Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.09.2013, Az. AnwZ (Brfg) 52/12

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2013, 2451

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Gegenstand

Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für Arbeitsrecht: Fallbegriff und Behandlung von Serienfällen beim Nachweis der besonderen praktischen Erfahrung


Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs [X.] vom 6. Juni 2012 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 12.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin ist im [X.]ezirk der [X.]eklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Am 4. Mai 2009 beantragte sie, ihr zu gestatten, die Fachanwaltsbezeichnung "Arbeitsrecht" zu führen. Die [X.]eklagte wies den Antrag mit [X.]escheid vom 29. November 2010 zurück, weil den gemeldeten Fällen keine hinreichende [X.]efassung mit Fragestellungen aus dem [X.]ereich des kollektiven Arbeitsrechts zu entnehmen gewesen sei; im deshalb anberaumten Fachgespräch habe die Klägerin keine ausreichenden Kenntnisse auf diesem Gebiet nachweisen können. Die Klage gegen diesen [X.]escheid ist erfolglos geblieben. Nach Ansicht des [X.] hat die Klägerin schon nicht nachgewiesen, innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung 50 gerichts- oder rechtsförmliche Verfahren aus dem Fachgebiet "Arbeitsrecht" bearbeitet zu haben. Nunmehr beanstandet die Klägerin die Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des [X.].

II.

2

Der Antrag der Klägerin ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

3

1. Die Klägerin hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des [X.] beruhen kann (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

4

a) Die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Terminverlegung war nicht verfahrensfehlerhaft. Nach der Vorschrift des § 227 ZPO, die gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 173 Satz 1 VwGO auch für das gerichtliche Verfahren in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen gilt, kann eine mündliche Verhandlung aus "erheblichen Gründen" verlegt oder vertagt werden. Solche Gründe lagen nicht vor. Der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte der Klägerin war zwar urlaubsbedingt an der Sitzungsteilnahme gehindert. Die Klägerin hatte aber eine Sozietät mit ihrer Vertretung beauftragt. Es blieb ihr daher unbenommen, sich in der nicht allzu komplexen Angelegenheit von einem anderen [X.] vertreten zu lassen oder sich in ihrer Eigenschaft als postulationsfähige Rechtsanwältin selbst zu vertreten. Es besteht kein Anspruch der Klägerin auf vorrangige Vertretung durch ihren sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 19. Mai 1998 - 7 [X.]/98, juris Rn. 2 m.w.N.).

5

Eine Verlegung des Termins war auch nicht zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs geboten. [X.]ei dem angesetzten Termin handelte es sich um einen Fortsetzungstermin. Die Sache war bereits am 7. Dezember 2011 mündlich verhandelt und sodann vertagt worden. Am 3. Januar 2012 erging ein Hinweis- und Auflagenbeschluss; die Klägerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31. Januar 2012. Hiervon hat sie fristgerecht Gebrauch gemacht und dabei erklärt, an ihrem Rechtsstandpunkt festzuhalten; der Auflage, dem Gericht die Akten der Fälle, deren [X.]ewertung streitig war, zur Verfügung zu stellen, werde sie nicht nachkommen. Mit weiterem [X.]eschluss vom 8. Februar 2012 wurde ihr Gelegenheit gegeben, ihren Vortrag bis zum 29. Februar 2012 zu ergänzen. Von dieser Möglichkeit hat sie abgesehen. Die Sache war damit zur Endentscheidung reif und stand zur abschließenden Terminierung an. Da alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte bereits angesprochen worden waren, war es der postulationsfähigen Klägerin zuzumuten, den Termin entweder selbst wahrzunehmen oder sich von einem anderen Mitglied der [X.] vertreten zu lassen.

6

b) Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht darin begründet, dass der [X.] den Antrag der Klägerin auf Ablehnung des Vorsitzenden [X.] wegen der [X.]esorgnis der [X.]efangenheit zurückgewiesen hat.

7

aa) Eine Ablehnung eines [X.]efangenheitsantrags in der Vorinstanz unterliegt grundsätzlich nicht der [X.]eurteilung des [X.]erufungsgerichts. [X.]eschlüsse über die Ablehnung von [X.] können nach § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 146 Abs. 2 VwGO nicht mit der [X.]eschwerde angefochten werden und sind daher gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 512 ZPO einer inhaltlichen Überprüfung im [X.]erufungsverfahren entzogen. Sie stellen damit grundsätzlich keinen im Zulassungsverfahren zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Dezember 2011 - [X.] ([X.]) 46/11, juris Rn. 7; vom 15. März 2012 - [X.] ([X.]) 55/11, juris Rn. 14). Die unrichtige Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs ist allerdings ausnahmsweise dann beachtlich, wenn mit ihr die Verletzung der verfassungsrechtlichen Garantie einer vorschriftsmäßigen [X.]esetzung des Gerichts gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend gemacht wird. Dies setzt voraus, dass für die Entscheidung willkürliche oder manipulative Erwägungen maßgeblich waren ([X.], [X.] 2010, 216 m.w.N.; ebenso [X.], NVwZ 2008, 1025 Rn. 6; NVwZ-RR 2011, 621 Rn. 3 unter [X.]ezugnahme auf § 173 VwGO, § 557 Abs. 2 ZPO für das Revisionsverfahren).

8

bb) Einen solchen Vorwurf erhebt die Klägerin zu Unrecht. Die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs der Klägerin durch [X.]eschluss vom 7. Mai 2012 begegnet in keiner Hinsicht rechtlichen [X.]edenken; insbesondere hat der [X.] keine willkürliche Entscheidung getroffen. Soweit die Klägerin ihr Ablehnungsgesuch auf die Zurückweisung des Antrags auf Terminverlegung gestützt hat, liegt ein Grund, der die [X.]esorgnis einer [X.]efangenheit des Vorsitzenden [X.] aufkommen lassen könnte, schon deswegen nicht vor, weil - wie bereits aufgezeigt - kein Vertagungsgrund im Sinne von § 227 ZPO vorlag. Eine mit dem geltenden Recht in Einklang stehende, für die [X.] ungünstige Entscheidung rechtfertigt bei verständiger [X.]etrachtung kein Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des entscheidenden [X.]. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt ein Ablehnungsgrund auch nicht darin, dass Mitgliedern des [X.] von der Vertreterin der [X.]eklagten [X.]ücher überreicht worden sein sollen. Denn der von ihr abgelehnte Vorsitzende Richter hat selbst kein [X.]uch von der [X.]eklagten erhalten.

9

2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird ([X.], [X.]eschluss vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, [X.]Z 190, 187 Rn. 3; [X.] 110, 77, 83; [X.], [X.], 1163, 1164; NVwZ-RR 2008, 1; NJW 2009, 3642; vgl. ferner [X.], NVwZ-RR 2004, 542, 543; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, § 112e [X.] Rn. 77). Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt.

Sie beruft sich darauf, bei den von ihr angemeldeten Fällen Nr. 15 bis 20 handele es sich um sechs eigenständige Fälle im Sinne von § 5 [X.], so dass sie entgegen der Auffassung des [X.] die [X.]earbeitung 50 gerichtlicher oder rechtsförmlicher Verfahren (§ 5 Satz 1 [X.]uchst. c [X.] a.F.) im maßgeblichen Referenzzeitraum nachgewiesen habe. Dabei geht sie von der Prämisse aus, mehrere Fälle seien nur dann als ein identischer Fall zu behandeln, wenn dieselben [X.]eteiligten mehrere Verfahren mit einem gleichgelagerten Sachverhalt führten. So lägen die Dinge im Streitfall jedoch nicht; sie, die Klägerin, habe in den Fällen Nr. 15 bis 20 für unterschiedliche [X.]eteiligte jeweils ein Verfahren geführt.

Mit diesem Vorbringen lässt die Klägerin außer [X.], dass die Identität der [X.]eteiligten und der zu beurteilenden Tatsachen nur die Abgrenzungskriterien für den eigentlich maßgeblichen Gesichtspunkt bilden, nämlich dafür, ob den bearbeiteten Mandaten ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrundeliegt oder nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 6. März 2006 - [X.] ([X.]) 36/05, [X.]Z 166, 292 Rn. 12). Entscheidend ist letztlich, ob bei verständiger Würdigung aller Umstände von einem einheitlichen Lebenssachverhalt auszugehen ist, der in mehrere Fälle aufgespalten wurde, oder ob in sich geschlossene, von anderen Sachverhalten deutlich unterscheidbare Lebenssachverhalte juristisch aufzuarbeiten waren (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 21. Mai 2004 - [X.] ([X.]) 36/01, [X.], 2748, 2749; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 5 [X.] Rn. 4). [X.]ei der erstgenannten Konstellation liegt nur ein Fall vor; bei der letztgenannten Gestaltung sind mehrere Fälle anzunehmen, wobei allerdings in der Regel nicht alle mit dem Faktor "1" gewichtet werden können. Diese Grundsätze gelten auch bei sogenannten "[X.]" (vgl. [X.]/[X.]/[X.], aaO). Diese können - je nach Fallgestaltung - unterschiedliche Fälle (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2009 - [X.] ([X.]) 48/08, [X.], 1320 Rn. 21, 31), aber auch nur einen einzigen Fall darstellen.

In den vorliegend in Frage stehenden Verfahren hat die Klägerin  - entgegen ihrer Darstellung in der [X.] - nicht verschiedene Mandanten vertreten. Vielmehr ist sie nur für einen einzigen Mandanten tätig geworden, gegen den von sechs Arbeitnehmern - in der Sache und in der rechtlichen [X.]egründung identische - Klagen auf Feststellung der Fortgeltung eines Tarifvertrags und der Anwendbarkeit bestimmter tarifrechtlicher [X.]estimmungen erhoben worden sind. Die Klägerin ist von ihrem Mandanten hinsichtlich aller sechs Klagen am selben Tag mit der Fertigung einer Klageerwiderung beauftragt worden und hat nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des [X.] sechs gleichlautende Erwiderungsschriften gefertigt. Wenn der [X.] bei einer solchen Konstellation und in Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin es abgelehnt hat, weitere Einzelheiten zu diesen "Fällen" und deren [X.]earbeitung vorzutragen, die Fälle Nr. 15 bis 20 als einen zusammengehörenden Lebenssachverhalt bewertet hat, ist dies nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat in der [X.] keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine andere [X.]eurteilung rechtfertigen würde. Damit fehlt es an einer ausreichenden Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 1 [X.], § 52 Abs. 1 GKG. In Verfahren, welche das Führen von Fachanwaltsbezeichnungen betreffen, setzt der Senat den Streitwert regelmäßig auf 12.500 € fest (vgl. [X.], Urteil vom 26. November 2012 - [X.] ([X.]) 56/11, [X.], 175 Rn. 13). Umstände, die im vorliegenden Fall ein Abweichen von dieser Praxis erfordern könnten, sind nicht ersichtlich.

Tolksdorf                          Lohmann                            Fetzer

                     Quaas                              [X.]raeuer

Meta

AnwZ (Brfg) 52/12

25.09.2013

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Koblenz, 6. Juni 2012, Az: 2 AGH 3/11, Urteil

§ 5 FAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.09.2013, Az. AnwZ (Brfg) 52/12 (REWIS RS 2013, 2451)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2451

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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