Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.11.2021, Az. II ZR 315/19

2. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 906

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Gegenstand

Öffentliche Übernahme einer Aktiengesellschaft: Anspruch der Aktionäre auf angemessene Gegenleistung


Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 19. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 1 zwei Drittel und die Klägerin zu 2 ein Drittel.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerinnen hielten Aktien der vormaligen [X.]. Die Beklagte gab am 28. Februar 2014 ein auf den Erwerb sämtlicher Aktien der [X.] gerichtetes öffentliches Übernahmeangebot zum Preis von 23,50 € je Aktie ab. Die Angebotsunterlage, in der die Vorerwerbe und die Festsetzung des Angebotspreises näher erläutert wurden, wurde von der [X.] (im Folgenden: [X.]) geprüft und gestattet. In der Angebotsunterlage wurden Anleihekäufe der Beklagten bzw. einer mit ihr gemeinsam handelnden Person im Oktober 2013 und Januar 2014 sowie der Erwerb von Aktien der [X.] durch Ausübung eines Wandlungsrechts offenbart. In den Erläuterungen zur Festsetzung der Angebotsgegenleistung führte die Angebotsunterlage aus, die Anleiheerwerbe seien für die Bestimmung der Mindestgegenleistung nicht erheblich. Vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage hatte die [X.] der Beklagten die Auskunft erteilt, derivativ erworbene Wandelschuldverschreibungen seien nicht mindestpreisrelevant. Die Klägerinnen nahmen das Übernahmeangebot nicht an.

2

Mit Urteil vom 7. November 2017 entschied der [X.] in einem Rechtsstreit zwischen der Beklagten und ehemaligen Aktionären der [X.], die das Angebot angenommen hatten, dass die angemessene Gegenleistung 30,95 € betrage ([X.], Urteil vom 7. November 2017 - [X.], [X.]Z 216, 347 Rn. 10 ff.). Der Erwerb aus den Wandelschuldverschreibungen sei als Vorerwerb im Sinne von § 31 Abs. 6 WpÜG i.V.m. § 4 WpÜG-AngVO anzusehen und daher seien die für den Erwerb von Wandelschuldverschreibungen gezahlten Preise bei der Ermittlung der angemessenen Gegenleistung zu berücksichtigen. Tatsächlich bestimme der für die Wandelschuldverschreibungen gezahlte Preis in Höhe von 30,95 € bezogen auf eine Aktie die angemessene Gegenleistung im Sinne von § 31 Abs. 1 WpÜG.

3

Die Klägerinnen haben mit der Behauptung, sie hätten das Angebot im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angebotsunterlage nicht angenommen, von der Beklagten die Zahlung von 30,95 € je Aktie Zug-um-Zug gegen Übereignung ihrer Aktien an der [X.] und entgangenen Gewinn verlangt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision haben die Klägerinnen ihre Klageanträge zunächst weiterverfolgt und den Rechtsstreit im Laufe des Revisionsverfahrens im Hinblick auf die zwischenzeitliche Einlieferung von Aktien gegen eine Abfindung in Höhe von 22,99 € zuzüglich Zinsen je Aktie in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

5

I. Das Berufungsgericht ([X.], Urteil vom 19. Dezember 2018 - 9 U 118/18, juris) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Es könne dahinstehen, ob die Klägerinnen in dem geltend gemachten Umfang aktivlegitimiert seien, ob ein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen den Parteien begründet worden sei, die Anwendung von § 311 Abs. 2 [X.] neben § 12 [X.] möglich sei und eine Pflichtverletzung vorliege. Jedenfalls treffe die Beklagte wegen eines unverschuldeten [X.] kein Verschulden. Die Klägerinnen hätten den ihnen obliegenden Beweis für die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht geführt. Sie hätten nicht nachgewiesen, dass die Beklagte ein Übernahmeangebot zum Preis von 30,95 € je Aktie abgegeben hätte.

7

II. [X.] im Revisionsverfahren ist zulässig, weil das Ereignis, das die Hauptsache teilweise erledigt haben soll, als solches außer Streit steht (vgl. [X.], Urteil vom 10. Januar 2017 - [X.], [X.], 566 Rn. 8 mwN). Die Revision ist jedoch insgesamt zurückzuweisen, weil die Ausführungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis standhalten (vgl. [X.], Urteil vom 4. Juni 2013 - [X.], [X.]Z 197, 335 Rn. 5).

8

1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen, dass den Klägerinnen kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 [X.] zusteht. Es kann dahinstehen, ob, wie das Berufungsgericht meint, ein solcher Anspruch zu verneinen ist, weil die Beklagte eine Verletzung der Pflicht, den Aktionären der [X.] nach § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] eine angemessene Gegenleistung anzubieten, nicht schuldhaft verletzt hat und der Nachweis der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden von den Klägerinnen nicht geführt worden ist. Das Berufungsurteil stellt sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO), weil es sich bei der aus § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] folgenden Pflicht des Bieters, den Aktionären der Zielgesellschaft eine angemessene Gegenleistung anzubieten, nicht um eine Pflicht im Sinne des § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 [X.] handelt.

9

a) Die Aktionäre der Zielgesellschaft haben nach der [X.] eines öffentlichen Übernahmeangebots nicht unabhängig von der Annahme des Angebots aus § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] einen Anspruch auf eine angemessene Gegenleistung.

aa) Gegen den Kontrollerwerber, der pflichtwidrig ein Pflichtangebot nicht veröffentlicht, besteht ein Anspruch auf Zahlung der Gegenleistung für die Aktien weder aus § 35 Abs. 2 [X.] noch aus einem mitgliedschaftlichen Schuldverhältnis ([X.], Urteil vom 11. Juni 2013 - [X.]/12, [X.], 1565 Rn. 9 - [X.]; Urteil vom 29. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 180 Rn. 19). Wird dagegen ein öffentliches Übernahmeangebot veröffentlicht, steht Aktionären der Zielgesellschaft, die das Angebot angenommen haben, ein zivilrechtlich durchsetzbarer Anspruch auf Zahlung des [X.] zwischen der angebotenen und der angemessenen Gegenleistung zu. Die im Schrifttum umstrittene Frage, ob § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] den Aktionären der Zielgesellschaft unabhängig von der Annahme des öffentlichen Angebots einen Anspruch auf eine angemessene Gegenleistung vermittelt, hat der [X.] bislang nicht entschieden (vgl. [X.], Urteil vom 29. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 180 Rn. 21 ff.; Urteil vom7. November 2017 - [X.], [X.]Z 216, 347 Rn. 11).

Überwiegend wird ein individueller Anspruch auf eine angemessene Gegenleistung von der Annahme des öffentlichen Angebots durch den Aktionär abhängig gemacht ([X.] in Ehricke/Ekkenga/[X.], [X.], § 31 Rn. 26; [X.] in Baums/[X.]/Verse, [X.], [X.]. 10/10, § 31 Rn. 128; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 31 Rn. 166g; Verse, [X.], 199, 205, 208 f.; [X.]/[X.], [X.], 2301, 2302; Pohlmann, [X.] 2007, 1, 15 f.; [X.], [X.], 1865, 1874; [X.], [X.] 167 [2003], 315, 346; [X.]/[X.], [X.], 2261, 2268; Brellochs, [X.] 2018, 811, 818; [X.], Rechtsschutz der Aktionäre bei Verstößen gegen die [X.] im [X.], 2021, S. 121 f.; weiter einschränkend [X.]/[X.], 5. Aufl., § 31 [X.] Rn. 107 f.; [X.]/[X.] in [X.], [X.], 4. Aufl., § 31 Rn. 111; [X.], Angebotsunterlagenhaftung, 2003, [X.]). Teilweise wird demgegenüber vertreten, § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] vermittele den Aktionären bereits dann einen Anspruch auf eine angemessene Gegenleistung, wenn noch kein Vertrag geschlossen worden sei (KK-[X.]/[X.]/Oesterhaus, 2. Aufl., § 31 Rn. 107; [X.] in Festschrift [X.], 2018, [X.], 618; Thaeter in Thaeter/ [X.], Öffentliche Übernahmen, 2003, § 6 Rn. 508; [X.]/[X.], ZIP 2010, 558, 565 f.; ein Andienungsrecht entsprechend § 39c [X.] bejahend: [X.], DStR 2014, 2132, 2134).

bb) Der überwiegenden Ansicht ist zuzustimmen. § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] vermittelt nur den Aktionären der Zielgesellschaft, die das öffentliche Angebot annehmen, einen Anspruch auf eine angemessene Gegenleistung.

(1) Der Wortlaut von § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] lässt nicht erkennen, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft einen individuellen Anspruch auf das Angebot einer angemessenen Gegenleistung haben. Danach wird lediglich eine entsprechende Verpflichtung des Bieters begründet, ohne dass von einem Anspruch der Aktionäre die Rede ist ([X.], Rechtsschutz im Hinblick auf ein Pflichtangebot nach § 35 [X.], 2005, S. 227; vgl. bereits zu § 35 Abs. 2 [X.]: [X.], Urteil vom 11. Juni 2013 - [X.]/12, [X.], 1565 Rn. 9, 20 - [X.]).

(2) Die Systematik des Gesetzes spricht dafür, dass ein individueller Anspruch auf eine angemessene Gegenleistung der Aktionäre von der Annahme des Angebots abhängig ist (vgl. bereits zu § 35 Abs. 2 [X.]: [X.], Urteil vom 11. Juni 2013 - [X.]/12, [X.], 1565 Rn. 21 ff. - [X.]). Nach § 31 Abs. 5 [X.] wird ausdrücklich nur den Aktionären, die das Angebot angenommen haben, ein Anspruch in Höhe des [X.] bei sog. Nacherwerben zuerkannt. Diese Regelung wäre nicht verständlich, wenn die Aktionäre unmittelbar und unabhängig von der Annahme des Angebots aus § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] das Angebot einer angemessenen Gegenleistung bzw. eine angemessene Gegenleistung (vgl. Verse, [X.], 199, 202) vom Bieter verlangen könnten.

Zu Recht ist auch darauf hingewiesen worden, dass das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz anders als in Fällen, in denen die Höhe der angemessenen Gegenleistung durch ein Spruchverfahren bestimmt wird (vgl. § 305 Abs. 4 Satz 3 [X.], § 212 [X.]), den Aktionären der Zielgesellschaft nicht allgemein die Möglichkeit einräumt, dem Bieter ihre Aktien außerhalb des öffentlichen Übernahmeangebots anzudienen, wenn sich später herausstellt, dass die angebotene Gegenleistung nicht angemessen war (Verse, [X.], 199, 208). Der Gesetzgeber hat vielmehr gesehen, dass die Aktionäre, die ein Übernahme- oder Pflichtangebot nicht angenommen haben, unter bestimmten Bedingungen ein Recht zustehen soll, dem Bieter ihre Aktien anzudienen, wie sich aus § 39c [X.] ergibt. Diese ausdrücklich auf die Möglichkeit eines Ausschlusses der übrigen Aktionäre nach § 39a Abs. 1 [X.] begrenzte Regelung verlöre aber ihren Sinn, wenn den Aktionären unabhängig von der Annahme des Angebots aus § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] ein Anspruch auf eine angemessene Gegenleistung gegen die Übertragung ihrer Aktien zustünde. Durch die Bezugnahme auf § 39a [X.] ist das Andienungsrecht nach § 39c [X.] an das [X.] gekoppelt und geht nicht weiter als das [X.] ([X.], Urteil vom 18. Dezember 2012 - [X.], [X.], 308 Rn. 26). Da im Falle des Angebots einer nicht angemessenen Gegenleistung außerhalb des in § 39a Abs. 1 Satz 1 [X.] genannten Schwellenwerts keine vergleichbare Situation für den Aktionär entsteht, der das Angebot nicht angenommen hat, und diese nach der Konzeption des Gesetzes auch bei preisrelevanten Nacherwerben nicht geschützt sind, kommt auch keine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift in Betracht (Verse, Der Konzern 2015, 1, 3; [X.] in [X.]/Fleischer, Handbuch [X.] nach dem [X.], 2017, § 29 Rn. 25; aA [X.], DStR 2014, 2132, 2134).

Ein unmittelbarer, von der Annahme des Angebots unabhängiger Anspruch der Aktionäre kann auch nicht auf einen Kontrahierungszwang des Bieters gestützt werden ([X.], Rechtsschutz der Aktionäre bei Verstößen gegen die [X.] im [X.], 2021, [X.]; aA Thaeter in Thaeter/[X.], Öffentliche Übernahmen, 2003, § 6 Rn. 508). Die gegenteilige Sicht verkennt, dass das Ziel der Mindestpreisvorschriften, den Aktionären der Zielgesellschaft einen Austritt zu angemessenen Bedingungen zu ermöglichen, nach der Systematik des Gesetzes durch das öffentliche Übernahmeangebot umgesetzt wird, durch dessen Annahme der Aktionär vertragliche Ansprüche gegen den Bieter erwirbt, und zwar gerichtet auf die nach § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] angemessene Gegenleistung ([X.], Urteil vom 29. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 180 Rn. 21 ff.; Urteil vom 7. November 2017 - [X.], [X.]Z 216, 347 Rn. 11). Die Voraussetzungen, unter denen in der Rechtsprechung außerhalb einer ausdrücklichen gesetzlichen Festlegung ein mittelbarer Abschlusszwang angenommen wird (vgl. die Übersicht bei [X.]/[X.], [X.], 80. Aufl., Einf v § 145 Rn. 9), liegen nicht vor. Weder sind in der Situation, in der der Bieter ein Angebot mit nicht angemessener Gegenleistung veröffentlicht, ohne weiteres die Voraussetzungen des § 826 [X.] gegeben noch ist die Situation des Bieters mit der eines Unternehmens mit marktstarker oder marktbeherrschender Stellung vergleichbar ([X.], Rechtsschutz der Aktionäre bei Verstößen gegen die [X.] im [X.], 2021, [X.]). Dies gilt erst recht für Übernahmeangebote nach § 29 Abs. 1 [X.].

(3) In den Materialien zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz finden sich Hinweise darauf, dass § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] keine individuellen Ansprüche der Aktionäre der Zielgesellschaft begründen soll. Nach der Begründung des [X.] enthält die Vorschrift den konkretisierungsbedürftigen Grundsatz zur Bestimmung der Gegenleistung. Sie deutet aber nicht auf einen Anspruch hin, den die Aktionäre der Zielgesellschaft unabhängig vom Zustandekommen eines Vertrags gegen den Bieter verfolgen können ([X.] eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, [X.]). Zu Absatz 4 führt die Begründung aus, Voraussetzung für die Anwendung der Regeln sei stets ein bestehender bzw. bereits erfüllter Anspruch auf die Gegenleistung, und in der Begründung zu Absatz 5 wird darauf hingewiesen, dass der Schutz derjenigen Aktionäre, die das Angebot abgelehnt hätten, bei der folgenden Strukturmaßnahme durch die Normen des Aktien- und Umwandlungsrechts realisiert werde ([X.] eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, [X.]). Diese Ausführungen zeigen, dass die Preisvorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes nach der Vorstellung des [X.] zwar auf einen zwischen dem Bieter und dem Aktionär auf Grund des öffentlichen Angebots geschlossenen Vertrag einwirken, aber keine Ansprüche unabhängig von einem vertraglich begründeten Gegenleistungsanspruch gewähren sollen (Verse, [X.], 199, 208). Dem entspricht die Regierungsbegründung zum [X.], die zu § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF (nunmehr § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.]) ausführt, diese Regelung sei auf [X.] bestehender Verträge, deren Grundlage Angebote nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz sind, begrenzt. Nicht erfasst werde der Abschluss entsprechender Verträge, da dieses Gesetz entsprechende Individualansprüche von Anlegern auf den Abschluss solcher Verträge nicht vorsehe (Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren, BT-Drucks. 15/5091, S. 20).

(4) Ein von der Annahme des Angebots unabhängiger Anspruch auf eine angemessene Gegenleistung ist auch nicht im Hinblick auf die Interessenlage der Beteiligten gerechtfertigt. Gegen eine Beschränkung des [X.] der Anspruchsberechtigten auf die Aktionäre, die das Angebot angenommen haben, wird vorgebracht, es könne den Aktionären der Zielgesellschaft nicht angesonnen werden, das Angebot zu unangemessen niedrigen Konditionen anzunehmen, während für das Interesse an einer angemessenen Gegenleistung lediglich unsicherer Rechtsschutz eröffnet sei ([X.]/[X.], ZIP 2010, 558, 565 f.). Dieser Kritik ist zuzugeben, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft die Möglichkeit eines Austritts aus der Gesellschaft gegen eine tatsächlich angemessene Gegenleistung möglicherweise verlieren, wenn sie nicht bereit sind, das Risiko in Kauf zu nehmen, ihre Aktien möglicherweise nur zum Angebotspreis zu veräußern (vgl. [X.] in Baums/[X.]/Verse, § 12 [X.], [X.]. 12/11, § 12 Rn. 47; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 12 [X.] Rn. 4; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 12 [X.] Rn. 11). Dabei handelt es sich jedoch um ein den [X.] und der Konzeption des Gesetzes immanentes Risiko, das zum einen durch transparente und rechtssicher zu handhabende Preisregelungen ([X.] eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, [X.]) und zum anderen durch eine präventiv wirkende Angebotskontrolle nach § 14 f. [X.] verringert werden soll.

Der Bieter wäre bei einem solchen Anspruch durch die [X.] des Angebots auf zunächst unabsehbare [X.] und verschuldensunabhängig zur Übernahme der Aktien der Zielgesellschaft zu dem nach den [X.] maßgeblichen Preis verpflichtet. Hierdurch würden die Transaktionssicherheit für den Bieter, vor allem aber andere in § 3 Abs. 4 und 5 [X.] zum Ausdruck kommende allgemeine Grundsätze beeinträchtigt, nach denen das Übernahmeverfahren rasch, ohne eine über einen angemessenen [X.]raum hinausgehende Behinderung der Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft und ohne Marktverzerrungen beim Handel mit Wertpapieren der Beteiligten durchzuführen ist (vgl. auch [X.] eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, [X.], 35). Für die Aktionäre der Zielgesellschaft würden entgegen dieser Zielsetzung Anreize geschaffen, das im Grundsatz nach § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] unter eine Annahmefrist von höchstens zehn Wochen gestellte Angebot zunächst nicht anzunehmen. Zumindest unter dem Gesichtspunkt einer zeitlich nicht begrenzten Möglichkeit zur Verfolgung des Anspruchs auf eine angemessene Gegenleistung bekämen die Aktionäre, die das Angebot nicht annehmen, nicht schutzwürdige Arbitragemöglichkeiten (Brellochs, [X.] 2018, 811, 819; [X.]/[X.], [X.], 2261, 2268), die geeignet wären, Marktverzerrungen im Handel mit den Wertpapieren der Beteiligten zu verursachen.

b) Die Pflicht zum Angebot einer angemessenen Gegenleistung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] begründet keine vorvertragliche Nebenpflicht des Bieters gegenüber den Aktionären der Zielgesellschaft gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 [X.].

aa) Umfang und Inhalt vorvertraglicher Schutzpflichten sind nicht einheitlich für alle Schuldverhältnisse bestimmbar. Sie hängen vielmehr vom Zweck des Schuldverhältnisses, der Verkehrssitte und den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs ab ([X.], Urteil vom 14. März 2013 - [X.], [X.]Z 196, 340 Rn. 25; Urteil vom 19. Januar 2021 - [X.]/17, NJW 2021, 1818 Rn. 24). Rücksichtnahmepflichten umfassen die Rechts- und Interessensphäre der anderen Seite, einschließlich der Dispositions- und Entscheidungsfreiheit. Die Wahrung der Pflicht muss erforderlich und dem Schuldner zumutbar sein und an die gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit aufgrund der tatsächlichen Öffnung des Rechts- und Interessenkreises im Rahmen des vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses anknüpfen ([X.]/[X.], 8. Aufl., § 311 Rn. 50; [X.]/[X.], Stand: 1. Januar 2021, § 311 Rn. 313). Auch die pflichtwidrige Vereitelung eines wirksamen Vertragsschlusses kann eine Haftung aus § 311 Abs. 2 [X.] begründen ([X.]/[X.], [X.], [X.]. 2018, § 311 Rn. 151). Der [X.] nimmt unter diesem Gesichtspunkt eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen an, wenn dem Verhandlungspartner der Abschluss eines [X.] als sicher in Aussicht gestellt wird, dieser später ohne triftigen Grund abgelehnt wird und dem in Anspruch [X.] ein besonders schwerwiegender, regelmäßig vorsätzlich begangener [X.] vorzuwerfen ist ([X.], Urteil vom 29. März 1996 - [X.], [X.], 1174; Urteil vom 15. Januar 2001 - [X.], [X.], 802, 803).

bb) Für das öffentliche Angebotsverfahren wird, soweit eine Haftung wegen vorvertraglicher Pflichten in Betracht gezogen wird, überwiegend angenommen, der Bieter habe für eine ausreichende Information der Aktionäre der Zielgesellschaft und die Richtigkeit der gemachten Angaben einzustehen(KK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 12 Rn. 4, 83a; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 11 [X.] Rn. 116; [X.] in Baums/[X.]/Verse, [X.], [X.]. 12/11, § 12 Rn. 47; § 31 [X.] Rn. 110; Verse, Der Konzern 2015, 1, 3; [X.] in [X.]/Fleischer, Handbuch [X.] nach dem [X.], 2017, § 29 Rn. 25; vgl. [X.], AG 2007, 749, 754; Aisenbrey, Die Preisfindung im [X.], 2017, [X.] f.). Ergänzend wird vertreten, der veröffentlichten Angebotsunterlage könne die konkludente Erklärung des Bieters entnommen werden, die gesetzlichen Vorgaben einschließlich der [X.] seien beachtet worden (Aisenbrey, Die Preisfindung im [X.], 2017, [X.]; wohl auch [X.] in Festschrift [X.], 2018, [X.], 621).

Nach einem weitergehenden Ansatz, den sich die Revision zu eigen macht, sollen die Rücksichtnahmepflichten des Bieters von den Regelungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes aus bestimmt werden, so dass die Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber den Aktionären auch die Pflicht zur Wahrung der gesetzlichen [X.] einschließe. § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] schütze den Aktionär in seinem berechtigten Vertrauen in einen bestimmten, interessenwahrenden Ausstieg aus der Gesellschaft ([X.], Rechtsschutz der Aktionäre bei Verstößen gegen die [X.] im [X.], 2021, S. 164).

Dem wird entgegengehalten, von einer Pflichtverletzung könne jedenfalls dann nicht die Rede sein, wenn die Bestimmung der Gegenleistung eine Positionierung der [X.] zu bislang nicht entschiedenen Rechtsfragen voraussetze oder sich aus anderen Gründen als schwierig gestalte ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 31 Rn. 166i; Hippeli, [X.] 9/2018 Anm. 5).

[X.]) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Pflicht zum Angebot einer angemessenen Gegenleistung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] keine vorvertragliche Nebenpflicht des Bieters gegenüber den Aktionären der Zielgesellschaft gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 [X.] begründet. Die den Bieter nach den Wertungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes treffenden [X.] sind nur auf die Information der Aktionäre über die für die Beurteilung der Angemessenheit der Gegenleistung maßgeblichen Umstände gerichtet.

Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz soll u.a. Leitlinien für ein faires und geordnetes Angebotsverfahren schaffen und die Information und Transparenz für die betroffenen Wertpapierinhaber verbessern. Diese sollen über ausreichende Informationen verfügen, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können, so dass den Bieter umfassende Informationspflichten treffen (vgl. [X.] eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 28 f.). Hierzu sieht § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 [X.] die Information über Art und Höhe der für die Wertpapiere der Zielgesellschaft gebotenen Gegenleistung vor und § 11 Abs. 4 Nr. 2 [X.], § 2 Nr. 3 [X.]-AngebVO die nähere Erläuterung der zur Festsetzung der Gegenleistung angewandten Bewertungsmethoden, ihrer Gewichtung und der bei der Bewertung der Gegenleistung aufgetretenen Schwierigkeiten. Der Bieter wirkt mit der Abgabe des Angebots auf die Entscheidungs- und Dispositionsfreiheit der Aktionäre der Zielgesellschaft ein, weil er diesen die Informationen verschaffen muss, anhand derer sie ihre Entscheidung über die Veräußerung ihrer Aktien an den Bieter oder den Verbleib in der Gesellschaft treffen.

Wie oben unter a) bb) näher erläutert, besteht der Anspruch der Aktionäre der Zielgesellschaft auf eine angemessene Gegenleistung nicht unabhängig von der Annahme des Angebots und der Schutz der Entscheidungs- und Dispositionsfreiheit der Aktionäre erfordert es nach der Konzeption des Gesetzes auch nicht, bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses deren Interesse an einer angemessenen Gegenleistung zu schützen. Es ist zwar denkbar, dass ein Aktionär im Vertrauen auf die Richtigkeit eines Angebots mit zu niedriger Gegenleistung von der Annahme des Angebots absieht und auf diese Weise die Möglichkeit verliert, seine Aktien zu einem angemessenen Preis im Rahmen des öffentlichen Angebots zu veräußern. Unterrichtet der Bieter aber über die maßgeblichen tatsächlichen Umstände für die Bestimmung der angemessenen Gegenleistung, dürften offensichtliche Fehler bei der Bestimmung der angemessenen Gegenleistung regelmäßig bereits bei der Prüfung der Angebotsunterlage gemäß §§ 14 f. [X.] aufgedeckt werden. Ist demgegenüber die Bestimmung der angemessenen Gegenleistung mit Unsicherheiten behaftet, ist das Interesse der Aktionäre der Zielgesellschaft, eine informierte Entscheidung über das Angebot zu treffen, dadurch ausreichend gewahrt, dass die Aktionäre über die Unsicherheiten bei der Bestimmung der Gegenleistung in der Angebotsunterlage aufgeklärt werden (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 31 Rn. 166i).

Dem Bieter ist es demgegenüber nicht zumutbar, gegenüber den Aktionären der Zielgesellschaft bereits nach [X.] der Angebotsunterlage das aus rechtlichen oder tatsächlichen Unsicherheiten folgende Risiko einer zutreffenden Bemessung der Gegenleistung unabhängig von einem späteren Vertragsschluss zu tragen. Eine Verletzung einer solchen Pflicht hätte zur Folge, dass der Bieter die Aktionäre der Zielgesellschaft jeweils so stellen müsste, als wäre eine angemessene Gegenleistung angeboten worden. Eine regelmäßig auf das Erfüllungsinteresse gerichtete Haftung des Bieters im Stadium der Vertragsanbahnung würde die Transaktionsrisiken erhöhen und die Planbarkeit des Übernahmeverfahrens erschweren (vgl. bereits oben a] bb] [4]). Sie wäre vor allem dann nicht gerechtfertigt, wenn der betreffende Aktionär umfassend informiert war und sich schon in der Angebotsphase eine zutreffende Meinung über die Höhe der anzubietenden Gegenleistung gebildet hat. In diesem Fall ist es zum Schutz der Rechtsgüter des Aktionärs nicht geboten, sein Interesse am Austritt aus der Zielgesellschaft über die für das Angebot geltende Annahmefrist hinaus zu wahren. Aus den Regelungen des Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission vom 14. Juli 1995 (abgedruckt in [X.], 1464, 1467) ergeben sich keine anderen Wertungen.

dd) Entgegen der Sicht der Revision gebietet auch die Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote ([X.]. [X.] 142 S. 12 - Übernahmerichtlinie) keine andere Auslegung. Ob, wie es das Berufungsgericht angenommen hat, die Übernahmerichtlinie keine Vorgaben für das vorliegende Übernahmeangebot enthält, oder ob diese im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 der Übernahmerichtlinie Wirkungen entfaltet, wonach die Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots erst dann nicht mehr besteht, wenn die Kontrolle aufgrund eines freiwilligen Angebots erlangt worden ist, das [X.] Wertpapierinhabern für alle ihre Wertpapiere im Einklang mit der Richtlinie unterbreitet worden ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 31 Rn. 22; [X.]/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 11 Rn. 18; [X.], Europäisches [X.], 2013, [X.]), bedarf keiner Entscheidung durch den [X.], weil das Unionsrecht auch im letzteren Fall keine andere Auslegung gebietet.

(1) Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt, sämtliche nationalen Rechtsnormen zu berücksichtigen und alle im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden anzuwenden, um seine Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der betreffenden Richtlinie auszurichten, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen und so Art. 288 Abs. 3 A[X.]V nachzukommen ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2020 - [X.]/19, [X.]:[X.]:C:2020:1014, Rn. 75 - [X.] [[X.]).

(2) Entgegen der Sicht der Revision ist eine vorvertragliche, an einen Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] anknüpfende Haftung des Bieters nach dem Wortlaut und Zweck der Übernahmerichtlinie, insbesondere zur Gewährleistung einer ausreichenden Sanktion im Sinne des Art. 17 der Übernahmerichtlinie offensichtlich nicht geboten.

(a) Die Übernahmerichtlinie berührt nach Art. 4 Abs. 6 Satz 1 und 3 nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, festzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Parteien des Angebots Rechte im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren geltend machen können und die Rechtslage im Hinblick auf Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien des Angebots zu bestimmen ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2020 - [X.]/19, [X.]:[X.]:C:2020:1014, Rn. 82 – [X.] [[X.] sowie Erwägungsgrund 8 Satz 2 der Übernahmerichtlinie). Die Sanktionen bei einem Verstoß gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie müssen nach Art. 17 Satz 2 der Übernahmerichtlinie allerdings wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (vgl. auch [X.], Urteil vom 11. Juni 2013 - [X.]/12, [X.], 1565 Rn. 32 - [X.]). Den Mitgliedstaaten bleibt dabei die Auswahl der Sanktionen. Sie müssen aber Maßnahmen ergreifen, die hinreichend wirksam sind, um das Ziel der Richtlinie zu erreichen, und dafür Sorge tragen, dass sich die Betroffenen vor den nationalen Gerichten tatsächlich auf diese Maßnahmen berufen können ([X.], Urteil vom 22. April 1997 - [X.]/95, Slg. 1997, [X.] Rn. 24 - [X.]). Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht müssen nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie nach Art und Schwere gleichartige Verstöße gegen nationales Recht ([X.], Urteil vom 21. September 1989- [X.]/88, [X.]:[X.]:[X.], Rn. 24 - [X.]; Urteil vom 26. Februar 2013 - [X.]/10, [X.]:[X.]:C:2013:105, Rn. 25 f. - [X.]/[X.]). Zu diesem Zweck hat das nationale Gericht die Gleichartigkeit der betreffenden Rechtsbehelfe unter dem Gesichtspunkt ihres Gegenstands, ihres [X.] und ihrer wesentlichen Merkmale zu prüfen ([X.], Urteil vom 19. Juli 2012 - [X.]/10, [X.]:[X.]:[X.], Rn. 31 - Littlewoods Retail u.a.; [X.], Urteil vom 17. September 2013 - [X.], [X.], 2001 Rn. 32).

(b) Das Hauptziel der Übernahmerichtlinie besteht darin, die Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots zu schützen. Hierzu sieht Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 der Übernahmerichtlinie vor, dass die zur Abgabe eines Angebots für den Erwerb der Wertpapiere von Minderheitsaktionären verpflichtete Person einen angemessenen Preis anzubieten hat. Es handelt sich dabei um eine Vorschrift des Unionsrechts, die dem Einzelnen Rechte verleihen soll ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2020 - [X.]/19, [X.]:[X.]:C:2020:1014, Rn. 87 f., 90 - [X.] [[X.]).

(c) Der Schutz der Minderheitsaktionäre und ihr Recht auf das Angebot eines angemessenen Preises wird für den Regelfall präventiv dadurch gewährleistet, dass §§ 3 ff. [X.]-AngebV klare Regeln für die Bewertung aufstellen (vgl. [X.], Urteil vom 29. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 180 Rn. 25) und die [X.] das Angebot untersagt, wenn die in der Angebotsunterlage enthaltenen Angaben offensichtlich gegen die Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung verstoßen (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 [X.]). Die Gefahr, dass den Aktionären eine Gegenleistung angeboten wird, die den Preisvorschriften nicht entspricht, besteht danach vor allem in Fällen, in denen die Bestimmung der Gegenleistung mit besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten verbunden ist.

(d) Das Recht der Aktionäre der Zielgesellschaft auf eine angemessene Gegenleistung wird auf [X.] dadurch geschützt, dass ihnen, wenn sie das Angebot angenommen haben, unabhängig von der Höhe der tatsächlich angebotenen Leistung ein Anspruch auf die nach § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] angemessene Gegenleistung zusteht, der gegen den Bieter gerichtlich durchgesetzt werden kann ([X.], Urteil vom 29. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 180 Rn. 21 ff.; Urteil vom 7. November 2017 - [X.], [X.]Z 216, 347 Rn. 11).

(e) Dem Wortlaut und der Zielsetzung der Übernahmerichtlinie lässt sich nicht entnehmen, dass das Interesse der Aktionäre der Zielgesellschaft an einer angemessenen Gegenleistung darüber hinaus bereits vor und unabhängig von der Annahme des Angebots geschützt sein müsste. Die Übernahmerichtlinie sieht als allgemeinen Grundsatz vor, dass die Inhaber von Wertpapieren einer Zielgesellschaft über genügend [X.] und ausreichende Informationen verfügen müssen, um in ausreichender Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können (Art. 3 Abs. 1 b Halbsatz 1 Übernahmerichtlinie). Die ausreichende Information der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft ist durch die Angebotsunterlage zu gewährleisten, die Angaben über die Angebotskonditionen, die für jedes Wertpapier oder jede Wertpapiergattung angebotene Gegenleistung sowie bei obligatorischen Angeboten die zur Bestimmung der Gegenleistung angewandte Bewertungsmethode enthalten muss (Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 a und d sowie Erwägungsgrund 13 Satz 1 Übernahmerichtlinie). Diese Vorschriften zielen auf eine ausreichende Information der Aktionäre über die Angebotskonditionen (Schwarzer, Die Durchsetzung kapitalmarktrechtlicher Vorschriften mittels Privatrechts, 2020, [X.]). Ein weitergehender Schutz ihrer Interessen kann ihnen nicht entnommen werden und einer solcher Schutz ist - wie unter vorstehend [X.]) näher erläutert - im Falle einer den Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes entsprechenden Information durch die Angebotsunterlage auch nicht geboten. Der Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 a Halbsatz 1 Übernahmerichtlinie), der nur Leitprinzipien für die Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten und keine allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts formuliert ([X.], Urteil vom 15. Oktober 2009 - [X.]/08, [X.]:[X.]:[X.], Rn. 51 - [X.] u.a.), ist ebenfalls nicht beeinträchtigt. Die Gleichbehandlung der Aktionäre wird dadurch gewährleistet, dass sie auf der Grundlage der Informationen in der Angebotsunterlage über die Annahme des Angebots entscheiden können (vgl. [X.], Beschluss vom 13. November 2001 - [X.], [X.], 2278). Dass das Interesse der verbleibenden Aktionäre an der Veräußerung ihrer Aktien im Fall einer gerichtlichen Feststellung des angemessenen Preises nach Ablauf der Angebotsfrist nicht in jedem Fall geschützt ist, ergibt sich auch aus Art. 15 und 16 Übernahmerichtlinie, die kein allgemeines Andienungsrecht des Aktionärs vorsehen, sondern dieses darauf beschränken, dass der Bieter im Zuge des öffentlichen Angebots mehr als 90 % des stimmberechtigten Kapitals erwirbt (vgl. [X.], Urteil vom 15. Oktober 2009 - [X.]/08, [X.]:[X.]:[X.], Rn. 49 - [X.] u.a.).

Eine zivilrechtliche Haftung wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht aus § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] würde zudem anderen Zielen der Übernahmerichtlinie zuwiderlaufen. Sie ist auch nicht im Hinblick auf die Haftung für nach Art und Schwere gleichartiger Verstöße gegen nationales Recht geboten. Eine solche Haftung, bei der gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 [X.] ein Verschulden des Bieters vermutet würde, wäre bis zum Eintritt der Verjährung darauf gerichtet, die Aktionäre, die das Angebot innerhalb der Annahmefrist nicht angenommen haben, so zu stellen, als sei eine angemessene Gegenleistung angeboten worden. Die Vorschriften der Übernahmerichtlinie, die auch zum Schutz der Zielgesellschaft auf eine zeitliche Begrenzung des Übernahmeverfahrens gerichtet sind (Erwägungsgrund 14, Art. 3 Abs. 1 f, Art. 7 Abs. 1), liefen bei einer solchen Haftung weitgehend leer. Vielmehr würde für die Aktionäre der Zielgesellschaft ein Anreiz geschaffen, zunächst eine gerichtliche Klärung über die Höhe des angemessenen Preises herbeizuführen und ihre Ansprüche erst im [X.] geltend zumachen. Anders als bei der Frage, ob den Aktionären, die das Angebot angenommen haben, ein zivilrechtlicher Anspruch auf eine angemessene Gegenleistung zusteht (dazu [X.], Urteil vom 29. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 180 Rn. 25), würde die Durchführung der Transaktion in diesem Fall gestört, weil über einen zunächst unabsehbaren [X.]raum unklar wäre, zu welchen Mehrheitsverhältnissen in der Zielgesellschaft das Übernahmeangebot führt. Wie oben unter aa) bis [X.]) näher ausgeführt, bestimmt sich die Reichweite vorvertraglicher Rücksichtnahmepflichten nach der Rechts- und Interessensphäre der anderen Seite, einschließlich der Dispositions- und Entscheidungsfreiheit. Diese rechtfertigt vorliegend keine auf das Interesse an einem wirksamen Vertragsschluss gerichtete vorvertragliche Haftung des Bieters.

(f) Ob der Bieter gegenüber den Wertpapierinhabern der Zielgesellschaft wegen unzureichender Information in der Angebotsunterlage auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 12 [X.] haften kann (bejahend Schwarzer, Die Durchsetzung kapitalmarktrechtlicher Vorschriften mittels Privatrechts, 2020, S. 251 f.), hat der erkennende [X.] bislang nicht entschieden. Die Frage muss auch im Streitfall nicht beantwortet werden (nachfolgend 2. b).

(3) Eine Vorlage an den [X.] zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V ist nicht geboten, da die Auslegung der Übernahmerichtlinie in Anbetracht von Wortlaut und Zielrichtung derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der sich im Streitfall stellenden Fragen bleibt (acte clair; vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.]. 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257, 1258 - [X.]; [X.], Beschluss vom 15. Juni 2021 - [X.], [X.], 1488 Rn. 46).

2. Dass den Klägerinnen der geltend gemachte Anspruch aus einem anderen Rechtsgrund zustehen könnte, macht die Revision nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.

a) Den Klägerinnen steht kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu, weil es sich bei § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht um ein Schutzgesetz handelt.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s ist eine Norm Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 [X.], wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch [X.] hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausufern. Deshalb reicht es nicht aus, dass der [X.] durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen. Zudem muss die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen, wobei in umfassender Würdigung des gesamten [X.]s, in den die Norm gestellt ist, zu prüfen ist, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden mit [X.] damit zugunsten des Geschädigten gegebenen Beweiserleichterungen zu knüpfen ([X.], Urteil vom 22. Juni 2010 - [X.], [X.]Z 186, 58 Rn. 26; Urteil vom 13. Dezember 2011 - [X.], [X.]Z 192, 90 Rn. 21; Urteil vom 11. Juni 2013 - [X.]/12, [X.], 1565 Rn. 35; Urteil vom 13. März 2018 - [X.], [X.]Z 218, 80 Rn. 14). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Gesetzgeber gegen eine allgemeine deliktische Haftung für primäre Vermögensschäden entschieden hat und der Vermögensschutz im deliktischen Haftungssystem grundsätzlich nur durch § 826 [X.] gewährleistet wird ([X.], Urteil vom 19. Februar 2008 - [X.], [X.]Z 175, 276 Rn. 20).

bb) Danach ist § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 [X.] ([X.]/[X.], 5. Aufl., § 31 [X.] Rn. 100; [X.]/[X.] in [X.][X.], [X.], 5. Aufl., § 31 [X.] Rn. 108; [X.], [X.] 167 [2003], 315, 346; Verse, [X.], 199, 206; Brellochs, [X.] 2018, 811, 818; [X.], Rechtsschutz der Aktionäre bei Verstößen gegen die [X.] im [X.], 2021, [X.]; wohl auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 31 Rn. 166f). Es steht zwar außer Frage, dass die Norm die Interessen der Aktionäre der Zielgesellschaft schützt, bei drohendem oder schon eingetretenen Kontrollerwerb unter zumutbaren Bedingungen aus der Gesellschaft auszusteigen ([X.], Urteil vom 29. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 180 Rn. 24), wobei der [X.] aus § 4 Abs. 2 [X.] abgeleitet hat, dass die Angebotspflicht gemäß § 35 Abs. 2 [X.] nur einen reflexartigen Schutz der Aktionäre bietet und diese Norm ebenfalls kein Schutzgesetz ist ([X.], Urteil vom 11. Juni 2013 - [X.]/12, [X.], 1565 Rn. 20, 36 - [X.]). Das mit einem Kontrollerwerb verbundene Interesse der anderen Aktionäre wird im [X.] des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes dadurch gewahrt, dass der Bieter, der trotz Kontrollerwerb kein Pflichtangebot unterbreitet, seine Rechte aus den Aktien nach § 59 Satz 1 [X.] nicht ausüben kann und der Aktionär im Falle eines Angebots mit dessen Annahme einen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine angemessene Gegenleistung erhält ([X.], Urteil vom 29. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 180 Rn. 27). Dieser [X.] markiert zugleich die Grenzen des vom Gesetz bezweckten Vermögensschutzes der Aktionäre der Zielgesellschaft und würde durch einen deliktischen Anspruch außerhalb einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung im Sinne von § 826 [X.] unterlaufen.

b) Eine unzureichende Information durch die Angebotsunterlage machen die Klägerinnen nicht geltend, so dass die Frage, ob eine Haftung der Bieterin gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 [X.] wegen einer unzureichenden Information in der Angebotsunterlage in Betracht kommt, vom [X.] im vorliegenden Fall nicht entschieden werden muss.

[X.]     

      

Born     

      

B. Grüneberg

      

V. Sander     

      

von Selle     

      

Berichtigungsbeschluss vom 31. Januar 2022

Tenor:

Das Urteil des [X.]s vom 23. November 2021 wird gemäß § 319 Abs. 1 ZPO wie folgt berichtigt:

Rn. 15: 

Im zweiten Satz werden die Worte "die Aktionäre" durch die Worte "den Aktionären" ersetzt. Im letzten Satz wird das Wort "diese" durch das Wort "dieser" und das Wort "sind" durch das Wort "ist" ersetzt.

Rn. 36: 

Im fünften Satz wird das Wort "einer" nach dem Wort "und" durch das Wort "ein" ersetzt.

Rn. 37: 

Im zweiten Satz wird das Wort "gleichartiger" durch das Wort "gleichartige" ersetzt.

[X.]     

  

Born     

  

B. Grüneberg

  

V. Sander     

  

von Selle     

  

Meta

II ZR 315/19

23.11.2021

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 19. Dezember 2018, Az: 9 U 118/18, Urteil

§ 31 Abs 1 S 1 WpÜG, § 241 Abs 2 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 311 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.11.2021, Az. II ZR 315/19 (REWIS RS 2021, 906)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 906

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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