Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.12.2022, Az. 6 StR 468/22

6. Strafsenat | REWIS RS 2022, 8559

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Tenor

Auf die Revision des Angeklagten A.        wird das Urteil des [X.] vom 9. August 2022 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten A.        wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Während die sachlich-rechtliche Nachprüfung des Urteils im Schuld- und im Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, erweist sich die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt als rechtsfehlerhaft.

3

Der [X.] hat hierzu ausgeführt:

„Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Februar 2021 – 6 StR 18/21 […]). Der Beeinträchtigung der Gesundheit oder der Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen kommt zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zu, deren Fehlen schließt ihn jedoch nicht aus (vgl. Senat, Beschluss vom 23. März 2021 – 6 [X.]/21 […]). Gleiches gilt für drogenfreie Intervalle (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Juni 2021 – 6 StR 212/21 […]) und für einen Mangel ausgeprägter Entzugssymptome (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Juni 2018 – 2 StR 200/18, juris Rn. 4).

Daran gemessen drängt sich hier ein Hang des Angeklagten nachgerade auf.

Nach den Feststellungen ist der 27-jährige Angeklagte seit dem [X.]. Zunächst kam er mit Haschisch und [X.] in Berührung, sodann mit Methamphetamin (‚Crystal‘), welches er schnupfte und rauchte, zuletzt ca. 0,5 Gramm. (…) Bis zu seiner Inhaftierung am 12. November 2021 konsumierte er vier bis fünf Gramm Marihuana täglich, manchmal auch Kokain und [X.]. (…) Das Ergebnis seiner Haarprobe weist auf einen regelmäßigen bis häufigen Konsum von Methamphetamin sowie einen gelegentlichen Umgang mit Cannabisprodukten, Cocain und [X.] hin. Ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen liegt bei dem Angeklagten eine Abhängigkeitserkrankung von Stimulanzien und Cannabinoiden vor.

Darüberhinaus ist für das Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang des [X.] zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und seiner Anlasstat nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für diese gewesen ist; es genügt, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 27. November 2018 – 3 [X.], [X.], 265). Ein solcher Zusammengang ist typischerweise gegeben, wenn die Straftat unmittelbar und mittelbar der Beschaffung von Drogen für den Eigenkonsum gedient hat oder dazu dienen sollte (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Juni 2021 – 6 [X.], NStZ-RR 2021, 244, 245 […]). Das war vorliegend der Fall; denn der Angeklagte nahm seine [X.] nicht nur um ihrer selbst willen wahr, sondern auch, um hierdurch einen – wenngleich geringen – Anteil an Methamphetamin für sich zu erlangen.“

4

Dem schließt sich der Senat an.

5

2. Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausscheidet, bedarf die Frage der Anordnung der Maßregel (§ 64 StGB) – naheliegend unter Hinzuziehung eines neuen Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) – einer neuen tatrichterlichen Entscheidung.

6

Der Rechtsfehler lässt den Strafausspruch unberührt. Es ist auszuschließen, dass das [X.] bei einer Anordnung der Unterbringung auf eine mildere Strafe erkannt hätte.

Sander     

  

Tiemann     

  

Wenske

  

Fritsche     

  

Arnoldi     

  

Meta

6 StR 468/22

13.12.2022

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 9. August 2022, Az: JKI KLs 355 Js 21410/21 jug

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.12.2022, Az. 6 StR 468/22 (REWIS RS 2022, 8559)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8559

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