Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2015, Az. 1 StR 426/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 11768

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 426/13

vom
30.
April
2015
in der Strafsache
gegen

wegen

Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit einem Grundstoff, der zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden soll

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat am 30.
April
2015
beschlossen:

1.

Auf die Revision des
Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25.
Februar 2013 aufgehoben.
2.

Die weitergehende Revision
wird
verworfen.
3.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmit-tels,
an eine andere Strafkammer des [X.].

Gründe:
I.
Das [X.] hat den
Angeklagten wegen
Beihilfe zum
unerlaubten Handeltreiben
mit einem Grundstoff, der zur unerlaubten Herstellung von [X.] verwendet werden soll (§
19 Abs.
1 Nr.
1 [X.] in Verbindung mit §
3 [X.])
zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei
Monaten verur-teilt. Die Vollstreckung der Strafe ist
zur Bewährung ausgesetzt
worden.
[X.] hat das [X.] den Verfall

eines Geldbetrages
in Höhe von 200 Eu-ro angeordnet.
1
-
3
-
II.
Folgende Feststellungen und Wertungen
liegen
zugrunde:
1.
Zwischen August 2010 und
März 2011 erwarb die gesondert Verfolgte
N.

in acht Fällen in großen Mengen Arzneimittel ([X.],
[X.] und [X.]). Diese enthalten sämtlich [X.]. Der Er-werb der Medikamente erfolgte in vier Fällen über eine Apotheke in [X.]. In den weiteren Fällen beschaffte sich
Frau
N.

die Medikamente über einen [X.] St[X.]tsangehörigen in [X.]. Sie ließ die Medika-mente jeweils unter Mitwirkung weiterer Personen in die [X.] transportieren. Dort wurde
das [X.]
zu
Methamphetamin verarbei-tet. Der gesondert Verfolgten N.

war bei Erwerb und Transport der Medi-kamente nach [X.] die dortige Verwendung zur Herstellung der genann-ten Droge bekannt.
Der
Angeklagte
hat sich in Kenntnis der im vorstehenden Absatz ge-nannten Umstände an einem der Transporte der Medikamente aus [X.] als Kurier
beteiligt.
Von C.

aus fuhr er mit
den
von Frau N.

zuvor er-worbenen, [X.] enthaltenden
Tabletten
nach [X.]. Dort übergab der Angeklagte auf einem Rastplatz einen
der von ihm transportierten Kartons mit den genannten Medikamenten [X.] und [X.] an unbekannt gebliebene [X.] Abnehmer. Die übrigen Kartons verbrachte er in eine ihm als Lieferadresse genannte Wohnung in [X.]. Dort wurde ihm auch der
vereinbarte Kurierlohn in Höhe von 200 Euro sowie weitere 200 Euro Benzingeld ausgehändigt.
Die von dem Angeklagten transportierten Tabletten enthielten gut 7.400 Gramm [X.]. Daraus konnten rund 1.640 Gramm Methamphetamin-Base hergestellt werden
([X.] S.
23).
Der Angeklagte 2
3
4
-
4
-
rechnete damit, dass die von ihm transportierten Tabletten zur Herstellung von Betäubungsmitteln dienen könnten, und billigte dies ([X.] S.
7).
2.
Das [X.] hat
das Verhalten der gesondert Verfolgten
N.

jeweils als Straftat gemäß §
19 Abs.
1 Nr.

des Verkehrs mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäu-

März 2008,
BGBl.
I S.
306) gewertet. Diese habe entgegen dem in §
3 [X.] enthaltenen Verbot mit einem Grundstoff im Sinne von §
1
Nr.
1
[X.] Handel getrieben, der zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden sollte. Die Transporttätigkeit des Angeklagten
hat das [X.] als Beihilfe gemäß
§
27 StGB zu einer der von Frau
N.

begangenen Straftaten gewertet.
3.
Der Angeklagte
wendet
sich
mit der allgemeinen Sachrüge gegen das Urteil. Das
Rechtsmittel hat
weitgehend
Erfolg. Es
führt
zur Aufhebung des an-gefochtenen Urteils, nicht aber der zugrundeliegenden Feststellungen.
III.
Die getroffenen Feststellungen tragen den
Schuldspruch
nicht.
Es [X.] bereits an einer (Haupt)Tat gemäß §
19 Abs. 1 Nr.
1 [X.]
der gesondert Verfolgten N.

, zu der der Angeklagte durch die [X.] hat.
Bei dem Wirkstoff [X.] handelt
es sich, wenn er wie hier Wirkstoff eines Arzneimittels (im Sinne von Art.
1 Nr.
2 der Richtlinie 2001/83/[X.] und des Rates vom 6.
November 5
6
7
8
-
5
-
2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel [[X.]. [X.] Nr. L 311 vom 28.
November 2001 S.
67])
ist, im Sinne von §
1 Nr.
1 und §
3 [X.]. Dementsprechend hat die gesondert Ver-folgte
N.

nicht entgegen §
3 [X.] mit einem Grundstoff Handel getrieben und den Straftatbestand des §
19 Abs.
1 Nr.
1 [X.]
nicht
verwirklicht.
1.
Die Strafvorschrift des §
19 Abs.
1 Nr.
1 [X.] erfordert das Handel-bereits in seinem in der [X.] u.a. gegen die gesondert Verfolgte N.

ergangenen Beschluss vom 5.
Dezember 2013
(1
StR
388/13)
ausgeführt hat,
werden die von dem Straftat-

im Sinne von §
1 Nr.
1 und §
3 [X.]
durch die von den Verordnungen ([X.]) Nr.
273/2004 des [X.]
und des Rates vom 11.
Februar 2004 betreffend Drogenausgangsstoffe ([X.]. [X.] Nr.
[X.] vom 18.
Februar 2004 S.
1 ff.) und Nr.
111/2005 des Rates vom 22.
Dezember 2004 zur Festlegung von Vorschriften für die Überwachung des Handels mit Drogenausgangsstoffen zwischen der Gemeinschaft und Drittlän-dern ([X.]. [X.] Nr.
[X.] vom 26.
Januar 2005 S.
1 ff. sowie Nr.
L 61 vom 2.
März 2006 S.

[X.] in [X.]/[X.]/[X.], Wirtschafts-
und Steuerstrafrecht, 2011, Vorbe-merkung zu §§
19 bis 21 [X.] Rn.
3). Der hier in den Arzneimitteln enthaltene Wirkstoff [X.] ist im Anhang
I der genannten Verordnungen jeweils als Stoff der Kategorie
1 erfasst (siehe nur [X.]. [X.]
Nr. [X.] vom 18.
Februar 2004
S.
7).
Bei den [X.] enthaltenden Medikamenten, mit denen die gesondert Verfolgte N.

mit Unterstützung des
Angeklagten Handel ge-trieben hat, müsste es sich angesichts der Auslegung von §
1 Nr.
1 und §
3 [X.] anhand des [X.] handeln, um von
einem
Grundstoff gemäß der Strafvorschrift §
19 Abs.
1 Nr.
1 [X.] ausgehen zu können. Das ist jedoch nicht der Fall.
9
-
6
-
a)
Nach Art.
2 Buchstabe
a) Satz
2 der Verordnung ([X.]) Nr.
273/2004 und Art.
2 Buchstabe
a) Halbsatz
2 der Verordnung ([X.]) Nr.
111/2005 sind un-ter anderem Arzneimittel im Sinne von Art.
1 Nr.
2 der Richtlinie 2001/83/[X.]

Dies ergibt sich aus Folgendem:
[X.])
Der Senat hat mit
dem genannten
Beschluss vom 5.
Dezember 2013
in der Sache 1
StR 388/13
gemäß §
267 Abs.
3 und 4 A[X.]V dem [X.] folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

des [X.] und des Rates vom 6.
November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für [X.], die von den Verordnungen ([X.])
Nr.
273/2004 und ([X.]) Nr.

enthalten, gemäß Art.
2 Buchstabe
a) dieser Verordnungen stets von deren Anwendungsbereich ausge-nommen, oder ist dies lediglich dann anzunehmen, wenn die [X.] so zusammengesetzt sind, dass sie im Sinne der genannten Verordnungen nicht einfach verwendet oder leicht und wirtschaftlich extrahier

bb)
Mit Urteil vom 5.
Februar 2015 (verbundene Rechtssachen [X.]/13 und [X.], [X.]. [X.] 2015 Nr. [X.], 11) hat der [X.] auf das Vorabentscheidungsverfahren hin für Recht erkannt:

2 Buchst.
a der Verordnung ([X.]) Nr.
273/2004 des [X.] und des Rates vom 11.
Februar 2004 betreffend Drogenausgangsstoffe und der Verordnung ([X.]) Nr.
111/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 zur Festlegung von 10
11
12
-
7
-
Vorschriften für die Überwachung
des Handels mit Drogenausgangs-stoffen zwischen der [X.] ist dahin auszu-legen, dass ein Arzneimittel im Sinne der Definition von Art.
1 Nr.
2 der Richtlinie 2001/83/[X.] und des Rates vom 6.
November 2001 zur Schaffung eines [X.] in der durch die Verordnung ([X.]) Nr.
1901/2006 des [X.] und des Rates vom 12.
Dezember 2006 geänderten Fassung als solches, selbst wenn es einen in Anhang I der Verordnung Nr.
273/2004 und im Anhang der Verordnung Nr.
111/2005 genannten Stoff enthält, der leicht verwen-det oder leicht und wirtschaftlich extr-

eingestuft werden kann.

cc)
Die Anwendung dieser Rechtsprechung auf die Auslegung von §
1 Nr.
1, §
3 und §
19 Abs.
1 [X.] schließt es aus, das in den gehandelten bzw. transportierten Medikamenten
[X.], [X.] und [X.]
enthal-tene [X.] ungeachtet dessen leichter Extrahierbarkeit aus dem je-weiligen Medi

zu bewerten. Angesichts der [X.] des genannten Merkmals des inländischen Rechts
anhand der Ver-ordnungen ([X.]) Nr.
273/2004 und Nr.
111/2005
kann ein Arzneimittel im Sinne Art.
1 Nr.
2 der Richtlinie 2001/83/[X.], zu denen die hier gegenständlichen Me-s-rechts und damit nicht als Grundstoff nach §
1 Nr.
1, §
3 [X.] bewertet werden. Damit fehlt es an gemäß §
19 Abs.
1 Nr.
1 [X.]
straftatbestandsmäßigen Ver-haltensweisen der gesondert Verfolgten
N.

und an einer darauf bezoge-nen Beihilfe des
Angeklagten.
13
-
8
-

b)
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben
(§ 349 Abs. 4 StPO).

(gemeint ist Verfall des [X.], vgl. [X.] S.
25)
eines Geldbetrages in Höhe von 200 Euro. Der Anord-nung fehlt mit dem Wegfall des Schuldspruchs die Grundlage.
2.
Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ge-mäß §
353 Abs.
2 StPO bedurfte es nicht. Es liegt lediglich ein Wertungsfehler des [X.] vor, der sich auf die Feststellungen nicht auswirkt. Der neue Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende, den bisherigen nicht [X.] Feststellungen zu treffen.
IV.
Ein Freispruch des
Angeklagten durch den Senat gemäß §
354 Abs.
1 StPO kam nicht in Betracht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich in einer neuen Hauptverhandlung für die angeklagte Tat
(im Sinne von §§
155, 264 StPO) eine Strafbarkeit
ergeben kann.
1.
Nach den bisher
getroffenen Feststellungen lässt sich wenigstens
eine Strafbarkeit
des
Angeklagten wegen
Beihilfe zu einer Straftat
nach dem [X.] nicht ausschließen. Sämtliche von der gesondert Verfolgten
N.

in [X.] und Ungarn
erworbenen, [X.] enthaltenden Medikamente wurden in
die
[X.] verbracht
und dort zu
Me-thamphetamin verarbeitet ([X.] S.
9).
Das [X.] hat weiter
festgestellt, dass von der gesondert Verfolgten
N.

in Ungarn erworbene 2.500 Pa-14
15
16
17
-
9
-
ckungen des
Medikaments [X.] von ihr nach [X.] transportiert und dort u.a. an den
ebenfalls
gesondert Verfolgten T.

übergeben wurden. Dieser wiederum brachte die Medikamente zu einer Adresse in der [X.]n Ort-schaft L.

. Unter dieser Adresse haben
die Strafverfolgungsbehörden
der [X.] Republik
ein Labor zur Extraktion von [X.] und zu [X.] ([X.] S.
8 f.). Das [X.] hat sich
zudem

wie angesprochen

insge-samt davon überzeugt, dass die
in den Verkehr gelangten Medikamente zeitnah nach der Lieferung in Methamphetamin umgesetzt und dieses mit Gewinnerzie-lungsabsicht verkauft wurde
([X.] S.
9). Alle Beteiligten hätten dabei von Anfang an billigend in Kauf genommen, dass die gehandelten Tabletten zur Herstellung von Rauschgift Verwendung finden und dieses anschließend illegal gehandelt werden würde ([X.] S.
9).
Bereits diese Feststellungen legen die Möglichkeit einer Strafbarkeit des
Angeklagten (zumindest)
wegen Beihilfe zum jeweils unerlaubten Handeltreiben
mit
oder zum Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§
29a Abs. 1 Nr.
2 BtMG) nahe. Dass es sich bei [X.] selbst nicht um ei-nen dem [X.] unterfallenden Stoff handelt, steht nicht ent-gegen (vgl. [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 7.
Aufl., §
1 Rn.
13).
18
-
10
-

2.
Bei Prüfung einer nicht von vornherein ausgeschlossenen
Strafbarkeit des
Angeklagten
nach den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes ([X.])
bzw. der Beihilfe zu einer solchen Straftat
wird der neue Tatrichter zu bedenken ha-ben, dass [X.] nach der Anlage
1 zu §
1 Nr.
1 und §
5 [X.] in der für den Tatzeitraum maßgeblichen Fassung vom 21.
Juli 2010 nicht zu den [X.] eines Arzneimittels gehörte,
die zu einer Verschreibungspflicht führ-ten.
[X.][X.] [X.]

Radtke Mosbacher
19

Meta

1 StR 426/13

30.04.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2015, Az. 1 StR 426/13 (REWIS RS 2015, 11768)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11768

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 99/14 (Bundesgerichtshof)


1 StR 388/13 (Bundesgerichtshof)


1 StR 426/13 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit einem zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln geeigneten Grundstoff: …


1 StR 388/13 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubtes Handeltreiben mit einem Grundstoff für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln: Pseudoephedrin als Grundstoff nach …


1 StR 99/14 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmittelgrundstoffen: Pseudoephedrin als Grundstoff zur Herstellung von Betäubungsmitteln


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.