Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2015, Az. 1 StR 388/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 11780

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

BES[X.]HLUSS
1
StR 388/13

vom
30.
April
2015
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
zu 1.:
unerlaubten Handeltreibens mit einem Grundstoff, der zur uner-laubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden soll

zu 2.:
Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit einem Grundstoff, der zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwen-det werden soll

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat am 30.
April
2015
beschlossen:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 13.
Februar 2013 aufgehoben.
2. Die weitergehenden
Revisionen werden
verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der [X.],
an eine andere Strafkammer des [X.].

Gründe:
I.
Das [X.] hat die Angeklagte N.

wegen unerlaubten Handel-treibens mit einem Grundstoff, der zur unerlaubten Herstellung von Betäu-bungsmitteln verwendet werden soll (§
19 Abs.
1 Nr.
1 [X.] in Verbindung mit §
3 [X.]) in acht Fällen zu einer (Gesamt)Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagte S.

ist wegen Beihilfe zum un-erlaubten Handeltreiben mit einem Grundstoff, der zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden soll (§
19 Abs.
1 Nr.
1 [X.] in [X.] mit §
3 [X.] und §
27 StGB), zu einer Freiheitsstrafe von zehn Mona-ten verurteilt worden. Die Vollstreckung der gegen diese Angeklagte verhängten Strafe hat das [X.] zur Bewährung ausgesetzt.
1
-
3
-
II.
Den Verurteilungen liegen folgende Feststellungen und Wertungen
zu-grunde:
1.
Zwischen August 2010 und März 2011 erwarb die Angeklagte N.

in acht Fällen in großen Mengen Arzneimittel (Reactine Duo, [X.] und [X.]). Diese enthalten sämtlich [X.]. Die Gesamtmenge Pseu-doephedrin betrug rund 29,5
Kilogramm. Der Erwerb der Medikamente erfolgte in vier Fällen über eine Apotheke in [X.]. In den weiteren Fällen be-schaffte sich die Angeklagte N.

die Medikamente über einen [X.] Staatsangehörigen in [X.]. Sie ließ die Medikamente jeweils unter Mitwir-kung weiterer Personen in die [X.] transportieren. Dort [X.] mit einfachen Mitteln das [X.] aus den Medikamenten extrahiert und anschließend in weiteren, wenig aufwendigen Arbeitsschritten die Droge Methamphetamin daraus hergestellt. Aus der Gesamtmenge von 29,5
Kilo-gramm
[X.] ließen
sich
insgesamt 6,5
Kilogramm
Methampheta-min-Base herstellen. Der Angeklagten
war bei Erwerb und Transport der Medi-kamente nach [X.] die dortige Verwendung zur Herstellung der genann-ten Droge bekannt.
Die Angeklagte S.

hat sich in Kenntnis der im vorstehenden [X.] genannten Umstände an einem der Transporte der Medikamente aus [X.] in die [X.] als Kurierin beteiligt.
2.
Das [X.] hat
das Verhalten der Angeklagten N.

jeweils als Straftat gemäß §
19 Abs.
1 Nr.

r-kehrs mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmit-2
3
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5
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4
-

März 2008,
BGBl.
I S.
306) gewertet. Diese habe entgegen dem in §
3 [X.] enthaltenen Verbot mit einem Grundstoff im Sinne von § 1
Nr.
1 [X.] Handel getrieben, der zur uner-laubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden sollte. Die Transporttätigkeit der Angeklagten S.

hat das [X.] als Beihilfe gemäß §
27 StGB zu einer der von der Angeklagten N.

begangenen [X.] gewertet.
3.
Die Angeklagten wenden sich mit ihren Revisionen gegen ihre jeweili-ge Verurteilung. Sie machen die Verletzung des materiellen Rechts geltend. Die Rechtsmittel haben
weitgehend
Erfolg. Sie
führen zur Aufhebung des angefoch-tenen Urteils, nicht aber der zugrundeliegenden Feststellungen.
III.
Die getroffenen Feststellungen tragen die Schuldsprüche gegen die bei-den Angeklagten nicht. Bei dem Wirkstoff [X.] handelt
es sich, wenn er wie hier Wirkstoff eines Arzneimittels (im Sinne von
Art.
1 Nr.
2 der Richtlinie 2001/83/[X.] und des Rates vom 6.
November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarz-neimittel [[X.]. [X.] Nr. L 311 vom 28.
November 2001 S.
67])
ist, nicht um einen

von §
1 Nr.
1 und §
3 [X.]. Dementsprechend hat die Angeklagte N.

nicht entgegen §
3 [X.] mit einem Grundstoff Handel ge-trieben und den Straftatbestand des §
19 Abs.
1 Nr.
1 [X.]
nicht
verwirklicht. Mangels entsprechender vorsätzlich rechtwidriger Tat
hat sich die Angeklagte S.

durch das Verbringen der [X.] enthaltenden Tabletten
nach [X.]
nicht wegen Beihilfe (§
27 StGB) dazu strafbar gemacht.
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-
5
-
1.
Die Strafvorschrift des §
19 Abs.
1 Nr.
1 [X.] erfordert das [X.] ergangenen Beschluss vom 5.
Dezember 2013 ausgeführt hat,
werden

im Sinne von §
1 Nr.
1 und §
3 [X.]
durch die von den Verordnungen ([X.]) Nr.
273/2004 des Europäi-schen Parlaments
und des Rates vom 11.
Februar 2004 betreffend [X.] ([X.]. [X.] Nr.
[X.] vom 18.
Februar 2004 S.
1 ff.) und Nr.
111/2005 des Rates vom 22.
Dezember 2004 zur Festlegung von Vorschriften für die Überwachung des Handels mit Drogenausgangsstoffen zwischen der Gemein-schaft und Drittländern ([X.]. [X.] Nr.
[X.] vom 26.
Januar 2005 S.
1 ff. sowie Nr.
L 61 vom 2.
März 2006 S.

f-äger/Wittig, Wirtschafts-
und Steuerstraf-recht, 2011, Vorbemerkung zu §§
19 bis 21 [X.] Rn.
3). Der hier in den [X.] enthaltene Wirkstoff [X.] ist im Anhang
I der genannten Verordnungen jeweils als Stoff der Kategorie
1 erfasst (siehe nur
[X.]. [X.]

Nr. [X.]
vom 18.
Februar 2004
S.
7).
Bei den [X.] enthaltenden Medikamenten, mit denen die Angeklagte N.

mit Unterstützung der Ange-klagten S.

Handel getrieben hat, müsste es sich angesichts der Ausle-gung von §
1 Nr.
1 und §

im Sinne der genannten Verordnungen handeln, um von einem
Grundstoff ge-mäß der Strafvorschrift §
19 Abs.
1 Nr.
1 [X.] ausgehen zu können. Das ist jedoch nicht der Fall.
a)
Nach Art.
2 Buchstabe
a) Satz
2 der Verordnung ([X.]) Nr.
273/2004 und Art.
2 Buchstabe
a) Halbsatz
2 der Verordnung ([X.]) Nr.
111/2005 sind un-ter anderem Arzneimittel im Sinne von Art.
1 Nr.
2 der Richtlinie 2001/83/[X.]

Dies ergibt sich aus Folgendem:
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6
-
aa)
Der Senat hat mit Beschluss vom 5.
Dezember 2013 gemäß §
267 Abs.
3 und 4 A[X.]V dem [X.] folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

des [X.] und des Rates vom 6.
November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für [X.], die von den Verordnungen ([X.])
Nr.
273/2004 und ([X.]) Nr.

enthalten, gemäß Art.
2 Buchstabe
a) dieser Verordnungen
stets von deren Anwendungsbereich ausge-nommen, oder ist dies lediglich dann anzunehmen, wenn die [X.] so zusammengesetzt sind, dass sie im Sinne der genannten Verordnungen nicht einfach verwendet oder leicht und wirtschaftlich extrahiert werden kö

bb)
Mit Urteil vom 5.
Februar 2015 (verbundene Rechtssachen [X.]/13 und [X.], [X.]. [X.] 2015 Nr. [X.] 107,
11) hat der [X.] auf das Vorabentscheidungsverfahren hin für Recht erkannt:

2 Buchst.
a der
Verordnung ([X.]) Nr.
273/2004 des [X.] und des Rates vom 11.
Februar 2004 betreffend Drogenausgangsstoffe und der Verordnung ([X.]) Nr.
111/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 zur Festlegung von Vorschriften für die Überwachung des Handels mit Drogenausgangs-stoffen zwischen der [X.] ist dahin auszu-legen, dass ein Arzneimittel im Sinne der Definition von Art.
1 Nr.
2 der Richtlinie 2001/83/[X.] und des Rates vom 6.
November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschafts-10
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7
-
kodexes für Humanarzneimittel in der durch die Verordnung ([X.]) Nr.
1901/2006
des [X.] und des Rates vom 12.
Dezember 2006
geänderten Fassung als solches, selbst wenn es einen in Anhang I der Verordnung Nr.
273/2004 und im Anhang der Verordnung Nr.
111/2005 genannten Stoff enthält, der leicht verwen-det oder leicht und wirtschaftlich extr-

eingestuft werden kann.

cc)
Die Anwendung dieser Rechtsprechung auf die Auslegung
von §
1 Nr.
1, §
3 und §
19 Abs.
1 [X.] schließt es aus, das in den gehandelten bzw. transportierten Medikamenten
Reactine Duo, [X.] und [X.]
enthal-tene [X.] ungeachtet dessen leichter Extrahierbarkeit aus dem [X.] Medikament als

zu bewerten. Angesichts der [X.] des genannten Merkmals des inländischen Rechts
anhand der Ver-ordnungen ([X.]) Nr.
273/2004 und Nr.
111/2005
kann ein Arzneimittel im Sinne Art.
1 Nr.
2 der Richtlinie 2001/83/[X.], zu denen die hier gegenständlichen Me-s-rechts und damit nicht als Grundstoff nach §
1 Nr.
1, §
3 [X.] bewertet werden. Damit fehlt es an gemäß §
19 Abs.
1 Nr.
1 [X.]
straftatbestandsmäßigen Ver-haltensweisen der Angeklagten N.

und an einer darauf bezogenen Beihilfe der Angeklagten S.

.
b)
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben
(§ 349 Abs. 4 StPO).
2.
Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ge-mäß §
353 Abs.
2 StPO bedurfte es nicht. Es liegt lediglich ein Wertungsfehler des [X.]s vor, der sich auf die Feststellungen nicht auswirkt. Der neue 12
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8
-
Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende, den bisherigen nicht [X.] Feststellungen zu treffen.
IV.
Ein Freispruch der Angeklagten durch den Senat gemäß §
354 Abs.
1 StPO kam nicht in Betracht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich in einer neuen Hauptverhandlung für die angeklagten Taten (im Sinne von §§
155, 264 StPO) eine Strafbarkeit der beiden Angeklagten ergeben kann.
1.
Nach den bisher
getroffenen Feststellungen lässt sich wenigstens
eine Strafbarkeit
beider Angeklagten wegen Straftaten nach dem [X.] nicht ausschließen. Sämtliche von der Angeklagten N.

in [X.] und [X.]
erworbenen, [X.] enthaltenden Medikamente wurden in
die
[X.] verbracht, um dort in Methamphetamin umgesetzt zu werden (UA S.
31). Im Fall [X.]) (6) der Urteilsgründe hat der Tatrichter festgestellt, dass von der Angeklagten
N.

in [X.] erworbene 2.500 Packungen des Medikaments [X.] von ihr nach [X.] transportiert und dort u.a. an den gesondert Verfolgten T.

übergeben wurden. Dieser wie-derum brachte die Medikamente zu einer Adresse in der [X.] Ort-schaft L.

. Unter dieser Adresse haben die Strafverfolgungsbehörden
der [X.] [X.]
ein Labor zur Extraktion von [X.] und zu [X.] (UA S.
12). Das [X.] hat sich
zudem

wie angesprochen

insge-samt davon überzeugt, dass die
in den Verkehr gelangten Medikamente zeitnah nach der Lieferung in Methamphetamin umgesetzt und dieses mit Gewinnerzie-lungsabsicht verkauft wurden
(UA S.
31). Alle Beteiligten
hätten dabei von [X.] an billigend in Kauf genommen, dass die gehandelten Tabletten zur Her-15
16
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9
-
stellung von Rauschgift Verwendung finden und dieses anschließend illegal gehandelt werden würde (UA S.
13).
Bereits diese Feststellungen legen die Möglichkeit
einer Strafbarkeit bei-der Angeklagten
zumindest wegen Beihilfe zum jeweils unerlaubten Handeltrei-ben
mit
oder zum Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§
29a Abs. 1 Nr.
2 BtMG) nahe. Dass es sich bei [X.] selbst nicht um einen dem [X.] unterfallenden Stoff handelt, steht nicht entgegen (vgl. [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 7.
Aufl., §
1 Rn.
13).
2.
Bei Prüfung einer nicht von vornherein ausgeschlossenen
Strafbarkeit der Angeklagten
nach den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes ([X.]) wird der neue Tatrichter zu bedenken haben, dass [X.] nach der Anlage 1 zu §
1 Nr. 1 und § 5 [X.] in der für den Tatzeitraum maßgeblichen Fassung vom 21.
Juli 2010 nicht zu den Inhaltsstoffen eines Arzneimittels gehörte, die zu einer Verschreibungspflicht führten.
[X.] Graf Jäger

Radtke
Mosbacher
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Meta

1 StR 388/13

30.04.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2015, Az. 1 StR 388/13 (REWIS RS 2015, 11780)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11780

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