Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2012, Az. XI ZB 8/12

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3345

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI
ZB 8/12

vom

11. September
2012

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.]
Grüneberg, Maihold
und
Pamp sowie die Richterin Dr.
Menges

am 11.
September
2012

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde
der Klägerin gegen den
Beschluss des 17.
Zivilsenats des [X.] am Main
vom 27.
Januar
2012
wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert
beträgt
158.179,14

.

Gründe:
I.
Die [X.]en streiten um die Kaufpreiszahlung aus einer Vielzahl von Wertpapiergeschäften, die sie nach ihren Darlegungen jeweils als Kommissi-onsgeschäft für ihre eigenen Kunden getätigt haben. Das [X.] hat mit Urteil vom 29.
Juli
2011, zugestellt am 4.
August
2011,
die
Zahlungsklage der Klägerin gegen die Beklagte abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin fristgemäß Berufung eingelegt.
Mit Verfügung vom 4.
Oktober 2011 verlängerte der Vorsitzende des [X.] die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum 4.
November 2011. Mit Schriftsatz vom 11.
Oktober 2011 beantragte die Kläge-1
2
-
3
-
rin im Einverständnis mit der Beklagten im Hinblick auf mehrere Parallelverfah-ren das Ruhen des Verfahrens. Nach einem Telefonat mit dem Vorsitzenden des [X.] wiederholte die Klägerin mit Schriftsatz vom 4.
November 2011 den [X.] und beantragte "vorsorglich"
die Verlängerung der [X.] bis zum 5.
Dezember 2011. Mit Verfügung vom 4.
No-vember 2011 gab der Vorsitzende dem Verlängerungsantrag statt. Mit [X.] vom 8.
November 2011 ordnete das Berufungsgericht das Ruhen des Verfahrens an; einen Hinweis auf §
251 Satz
2 ZPO enthielt der Beschluss nicht. Abschriften der Verfügung und des Beschlusses wurden den [X.] am 14.
November 2011 zugestellt. Am 27.
Dezem-ber 2011 wies der Vorsitzende des [X.] die
Prozessbevollmächtig-ten der Klägerin telefonisch darauf hin, dass die Berufungsbegründungsfrist versäumt worden sei, weil das Ruhen des Verfahrens keinen Einfluss auf den Ablauf der Frist habe. Mit Schriftsatz vom 12.
Januar 2012, beim Berufungsge-richt eingegangen am 13.
Januar 2012, begründete die Klägerin die Berufung und beantragte vorsorglich gegen die Versäumung der Berufungsbegründungs-frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27.
Januar
2012
hat das [X.] die
Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen
und ihren [X.] auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Beschluss vom 8.
November 2011, mit dem das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden sei, habe gemäß §
251 Satz
2 ZPO auf den Lauf der Berufungsbegründungsfrist keinen Einfluss gehabt. Der Antrag der Klägerin auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens sei nicht zugleich als Antrag auf Verlängerung der [X.] auszulegen gewesen. Der Antrag vom 11.
Oktober 2011 [X.] keinen Bezug zu einer weiteren, d.h. über die bereits bis zum 4.
November 2011 gewährte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf. Der Antrag 3
-
4
-
vom 4.
November 2011 habe eine Fristverlängerung ausdrücklich nur bis zum 5.
Dezember 2011 umfasst, so dass für eine Auslegung des Antrags, die Frist-verlängerung werde bis zum Zeitpunkt des (ungewissen) Endes
des Ruhens des Verfahrens begehrt, kein Raum sei. Aufgrund dessen seien die Berufung der Klägerin infolge Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unzulässig und ihr
Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO i.V.m.
§
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraus-setzungen des §
574 Abs.
2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müs-sen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29.
Mai 2002 -
V
ZB 11/02, [X.]Z 151, 42, 43, vom 4.
Juli 2002 -
V
ZB 16/02, [X.]Z 151, 221, 223 und vom 7.
Mai 2003 -
XII
ZB 191/02, [X.]Z 155, 21, 22), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des [X.] zur Si-cherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Fall
2 ZPO) nicht erforderlich.
1. Der Beschluss des Berufungsgerichts geht im Einklang mit der höchst-richterlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Frist zur Begründung der Berufung nicht eingehalten und deswegen die Berufung der Klägerin
unzulässig ist. Das Berufungsgericht hat dabei entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht weder die für die Auslegung von [X.] gel-tenden Regeln missachtet noch das Recht der Klägerin
auf effektiven Rechts-schutz (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. [X.], NJW 2003, 281) oder auf rechtliches Gehör verletzt.
4
5
-
5
-
a) Die Berufung der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der in §
520 Abs.
2 Satz
1 ZPO bestimmten Frist begründet worden ist. Die Anord-nung des Ruhens des Verfahrens hat den Lauf dieser Frist nach §
251 Satz
2, §
233 ZPO nicht beeinflusst.
b) Der Verwerfung der Berufung steht nicht entgegen, dass das [X.] nicht über eine Verlängerung der [X.] hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3.
Februar 1988 -
IVb
ZB 19/88, NJW-RR 1988, 581 und vom 5.
April 2001 -
VII
ZB 37/00, NJW-RR 2001, 931). Das Berufungsgericht ist vielmehr zu Recht davon ausgegangen, dass die Klä-gerin keinen solchen Antrag gestellt hat. Insbesondere ist deren Antrag auf [X.] des Verfahrens nicht zugleich als Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung auszulegen.
aa) Bei Auslegung einer Prozesserklärung darf eine [X.] nicht am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festgehalten werden, sondern es ist davon auszugehen, dass sie mit ihrer Prozesshandlung das erreichen
will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. [X.], Urteile vom 24.
November 1999 -
XII
ZR 94/98, [X.], 1446, vom 17.
Mai 2000 -
VIII
ZR 210/99, [X.], 1512, 1514 und vom
16.
September 2008 -
VI
ZR 244/07, [X.], 751 Rn.
11; Senatsbeschluss vom 10.
November 2009 -
XI
ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275 Rn.
9 [X.]). Dabei bestimmen allerdings, was die [X.] übersieht,
nicht allein die tatsächlichen Interessen der erklärenden [X.] das Verständnis der abgegebenen Erklärung. Vielmehr müssen sich diese aus den im Zeitpunkt der Erklärung äußerlich in Erscheinung tretenden Umständen ersehen lassen. Maßgebend ist unter Beachtung der durch die gewählte [X.] gezogenen Auslegungsgrenzen der objektiv zum Ausdruck kommen-de Wille des Erklärenden ([X.], Beschlüsse vom 15.
März 2006 -
IV
ZB 38/05, 6
7
8
-
6
-
NJW-RR 2006, 862 Rn.
13, vom 30.
Mai 2007 -
XII
ZB 82/06, [X.], 3640 Rn.
26 und vom 10.
November 2009 -
XI
ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275 Rn.
9 [X.]).
[X.]) Nach diesen Grundsätzen eröffnet, wie das Berufungsgericht rechts-fehlerfrei festgestellt hat, bereits der Wortlaut des Antrags der Klägerin und der Inhalt der beiden Schriftsätze vom 11.
Oktober 2011 und vom 4.
November 2011 keinen
Raum für eine Auslegung als doppelte Prozesserklärung, die so-wohl auf die Anordnung des Ruhens des Verfahrens als auch auf die Verlänge-rung
der Berufungsbegründungsfrist gerichtet ist. Dagegen spricht bereits, dass der Schriftsatz vom 11.
Oktober 2011 lediglich einen Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens beinhaltet
hat, während der Schriftsatz vom [X.] 2011 -
nach einem Telefonat des Vorsitzenden des [X.] mit den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin
-
neben dem erneut gestellten [X.] auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens zusätzlich einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist -
wenn auch nur bis zum 5. De-zember 2011
-
enthalten hat. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Antrag der Klägerin auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens in beiden Schriftsätzen nicht zugleich auch im Sinne einer doppelten
Prozesserklärung einen weiteren Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist über den 5.
Dezember 2011 hinaus umfasst
hat. Die von der Rechtsbeschwerde bevorzugte Ausle-gung, der Schriftsatz vom 4.
November 2011 habe neben dem ausdrücklich gestellten -
befristeten
-
Verlängerungsantrag daneben einen weiteren konklu-dent gestellten und zudem keinen festen Endtermin benennenden Antrag ent-halten, ist fernliegend.
Dagegen
spricht auch nicht, dass in dem Schriftsatz vom 4.
November 2011 die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nur "vorsorglich"
[X.] worden ist. Ob
damit die Zeit zwischen dem Ablauf der ersten Fristverlän-9
10
-
7
-
gerung am 4.
November 2011 und der Entscheidung über den [X.] überbrückt werden sollte
oder ob die Klägerin im Hinblick auf den Ausgang an-hängiger Parallelverfahren noch abwarten wollte, ob die Berufung überhaupt durchgeführt wird, mag dahinstehen.
Jedenfalls war -
wie auch aus den sonsti-gen Umständen
-
für das Berufungsgericht nicht
erkennbar, dass die Klägerin mit ihren Schriftsätzen vom 11.
Oktober 2011 und vom 4.
November 2011 nicht nur die Anordnung des Ruhens des Verfahrens, sondern zudem eine Verlänge-rung der Berufungsbegründungsfrist über den 5.
Dezember 2011 hinaus [X.]. Es mag zwar damals ein Interesse der Klägerin
bestanden haben, aus Kostengründen zunächst von einer Begründung der Berufung abzusehen. Nachdem das Berufungsgericht die Berufungsbegründungsfrist mit Verfügung des Vorsitzenden vom 4.
November 2011 antragsgemäß bis zum 5.
Dezember 2011 verlängert hatte, hat für die Klägerin indes nach Zugang des Ruhensbe-schlusses im Hinblick auf §
251 Satz 2 ZPO Anlass bestanden, noch rechtzeitig
einen erneuten Fristverlängerungsantrag zu stellen.
Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Klägerin die Fristverlängerung und den Ruhensbeschluss mit derselben Post erhalten hat. Daraus musste sie
den Schluss ziehen, dass das Berufungsgericht das Ruhen des Verfahrens unabhängig
vom Lauf der Beru-fungsbegründungsfrist angeordnet hat.
cc) Das Berufungsgericht befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.], so dass auch aus diesem Grund die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.] erfordert. In der Rechtsprechung des [X.] wird ein Antrag auf Ruhen des Verfahrens für sich genommen nicht zugleich als Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist für eine Berufung aufgefasst (vgl. [X.], Beschlüsse
vom 28.
September 2000 -
V
ZB 35/00, NJW-RR 2001, 572 und vom 10.
November 2009 -
XI
ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275 Rn.
12 [X.]).
Diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht, das bei seiner Würdigung 11
-
8
-
auch die Umstände des vorliegenden Falles bedacht hat, seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
2. Das Berufungsgericht hat auch rechtsfehlerfrei die von der Klägerin begehrte Wiedereinsetzung in die
versäumte Berufungsbegründungsfrist [X.].
Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruht, anders als die Rechtsbeschwerde meint,
auf einem schuldhaften Versehen der [X.] (§
85 Abs.
2 ZPO). Diese haben ersichtlich die Re-gelung des §
251
Satz
2 ZPO übersehen. Dass das Berufungsgericht darauf -
etwa in dem Beschluss vom 8.
November 2011, mit dem das Ruhen des [X.] angeordnet worden ist
-
nicht ausdrücklich hingewiesen hat, entschul-digt die Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht. Ein Rechtsanwalt muss die Gesetze, insbesondere die Bundesgesetze, kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Juli 1993 -
V
ZB 20/93, NJW 1993, 2538, 2539 [X.]). Im Hinblick auf die Regelung des §
251 Satz
2 ZPO gilt dies umso mehr, als das Ruhen des Verfahrens von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin selbst beantragt worden ist.
Es bedarf daher auch keiner Prüfung, ob das Berufungsgericht die Klä-gerin bzw. ihre Prozessbevollmächtigten auf die Vorschrift des §
251 Satz
2 ZPO ausdrücklich hätte hinweisen müssen. Ein etwaiges Versäumnis des [X.]s wäre nicht geeignet, das Verschulden der Klägerin auszuräumen. Denn deren Prozessbevollmächtigte mussten -
wie bereits dargelegt
-
die Rechtslage kennen oder sich diese Kenntnis rechtzeitig verschaffen. Etwas [X.] gilt nur dann, wenn eine irrige Rechtsauffassung vom Gericht veranlasst und hierdurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde (vgl. [X.], NJW 2004, 2887, 2888; [X.], Urteil vom 15.
Dezember 2010 -
XII
ZR 27/09, NJW 12
13
14
-
9
-
2011, 522 Rn. 30
ff. [X.]; [X.], Beschluss vom 26.
März 1996 -
VI
ZB 1/96 und VI
ZB
2/96, [X.], 1900, 1901). Für einen solchen Vertrauensschutz ist indes im vorliegenden Fall kein Raum. Dies wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht geltend gemacht.

[X.]
Grüneberg
Maihold

Pamp
Menges
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.07.2011 -
3-14 O 9/11 -

O[X.], Entscheidung vom 27.01.2012 -
17 [X.] -

Meta

XI ZB 8/12

11.09.2012

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2012, Az. XI ZB 8/12 (REWIS RS 2012, 3345)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3345

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