Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.11.2012, Az. 3 B 30/12

3. Senat | REWIS RS 2012, 1554

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Gegenstand

Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen; unbestreitbare Informationen vom Ausstellermitgliedstaat zum Wohnsitzerfordernis; Beurteilung durch nationales Gericht


Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist nicht die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf.

2

Die Klägerin wendet sich gegen die Aberkennung des Rechts, von einer ihr in [X.] erteilten Fahrerlaubnis in [X.] Gebrauch zu machen. Der 1963 geborenen Klägerin wurde in [X.] wegen [X.] mehrfach die Fahrerlaubnis entzogen. Am 2. November 2005 erwarb sie eine [X.] Fahrerlaubnis der [X.]; im Führerschein ist ein Wohnsitz in [X.] eingetragen. Als die Klägerin der Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, nicht nachkam, erkannte der Beklagte ihr mit Bescheid vom 9. Mai 2006 die Befugnis ab, von ihrer [X.]n Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Die Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben, soweit der Klägerin außerdem unter Androhung eines Zwangsgeldes aufgegeben worden war, ihren Führerschein abzugeben, und eine Verwaltungsgebühr von mehr als 112,06 € festgesetzt worden war; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Die [X.] Fahrerlaubnis müsse nicht anerkannt werden, weil sich die Missachtung des unionsrechtlichen [X.]ses aus eigenen Verlautbarungen des [X.] ergebe. Der [X.] hat diese Entscheidung mit Urteil vom 25. Februar 2010 - BVerwG 3 [X.] 16.09 - aufgehoben, soweit dort die Berufung zurückgewiesen worden war, und hat die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Es verstoße gegen den unionsrechtlichen Anerkennungsgrundsatz in seiner Auslegung durch den [X.], wenn der Verstoß gegen das [X.] aus eigenen Einlassungen des [X.] hergeleitet werde. Die Berufungsentscheidung könne sich jedoch im Ergebnis als richtig darstellen, wenn Ermittlungen bei den Behörden des [X.] von dort herrührende unbestreitbare Informationen ergäben, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins ihren ordentlichen Wohnsitz nicht in [X.] gehabt habe. Das Berufungsgericht hat daraufhin eine Auskunft der [X.] eingeholt, aus der sich unter anderem ergibt, dass die Klägerin dort zum zeitweiligen Aufenthalt vom 18. Juli 2005 bis zum 10. Oktober 2005 gemeldet gewesen sei. Mit Urteil vom 22. Februar 2012 hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die [X.] Fahrerlaubnis habe nicht anerkannt werden müssen, weil sich aus der Mitteilung der [X.] ergebe, dass die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt nur 85 Tage in [X.] gewohnt habe. Die von ihr in Kenntnis dieser Mitteilung vorgetragene Behauptung, sie habe sich schon seit dem 25. Februar 2005 in [X.] aufgehalten, könne die Annahme eines Verstoßes gegen das [X.] nicht erschüttern. Die Klägerin habe sich auch auf Nachfrage nicht zur Dauer dieses Aufenthalts geäußert.

3

Die von der Klägerin für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage,

ob eine erkanntermaßen rechtswidrige gebührenpflichtige Entziehungsverfügung, die auf der Missachtung einer rechtswidrigen MPU-Auflage beruht, nur deshalb im Nachhinein Rechtmäßigkeit erlangt, weil die Verwaltungsbehörde möglicherweise eine ganz andere Maßnahme hätte ergreifen können, die mit allenfalls ähnlichen Konsequenzen verbunden wäre, ohne dass eine Umdeutung stattgefunden hat,

rechtfertigt eine Revisionszulassung auf der Grundlage von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht. Sie würde sich in dieser Form im Revisionsverfahren nicht stellen.

4

Die vom Beklagten an die Klägerin ergangene Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten vorzulegen, wäre zwar dann - wie die Klägerin in der von ihr aufgeworfenen Frage unterstellt - rechtswidrig, wenn die ihr in [X.] erteilte Fahrerlaubnis anzuerkennen wäre. Das ist indes aufgrund des vom Berufungsgericht festgestellten Verstoßes gegen das unionsrechtliche [X.] nicht der Fall. Insoweit kann auch nicht davon die Rede sein, dass die MPU-Auflage erst im Nachhinein Rechtmäßigkeit erlangt habe. Unerheblich ist, ob die Erkenntnisse, die den Nachweis des Verstoßes gegen das [X.] zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis ermöglichen, erst im Nachhinein erlangt wurden (vgl. u.a. Urteil vom 25. Februar 2010 - BVerwG 3 [X.] 15.09 - (BVerwGE 136, 149 Rn. 21 f.). Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des [X.] anerkannt, dass es den [X.] wegen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides noch bestehender Zweifel über die Reichweite des unionsrechtlichen Anerkennungsgrundsatzes nicht verwehrt war, ein förmliches Aberkennungsverfahren durchzuführen; dieses setzt indes den Nachweis fehlender Kraftfahreignung des Betroffenen und damit gegebenenfalls auch die Anforderung eines Fahreignungsgutachtens voraus (vgl. u.a. Urteil vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 3 [X.] 26.07 - BVerwGE 132, 315 Rn. 25).

5

Die weitere Annahme der Klägerin, eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Aberkennungsentscheidung sei nicht erfolgt, ist unzutreffend. Vielmehr war gerade das der Gegenstand des Berufungsurteils. Das Berufungsgericht hat dabei überprüft, ob - wie das § 11 Abs. 8 FeV voraussetzt - die Gutachtensanforderung zu Recht erfolgt ist. Es hat diese Frage deshalb bejaht, weil der Beklagte wegen des Verstoßes gegen das [X.] auch durch die [X.] Fahrerlaubnis der Klägerin nicht an einer Eignungsüberprüfung gehindert war.

6

Ebenso wenig kann die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache mit dem Hinweis darauf erreichen, dass sich das Problem stelle, ob eine streitig gebliebene Behauptung über die Erfüllung des [X.]ses mit eigenen Schlussfolgerungen über Erkenntnisse aus dem Inland unbestreitbar werde. Es kann offen bleiben, ob eine derart im Allgemeinen bleibende Problemumschreibung den Anforderungen genügt, die gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Herausarbeitung der zu klärenden Frage bei einer auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützten Nichtzulassungsbeschwerde zu stellen sind. Sie führt auch in der Sache nicht auf eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Das Berufungsgericht leitet den Verstoß gegen das [X.] aus einer Mitteilung der [X.] her, mithin aus - was auch die Klägerin nicht bestreitet - vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen. Die Beurteilung der Frage, ob es sich bei solchen Informationen um unbestreitbare aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührende Informationen handelt, weist der [X.] den nationalen Gerichten zu (vgl. u.a. [X.], Urteil vom 1. März 2012 - [X.]. [X.]-467/10, [X.] - [X.], 193 Rn. 74). Insofern unterliegt es keinem Zweifel, dass auch die Überprüfung des Wahrheitsgehalts eines vom Fahrerlaubnisinhaber geltend gemachten Einwandes gegen die Vollständigkeit oder Richtigkeit solcher aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen dem nationalen Gericht obliegt. Nachdem es nicht das Gericht ist, das den Inhalt der aus [X.] stammenden Informationen in Frage stellen will, sondern vielmehr gerade die Klägerin selbst, geht auch der Hinweis auf das Souveränitätsprinzip fehl.

Meta

3 B 30/12

12.11.2012

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 22. Februar 2012, Az: 16 A 2527/07, Urteil

Art 7 Abs 1 Buchst b EWGRL 439/91, Art 7 Abs 1 Buchst e EGRL 126/2006, § 28 FeV 2010

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.11.2012, Az. 3 B 30/12 (REWIS RS 2012, 1554)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1554

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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