Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.02.2015, Az. 27 W (pat) 67/14

27. Senat | REWIS RS 2015, 16154

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Legacy Open Air/OPEN AIR® (Gemeinschaftsbildmarke)/Open Air (Gemeinschaftswortmarke)" – Warenidentität – zur Kennzeichnungskraft - unmittelbare Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2013 034 383

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dr. [X.], des [X.] [X.] und der Richterin Werner

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Gegen die Eintragung der für die Waren und Dienstleistungen

2

Klasse 9: Tonträger, Bildaufzeichnungen; Videoaufzeichnungen; [X.], DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger

3

Klasse 16: Druckereierzeugnisse

4

[X.]: Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen

5

Klasse 35: Werbung; Werbung für Unterhaltungsveranstaltungen und kulturelle Veranstaltungen; Werbung für Konzerte

6

Klasse 41: Organisation und Durchführung von Unterhaltungsveranstaltungen und kulturellen Veranstaltungen; Organisation und Durchführung von Konzerten; Informationen über Unterhaltungsveranstaltungen und kulturelle Veranstaltungen; Informationen über Konzerte; Aufzeichnung von Ton- und Videoaufnahmen von Unterhaltungsveranstaltungen und kulturellen Veranstaltungen; Aufzeichnung von Ton- und Videoaufnahmen von Konzerten; Filmproduktion

7

angemeldeten Wortmarke 30 2013 034 383

8

[X.] [X.]

9

ist aus der für die Waren

Klasse 18: Rucksäcke, Taschen

Klasse 20: Schlafsäcke für Campingzwecke, Luftmatratzen, Isoliermatten für Campingzwecke, Campingmöbel

Klasse 22: Zelte, Planen

[X.]: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen

eingetragenen, prioritätsälteren Wort-/Bildmarke [X.] 217

Abbildung

und aus der gleichlautenden für die Waren

Klasse 18: Rucksäcke, Taschen

Klasse 20: Schlafsäcke, Luftmatratzen

Klasse 22: Zelte

eingetragenen, prioritätsälteren Wortmarke EM 001 046 861

[X.]

Widerspruch erhoben worden.

Die Markenstelle für Klasse 41 des [X.] hat die Widersprüche mit Beschluss vom 17. Juli 2014 zurückgewiesen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, es bestehe keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.].Auszugehen sei von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchszeichen und einer zwischen den einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen bestehenden, bis zur [X.] reichenden Ähnlichkeit.

In schriftbildlicher Hinsicht wiesen die Zeichen deutliche Unterschiede auf, da die angegriffene Wortmarke anders als die Widerspruchszeichen, wovon eines zudem Bildbestandteile enthalte, als erstes Wort „[X.]“ enthalte.

Begriffliche Ähnlichkeit bestehe aufgrund dieses Bestandteils nicht, da er ein synonymes Verständnis verhindere.In klanglicher Hinsicht stünden sich die Wörter „[X.] [X.]" und „[X.]" gegenüber. Das angegriffene Zeichen bestehe aus sechs Silben, die Widerspruchsmarken aus drei, wobei die Anfangselemente der Zeichen verschieden seien, so dass keine verwechslungsbegründende klangliche Ähnlichkeit zwischen den Vergleichsmarken vorliege.

Eine Prägung der angegriffenen Marke durch „[X.]" scheide aus, weil sich diese Worte mit dem ihnen vorangestellten Wörter „[X.]" zu einem Gesamtbegriff verbunden hätten.

Gegen den Beschluss der Markenstelle wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Zu deren Begründung trägt sie vor, die durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Widerspruchsmarken seien in der angegriffenen Marke identisch enthalten. Der Zusatz „[X.]“ werde als „Erbe“ oder „Vermächtnis“ verstanden, was auf eine Nachfolge zu den Widerspruchszeichen hindeute. „[X.]“ sei selbständig kennzeichnend. Die Widersprechende beantragt unter Beschränkung der Widersprüche auf Waren der [X.],

den Beschluss des [X.] vom 17. Juli 2015 aufzuheben und die Marke 30 2013 034 383 für die Waren der [X.] zu löschen.

Der Markeninhaber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat keinen Erfolg. Zwischen der angegriffenen Marke und den prioritätsälteren Widerspruchsmarken besteht keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 125 b Nr. 1 [X.].

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit bzw. der Identität der Marken und der für die Marken eingetragenen Waren bzw. Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad des einen Faktors kann so durch einen erhöhten Grad des anderen ausgeglichen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.], 905 - Pantohexal).

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei aber ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente von besonderer Bedeutung sind ([X.] GRUR 2010, 933 - [X.]; [X.] 2012, 64 - Maalox/Melox-GRY).

Ausgehend von diesen rechtlichen Grundsätzen besteht zwischen den streitgegenständlichen Marken selbst bei Identität der Waren keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.], denn die Widerspruchsmarken verfügen wegen ihres für die noch maßgeblichen Waren der [X.] beschreibenden [X.] bzw. [X.] über einen von Haus aus sehr geringen Schutzumfang. „[X.]“ verstehen auch die Verkehrskreise ohne Englischkenntnisse und bringen es in erster Linie mit Veranstaltungen im Freien in Verbindung bzw. gebrauchen es synonym. Es wird spezielle Bekleidung für [X.] Festivals, welche regelmäßig mit Campingaufenthalten einhergehen können, angeboten, deren Bestimmung mit „[X.]“ beschrieben werden kann, wie überhaupt Bekleidung für die Verwendung im Freien.

Eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft kommt aber nur Marken zu, die uneingeschränkt zur Unterscheidung der Waren und Dienstleistungen ihres Inhabers geeignet sind ([X.] GRUR Int. 1999, 734, [X.]). Schutzunfähige Zeichen und Angaben können für sich genommen nicht Grundlage einer markenrechtlich relevanten Verwechslungsgefahr sein. Das bedeutet, dass der Schutzbereich von Marken, die nur eine geringe Unterscheidungskraft aufweisen, eng zu bemessen ist. Handelt es sich bei der eingetragenen prioritätsälteren Marke um eine beschreibende oder sonst schutzunfähige Angabe, so kann ihr wegen der Bindungswirkung der Eintragung zwar nicht jeder Schutz abgesprochen werden. Jedoch ist der Schutzbereich einer solchen Marke auf ein Minimum zu beschränken, mit der Folge, dass schon geringe Abwandlungen oder Hinzufügungen aus ihrem Schutzbereich herausführen (st. Rspr., vgl. [X.] 2012, 1040 - [X.]), auch wenn diese selbst nur über eine geringe Kennzeichnungskraft verfügen.

Wegen des geringen Schutzumfangs der Widerspruchsmarken besteht zwischen ihnen und der angegriffenen Marke trotz der Übernahme der Bestandteile „[X.]“ in die angegriffene Marke und einer daraus resultierenden gewissen Annäherung der Marken keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

Die Ähnlichkeit der beiderseitigen Marken in ihrer jeweils eingetragenen Form ist in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht, wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, als sehr gering zu bewerten, was bei der geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die Feststellung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr nicht ausreicht.

Der Bestandteil „[X.]“ der angegriffenen Marke ist auch nicht geeignet, deren Gesamteindruck zu prägen und so eine mittelbare Verwechslungsgefahr hervorrufen. Die Eignung zur Prägung des Gesamteindrucks fehlt diesem mit den Widerspruchsmarken übereinstimmenden Bestandteil schon deshalb, weil er für die hier maßgeblichen Waren angesichts seines beschreibenden Charakters nur über eine geringe Kennzeichnungskraft verfügt. Nur wenn eine ältere Kennzeichnung in eine jüngere, aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzte Marke übernommen wird und darin – ohne allein deren Gesamteindruck zu prägen – eine selbständig kennzeichnende Stellung behält und dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck entstehen kann, dass die fraglichen Waren zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmens stammen, kann eine Verwechslungsgefahr gegeben sein. Hierfür müssten allerdings weitere besondere Umstände hinzutreten, die den Bestandteil als eine im Rahmen des [X.] selbständige Kennzeichnung erscheinen lassen. Auf Grund des Charakters der angegriffenen Marke nimmt der Wortbestandteil „[X.]“ in dieser jedoch keine selbständig kollisionsbegründende Stellung ein, weshalb der Durchschnittsverbraucher auch nicht annehmen wird, dass die betreffenden Waren aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen. Die Markenstelle hat zutreffend darauf hingewiesen, dass mit dem weiteren Bestandteil „[X.]“ aus dem geläufigen Begriff „[X.]“ ein Gesamtbegriff eigener Aussage werde. Selbst wenn man davon ausgehen würde, das Publikum übersetze „[X.]“ zwanglos mit „Erbe“, rechtfertigt dies daher entgegen der Ansicht der Widersprechenden nicht die Annahme, man würde an eine Nachfolge der Widerspruchszeichen denken.

Auch eine markenrechtlich relevante begriffliche Verwechslungsgefahr der Marken besteht daher nicht. Die Übereinstimmung von Marken in beschreibenden Begriffen oder an diese angelehnten Bestandteilen reicht für die Annahme einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht aus (st. Rspr.; vgl. [X.] (pat) 113/04 - [X.]/[X.]; 25 W (pat) 34/07 - Sucren/SUKRI-NETTEN). Das gilt insbesondere für Fälle wie den vorliegenden, in denen die Übereinstimmung in einem beschreibenden Bestandteil die einzige Gemeinsamkeit beider Marken, weil das Publikum dann den Marken allenfalls dieselbe beschreibende Aussage entnimmt, die Marken aber nicht demselben Unternehmen zuordnet ([X.] (pat) 113/04 - [X.]/[X.]; [X.] GRUR-Prax 2010, 285, 287 - l Pneus-Online).

Weitere Tatsachen, die eine Verwechslungsgefahr der Marken nahelegen könnten, sind nicht ersichtlich. Daher konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine der am Verfahren beteiligten Parteien (§ 71 Abs. 1 Satz 1 [X.]) besteht nach der Sach- und Rechtslage keine Veranlassung, da die Bedeutung von „[X.]“ unterschiedlich interpretiert werden kann.

Meta

27 W (pat) 67/14

03.02.2015

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.02.2015, Az. 27 W (pat) 67/14 (REWIS RS 2015, 16154)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16154

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