noch nicht aus, dass die Vorschrift (auch) dem Schutz der Aktionäre diene. Entscheidend sei, ob sie bei einer Gesamtwürdi-3
4
5
6

4

gung des Regelungszusammenhangs die Schaffung eines individuellen Scha-densersatzanspruchs sinnvoll erscheinen lasse. Das sei nicht der Fall. Es spre-che nichts dafür, durch die Annahme eines Schutzgesetzcharakters des §
35 Abs.
2 [X.] die gegenteilige
Tendenz des Gesetzgebers bezüglich des [X.] des § 35 Abs. 2 [X.] als einer rein aufsichtsrechtlichen Norm zu unterlaufen.
Schließlich stehe der Klägerin auch der hilfsweise geltend gemachte Zinsanspruch aus §
38 [X.] nicht zu. Es fehle an einer Hauptleistung. Inso-weit sei der Wortlaut der Norm zwar nicht eindeutig. Aus Bemerkungen in der Gesetzesbegründung lasse sich jedoch entnehmen, dass der Gesetzgeber [X.] selbstständige, von einer Hauptleistung unabhängige [X.] habe [X.] wollen. Jedenfalls gehe es zu weit, dem Gesetzgeber einen gegenteili-gen Willen

unter Ausschaltung des Akzessorietätsgrundsatzes

zu unterstel-len.
I[X.] Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten revisionsgerichtlicher Kontrolle stand. Die Klage ist zu Recht abgewiesen worden.
1. Das Berufungsgericht hat offenlassen können, ob die Voraussetzun-gen, unter denen ein Aktionär nach § 35 Abs. 2, § 14 Abs. 2 [X.] ein Pflicht-angebot zugunsten der übrigen Aktionäre einer Zielgesellschaft abgeben muss, erfüllt sind
und ob die Klägerin gegebenenfalls zu dem Kreis der durch ein Pflichtangebot begünstigten Aktionäre gehört. Denn jedenfalls besteht ein [X.] auf Zahlung der Gegenleistung für die Aktien weder aus § 35 Abs.
2 [X.] noch aus einem mitgliedschaftlichen Schuldverhältnis, wenn der Kontrol-lerwerber pflichtwidrig ein Pflichtangebot nicht veröffentlicht.
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8
9

5

a) Im Schrifttum wird allerdings teilweise die Auffassung vertreten, ein derartiger zivilrechtlicher Anspruch ergebe sich aus § 35 Abs. 2 [X.] ([X.], [X.], 1865, 1876; ähnlich Ekkenga/Hofschroer DStR 2002, 768, 777

An-dienungsrecht; Wagner, [X.] 2003, 718, 719

Kontrahierungszwang) oder aus einem durch die Kontrollerlangung ausgelösten gesetzlichen, auf der Mitglied-schaft beruhenden Schuldverhältnis ([X.]/[X.], [X.], 2301, 2308). Die herrschende Meinung lehnt einen solchen Anspruch dagegen ab ([X.], [X.] 166 [2002], 619, 621
f.; [X.]. in [X.]/[X.], Aktien-
und GmbH-Konzernrecht, 6.
Aufl., vor §
311 Rn.
24; [X.], [X.],
3.
Aufl., §
35 Rn.
108
ff.; [X.] in KK-[X.], 2.
Aufl., §
35 Rn.
275; [X.]/[X.]/[X.], 3.
Aufl., [X.] §
35 Rn.
245; [X.] in [X.]/
Süßmann, [X.], 2.
Aufl., §
35 Rn.
59; Baums/[X.] in Baums/[X.], [X.], Stand Mai 2004, §
35 Rn.
296; [X.]/[X.] in [X.][X.], Kapitalmarktrechtskommentar, 4. Aufl., §
35 Rn. 53; [X.] in [X.][X.], Kapitalmarktrechtskommentar, 4. Aufl., § 4 Rn.
25 f.; [X.]/[X.] in
[X.]/[X.], [X.]. [X.], 3. Aufl., § 35 Rn.
117
f.; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. [X.], 3. Aufl., Anhang § 4 Rn.
4;
[X.], [X.] 2005, 541; [X.]., Rechtsschutz im Hinblick auf ein Pflichtangebot nach § 35 [X.], 2005, [X.] ff.; [X.] in [X.], [X.] in Praxis und Wissenschaft, 2009, 53, 79; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 35 Rn. 252; [X.], NJW 2004, 3681, 3688; Schnorbus, [X.], 657, 663; Pohlmann, [X.] 2007, 1, 11 f.; [X.] in [X.], 2008, 769, 777).
b) Die zuletzt genannte Meinung ist zutreffend.

Der Senat hat bereits in einem Fall, in dem es um einen Zinsanspruch als Folge eines Verstoßes gegen § 35 Abs. 2 [X.] ging, ausgeführt, es sei zweifelhaft, ob ein solcher Zinsanspruch "unabhängig von der selbst nicht indi-viduell einklagbaren 'Gegenleistung'
"
bestehe ([X.], Urteil vom 18. September 10
11
12

6

2006

[X.], [X.]Z 169, 98 Rn. 9

[X.]).
Bei der Auffassung, dass die übrigen Aktionäre keinen Anspruch auf eine Gegenleistung haben, wenn ein Kontrollerwerber entgegen § 35 Abs. 2 [X.] kein Pflichtangebot veröffentlicht, bleibt der Senat auch nach erneuter Prüfung.
aa) Aus
dem Wortlaut des § 35 [X.] lässt
sich ein
Zahlungsanspruch der Aktionäre nicht herleiten. In Absatz 1 wird die Pflicht begründet, eine Erlan-gung der Kontrolle unverzüglich zu veröffentlichen. Nach Absatz 2 ist der Kon-trollerwerber verpflichtet, innerhalb von vier Wochen nach dieser Veröffentli-chung der [X.] ([X.]) eine Ange-botsunterlage zu übermitteln und ein Kauf-
oder Tauschangebot zum Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft nach § 2 Abs. 1, § 14 Abs. 2 Satz
1 [X.] zu veröffentlichen, wenn die [X.] die Veröffentlichung gestattet oder sie das Angebot nicht innerhalb von zehn Werktagen untersagt. In § 35 Abs.
2 [X.] ist weder von einem Anspruch der Aktionäre auf Zahlung oder auch nur auf Abgabe eines Angebots die Rede noch von sonstigen Sanktionen bei Ver-letzung dieser Pflicht.
bb) Auch aus den [X.] ist zu entnehmen, dass dann, wenn ein nach dem Wertpapiererwerbs-
und Übernahmegesetz gebote-nes Kauf-
oder Tauschangebot
nicht abgegeben wird, keine Ansprüche der üb-rigen Aktionäre auf Zahlung einer Gegenleistung aus diesem Gesetz vorgese-hen sein sollten.
So heißt es in der Begründung zum Regierungsentwurf des Wertpapier-erwerbs-
und Übernahmegesetzes, der Bieter, der ein Angebot nicht abgebe, verstoße gegen die in § 35 Abs. 2 [X.] enthaltene Verpflichtung; der Verstoß könne als Ordnungswidrigkeit geahndet werden und zu einem [X.] nach § 60 [X.] und zu einem Zinsanspruch der Aktionäre nach § 38 [X.] 13
14
15

7

führen (Begr. [X.], BT-Drucks. 14/7034, [X.]). Ein
Anspruch auf Zahlung der Gegenleistung für die Hingabe von Aktien ist dort nicht erwähnt.
cc) Damit stimmt auch § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapMuG in der Fassung vom 16. August 2005 ([X.]) überein, ebenso wie § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KapMuG in der Fassung vom 19. Oktober 2012
(BGBl I S. 2182).
Danach gilt das [X.] unter anderem für Streitigkeiten, bei denen es um einen Erfüllungsanspruch aus einem Vertrag geht, der auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs-
und Übernahmege-setz beruht. Würde sich ein Zahlungsanspruch auch ohne ein entsprechendes Angebot unmittelbar aus dem Wertpapiererwerbs-
und Übernahmegesetz erge-ben, hätte es nahegelegen, die Anwendbarkeit des [X.]es auch darauf zu beziehen. Das wird noch unterstrichen durch die Bemerkung in der Begründung des [X.] des [X.]es
2005, wonach das Wertpapiererwerbs-
und Über-nahmegesetz entsprechende Individualansprüche von Anlegern auf den [X.] solcher (Kauf-
oder [X.] nicht vorsehe (Begr. [X.], BT-Drucks. 15/5091, S. 20).
Der Gesetzgeber hat auch bei der Novellierung des [X.]es im Jahr 2012 keinen Anlass gese-hen, die Regelung
insoweit zu verändern.
dd) Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 35 Abs.
2 [X.].
Ziel des Wertpapiererwerbs-
und Übernahmegesetzes ist es, Rahmen-bedingungen bei Unternehmensübernahmen und anderen öffentlichen Angebo-ten zum Erwerb von Wertpapieren in [X.] zu schaffen, die den [X.] und der Finanzmärkte angemessen Rechnung tra-gen und hierdurch den Wirtschaftsstandort und Finanzplatz [X.] auch im internationalen Wettbewerb weiter stärken (BT-Drucks. 14/7034, [X.]). Da-16
17
18
19

8

mit hat das Gesetz eine vorwiegend kapitalmarktrechtliche Ausrichtung
([X.], [X.] 2002, 546, 558 ff.; [X.] in [X.]/[X.], Aktien-
und GmbH-Konzernrecht, 6.
Aufl., vor §
311 Rn.
10, 25; a.[X.], ZIP
2001, 1073, 1082; vermittelnd [X.], [X.] 166 [2002], 383, 386). [X.] ist seine Anwendung nach §
1 Abs. 1 [X.] beschränkt auf [X.] zum Erwerb von Wertpapieren, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Ginge es vornehmlich um einen konzernrechtlichen Eingangsschutz und damit um eine gesellschaftsrechtliche Ausrichtung, wäre nicht verständlich, dass im Freiverkehr gehandelte Wertpapiere von dem [X.] nicht erfasst werden.
In diesen Regelungszweck
fügt sich § 35 Abs. 2 [X.] in der Auslegung des Senats ohne Wi[X.]prüche ein.
Für einen nur reflexartigen Schutz der Aktionäre spricht auch der [X.], dass die [X.] die ihr nach dem Wertpapiererwerbs-
und Übernahmege-setz zugewiesenen Aufgaben gemäß § 4 Abs. 2 [X.] nur im öffentlichen Inte-resse wahrnimmt. Darin kommt zum Ausdruck, dass es bei dem Wertpapierer-werbs-
und Übernahmegesetz nicht vorrangig um den Schutz der Aktionäre, sondern um die Erhaltung
der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte geht (BT-Drucks. 14/7034, S. 36).
ee) Auch systematische Erwägungen sprechen für diese Auslegung.
(1) Zum einen enthält das Gesetz ausreichende Druckmittel, um ein die Kontrolle erwerbendes Unternehmen dazu zu bewegen, ein Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 [X.] zu veröffentlichen. Dabei kann offenbleiben, ob die [X.] gemäß § 4 Abs. 1 [X.] eine entsprechende Anordnung
erlassen und mit den Mitteln des [X.]s nach § 46 [X.] durchsetzen kann (so etwa [X.], [X.], 3.
Aufl., §
35 Rn.
114
f.; a.[X.]/[X.] in Baums/
[X.], [X.], Stand Mai 2004, § 35 Rn. 295, jeweils
mwN). Denn jedenfalls bestehen

mit geringen Ausnahmen

für die Zeit, für die das erforderliche 20
21
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9

Pflichtangebot nicht abgegeben wird, nach § 59 [X.] keine Rechte aus den Aktien des [X.]. Damit sind alle Beschlüsse der Hauptversamm-lung, die auf den Stimmen des [X.] beruhen, anfechtbar. Er kann eine Kontrolle nur in den Fällen
ausüben, in denen seine Stellung als
Kontrollerwerber unerkannt bleibt. Weiter kann gegen den Kontrollerwerber, der kein Pflichtangebot abgibt, nach § 60 Abs. 1 Nr. 1a,
Abs.
3
[X.] eine Geld-buße bis zu

bei Vorsatz

1 Mio.

verhängt werden. Auch wenn die [X.] da-bei nur im öffentlichen Interesse tätig wird
([X.], [X.], 270, 272), können sich die Aktionäre an sie wenden und sie zum Einschreiten auffordern.
(2) Zum anderen hätten gerichtliche Entscheidungen über Zahlungsan-sprüche der Aktionäre wegen des Unterlassens
der Veröffentlichung eines Pflichtangebots keine Wirkung für und gegen jedermann. Damit könnten auch unterschiedlich hohe Ansprüche ausgeurteilt werden, oder es könnten die Kla-gen teilweise abgewiesen und teilweise zugesprochen werden. Ein einheitlicher Gerichtsstand besteht insoweit nicht
(Pohlmann, [X.] 2007, 1, 11 f.).
(3) Ferner hat der Kontrollerwerber nach § 31 Abs. 1 Satz 1, Abs.
2 Satz
1 [X.] ein Wahlrecht, ob er den [X.] eine Geldleistung oder [X.] anbietet, und die [X.] kann unter den Voraussetzungen des § 37 [X.] den Kontrollerwerber von der Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Angebots befreien. Auch das spricht gegen davon unabhängige
Zahlungsansprüche
der Aktionäre.
(4) Schließlich spricht auch der Anspruch auf Zinsen nach § 38 Nr. 2 [X.] nicht für einen Anspruch der Aktionäre auf eine Gegenleistung für ihre Aktien. Denn Zinsen werden nach dieser Norm nur geschuldet, wenn und so-weit ein Pflichtangebot

verspätet

veröffentlicht wird.

23
24
25

10

(a) Auch diese Frage ist im Schrifttum streitig. Eine Meinung versteht den Zinsanspruch aus § 38 [X.] als einen selbstständigen Anspruch, der auch ohne einen Hauptleistungsanspruch entstehen kann ([X.] in Baums/[X.], [X.] § 38 Rn. 10; [X.] in [X.]/Süßmann, [X.], 2. Aufl., § 35 Rn. 59; [X.]/[X.]/[X.], 3.
Aufl., [X.] §
38 Rn.
2; [X.], [X.] 167 (2003), 315, 347
f.; Schnorbus, [X.], 657, 663; Wagner, [X.] 2003, 718, 719; [X.], [X.], 445, 448; Derst, Ansprüche von [X.] bei unterlassenem Pflichtangebot, 2010, S.
88
f.; im Ergebnis ebenso Ekkenga/
[X.] in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, [X.], § 38 Rn. 3). Die Gegenmeinung hält den Zinsanspruch nach den allgemeinen Grundsätzen für einen notwendig akzessorischen Anspruch, der nur bestehen kann, wenn auch ein Hauptan-spruch,
nämlich der Anspruch aus dem Pflichtangebot, besteht ([X.], [X.], 3. Aufl., §
38 Rn.
4; [X.]/Oesterhaus in KK-[X.], 2. Aufl., § 38 Rn.
25; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 38 Rn.
7; [X.] in [X.][X.], Kapitalmarktrechtskommentar, 4. Aufl., § 4 Rn. 27; [X.]/[X.], [X.], 2301, 2305; ähnlich [X.], [X.] 2005, 541, 543; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.]. [X.], 3. Aufl., § 38 Rn. 3 f.).
(b) Die zuletzt genannte Meinung ist zutreffend, wie der Senat
schon in seinem Urteil vom 18. September 2006 ([X.], [X.]Z 169, 98 Rn.
9

[X.]) angedeutet hat, dort aber noch offenlassen konnte.
Dafür sprechen
schon der Wortlaut der Norm ("Zinsen auf die Gegenleis-tung") und die Begründung des [X.] (BT-Drucks. 14/7034, [X.] f.). Zwar heißt es dort, bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung eines Angebots entstehe ein Zinsanspruch nach § 38 [X.]. Weiter wird aber ausgeführt, "nach § 38 [X.] erhöh[e] sich die von einem Bieter im Rahmen eines Pflichtangebots zu erbringende Gegenleistung". Auch der Sinn und Zweck der Regelung sprechen
nicht für
einen selbständigen Anspruch auf "Zin-26
27
28

11

sen". Mit dieser Zahlungspflicht sollen Verzögerungen bei der Veröffentlichung des Pflichtangebots sanktioniert werden. Veröffentlicht der Kontrollerwerber aber bewusst kein Pflichtangebot, weil er etwa die Kontrollschwelle von 30 % der Anteile mittlerweile wieder unterschritten hat und an einem Erwerb der übri-gen Aktien nicht mehr interessiert ist, würde ein unbegrenzter Zinslauf zu einer ganz unverhältnismäßigen Sanktionierung führen. Dadurch wären zudem auch Aktionäre begünstigt, die ihre Aktien gar nicht verkaufen wollen. Im Übrigen [X.] dieselben -
oben erwähnten (s. Rn.
23
f. II 1 b ee [2] und [3])
-
systema-tischen Bedenken bezüglich der Bestimmung der "Gegenleistung", die für die Höhe der "Zinsen" maßgebend ist, wie bei einem Zahlungsanspruch aus § 35 Abs. 2 [X.].
Es stellt entgegen der Ansicht der Revision auch keinen Wi[X.]pruch dar, wenn ein Kontrollerwerber, der verspätet ein Pflichtangebot veröffentlicht, Zinsen zahlen muss, während ein Kontrollerwerber, der kein Angebot abgibt, diese Zahlungen nicht erbringen muss. Denn das Wertpapiererwerbs-
und Übernahmegesetz geht davon aus, dass der säumige Kontrollerwerber zu einer Veröffentlichung eines
Angebots wenn nicht durch eine
Anordnung der [X.], so doch jedenfalls durch die Androhung und gegebenenfalls Verhängung eines [X.] und den Ausschluss der Rechte aus der Beteiligung gezwungen wird.
ff) Mit seinem Sanktionensystem aus gegebenenfalls [X.], jedenfalls aber [X.] und Bußgeld trägt das Wertpapiererwerbs-
und Übernahmegesetz auch den verfassungsmäßigen Anforderungen nach Art. 14 Abs. 1 GG an einen Schutz der Aktionäre vor den für sie negativen Auswirkun-gen eines Kontrollerwerbs angemessen Rechnung
(vgl. dagegen Schnorbus, [X.], 657, 663 zur Verfassungswidrigkeit bei Annahme individueller [X.] aus § 35 [X.]). Insbesondere das Ruhen der Rechte des Kontroller-werbers bis zur Veröffentlichung eines Pflichtangebots bewirkt, dass die Aktio-näre ihre Rechte ohne Rücksicht auf den Kontrollerwerb ausüben können.
29
30

12

gg) Schließlich gebietet auch die Richtlinie 2004/25/[X.] des [X.] und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmean-gebote ([X.]. [X.] 142 S.12) keine andere Auslegung des § 35 Abs. 2 [X.].
Nach Art. 3 Abs. 1a dieser Richtlinie sind zwar die anderen Inhaber von Wertpapieren zu schützen, wenn eine Person die Kontrolle über eine Gesell-schaft erwirbt. Das muss aber nicht durch die Einräumung von Zahlungsan-sprüchen geschehen, wie in Art. 4 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 der Richtlinie klarge-stellt ist. Das Sanktionensystem muss nach Art. 17 der Richtlinie lediglich wirk-sam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Diesen Anforderungen genügt das Wertpapiererwerbs-
und Übernahmegesetz, ohne Zahlungsansprüche der Aktionäre vorzusehen ([X.], [X.] 166 [2002], 619, 622).
2. Auch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §
35 Abs. 2 [X.] ergibt sich kein Zahlungsanspruch der Klägerin. Denn § 35 Abs.
2 [X.] ist kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.
Auch das ist im Schrifttum umstritten. Während einige Autoren eine Schutzgesetzeigenschaft des § 35 Abs. 2 [X.] annehmen ([X.] in KK-[X.], 2.
Aufl., § 35 Rn. 278; Baums/[X.] in Baums/[X.], [X.], Stand Mai 2004, § 35 Rn. 297; Ekkenga/[X.] in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, [X.], § 35 Rn. 75; [X.], [X.] 167 [2003], 315, 349; Derst, Ansprüche von [X.] bei unterlassenem Pflichtangebot, 2010, [X.] ff.), lehnen andere
das ab ([X.] in [X.][X.], Kapitalmarktrechtskommentar, 4. Aufl., § 4 Rn.
28; [X.], [X.], 3.
Aufl., §
35 Rn.
112
f.; [X.] in [X.]/
Süßmann, [X.], 2.
Aufl., §
59 Rn.
85
f.; [X.]/[X.] in [X.]/
[X.], [X.]. [X.], 3. Aufl., § 35 Rn. 118; Schnorbus, [X.], 657, 663; [X.], [X.] 2005, 541, 542; Pohlmann, [X.] 2007, 1, 12; zurückhal-tend [X.]/[X.], [X.], 2301, 2307 f.).

31
32
33
34

13

Eine Norm ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] dann Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Schadensersatzan-spruch zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen ge-wollt oder doch mit gewollt hat. Die Schaffung eines individuellen Schadenser-satzanspruchs muss danach sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen. Danach ist unter umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs zu prüfen, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die
Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden zu knüpfen ([X.], Urteil vom 22. Juni 2010

VI ZR 212/09, [X.]Z 186, 58 Rn.
26

Phoenix; Urteil vom 13. Dezember 2011

[X.], [X.]Z 192, 90 Rn.
21).
Nach diesen Maßstäben ist § 35 Abs. 2 [X.] kein Schutzgesetz. Zwar dient die Norm

auch

dem Schutz der Aktionäre vor den Folgen eines [X.]. Angesichts ihrer vorrangig kapitalmarktrechtlichen Ausrichtung und der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, an ihre Verletzung keine ver-traglichen oder mitgliedschaftlichen Ersatzansprüche zu knüpfen, kann aber nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber bei einer Verletzung dieser Norm den [X.] einen deliktischen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB geben wollte. Das vom Gesetzgeber vorgesehene,
verfassungs-
und europarechtlich nicht zu beanstandende Sanktionensystem des Wertpa-piererwerbs-
und Übernahmegesetzes würde gestört, wenn daneben ein Scha-densersatzanspruch bestehen würde. Entgegen der Auffassung der Revision besteht deshalb auch kein Anlass, die Rechtslage hier ebenso zu sehen wie bei 35
36

14

den Mitteilungspflichten nach § 20 AktG, den die herrschende Meinung für ein Schutzgesetz hält ([X.]/[X.], 3. Aufl., § 20 Rn. 85).
3.
Auch mit dem Hilfsantrag hat die Klage keinen Erfolg.
Die Klägerin hat mangels eines Hauptanspruchs auch keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen, wie oben (s. Rn.
25
ff.) ausgeführt worden ist.

Bergmann

Strohn

[X.]

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.02.2011 -
82 O 30/09 -

O[X.], Entscheidung vom 25.01.2012 -
13 [X.] -

37
38

Meta

II ZR 80/12

11.06.2013

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.06.2013, Az. II ZR 80/12 (REWIS RS 2013, 5188)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5188

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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