Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2004, Az. 2 StR 491/03

2. Strafsenat | REWIS RS 2004, 2698

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 491/03 vom 23. Juni 2004 in der Strafsache gegen

wegen Vergewaltigung u.a.
- 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 23. Juni 2004, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] Dr. [X.]

und die [X.]in am [X.] Dr. [X.], [X.] am [X.] [X.], Prof. Dr. [X.], die [X.]in am [X.] Roggenbuck

als beisitzende [X.],

St[X.]tsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
- 3 - 1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 31. Juli 2003 wird verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen [X.] zu tragen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fäl-len, davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt; vom Vorwurf einer weiteren Vergewaltigung hat es den [X.] freigesprochen. Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg. 1. Nach den Feststellungen ereignete sich die erste der gegen die 17-jährige Zeugin [X.] gerichteten Taten am 20. Juli 2001 in der Wohnung des [X.], bei dem die Geschädigte wohnte. Nachdem zunächst über eine am darauf folgenden Tag geplante gemeinsame Reise nach [X.] geredet worden war, begab sich der Zeuge [X.] zum Schlafen in einen vom Wohnbereich nur durch einen Vorhang abgetrennten Teil des Raums. In der Folge schlug und würgte der Angeklagte die Geschädigte, um sie zu sexuellen Handlungen zu zwingen. Den Zeugen [X.] forderte er auf, keinesfalls den Schlafbereich zu ver-- 4 - lassen; als der Zeuge bat, die Geschädigte in Ruhe zu lassen, drohte der An-geklagte, ihn zusammenzuschlagen. Aus Angst kam der Zeuge der Geschädig-ten nicht zu Hilfe. Der Angeklagte zerrte die Zeugin [X.] schließlich mit Gewalt in das Badezimmer und zwang sie dort mit Gewalt und unter Anwendung von Drohungen zum Oralverkehr und zum Beischlaf. Zwei weitere vom [X.] festgestellte Vergewaltigungen desselben Opfers ereigneten sich nach den Feststellungen des [X.]s am 26. und 27. Juli 2001, also sechs Tage bzw. sieben Tage nach der ersten Tat. Hierbei läutete der Angeklagte jeweils an der Wohnungstür und meldete sich auf die Frage der allein anwesenden Zeugin mit den Worten "Ich bin's", worauf sie ihn - wohl nichtsahnend - einließ. Er zwang sie in beiden Fällen unmittelbar da-nach zum Oralverkehr. Am Abend des 27. Juli 2001 begab sich die Zeugin zu-sammen mit dem Zeugen [X.] zu einer [X.]wache und erstattete Strafanzeige, nachdem der Angeklagte beide wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei gemeinsamen Drogengeschäften mit dem Tod bedroht hatte. Vom Vorwurf einer weiteren, gleichartigen Vergewaltigung zum Nachteil der Zeugin [X.] am 24. Juli 2001 hat das [X.] den Angeklagten freige-sprochen, weil ihm insoweit die Angaben der Geschädigten nicht zuverlässig erschienen. 2. Das [X.] hat seine Überzeugung wesentlich auf die Aussagen der Zeugin [X.] bei deren polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmun-gen, daneben auch auf die Aussage des Zeugen [X.] bei seiner polizeilichen Vernehmung gestützt. Beide Zeugen sind in der Hauptverhandlung nicht ver-nommen worden. Die hiergegen gerichteten Verfahrensrügen der Verletzung von § 251 Abs. 1 und Abs. 2 StPO, sowie von § 244 Abs. 2 StPO bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. - 5 - a) Bei der zur Tatzeit 17-jährigen Zeugin [X.] wurde bei früheren [X.] eine schizophrene Erkrankung diagnostiziert. Der in der [X.] vernommene Sachverständige, dessen Beurteilung das [X.] gefolgt ist, hat demgegenüber eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit Verwahrlosung, Impulsivität und hoher Fremd- und Selbstaggressivität diagnostiziert. Eine Exploration der Zeugin zur Sache war dem [X.] aufgrund ihrer aggressiven und ablehnenden Haltung nicht möglich; ihre mehrfach vorgesehene Vernehmung in der Hauptverhandlung scheiterte, weil sie sich jeweils kurz vor dem Vernehmungstermin in psychiatrische Behandlung begab. Das [X.] hat die Zeugin daher zutreffend als unerreichbar ange-sehen und die Protokolle ihrer - in der Sache teilweise voneinander [X.] - Vernehmungen durch die [X.] und den Ermittlungsrichter verle-sen. Anhaltspunkte dafür, daß die Vernehmungsfähigkeit der Zeugin in [X.] wiederhergestellt sein würde, lagen nicht vor; vielmehr hatte der Sachverständige im Gegenteil dargelegt, es bestehe eine hohe Wahrschein-lichkeit dafür, daß die Zeugin auch bei künftigen Ladungen in einen ihre [X.] ausschließenden Erregungszustand geraten werde. Das [X.] war unter diesen Umständen auch im Hinblick auf die [X.] nicht gehalten, den Fortgang der Hauptverhandlung allein im [X.] auf eine theoretisch mögliche, zeitlich aber nicht absehbare zukünftige Vernehmungsfähigkeit der Zeugin weiter hinauszuzögern oder die [X.] gar auszusetzen. Daß die verlesenen früheren Aussagen der Zeugin Besonderheiten aufwiesen, welche zu besonders sorgfältiger Prüfung Anlaß gaben, hat das [X.] nicht übersehen. - 6 - b) Auch die Verwertung der gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 StPO verlese-nen polizeilichen Aussage des Zeugen [X.] begegnet im Ergebnis keinen rechtli-chen Bedenken. [X.]) Der Zeuge erschien zunächst zum Termin seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht. Vom Gericht angeordnete Vorführungen zu zwei [X.] Terminen scheiterten: Die [X.] teilte mit, der Zeuge sei in der [X.] nicht angetroffen worden; die Wohnungstür habe weit offen gestanden. Möglicherweise wohne er dort nicht mehr; eine frühere Freundin habe [X.] erklärt, er wohne noch unter der angegebenen Adresse. Das [X.] ordnete daher die Verlesung des Protokolls der polizei-lichen Vernehmung des Zeugen gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 StPO an; das Pro-tokoll wurde am 24. Juli 2003 in der Hauptverhandlung verlesen. Am 28. Juli 2003 erschien der Zeuge [X.] in der Kanzlei des Verteidigers und hinterließ dort eine schriftliche Mitteilung. Danach halte er sich in seiner Wohnung nur spora-disch auf; er werde zum [X.] am 31. Juli 2003 erschei-nen. Als der Zeuge zu diesem Termin gleichwohl nicht erschien, stellte der [X.] den Antrag, eine erneute Ladung oder Vorführung des Zeugen auf-grund der Bedeutung seiner Aussage zu versuchen. Er legte hierzu die Erklä-rung des Zeugen vom 28. Juli 2003 vor und teilte auch Name und Anschrift eines Bekannten des Zeugen mit, bei dem sich dieser oft aufhalte und über den er zu erreichen sei. Er teilte mit, der Zeuge halte sich ständig in der [X.]Drogenszene auf und sei dort von der [X.] aufzufinden. Das [X.] hat den Antrag zurückgewiesen, weil der Zeuge weiter-hin unerreichbar sei. Hieran ändere sein Erscheinen bei dem Verteidiger nichts, denn er sei trotz seiner Zusage auch danach nicht erschienen. [X.] der früheren ergebnislosen Bemühungen, den Zeugen zum Erscheinen - 7 - zu veranlassen, sei es auch nicht geboten, ihn über die Anschrift von Freunden zu laden, denn er habe auch auf bisherige Ladungen nicht reagiert. [X.]) [X.] einer Verletzung der §§ 250, 251 Abs. 2 Satz 2 StPO greift nicht durch. Die Voraussetzungen für die Verlesung des Protokolls der polizei-lichen Vernehmung lagen zum Zeitpunkt der Anordnung und der Beweiserhe-bung unzweifelhaft vor. [X.]) Auch die Aufklärungsrüge einer Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO greift im Ergebnis nicht durch; sie ist jedenfalls unbegründet. Zutreffend weist die Revision zwar darauf hin, daß sich für das [X.], auch wenn die Un-erreichbarkeit des Zeugen zunächst rechtsfehlerfrei festgestellt war, die Beur-teilungsgrundlage aufgrund der vom Verteidiger am 31. Juli 2003 mitgeteilten neuen Tatsachen geändert hatte und daß es daher jedenfalls nicht ausreichte, die Ablehnung eines erneuten Versuchs, den Zeugen in der Hauptverhandlung zu vernehmen, allein auf überholte Erkenntnisse aus den früheren vergebli-chen Versuchen zu stützen. Dies hat das [X.] aber auch nicht getan; vielmehr hat es bei seiner Ablehnung eines erneuten Ladungsversuchs die Wahrscheinlichkeit, daß der Zeuge in absehbarer Zeit in der Hauptverhand-lung vernommen werden könne, auf der Grundlage der neuen Erkenntnisse vor dem Hintergrund seines früheren Verhaltens beurteilt. Die - wenn auch knap-pen - Ausführungen des [X.]s in dem die erneute Ladung ablehnenden Beschluß lassen im Ergebnis nicht befürchten, der Tatrichter habe die [X.] des § 244 Abs. 2 StPO im konkreten Fall rechtsfehlerhaft verkannt. Die Angaben zum Aufenthaltsort waren weiterhin vage; das Verhalten des Zeugen, der trotz seiner Zusage erneut nicht erschienen war, belegte, daß ihm die frü-here Ladung zumindest jetzt bekannt war und daß er sich einer Vernehmung in - 8 - der Hauptverhandlung - aus welchen Gründen auch immer - weiterhin zu ent-ziehen trachtete. Die Aufklärungspflicht gebietet nicht unterschiedslos aufwendige Ermitt-lungsmaßnahmen sowie gegebenenfalls eine (weitere) Unterbrechung oder gar Aussetzung der Hauptverhandlung, um eines nur möglicherweise erreichbaren Zeugen habhaft zu werden. Bei der dem Tatrichter obliegenden Abwägung war hier zum einen das Maß konkreter Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, daß der Zeuge aufgrund der Angaben des Verteidigers für eine Ladung erreichbar sein könne, zum anderen die Bedeutung seiner Aussage. Insoweit durfte auch berücksichtigt werden, daß eine - wenngleich mit geringerem Beweiswert zu würdigende - Aussage des Zeugen vorlag; der Inhalt seiner den Angeklagten belastenden Aussage bei der [X.] blieb als solcher in jedem Fall - auch bei nachträglicher persönlicher Vernehmung in der Hauptverhandlung - verwertbar. Auch der Umstand, daß mit dem von dem Sachverständigen Dr. S. er-statteten DNA-Gutachten ein objektives Beweisergebnis vorlag, welches die Einlassung des Angeklagten widerlegte und die Angaben der Nebenklägerin und des Zeugen [X.] stützte, war zu berücksichtigen. Unter diesen Umständen war es im Ergebnis nicht zu beanstanden, daß das [X.] der bloßen Möglichkeit einer weiteren Erforschung des Aufenthaltsorts des Zeugen, auch vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgrundsatzes und des Anspruchs des - in Untersuchungshaft befindlichen - Angeklagten auf eine zügige Verhand-lung und Entscheidung seiner Sache, kein die erneute Unterbrechung der Hauptverhandlung rechtfertigendes Gewicht beigemessen hat. 3. Auch die Rüge einer Verletzung des § 244 Abs. 4 StPO hat keinen [X.]. Die beantragte Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Glaubwürdigkeit der Zeugin [X.] hat das [X.] mit rechtsfehlerfreier Be-- 9 - gründung abgelehnt. Auf die von der Revision angeführten Abweichungen zwi-schen dem vorbereitenden schriftlichen und dem in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten Gutachten kann die Revision nicht gestützt werden, da dies eine dem Revisionsverfahren fremde Rekonstruktion der Hauptverhand-lung voraussetzen würde. 4. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Namentlich die sehr ausführliche Beweiswürdigung des [X.]s läßt Rechtsfehler nicht erkennen. [X.] [X.]

[X.]

[X.]

Roggenbuck

Meta

2 StR 491/03

23.06.2004

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2004, Az. 2 StR 491/03 (REWIS RS 2004, 2698)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2698

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