Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2004, Az. VI ZR 46/03

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 4970

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[X.] DES [X.] 46/03Verkündet am:20. Januar 2004Böhringer-Mangold,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]: [X.] §§ 249 [X.], 251, 843; ZPO § 287Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Geschädigter, der infolge einesVerkehrsunfalls querschnittgelähmt ist und von dem Schädiger Ersatz der Ko-sten für den behindertengerechten Umbau seines PKW erhalten hat, auch Er-satz der Kosten für den Umbau seines Motorrades beanspruchen kann.[X.], Urteil vom 20. Januar 2004 - [X.]/03 - [X.] LG Mannheim- 2 -- 3 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 20. Januar 2004 durch die Vorsitzende Richterin [X.], den [X.]. [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zollfür Recht erkannt:Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] [X.] vom 13. Dezember 2002 wird [X.] zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Der Kläger wurde am 20. Juli 1988 als Motorradfahrer bei einem [X.] schwer verletzt und ist seitdem querschnittgelähmt. Er hat [X.] von 400.000 DM erhalten. Durch Urteil vom 20. März 1996 istrechtskräftig festgestellt worden, daß die Beklagte ihm allen künftigen unfallbe-dingten materiellen Schaden zu ersetzen hat. Der Kläger hat vor dem Unfallabwechselnd sowohl seinen Pkw als auch sein Motorrad benutzt. Sein Pkw [X.] dem Unfall auf Kosten der Beklagten behindertengerecht umgebaut [X.]. Der Kläger begehrt nunmehr Ersatz der Kosten für den behindertenge-rechten Umbau seines Motorrades in Höhe von 23.605,32 - 4 -in beiden Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Oberlandesgerichtzugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht ist der Auffassung, das Begehren des [X.] seiauf Ersatz eines Vermögensschadens gerichtet. Diesem Anspruch stehe [X.] vom 11. Juni 1997 über die damals streitgegenständlichenmateriellen Schadensersatzansprüche nicht entgegen, denn bei Abschluß die-ses Vergleichs sei es noch nicht möglich gewesen, ein Motorrad behindertenge-recht umzubauen. Diese Möglichkeit bestehe erst seit dem [X.] Grundla-ge der Leistungspflicht der Beklagten sei das im [X.] ergangene Fest-stellungsurteil. Die [X.] sei das Ergebnis einer zwischenzeitlicheingetretenen technischen Entwicklung. Eine Ersatzpflicht der Beklagten [X.] sich nicht aus § 249 Satz 2 BGB, denn der beabsichtigte Umbau des [X.] diene weder der Wiederherstellung des bei dem Unfall zerstörten Kradesnoch der Wiederherstellung der Gesundheit des [X.]. Vielmehr seien [X.] der Schadensgruppe der vermehrten Bedürfnisse im Sinne von§ 843 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Daß es sich nicht um ständig wiederkehrendeMehraufwendungen handele, stehe dem nicht entgegen, denn in besondersgelagerten Fällen könne ein Mehrbedarf auch durch einen nach den §§ 249,251 BGB einmalig zu leistenden Schadensersatzbetrag abzugelten sein. DerAnspruch des [X.] sei aber deshalb unbegründet, weil die Beklagte bereitsdie Kosten für den behindertengerechten Umbau seines Pkw getragen habe.Ein zusätzlicher Umbau auch des Motorrades sei nicht erforderlich, weil damitkeine maßgeblichen Vorteile als Fortbewegungsmittel verbunden seien. Des-- 5 -halb komme es auch nicht darauf an, ob der Kläger ausgesprochen Freude amMotorradfahren habe und vor dem Unfall sowohl einen Pkw als auch ein Motor-rad genutzt habe.I[X.] angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, daß der Kläger mit seinemBegehren auf Ersatz der Kosten für den behindertengerechten Umbau [X.] einen Vermögensschaden unter dem Gesichtspunkt unfallbedingtvermehrter Bedürfnisse im Sinne von § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB geltend macht.Der Begriff der "Vermehrung der Bedürfnisse" umfaßt nach der [X.] erkennenden Senats alle unfallbedingten Mehraufwendungen, die [X.] haben, diejenigen Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolgedauernder Beeinträchtigung seines körperlichen Wohlbefindens entstehen (Se-natsurteile vom 20. Mai 1958 - [X.]/57 - [X.], 454; vom 30. [X.] - [X.] - [X.], 899; vom 25. September 1973 - [X.] -VersR 1974, 162 und vom 19. Mai 1981 - [X.] - [X.], 238). [X.] sich demnach grundsätzlich um Mehraufwendungen handeln, die [X.] regelmäßig erforderlich sind und die zudem nicht - wie etwa [X.] - der Wiederherstellung der Gesundheit dienen (vgl. Senatsurteile vom19. November 1955 - [X.]/54 - [X.], 22, 23 und vom 19. Mai 1981- [X.] aaO). Zudem umfaßt der Begriff "vermehrte Bedürfnisse" in§ 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB nur solche Mehraufwendungen, die dem Geschädigtenim Vergleich zu einem gesunden Menschen erwachsen und sich daher von denallgemeinen Lebenshaltungskosten unterscheiden, welche in gleicher Weisevor und nach einem Unfall anfallen (Senatsurteil vom 11. Februar 1992- 6 -- [X.] - [X.], 1235, 1236). So kommen als ersatzpflichtige Ko-sten zum Beispiel erhöhte Ausgaben für Verpflegung und Ernährung ([X.] für Kuren und orthopädische Hilfsmittel sowie Pflegekosten [X.] für Haushaltshilfen in Betracht (vgl. [X.], Ersatzansprüche [X.], 8. Aufl., Rdn. 264; [X.], [X.], 784 ff., jeweilsm.w.[X.] diesen wiederkehrenden Aufwendungen können aber auch ein-malige Kosten zu ersetzen sein. So kann in besonders gelagerten Fällen [X.] nach §§ 249, 251 BGB auszugleichen sein, wenn durch die einmaligeAnschaffung eines Hilfsmittels für den Verletzten dessen erhöhtes Bedürfnis fürdie Zukunft in ausreichendem Maße befriedigt werden kann. Diese Vorausset-zung kann etwa bei der Anschaffung eines Rollstuhls für einen Gehunfähigenoder einer elektronischen Schreibhilfe für einen Querschnittgelähmten erfülltsein (Senatsurteil vom 19. Mai 1981 - [X.] - aaO). Im Einzelfall könnenauch die Aufwendungen für den Bau oder Ausbau eines der Behinderung an-gepaßten Eigenheims (Senatsurteil vom 19. Mai 1981 - [X.] - [X.], [X.], 912; [X.], [X.], 1449; OLGStuttgart, [X.], 366) oder die Kosten für die Anschaffung eines Kraft-fahrzeugs ersatzpflichtig sein, nämlich dann, wenn der Verletzte dadurch über-haupt erst in die Lage versetzt wird, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen (Senats-urteil vom 30. Juni 1970 - [X.] - aaO; [X.], [X.], 245).Zu den typischen Aufwendungen, die in § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB unterdem Begriff "Vermehrung der Bedürfnisse" zusammengefaßt sind, können auchverletzungsbedingt erforderliche Mehraufwendungen für Kraftfahrzeuge gehö-ren, z.B. die Kosten für den Einbau von Sonderausrüstungen oder die Ausstat-tung mit einem automatischen Getriebe (Senatsurteil vom 18. Februar 1992- [X.] - [X.], 618, 619). Ob derartige Aufwendungen im Ein-- 7 -zelfall vom Schädiger zu ersetzen sind, ist eine Frage der haftungsausfüllendenKausalität, die gemäß § 287 ZPO der tatrichterlichen Würdigung unterliegt (vgl.Senatsurteil vom 18. Februar 1992 - [X.] - aaO).2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die vom Kläger geltend ge-machten Kosten für den behindertengerechten Umbau seines Motorrades seienkeine "vermehrten Bedürfnisse" und deshalb nicht ersatzpflichtig, läßt keinenRechtsfehler erkennen.Mehraufwendungen des Verletzten sind nur dann vom Schädiger zu er-setzen, wenn die Schädigung zu gesteigerten Bedürfnissen des [X.] hat. Die Ersatzpflicht setzt mithin einen verletzungsbedingten Bedarfvoraus. Dieser kann verschiedene Ursachen haben. Er kann - wie etwa [X.] für Verpflegung oder bei der Anschaffung orthopädischerHilfsmittel - eine unmittelbare Folge der Verletzung sein, er kann sich aber auchdurch Hinzutreten weiterer Umstände ergeben, etwa dadurch, daß der [X.] auf einen Pkw angewiesen ist, um seinen Arbeitsplatz erreichenzu können. In diesem Fall beruhen die vermehrten Bedürfnisse auf dem Mobi-litätsbedürfnis des Geschädigten. Dieser Gesichtspunkt kommt im [X.] nicht zum Tragen, weil der Kläger bereits über einen behindertenge-recht ausgerüsteten Pkw verfügt und ihm die Möglichkeit, daneben auch [X.] zu benutzen, nach den von der Revision nicht angegriffenen Fest-stellungen des Berufungsgerichts keinen maßgeblichen Mobilitätsvorteil [X.] würde.Der Wunsch des [X.], wieder nach Belieben - wie vor dem Unfall -zwischen Pkw und Motorrad wählen zu können, beruht nicht auf seinem Be-dürfnis nach Wiederherstellung seiner früheren Mobilität, sondern entsprichtseinem verständlichen und grundsätzlich auch berechtigten Bestreben nach- 8 -möglichst weitgehender Wiederherstellung der ursprünglichen Lebensqualität.Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß der Geschädigte im Grundsatz sozu stellen ist, wie er ohne das schadenstiftende Ereignis stehen würde. [X.] soll soweit wie möglich einen dem früheren möglichstgleichwertigen Zustand herstellen. Da dies bei irreversiblen körperlichen Beein-trächtigungen nicht möglich ist, hat der Schädiger dafür zu sorgen, daß [X.] Lebensqualität des Geschädigten nicht unter den früheren Standardsinkt ([X.], [X.], 61, 62; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 843Rdn. 39). Dieser Gesichtspunkt vermag im Streitfall jedoch keinen Anspruch [X.] der Kosten auch für den behindertengerechten Umbau des [X.] begründen, zumal die mit der Querschnittlähmung verbundenen Beeinträch-tigungen und Benachteiligungen, zu denen auch die entgangene Freude amMotorradfahren zählt, schon bei der Bemessung des an den [X.] berücksichtigt worden sind.3. Entgegen der Auffassung der Revision gibt der Vortrag des [X.]dazu, weshalb Motorradfahren für ihn gesundheitsfördernd sei, keinen Anlaßzur Einholung eines Sachverständigengutachtens. Sein Vorbringen erschöpftsich in allgemeinen Ausführungen, mit denen sich das Berufungsgericht [X.] hat. Dessen Überlegungen sind aus revisionsrechtlicher Sicht (§ 287ZPO) nicht zu beanstanden.- 9 -III.Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.Müller[X.][X.]PaugeZoll

Meta

VI ZR 46/03

20.01.2004

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2004, Az. VI ZR 46/03 (REWIS RS 2004, 4970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4970

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